Die große SF-Story - zum hundertsten Geburtstag Kurt Brands
Die große SF-Story
Zum hundertsten Geburtstag Kurt Brands
Es war im Sommer letzten Jahres, als ich mit dem Zauberspiegel-Chefredakteur nach Erscheinen der ersten Folgen meiner Artikelserie „Flaggschiffe, Flottenkadetten und Flops“ die Planung der weiteren Folgen durchging. Es wurden mehrere Folgen zu den Serien der Perry Rhodan-Autoren geplant. Horst fragte mich, nachdem auch die Serie um den Weltraumreporter Yal vorgesehen war, ob ich mir vorstellen könnte, zum 2017 anstehenden hundertsten Geburtstag Brands einen Beitrag zu verfassen. Ich lehnte postwendend ab, denn ich war bereits als Jugendlicher kein Brand-Fan und die erneute Lektüre der Yal-Romane zur Vorbereitung des Artikels hatte nicht die geringste Änderung meiner Meinung bewirkt. Brand, der zu Lebzeiten als fleischgewordene Bestätigung der Chaostheorie herumlief? Brand, dessen Physikkenntnisse allenfalls diejenigen von Alf Tjörnsen übertrafen? Horst meinte aber, dass aber ganz gut passen könnte, wenn bei der Geburtstagswürdigung auch einige kritische Stimmen zu vernehmen wären.
In Folge 21 meiner Artikelserie habe ich mich dann ausführlich mit Yal und seinem geistigen Vater beschäftigt und auch versucht, ein differenziertes Bild darüber zu zeichnen, warum Brand so kontrovers beurteilt wird. Ich dachte mir, das war es jetzt. Und jetzt kommt dieser lästige Horst daher und gibt noch immer keine Ruhe. Es reicht mir jetzt. Soll ich Ihnen einmal sagen, wie es bei Brand zugegangen ist – CHAOTISCH! Bei dem hätte ich die Wohnung nicht aufräumen wollen, abgesehen davon, dass das sowieso nicht mein Lieblingsjob ist. Und dann seine SF-Versatzstücke. Hat keine Ahnung von Physik und lässt die Lichtjahre purzeln. Seine Raumfahrer fliegen in kurzer Zeit durch die halbe Galaxis wie unsereins wegen ein paar Brötchen zum Bäcker fährt. Dann stellen seine Helden sich und den Lesern während des ganzen Romans ununterbrochen Fragen, und was mich am meisten empört, der Großteil wird nie beantwortet! Der Mann weiß hinten nicht mehr, was er vorn geschrieben hat! Hat er überhaupt schon einmal von einem Exposé gehört? Hm, er war doch auch Autor des Perry Rhodan-Teams, dann muss ihm schon klar gewesen sein, was das ist. Haben die ihn nicht gerade deswegen rausgeworfen, weil er sich nicht an die Vorgaben gehalten hat? Nein, er sagte, das war eine Intrige.
Ich darf hier nochmals zitieren, wie Kurts Alter Ego, der Weltraumreporter Yal, vom Autor selbst charakterisiert wurde. Ein Schelm, der hier an einen autobiografischen Einschub denkt.
Ich werde Ihnen noch einmal helfen, Yal, dann nie mehr. Was Sie jetzt denken, ist falsch. Ich kann nicht in die Zukunft sehen. Sie ist für mich so verschlossen, wie für jeden anderen, aber meine Maschinen können gut rechnen. Sie haben mir gesagt, bevor ich Sie aus dem Gefängnis holte, daß Sie zu intuitiv vorgehen und viel zu sehr die Systematik vernachlässigen.
zitiert aus: Kurt Brand: Verbindung kommt, Terra 528, 1967
Ja, Himmelherrgott nochmal, wieso hat dieser Mann dann überhaupt Anhänger gefunden, haben die denn alle (der Chefredax inklusive) einen Knall? Da fällt mir zuerst der altbekannte Spruch ein: „Wer Ordnung hält, ist zu faul zum Suchen. Nur das Genie beherrscht das Chaos.“ Kurt war zweifellos ein Jünger des Lords Arioch. Würden dagegen nur die Herren der Ordnung herrschen, gäbe es nur Soldatenreihen im Gleichschritt. Nein danke, das hatten wir in deutschen Landen schon mal. Ich kannte Brand nicht persönlich, meiner Einschätzung nach war er aber ein temperamentvoller Mensch mit jeder Menge von Ideen. Und die Vielzahl seiner Ideen taucht natürlich in seinen Romanen auf, was sie sehr abwechslungsreich macht. Es ist kaum zu erraten, in welche Richtung sich die Handlung entwickelt. Die aufgeworfenen Rätsel hätte man natürlich gern aufgelöst, was sich gerade bei Fortsetzungswerken positiv auf die Verkaufszahlen der nachfolgenden Titel auswirkt. Und dann „menschelt“ es so schön in Brands Büchern. Großer Himmel, und große Galaxis, man wird sich wohl noch mal ordentlich aufregen dürfen! Da sind Menschen aus Fleisch und Blut unterwegs, und keine Papiertiger. Ein großes Plus gegenüber vielen anderen Autoren, bei denen man kaum eine Ahnung davon bekommt, ob die Handlungsträger überhaupt Gefühle haben und was die Motive hinter ihren Taten sind.
