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Flaggschiffe, Flottenkadetten und Flops Folge 16: Der kosmische Schachspieler

  Mini- und Subserien bei Terra und UtopiaFlaggschiffe, Flottenkadetten und Flops
Folge 16:
Der kosmische Schachspieler
Klassische SF-Kurzserien von A. E. van Vogt

Von den Fünfzigern bis in die Achtziger hinein gab es SF auch in zahlreichen Reihen. Herausragend dabei die ›Marken‹ »Utopia« und »Terra«. Für viele der erste Kontakt mit der Science Fiction bzw. dem ›utopischen Roman‹. In diesen Reihen erschienen zahlreiche Sub- und Miniserien.

Diese werden in den kommenden Wochen einmal etwas genauer betrachtet ...

Die tote SonneJohn W. Campbell jr., der Jahrzehnte lang Herausgeber des amerikanischen SF-Magazins „Astounding Stories“ war, versammelte rund um dieses Magazin eine Reihe hervorragender Autoren. Er brachte nicht nur ihre Erzählungen heraus, sondern nahm mit seinen Ideen großen Einfluss auf die Geschichten. So wären Asimovs Robotergesetze ohne Campbell wohl nicht entstanden. Einer der Autoren aus dieser Riege, dessen Stern in den späten dreißiger und in den vierziger Jahren besonders hell strahlte, war A. E. van Vogt (1912 – 2000). Neben seinen Kollegen Isaac Asimov, Robert A. Heinlein und Arthur C. Clarke wird er als einer der Hauptautoren dieses „Goldenen Zeitalters der Science Fiction“ betrachtet. Seine Geschichte „Black Destroyer“, in „Astounding“ im Juli 1939 erschienen, war dafür symptomatisch. Diese Erzählung über das aggressive außerirdische Katzenwesen Coeurl, das die Mannschaft des Forschungsschiffes „Space Beagle“ bedroht, war der Auftakt zu drei weiteren Geschichten, die 1950 gesammelt und mit Zwischentexten verbunden zum berühmten Werk „The Voyage of the Space Beagle“ vereinigt wurden. Das Raumschiff, dessen Name bewusst in Anlehnung an Darwins Beagle gewählt wurde, ist auf einer Forschungsreise unterwegs, die es bis in unsere Nachbargalaxis M33 führt. Held dieses Episodenromans ist der menschliche Wissenschaftler Eliot Grosvenor, der mit seiner fächerübergreifenden Wissenschaft des Nexialismus den Fachidioten weit überlegen ist und Mittel gegen die scheinbar übermächtigen außerirdischen Bedrohungen findet. Dabei ist der Einfluss von Oswald Spenglers Werk „Der Untergang des Abendlandes“ unübersehbar, denn die außerirdischen Wesen sind alle in bestimmten Stadien der gesellschaftlichen Entwicklung ihrer Spezies, und daher liegt der Schlüssel für ihre Abwehr auch darin, diese Entwicklungsstufe herauszufinden. Grosvenor wird dabei durch den japanischen Historiker an Bord unterstützt. Nicht nur van Vogt ließ sich von Spenglers Werk inspirieren, sondern auch andere berühmte Kollegen wie Isaac Asimov und James Blish. Das Motiv aus der zweiten Geschichte „Discord in Scarlet“ mit dem Fremdwesen Ixtl, das Eier in Menschen legt, in dessen Folge sich die sich entwickelnden Jungwesen durch ihren Wirt nach außen durchfressen, wurde Jahrzehnte später für den Film „Alien“ wiederverwendet. Van Vogt gewann einen Prozess gegen die Filmproduzenten und bekam eine Entschädigung für die Verwendung „seiner“ Idee. Diese Entschädigung wäre allerdings eher den real existierenden Schlupfwespen zugestanden.

Van Vogt verstand es, die fremden Lebewesen so vorzustellen, dass einem kalte Schauer über den Rücken laufen:

Ixtl trieb reglos in der grenzenlosen Nacht. Langsam schritt die Zeit zur Ewigkeit, und der Weltraum war unergründlich schwarz. Über die Unendlichkeit hinweg glimmten vage Lichtflecken aus allen Richtungen kalt zu ihm herüber: Jeder von ihnen, so wußte er, war ein Spiralnebel von flammenden Sternen, durch die unfaßbare Entfernung zu leuchtenden Dunstwirbeln zusammengeschrumpft. Dort draußen gab es Leben; es blühte auf den Myriaden von Planeten, die endlos um ihre Muttersonnen kreisten. Wie auf ihnen, so war auch auf dem alten Glor einst das Leben aus dem Urschlamm gekrochen – lange bevor eine kosmische Explosion seine eigene mächtige Rasse vernichtete und seinen Körper weit in die intergalaktischen Tiefen hinausschleuderte.

