Wen Luzifer sich holt - Zwei Kurzgeschichtensammlungen des Andreas Gruber
Wen Luzifer sich holt
Zwei Kurzgeschichtensammlungen des Andreas Gruber
Andreas Gruber
Der gebürtige Wiener (Jahrgang 1968) studierte zunächst an der Wirtschaftsuniversität. Seit 1996 schreibt er und lebt heute als freier Schriftsteller in Niederösterreich. Einige seiner Werke wurden übersetzt und in Frankreich, Brasilien, Korea, Italien, Litauen und Japan veröffentlicht. Seine Romane und Kurzgeschichten wurden mannigfaltig ausgezeichnet, einige als Hörspiel oder sogar als Theaterstück adaptiert.
Seine Erfolgsromane
Im Goldmann Verlag erscheinen seit 2007 seine Kriminalromane. Besonders zwei Reihen sind dabei hervorzuheben. Dabei handelt es sich um die Ermittler Maarten S. Sneijder und Walter Pulaski. Beide sollen mit des Autors eigenen Worten nachfolgend kurz vorgestellt werden, weil sie einiges von der Originalität vermitteln, die Grubers Romane und Geschichten auszeichnen.
"Maarten S. Sneijder ist eine ziemlich schräge Figur – mit Absicht. In diesen Charakter habe ich alles gepackt, was mich fasziniert. Sneijder ist ein Kotzbrocken, ein Misanthrop, er hasst Menschen, er klaut Bücher, er ist schwul, hat Cluster-Kopfschmerzen, akupunktiert sich selbst und raucht Marihuana. Aber er ist ein Genie, denn er hat seine eigene Sneijder-Methode entwickelt, um Killer zu fassen … bis zur Selbstaufopferung. Und damit hat er Erfolg – und zwar recht häufig. Immerhin ist er ein niederländischer Profiler, der am BKA Wiesbaden unterrichtet – unter anderem auch seine „Entdeckung" Sabine Nemez, die er unter seine Fittiche nimmt, weil er ihr Potenzial erkannt hat. Gemeinsam haben sie es mit den perfidesten Verbrechen zu tun, die ich mir ausdenken konnte. Und es macht immer wieder Spaß, über Sneijder & Nemez zu schreiben, daher werden noch viele Bücher folgen. Was erwartet Sie? Neben aller Brutalität auch abwechslungsreiche Schauplätze, jede Menge Zeitdruck und eine große Portion Humor, denn Sneijder hat – wie gesagt – seine eigene Art, mit Menschen umzugehen. Viel Spaß damit."
(Homepage Andreas Gruber)
"Mit Walter Pulaski habe ich in gewisser Weise ein Alter Ego von mir erschaffen: kauzig, launisch, alleinerziehend, ein wenig Technik-feindlich und stur. Aber was wäre Walter Pulaski, der asthmakranke Ermittler im Leipziger Kriminaldauerdienst, wenn er nicht eine clevere und taffe Frau an seiner Seite hätte? So lernt er in seinem ersten Fall „Rachesommer" die junge Wiener Anwältin Evelyn Meyers kennen. Zwei scheinbar unabhängige Fälle führen die beiden an der Nordsee zusammen, und die Reise geht durch mehrere Städte bis zum großen Showdown, denn nur gemeinsam können sie das Rätsel des Rachesommers lösen. In ihrem zweiten Fall „Racheherbst" lasse ich Walter Pulaski nach Wien zu Evelyn Meyers reisen – wie immer auf eigene Faust, ohne Rückendeckung durch seinen Chef. Immerhin gilt es auch hier wieder ein Rätsel zu lösen und Leben in letzter Sekunde zu retten. Was erwartet Sie? Bizarre Morde und eine komplexe Story, die viele Jahre in die Vergangenheit zurückreicht. Viel Spaß damit."
(Homepage Andreas Gruber)
Die Kurzgeschichten
Als Andreas Gruber Ende der neunziger Jahre zu schreiben begann, waren es aber noch keine Romane, sondern Kurzgeschichten, genauer fantastische Kurzgeschichten. Innerhalb von wenig mehr als 10 Jahren legte er mehr als 120 davon vor. Veröffentlicht wurden sie vorwiegend in Magazinen und Anthologien. Er selbst schreibt dazu:
"Warum schreibe ich auch in diesen Genres, werde ich häufig gefragt. Die Antwort ist ziemlich simpel: Ich komme aus dieser Ecke. Das sind meine Wurzeln. Meine ersten Gehversuche als Autor, Fingerübungen in Form von Kurzgeschichten, unternahm ich in den Genres Horror, Phantastik, Science Fiction und später auch Thriller. Ich habe viel experimentiert." (Homepage Andreas Gruber)
Veröffentlicht wurde also vorwiegend in Magazinen und Anthologien. Daneben brachte Andreas Gruber es aber auch bald zu eigenen Kurzgeschichtensammlungen. Die meisten erschienen im rührigen Shayol Verlag.
