Eine »unheimliche« Mischung - Dämonenkiller – Die Taschenbücher: Coco und der Dämon von Venedig
Coco und der Dämon von Venedig
Coco und der Dämon von Venedig
Im Prolog erhält der Maler Tizian nachts Besuch von einer unheimlichen Gestalt, die ihn hypnotisiert. Er soll sein Model, die Spanierin Elenora Gonzala, mit einem bestimmten Ring malen und das Gemälde am 15. Mai 1535 fertig haben.
Coco reist nach Wien, wo sie im Museum die nächste Botschaft Merlins erwartet. Aus Tizians Bild spricht der Magier zu ihr. Sie soll in die Vergangenheit nach Venedig reisen und den Ring holen. Also reist sie nach Venedig. Bevor sie aber aufbrechen kann, forderte sie der Vampir Pietro Salvatori zu einem magischen Duell auf Leben und Tod. Dafür hat sie im Moment nun wirklich keine Zeit.
Also reist sie erst einmal in die Vergangenheit ins Jahr 1535. Der Zeitschacht befindet sich außerhalb der Lagunenstadt. Auf dem Rückweg wird die durch die Zeitreise geschwächte Coco erst einmal von Räubern verschleppt. Mit ihrer wiedererstarkten Magie kann sie sich befreien. Aber dadurch verpasst sie den Stichtag, an dem sie Tizian hatte treffen sollen.
Sie tritt als eine Baronesse aus Österreich auf und besuchte den Maler. Sie erfährt, dass Elenora Gonzala eine Kurtisane ist. Coco lernt ein paar Adelige kennen, die ihr natürlich sofort den Hof machen. Aber bei dem Gelage erfährt sie, dass Elenora in der vergangenen Nacht entführt wurde. Mittlerweile die achte Kurtisane, die verschleppt wurde. Will Coco den Ring haben, muss sie die Frau finden.
Coco mietet sich ein Haus, verkleidet sich als Mann und beginnt mit ihren Nachforschungen. Sie will die nächste Entführung verhindern. Hilfe kommt in Form einer von Merlin geschickten Katze, die Leonardo heißt und von dem Zauberer beeinflusst worden ist.
Bei der nächsten Entführung ist sie dabei und entdeckt, dass sie es mit Untoten zu tun hat. Die Spur führt zu Carlo Tribolo, einen mächtigen Mann, der dem Rat der Zehn angehört. Anscheinend lässt er die Kurtisane verschwinden. Coco bastelt sich ein paar magische Waffen, darunter auch Gift sowie magisches Pulver, das explodieren kann.
In Tribolos Palast stößt sie auf seine Frau, die wahnsinnig schöne Xenia – die auf dem Titelbild dargestellt sein soll –, die sich als Schlangendämon entpuppt. Von denen keiner weiß, wo sie eigentlich herkommen. Xenia erweist sich als unverletzbar, aber am Ende kann Coco sie mit ihrem magischen Sprengstoff in die Luft jagen. Von ihrem geschockten Mann erfährt sie, dass Xenia die Kurtisanen an die Türken weiterreicht hat, mit denen sie in engem Kontakt stand.
Mit diesen Informationen verschafft sich Coco von einem ihrer neuen Freunde ein Schiff, um die Übergabe der Kurtisanen zu verhindern und doch noch an den Ring zu kommen, bevor Elenora in irgendeinem Harem verschwindet. Nach einer kurzen Seeschlacht rettet Coco die Frauen. Das macht sie in Venedig zur Heldin. Sie wäre gerne länger geblieben, muss aber mit dem Ring, dessen Fähigkeiten sie noch nicht kennt, zurück in die Gegenwart.
Nun fällt ihr wieder das bevorstehende Duell mit dem Vampir ein. Ihr wird klar, dass Pietro Salvatori irgendeine fiese Falle vorbereitet, und reist eine Woche in die Zukunft. Dort suchte sie erst einmal Hilfe bei ihrer Familie. Schnell bemerkt sie, dass sie von einem starken Zauber attackiert wird. Sie hat Schmerzen. Ihre Familie bringt sie im magisch abgeschirmten Castello della Malizia unter, wo sie erst einmal in Sicherheit ist. Fortsetzung folgt.