Nach seiner Niederlage gegen die Menschen sah das folgendermaßen aus:

Müde und trostlos schleppte sich die Zeit zur Ewigkeit. Ixtl schwebte bewegungslos und ohne Hoffnungen in der grenzenlosen Nacht. Er mußte an die jungen Ixtls denken, die jetzt niemals geboren werden würden, und an das Universum, das ihm wegen seiner Fehler verlorengegangen war.

beide Zitate aus: A. E. van Vogt: Weltraum-Expedition der „Space Beagle", AWA Verlag, 1961

Nach dem schwarzen Verheerer Coeurl und dem Alien-Prototypen Ixtl müssen sich Grosvenor und die anderen Wissenschaftler der „Space Beagle“ in den beiden weiteren Episoden mit den Geisteskräften der vogelähnlichen Rimm und der Anabis, einer gasförmigen Intelligenz von der Ausdehnung eines galaktischen Nebels, auseinandersetzen.

Der unglaublichre PlanetZu den bedeutendsten Werken van Vogts gehört auch der Ischer-Zyklus mit den beiden Romanen „Die Waffenhändler von Isher“ und „Die Waffenschmiede von Isher“ über ein Kaiserreich in ferner Zukunft, in der die Waffenschmiede als permanente Opposition ein Gegengewicht zu den totalitären Tendenzen der kaiserlichen Regierung der Herrscherin Innelda geschaffen haben. Jedermann hat das Recht, in einem der Waffenläden eine Waffe zu erwerben, diese zu Selbstverteidigungszwecken einzusetzen und das Rechtssystem der Waffenschmiede zu nutzen, das parallel zu den staatlichen Strukturen besteht. Das hört sich für einen Europäer wie eine Gratiswerbung für die National Rifle Association an, ist aber ein interessanter Hintergrund für eine komplexe Handlung. In dieser spielt ein Unsterblicher, Robert Hedrock, der vor Jahrtausenden sowohl Gründer des Imperiums als auch der Organisation der Waffenschmiede war und über die Menschheit wacht, die Hauptrolle. Der erste der beiden Bände beginnt mit einem Knalleffekt, eigentlich mit einer vorangestellten Kurzgeschichte namens „Die Wippe“, in welcher der Reporter McAllister in die Fronten zwischen der Kaiserin und den Waffenhändlern gerät. Mit Zeitenergie aufgeladen, fängt er an, zwischen Zukunft und Vergangenheit zu pendeln:

Weiter, weiter, weiter jagte die Wippe; hier schimmerte die Welt leuchtend in ihrer Jugend, dort dämmerte sie in unvorstellbarem Alter. Voraus klaffte schwarz die Unendlichkeit. Ganz plötzlich kam ihm in den Sinn, daß er wußte, wo die Wippe anhalten würde. Sie würde in der fernen Vergangenheit zum Stehen kommen, mit der Freisetzung der unvorstellbaren Zeitenergie, die er bei jedem gewaltigen Schwung gespeichert hatte. Er würde die Entstehung der Planeten nicht erleben - er würde sie bewirken.

zitiert aus: A. E. van Vogt, Ischer, Heyne BSF 73, 1989

Mit solchen Szenen lässt uns van Vogt wortgewaltig den „Sense of Wonder“ spüren, der in den besten Werken der Science Fiction steckt.