Die Kurzgeschichten Grubers fanden bald Anerkennung, die sich auch in Preisen niederschlug. Die Story "Die letzte Fahrt der Enora Prime" erhielt den Deutschen Phantastik Preis 2002, ebenso die gleichnamige Kurzgeschichtensammlung. Für seine Geschichte "Die scharfe Kante des Geodreiecks" aus "Rose Noire" (2009) wurde er mit dem Vincent Preis 2009 ausgezeichnet.
Im Luzifer Verlag erschienen nun zwei weitere Kurzgeschichtensammlungen:
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Die Geschichten stammen aus verschiedenen Magazinen wie Solar X, Andromeda, Nova, Phantastisch!, Alien Contact und Space View. Andere aus Anthologien wie "Unter dunklen Schwingen", "Rose Noire", "Das Geheimnis des Geigers", "Der dünne Mann", "Die Legenden von Eden", "Der Atem Gottes" oder "Von Feuer und Dampf".
Den besonderen Reiz der Geschichten machen die jeweils von Andreas Gruber dazu verfassten Einleitungen aus. So schreibt er beispielsweise zu "Ristorante Mystico":
"Ich bin in Wien in einem Altbau aufgewachsen, daher hat die folgende Geschichte auch etwas Autobiografisches. Ähnlich wie in dieser Story wohnten viele skurile Menschen in dem Haus. Es hatte vier Stockwerke mit Fahrstuhl und einem Dachboden, den man nur zu Fuß erreichen konnte. Dort wohnten meine Eltern mit mir.
Waren die Sommerferien vorbei, kehrten meine Eltern vom Schrebergarten in diese Wohnung zurück, wo wir Herbst und Winter verbrachten. Mein Kinderzimmer war sechs Quadratmeter groß - schon allein aus Platzgründen wurden Lesen und Schreiben zu meinen Hobbys.
Ristorante Mystico ist übrigens eine meiner Lieblingsgeschichten in diesem Band. Aber vielleicht sehen Sie das ja ganz anders - Geschmäker sind bekanntlich verschieden. Jedenfalls sind mir die beiden Charaktere Miro und Murmel bis heute ans Herz gewachsen, und was sie erlebt haben ist recht interessant, wie ich finde - aber lesen Sie selbst! Mehr kann ich nicht verraten. Miro steht nämlich gerade neben mir und hält mir eine Knarre an die Schläfe ..."
(S.165)
Außer "Ristorante Mystico" spielen übrigens auch "Brueghels Turmbau zu Babel" und "Seit wann trinken Katzen Whiskey" in Wien. Entsprechend kann Gruber auch hier eigene Erlebnisse/Erinnerungen einfließen lassen.
Weitere Pluspunkte der Bände sind die exakten bibliografischen Nachweise zu den einzelnen Geschichten. So erfährt der Leser, dass "Der Maya-Transmitter" zuerst 1999 in Andromeda und dann 2012 ein zweites Mal in "Erinnerungen an Morgen" erschienen ist. Die ausdrücklich angegebene Überarbeitung der Storys beschränkt sich - soweit ich das an einzelnen Beispielen nachgeprüft habe - auf einige wenige meist behutsame Eingriffe. Auffällig ist eigentlich nur, dass in der Geschichte "Wie ein Lichtschein unter Tür" der Handlunsgort von Wien/Baden nach Bielefeld/Bad Meinberg verlegt worden ist. Auch diese Story findet übrigens bereits ihre dritte Veröffentlichung. Zuvor erschien sie in "Der dünne Mann" und "OWL Kriminell".
Auch in Fragen der Aufmachung hat der Luzifer Verlag sich nicht lumpen lassen und eine Klappenbroschur verwendet. Die einheitlich gestalteten und stimmungsvollen Cover stammen von Michael Schubert. Die Kurzgeschichtensammlungen scheinen sich auch gut zu verkaufen, denn der Luzifer Verlag hat auch in diesem Jahr wieder mit "Jakob Rubinstein" einen entsprechenden Gruber-Titel im Programm.
Mein Fazit
Wer sich für die fantastische Kurzgeschichte im deutschsprachigen Raum interessiert, kommt um diese beiden Bände nicht herum. Andreas Gruber gehört neben Malte S. Sembten, Arthur Gordon Wolf, Tobias Bachmann und Markus K. Korb zu denjenigen Autoren, die hier in den letzten beiden Jahrzehnten das Genre geprägt haben. Darüber hinaus haben Grubers Geschichten alle ein besonderes Flair, das sie aus dem üblichen Angebot heraus hebt. Es wäre schön, wenn der Luzifer Verlag nach und nach praktisch eine Werkausgabe aller Storys von Andreas Gruber vorlegen würde.
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Bild Andreas Gruber © Fotowerk aichner
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