Meine erste Begegnung mit Kurt ist ziemlich genau 50 Jahre her. 1967 begann ich SF zu lesen, nachdem ich bei zwei Freunden ihre Utopia-, Terra- und Perry Rhodan-Hefte entdeckt hatte, diese lesen durfte und für den Rest meines Lebens von dieser Art Literatur fasziniert war. Endlich ging es nicht mehr um das Wettrennen der Amis und Russen um den Mond, welches zu dieser Zeit die reale Welt in Atem hielt, sondern in die Weiten der Galaxis hinaus! Bei Perry Rhodan mischte Kurt bis etwa Band 200 kräftig mit. Er war zu dieser Zeit einer von nur fünf Autoren, die für die Serie schrieben. Ich selbst kaufte mir die Perry Rhodan-Hefte ab Band 321, da war Kurt schon aus dem Team ausgeschieden und brachte die Exkollegen mit der Konkurrenzserie Ren Dhark bereits kräftig zum Schwitzen. Die beiden ersten von Kurt verfassten PR-Romane, die ich las, waren Nr. 89, Guckys große Stunde, und Nr. 90, Atlan in Not. Diese beiden Hefte spielen in der chaotischen Zeit nach der Entdeckung der bisher geheimen Koordinaten des Solsystems mit einem Angriff der aus einem fremden Universum stammenden Druuf und dem Versuch der Springer, die Macht über das Sonnensystem zu übernehmen. Dazu kommen noch die Schwierigkeiten Atlans, der gerade erst den Thron als Imperator des Großen Imperiums bestiegen hat, und der Familienkonflikt zwischen Rhodan und seinem Sohn Thomas, einer der Lieblingsfiguren Kurts. Dann – und das ist höchstwahrscheinlich nicht Exposé, sondern Kurt pur - geht es auch um die Zeilenschmierer, denn die NEW WORLD PRESS, die renommierteste Zeitung es Solaren Systems, greift in ihren Kommentaren die Regierungspolitik Rhodans und seiner Mannen scharf an.
Kurt verstand es ausgezeichnet, die Menschen aus den Papierfiguren heraustreten zu lassen und entwickelte einige Lieblingsfiguren weit über die Exposévorgaben hinaus. Rhodans Sohn Cardif schilderte er nicht nicht nur schwarzweiß als Schurke, sondern weckte auch Verständnis für die Entwicklung des Menschen und seine Beweggründe. Auch Cardifs Mutter, die Arkonidin Thora, war eine der Lieblingsfiguren Brands. Später wurde der junge Wissenschaftler Till Leyden, dem die Terraner die Waffe gegen den Molkexpanzer der Bluesschiffe verdankten, einer von Brands Favoriten. Aus der Ren Dhark-Serie blieb mir besonders der Reporter Bert Stranger in Erinnerung. Reporter dürfte wohl der Traumberuf von Brand gewesen sein, denn Reporterfiguren, die sich beim Aufdecken von großen Stories in den Clinch mit dem Geheimdienst begeben, ziehen sich wie ein roter Faden durch das literarische Leben Brands.
Also, lieber Kurt, nichts für ungut und danke für alle vergnüglichen und unterhaltsamen Stunden, die du mir in meiner Jugend bereitet hast. Ich bin nach wie vor kein Anhänger deines Schreibstils, verbeuge mich aber mit Respekt vor deiner Lebensleistung. Die mehr als hundert Romane von dir, die sich in meiner Sammlung befinden, bleiben darin weiterhin wohlbehütet. Deinen Ehrenplatz in der Geschichte der deutschsprachigen Science Fiction hast du dir als Mitautor der größten SF-Serie Perry Rhodan in ihren Anfangsjahren, als Gründer und Hauptautor der SF-Serien Ren Dhark und Raumschiff Promet, der SF-Kurzserie Yal, der Weltraumreporter sowie der utopischen Krimiserie Checkpart 2000 und einer fast unüberschaubaren Anzahl weiterer Romane auf jeden Fall redlich verdient.
Kommentare
Mir geht es ähnlich. Ich konnte mit Kurt Brand auch nie viel anfangen, den RD habe ich zweimal angefangen und wieder drangegeben. In seine Einzelromane habe ich auch eher zufällig erst später reingesehen und war trotz der oft pfiffigen Titel nicht gerade gefesselt. Oder gerade deswegen. Und das ganze Kelterzeugs wie Checkpart ist ohnehin völlig an mir vorbeigegangen.
Interessant das mit Cardiff. Das war mir auch nicht präsent, dass er da so viel von geschrieben hat. Ich habe diverse Rhodan-Epochen später erneut gelesen und tue es noch heute, und obwohl ich gerade an diese Story noch verschwommene Erinnerungen an Leihbuchausgaben habe, die ich mit 9 oder 10 im Kiosk an der Ecke in die Hände bekommen habe, habe ich die immer übersprungen, weil sie mich nicht interessiert. Bei Rhodans diversen Familienmelodramen hat sich keiner mit Ruhm bekleckert, egal wer am Ruder saß. Allerdings habe ich Brands Posbi-Geschichten noch auf dem Schirm, die sind hängengeblieben.
Das mit der Lebensleistung möchte ich voll unterschreiben.