Der unglaublichre PlanetRobert Hedrock steht zwischen dem Kaiserhaus und den Waffenschmieden (obwohl er offiziell für die Waffenschmiede arbeitet) und arbeitet daran, das Gleichgewicht der Kräfte aufrecht zu erhalten. Nachdem ihn die Waffenschmiede in Gefangenschaft nehmen, weil sie Zweifel an seiner Identität bekommen haben, befreit er sich selbst durch ein zweites Ich, das er er durch eine Zeitreise erschaffen hat, und heiratet die Kaiserin Innelda, die eine entfernte Nachfahrin von ihm ist. Gleichzeitig sucht der Raumfahrer Neelan die Todesursache seines vermeintlich toten Zwillingsbruders Gilbert, mit dem er eine geistige Verbindung hatte, die plötzlich abgerissen ist. Er findet heraus, dass Gil nicht tot ist, sondern mit einem neu konstruierten Raumschiff mit Überlichtantrieb eine Reise ins Centaurus-System gemacht hat, und verlässt auf der Suche nach ihm ebenfalls das Sonnensystem. Er wird von spinnenartigen unsterblichen Außerirdischen gefangen, die ihn als Untersuchungsobjekt benutzen. Sie wundern sich über die Gefühle und das uneigennützige Verhalten von Neelan und geben seinem Bruder das Leben zurück, der auf dem Centaurus-Planeten umgekommen ist. Mit ihrem riesigen Raumschiff reisen sie ins Sonnensystem weiter und setzen ihre Studien auf der Erde fort, wo Innelda bei der Geburt des Thronfolgers gestorben ist. Sie rufen auch Innelda ins Leben zurück. Durch den neuen Sternenantrieb steht der Menschheit der Weg zur Kolonisierung der Galaxis offen. Der Roman schließt mit den Gedanken der Spinnen: „Soviel haben wir in Erfahrung gebracht: Auf diese Gattung wartet die Herrschaft über das Sevagramm.“

Die tote SonneUm einen weiteren Menschen mit beinahe übermenschlichen Fähigkeiten geht es auch im Zweiteiler über das „Atom-Imperium“. In ferner Zukunft, etwa 10000 Jahre von jetzt entfernt, wird in die Herrscherfamilie von Linn ein Kind geboren, das durch die Strahlung vom Tempel der Atomgötter mutiert und körperlich missgestaltet ist. Der Junge Clane wird nicht getötet, weil die Atompriester sehen wollen, was mit dem Kind passiert, wenn es als einer der ihren ausgebildet wird. Clane entwickelt sich zu großer geistiger Stärke und nimmt eine Anzahl von Studien auf. Als Jugendlicher hilft er seinem Vater, einen Krieg gegen den Mars zu gewinnen. Als sein Großvater, der regierende Lordführer, stirbt, wird Clane das Ziel von Anschlägen seiner Stiefgroßmutter Lady Lydia, die ihren eigenen Sohn aus erster Ehe als neuen Lordführer durchsetzen will. Bei einem Krieg zwischen dem Imperium von Linn und venusianischen Rebellen dringt Clane in die Ruinen einer antiken Stadt auf der Venus vor. Mit den dort gefundenen Waffen der Atomgötter entscheidet Clane den Krieg für die Erde und kehrt mit seinen mächtigen Entdeckungen zurück. Nicht nur einem Angehörigen einer Zivilisation, die das technologische „Erbe des Atoms“ vergessen hat und Fragmente der überkommenen Technik ohne eigenes Verständnis davon nutzt, sondern auch einem Leser von heute kommt die folgende Schilderung wahrscheinlich wie Zauberei vor:

In einem gut bewachten Raum eines entlegenen Vorortes von Linn rollte ein Energiekern behäbig auf seinem schmalen Pfad hin und her. Im gesamten Sonnensystem gab es nichts, das dieser Kugel gleichkam. Sie sah klein aus, aber das war eine Sinnestäuschung. Auf kosmische Strahlung und Atomenergie reagierte sie wie ein unersättlicher Schwamm. Submolekulare Energie, die in ihrer Gegenwart freigesetzt wurde, konnte ihr nicht entkommen. Und in dem Augenblick, in dem sie ihre eigene seltsame Form kritischer Masse erreichte, konnte sie in allem, was sie berührte, eine Mesonenkettenreaktion auslösen. Die große Frage, die sich Clane stellte und die sich vor ihm die Alten gestellt hatten, nachdem sie diese bemerkenswerte Eigenschaft beobachten hatten, war: Bedeutete dies, daß … der Mensch das Universum kontrollierte, oder umgedreht, das Universum den Menschen?

 zitiert aus: A. E. van Vogt, Das Atom-Imperium, Bastei SF Special 24045, 1983

Das Imperium von Linn wird trotz Clanes Warnungen durch einen überraschenden Angriff von Barbaren vom Jupitermond Europa eingenommen, die den herrschenden Lord Ratgeber töten. Clane zwingt aber mit der Energiekugel von der Venus Czincar, den Anführer der Barbaren, zur Aufgabe. Dieser zeigt ihm die Leiche eines Außerirdischen einer Spezies, von der Czinzcar glaubt, dass sie Tausende Jahre vorher den Untergang der menschlichen Zivilisation verursacht hatte.