Und wieder reist Coco in die Vergangenheit, um Merlins Schnitzeljagd weiter fortzuführen. Diesmal geht es um einen geheimnisvollen Ring, den die Welt seit Jahrhunderten auf dem Bild von Tizian bewundern darf.
Das ist eine nette Idee, und Kurt Luif hatte ja schon zuvor etliche Dämonenkiller-Romane geschrieben, die in der Epoche spielten. Wir erinnern uns, dass ja schon Michele da Mosto, die Renaissance-Wiedergeburt des Dämonenkillers, aus Venedig stammte.
Thema und Epoche lagen dem Autor offensichtlich, waren die Romane auch mit der zu der Zeit bereits einsetzenden Bremsung in allen Horrordingen größtenteils gelungen. Auch wenn da jeder Fan sicherlich seine Favoriten hat, gehörte Michele da Mosto zu der am besten realisierten Vergangenheitsfigur der Serie. Was sicherlich nicht zuletzt an der Epoche lag, die für jeden Phantastik-Autor, der auch nur einen Funken Talent hat, ein wahres Füllhorn an Ideen und Möglichkeiten bietet. Was man später so schmerzlich vermisst hat.
Das Exposé ist genau wie der Vorband relativ schlicht gehalten und im Verlauf der Arbeit kräftig ausgebaut worden. Weder gab es die Rahmenhandlung in der Gegenwart, auch viele der Geschehnisse in der Vergangenheit wurden später entwickelt. Teilweise ist das echte Zeilenschinderei, um auf die Länge zu kommen. Die Episode mit der Entführung am Anfang ist für die Handlung ohne Belang, auch wenn sie nett erzählt ist. Hier kann Luif seine Heldin als starke Frau in einer Männerwelt auftrumpfen lassen, sowohl als liebreizende Baronesse aus Österreich mit ausladendem und reichlich erwähntem Dekolleté wie auch als Mann verkleideter Teufelskerl mit einem Degen.
Der Roman liest sich wesentlich runder als der Vorgänger, dass die ganze Zeitreisethematik letztlich wenig schlüssig ist, haben wir schon im Vorband festgestellt. Das ist hier nicht anders. Coco bleibt sich treu in jeder Beziehung, damit sie auch weiterhin als moralisches Korrektiv funktionieren und sämtliche Unbill der Vergangenheit bei Bedarf verurteilen kann. Verständlicherweise kommt der geschichtliche Hintergrund nie über Heftromanniveau hinaus, der Kampf der Italiener beziehungsweise der Republik Venedig gegen die Türken bleibt auf ein paar Daten beschränkt. Aber das ist wie gesagt verständlich, und Luifs Beschreibungen des alten Venedig sind ganz gelungen. Wie zuvor bleibt die Gegenwart natürlich diffus, die Handlung könnte genauso gut Anfang der 80er spielen.
Die Bezeichnung Horror-Fantasy, wie es so schön im Exposé heißt, trifft natürlich genau zu. Schon von der Anlage her wird bewusst drumrumerzählt, wenn es mal um finstere Magie oder schreckliche Dämonen/Untote geht. Witzigerweise hat sich daraus, wenn man es einmal genauer analysiert, so ein ganz bestimmtes Kokettieren mit der Thematik entwickelt. In einer kurzen Szene am Anfang tritt im Haus der Zamis ein junges Mädchen auf, Dagmar Rohrer, das sogar im Exposé steht und dort kurz und knapp als Georgs "Betthäschen" bezeichnet wird. Im Roman steht dann dort lediglich: "Sie war hypnotisiert worden, eine Sklavin, die willenlos jeden Wunsch meines Bruders erfüllen würde." Dagmar tut hier aber nichts anderes, als die Suppe zu servieren und breit zu gucken. Coco ist natürlich angewidert vom Verhalten ihres Bruders. Das Thema wird danach nicht mehr aufgegriffen, und es bleibt der Fantasie des Lesers überlassen, was damit letztlich ausgesagt wird.