Der unglaublichre PlanetDamit hat „Der Zauberer von Linn“ eine weitere schwierige Aufgabe am Hals. Ein Raumschiff wird entdeckt, das von diesen Invasoren, der Rasse der Riss, stammt, und die Erde angreift. Clane kann mit seiner Wunderwaffe die Besatzung eliminieren und das Schiff übernehmen. Er nennt es „Solarstern“ und fliegt mit seiner Besatzung, die sich zu einem großen Teil aus den Barbaren von Europa samt ihrem Anführer Czinzcar besteht, zu einem 65 Lichtjahre entfernten Sonnensystem. Dort finden sie seltsame Menschenabkömmlinge mit PSI-Fähigkeiten, die mit den Riss friedliche Handelsbeziehungen pflegen. Nachdem sie die Koordinaten eines Sonnensystems der Riss erfahren haben, setzen sie ihre Weltraumreise dorthin fort, bauen einen Brückenkopf auf und kehren nach Entdeckung von Menschen, die unter der Planetenoberfläche leben, und einer weiteren Energiekugel wie der vom Mars ins Sonnensystem zurück. Dort übernimmt Clane die Herrschaft und besiegt mit der Waffe, deren Möglichkeiten er durchschaut hat und die ihm die Herrschaft über das Universum gibt, die Riss, die in der Zeit seiner Abwesenheit das Sonnensystem besetzt und Millionen von Menschen ausgelöscht haben. Die beiden Romane beziehen interessante Momente aus dem Spannungsfeld zwischen den technischen Hinterlassenschaften einer untergegangenen Zivilisation, die den Flug zu den Sternen ermöglichen, und einer feudalen Gesellschaftsordnung, in der mit Schwertern gekämpft wird und Sklaven gehalten werden. Bemerkenswert sind auch die Streitgespräche zwischen Clane und dem Barbarenführer Czinzcar über Politik und Krieg. Als Vorbild für die Handlung von „Das Erbe des Atoms“ wurde der historische Roman „Ich Claudius, Kaiser und Gott“ von Robert Graves identifiziert.

Die tote SonneDas umstrittenste Werk van Vogts ist der Null-A-Zyklus um Gilbert Gosseyn, der ursprünglich aus den beiden Romanen „Welt der Null-A“ und „Kosmischer Schachzug“ bestand und Jahrzehnte später noch mit „Der dritte Gosseyn“ erweitert wurde. Theoretisches Gedankengebäude hinter der verzwickten und teilweise konfusen Handlung ist die „Allgemeine Semantik“ Alfred Korzybskis, von der eine non-aristotelische Logik abgeleitet wird. Gosseyn ist ein Wortspiel von „go sane“, also geistig gesund zu werden. In diesem Fall geht es um die komplette Ausnutzung der geistigen Kräfte, die im Menschen schlummern. Gosseyn nimmt an den Spielen teil, die von einem riesigen Computer durchgeführt werden. Es wird festgestellt, dass seine Identität falsch ist. Er ist aber zuerst von ihrer Echtheit überzeugt und begibt sich dann, als auch ihm selbst Zweifel an seiner eigenen Erinnerung kommen, auf die Suche nach seinem wahren Ich. Er hat einen zusätzlichen Gehirnteil und mehrere Körper, die in Verbindung zueinander stehen. Als er getötet wird, wacht er im anderen Körper auf der Venus, der „Welt der Null-A“ auf. Die sukzessive immer bessere Beherrschung des Zusatzgehirns führt dazu, dass er übermenschliche Fähigkeiten wie die Teleportation entwickelt. Die Venus wird von der Invasion eines galaktischen Reiches erschüttert, und die Non-A-Menschen wehren sich mit zunehmendem Erfolg gegen die scheinbar unbesiegbare Übermacht. Gosseyn greift mit immer größeren Kräften in das Spiel ein. Gleichzeitig ist er auf der Suche nach der Antwort auf die Frage: Wer ist der kosmische Schachspieler hinter den ganzen Rätseln?

Fieberhaft machte er sich auf die Suche nach Rasiercreme. Er fand eine Tube im Waschraum am Ende des Flurs. Mit zitternden Händen verrieb er sie auf dem stillen, toten Gesicht. Der Bart löste sich leicht in ein Handtuch. Gosseyn kniete da und blickte auf ein Gesicht herunter, das älter war, als er gedacht hatte, fünfundsiebzig, möglicherweise achtzig Jahre alt. Es war ein unverkennbares Gesicht, das bereits an sich Antworten auf viele Fragen gab. Hier, daran konnte es keinen Zweifel mehr geben, lag das reale Ziel seiner Suche greifbar vor seinen Augen. Das Gesicht war sein eigenes.

Schlussabsatz aus: A. E. van Vogt, Null-A, Heyne Bibliothek der Science Fiction-Literatur 58, 1986

Die tote SonneDer zweite Roman „Kosmischer Schachzug“ bringt das Spiel endgültig auf die galaktische Ebene. Das Glanzvollste Reich, von dessen Gewaltherrscher Enro auch die Invasion der Venus ausgegangen ist, greift mit massiven Kräften die Galaktische Liga an, dessen größtes Mitglied es ist, um endgültig die Oberherrschaft über die anderen galaktischen Menschenvölker zu gewinnen. Wie im ersten Band sind „Die kosmischen Schachspieler“ nur zum Teil bekannt, und ihre Pläne werden erst nach und nach klar. Wer ist der Anhänger, die geheimnisvolle Schattengestalt, die Gosseyn in eine vermeintlich ausweglose Falle lockt? Wer ist „Der schlafende Gott“? Ist er ein anderes Ich von Gosseyn, welcher ohne sein Zutun in den Körper eines enterbten Prinzen versetzt wird? Die Zeit wird knapp, als Enro den Befehl gibt, die störrischen Bewohner des Solsystems mit atomaren Waffen zu beseitigen. Aber Gosseyns geistige Kräfte sind weiter gewachsen ...

Die tote SonneIm Abschlussband wacht ein weiterer Körper Gosseyns (III), angeschlossen an ein Lebenserhaltungssystem, in einer Kapsel im interstellaren Raum auf. Er wird sich der Tatsache bewusst, dass er ein weiteres Ich von Gosseyn ist und nimmt mit diesem (II) geistigen Kontakt auf. Seine Kapsel wird von Menschen aus dem Volk der Dzan eingefangen, die in einem Riesenraumschiff mit 187000 Mann Besatzung unter der Herrschaft eines Kindkaisers im Leerraum treiben. Die Dzan sind in der Ursprungsgalaxis verbliebene Abkömmlinge eines Volkes, das vor Jahrmillionen in der „Großen Wanderung“ mit mehr als zehn Milliarden Raumschiffen die Milchstraße besiedelt hatte und dem auch das ursprüngliche Ich Gosseyns, Lavoisseur, angehörte. Sie sind im Krieg gegen die Troog, eine Mutantenspezies, die von Menschen abstammt, und von denen ebenfalls ein Schiff durch Gosseyns Geisteskräfte in die Nähe versetzt wird. „Der dritte Gosseyn“ gewinnt die Freundschaft des Kindkaisers, erkennt, wie das Herrschaftssystem der Troog funktioniert und setzt dann dem seit zwei Millionen Jahren andauernden Krieg zwischen Dzan und Troog ein Ende.

Die tote SonneIch erspare Ihnen und mir eine noch detailliertere Handlungsbeschreibung, denn speziell im ersten Band hat es manchmal den Anschein, als hätte irgendwann der Autor selbst nicht mehr gewusst, wie es weitergeht. Null-A ist typisch für das Dilemma, vor dem man bei van Vogt steht und weswegen er auch ein kontrovers beurteilter Autor ist. Da sind auf der einen Seite unvergleichlich schöne, poetische, packende Textpassagen, von denen in diesem Artikel einige zitiert werden und eine Fülle von Ideen. Auf der anderen Seite gibt es bis zum Exzess Übermenschentum mit Fähigkeiten, die nur mehr die Allmachtsfantasien eines Pubertierenden befriedigen können, und die es einigermaßen rational denkenden Leser unmöglich machen, diese Supermänner als Identifikationsfiguren zu sehen. „Was kostet das Universum? Was, soviel? Nein, dann mache ich mir ein neues!“ Das Zitat ist von mir, nicht von van Vogt, aber im Roman „The Universe Maker“ gibt es tatsächlich einen Protagonisten, der diese Fähigkeit entwickelt. Ein weiterer Kritikpunkt sind auch unglaubwürdige Technikkonstrukte wie die lächerliche Energiekugel in „Das Erbe des Atoms“, in der das ganze Universum enthalten ist. Diese erinnert an die gleichermaßen infantile Superwaffe AKKA in Jack Williamsons „Weltraum-Legion“, über die wir uns in der letzten Folge amüsieren konnten.