Im Klartext: Horrorthemen werden angedeutet, aber nie weiter thematisiert. Erst recht nicht, wenn es um die als unheilig betrachtete Verbindung von Sex und Gewalt geht. Aber ganz ohne geht es auch nicht, sonst wäre die Suppe zu fad, also beschränkt man sich auf ein paar dezente Andeutungen. Wie sehr es zumindest Kurt Luif in den Fingern gejuckt haben muss, aus diesem engen Rahmen mal auszubrechen, blitzt immer mal wieder auf. Am Ende der Venedig-Ebene des Romans "artete das Fest aber in eine ziemlich wüste Orgie aus […] und als ich die ersten Pärchen sah, die sich ungeniert liebkosten und sich der körperlichen Liebe hingaben, war es Zeit für mich zu gehen", erzählt da Coco. Natürlich ist es das, brave Hexen wie unsere Heldin tun so etwas nicht. Die kurz angedeutete und völlig unexplizite Szene erfüllt zu diesem Zeitpunkt keinen Zweck mehr. Warum also der Kostümporno?
Wie Uwe Schnabel so schön dokumentiert hat, indem er Originalmanuskript und Veröffentlichung verglich, hat Luif oft mit dieser Vorgehensweise gespielt und mal ausgetestet, was ihm das Lektorat wohl streicht. Im Vorband war es die für die damalige Zeit in der Tat explizite Sexszene beim Keltenbankett mit dem Blowjob unter dem Tisch oder die SS-Folterszene. Es ist in der Tat ein Kokettieren mit Darstellungen, die hier nicht (mehr) reingehören.
Das ganze Coco-Konzept von der guten Hexe in einer bösen Welt war von Anfang an ein Drahtseilakt, der seine heftigen Widersprüche am erfolgreichsten angeht, indem er sie ignoriert. Das klingt jetzt Negativer, als es gemeint ist. Wie hätte man dieses Thema, das letztlich so viele Möglichkeiten zu einer vielschichtigen Charakterisierung und einer echten Heldenreise bietet, im Heftroman bei einer Endlosserie auch sonst anpacken sollen? Erst recht in einem Umfeld, das nach 1976 eine halbwegs ernsthafte Darstellung von Horrorthemen durch Selbstzensur verbot.
Nun ist dieser Widerspruch im Konzept Horrorheft ja nun wahrlich nicht neu. Im Fall des Dämonenkillers ist er nur besonders interessant. Der Erfolg der Serie kann nicht allein an den oft doch sehr konventionell konstruierten Geschichten gelegen haben; vor allem fasziniert die Weltenschöpfung, die Ernst Vlcek und Kurt Luif hier zustandegebracht haben. Vielleicht war es ihnen selbst gar nicht so bewusst, wie vielschichtig das Konzept am Ende war und was man unter anderen Umständen daraus hätte machen können.
Manchmal traute sich der Dämonenkiller, seine vorwiegend jungen Leser über Dinge aus der realen Welt zu informieren, ob nun über die Hexenprozesse – wofür die Serie beim Indizierungsvorgang auch angefeindet wurde – oder wie in diesem Fall die Kunst. Der Aufhänger der Geschichte ist ein Gemälde von Tizian. "Mädchen im Pelz" steht auch heute noch im Museum in Wien.
Das ist der letzte von Lutohins mehr oder wenigen erotisch angehauchten Beiträgen zur Coco-Serie. Wie überzeugend seine Frauen sind, ob nun leicht bekleidet oder nicht, bleibt Geschmackfrage.
Aber es ist eine Szene aus dem Roman. Der Schlangendämon im – für die Zeit eher untypisch – Negligé. Im Hintergrund steht dann der Markusturm.
Copyright © by Andreas Decker
Kommentare
Naja, an Tizian kommt Lutohins nicht ran, aber mit den satten Farben hatte er es ja auch.