Der unglaublichre PlanetWie kaum ein anderer Autor war van Vogt ein Meister des „Fixing Up“, der Zusammenfassung und Überarbeitung verschiedener Kurzgeschichten zu Romanen. Eine große Anzahl seiner Romane sind auf diese Art entstanden, nicht bei allen so gelungen wie bei der „Space Beagle“. Van Vogts Stern verblasste in den fünfziger Jahren, als er sich in die Dianetik-Geschichte seines Exkollegen L. Ron Hubbard verstrickte, er stieg aber aus, als daraus Scientology wurde. Die Werke, die er nach seinem Comeback als Schriftsteller in seinen späteren Lebensjahren vorlegte, darunter auch der dritte Null-A-Roman, erzielten bei weitem nicht mehr die Wirkung wie seine Klassiker aus den Vierzigern. Das Hauptthema, das sich durch den großen Teil der Werke van Vogts durchzieht, ist die Entwicklung des Menschen zum Übermenschen durch verschiedene Methoden und Fähigkeiten, die im jeweiligen Protagonisten sukzessive geweckt werden. Darunter sind Wissenschaftsgebiete wie der Nexialismus und Geschichtswissenschaft (Space Beagle), die non-aristotelische Logik (Null-A-Zyklus), Zeitsprünge (Der Zeitspieler), Unsterblichkeit (Das Haus der Unsterblichen), übermenschliche Intelligenz (Intelligenzquotient 10000) oder aus Mutationen hervorgehende PSI-Kräfte (Slan). Letztens passt auch die Dianetik-/Scientology-Thematik dazu.

Die tote SonneIn Deutschland wurden alle vorgestellten Werke van Vogts in Heftausgaben in Utopia (Space Beagle) und den Terra-Reihen (Ischer, Null-A und Atom-Imperium) veröffentlicht. Drei der Magazinversionen der Space-Beagle-Geschichten kamen auch in verschiedenen Anthologien heraus. Die Ischer-Romane waren neben van Vogts Mutantenroman „Slan“ und Asimovs „Foundation“ die Spitzenwerke in der Reihe Terra Sonderband. Die Null-A-Romane hatten auch eine Leihbuchausgabe, die vom damaligen Studenten und späterem Politologieprofessor Rainer Eisfeld übersetzt wurden. Dieser zeichnete dann Jahrzehnte später auch für die Neuausgaben von „Space Beagle“, „Ischer“ und „Null-A“ in der Heyne Bibliothek der Science Fiction Literatur verantwortlich. Er übersetzte dafür alle Werke neu und versah sie mit informativen Vor- und Nachwörtern. Dank dieser tollen Ausgaben, die selbst in dieser absoluten Spitzenreihe der Science Fiction in Deutschland ihresgleichen suchen, ist das Hauptwerk van Vogts vorbildlich auf Deutsch veröffentlicht und dokumentiert. Weit mehr als nur Lesefutter!

Der unglaublichre PlanetVan Vogts Verwirrspiele mit Bewusstseinsebenen haben andere Autoren wie Philip K. Dick nachweislich beeinflusst, auch bei Filmen wie „Matrix“ vermeint man Anklänge an van Vogt zu bemerken, „Alien“ haben wir bereits erwähnt. Sein Stil und manche Inhalte waren auch Vorbild für deutschsprachige Autoren. Jesco von Puttkamer finanzierte sich sein Studium in den fünfziger Jahren teilweise durch das Übersetzen von SF-Romanen. Darunter war neben einigen anderen Werken van Vogts auch die Erstausgabe der „Space Beagle“ im Utopia Großband unter dem Titel „Unternehmen Milchstraße“. Puttkamer schrieb auch einige bemerkenswerte eigene Romane. Einer davon war „Die Reise des schlafenden Gottes“, die sich beinahe wie eine fünfte Episode der „Space Beagle“ liest. Außerdem gibt es für den „Schlafenden Gott“ als Vorbild eine zentrale Figur gleichen Namens in „Kosmischer Schachzug“. Nach Beendigung seines Studiums ging Puttkamer zu Wernher von Braun in die USA nach Huntsville und war dann viele Jahre für die NASA tätig. In Deutschland blieb er durch Sachbücher und Fernsehsendungen, vor allem zu Raumfahrtthemen, bekannt. Den Kontakt zur SF-Szene behielt er aber weiterhin und so lieferte er für die Star Trek-Anthologie „The New Yoyages“ die Geschichte „The Sleeping God“ ab, die eine überarbeitete Fassung des Schlussteils des erwähnten Romans von 1960 ist, in der die Namen der handelnden Personen durch die der Enterprise-Darsteller ausgetauscht wurden und aus dem Raumschiff TELLUS natürlich die ENTERPRISE wurde. In Folge 29 werden wir uns mit der Enterprise-Serie befassen. Perry Rhodan-Autor Ernst Vlcek war ein weiterer Autor, bei dem speziell in seinen Anfangsjahren als Schriftsteller der Einfluss van Vogts spürbar war, und der mit dem Ezialismus einen Klon des Nexialismus schuf. Vlceks Kurzserien werden in Folge 23 vorgestellt.

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Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2016-12-01 07:53
Rainer Eisfeld identifiziert Poes "The Fall of the House of Usher" als indirekte Vorlage für den Isher-Zyklus, worauf auch die anagrammatisch verwürfelten Namen der Hauptfiguren Robert Hedrock und Innelda Isher verweisen.
Zu den Epigonen van Vogts können auch Lin Carter (Time War (1974), dt. Der Zeitkämpfer) und Charles L. Harness (The Paradox Man (1949/1953), dt. Der Mann ohne Vergangenheit) gerechnet werden - wobei Carter sich im Laufe seiner Karriere meistens in der Tradition von Robert E. Howard und Edgar Rice Burroughs (und vielen anderen 8) ) bewegt hat.
#2 AARN MUNRO 2016-12-01 09:43
Bei PR hatte nicht nur Vlcek sondern auch HGE den Ezialismus/Nexialismus verwendet...im deutschen Fandom kursierte übrigens damals eine Wanderserie "Die Abenteuer der Schmelztiegel"...eine Parodie auf die Space Beagle...zur Info: bei Wanderserien wurde die Handlung von Autor zu Autor geschickt (damals per Schneckenpost) und jeder schrieb ein paar Seiten Fortsetzung und strickte die Geschichte weiter...solange, wie man Lust hatte...dank der verschiedenenen Stile gab es oft überraschende Wendungen...schöner Artikel...danke dafür!
#3 Andreas Decker 2016-12-01 11:35
Vorbildlicher Artikel.

Eisfelds Ausgaben sind in der Tat ein Meilenstein. Es gibt nichts Vergleichbares. Eine echte Schande, dass sie nicht mehr lieferbar sind. (Auch wenn das verständlich ist.) Jedesmal, wenn ich wieder eine suboptimale Neuausgabe sehe, muss ich an diese Bände denken.

Kennt man die Romane, fragt man sich, was da als Heft noch übrig blieb. Wenn es nicht so viel Arbeit wäre, sollte man die Ausgaben mal vergleichen. Ist bestimmt aufschlussreich.

zitiere Heiko Langhans:
Zu den Epigonen van Vogts können auch Lin Carter [...] gerechnet werden - wobei Carter sich im Laufe seiner Karriere meistens in der Tradition von Robert E. Howard und Edgar Rice Burroughs (und vielen anderen 8) ) bewegt hat.


Das hast du nett ausgedrückt :lol: Carter war ein begnadeter und fleißiger Nachahmer, aber hat er je eine eigenständige Idee gehabt konzeptmäßig? Trotzdem, er hat als Herausgeber die klassische Fantasy in Amerika hoffähig gemacht, das muss man ihm hoch anerkennen.
#4 Larandil 2016-12-01 13:45
zitiere Andreas Decker:
Carter war ein begnadeter und fleißiger Nachahmer, aber hat er je eine eigenständige Idee gehabt konzeptmäßig? Trotzdem, er hat als Herausgeber die klassische Fantasy in Amerika hoffähig gemacht, das muss man ihm hoch anerkennen.

Ich erinnere mich an eine Kurzgeschichte von Lin Carter, in der er das bekannte "Wenn eine Million Affen eine Million Jahre lang auf eine Million Schreibmaschinen einhacken, wird irgendwann zwangsläufig eine Gesamtausgabe von Shakespeare dabei herauskommen." aufgegriffen und weiterentwickelt hat - "Uncollected works" heißt sie.

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