Der Vampir-Horror-Roman ist eine Legende des Heftromans. Ich bin leider erst nach Einstellung der Reihe auf die Serie gestoßen und habe in den achtziger Jahren jede Menge davon gelesen.
Dreißig Jahre später wiederhole ich das Experiment Vampir-Horror-Roman lesen nochmals. Ob es immer noch gefällt?
(Spectre of Darkness)
von John E. Muller (Fanthorpe)
Vampir Horror-Roman Nr. 53
Februar 1974 / DM 1,20
Pabel Verlag
Freudig empfängt Lana Davis ihren Onkel Tyman. Eigentlich ist er nicht ihr richtiger Onkel, aber er hat sich seit frühester Kindheit um sie gekümmert. Jetzt scheint er ein Problem zu haben und bittet Lana um Hilfe. Eine hässliche, steinerne Figur ist angeblich der Grund warum ein Geheimbund hinter ihm her ist. Für Lana klingt das natürlich alles sehr abenteuerlich, aber als ihr Onkel von einer uralten, bösen und mächtigen Bruderschaft spricht, und er es nach einem Blick aus dem Fenster plötzlich eilig hat, versteht sie den Ernst der Lage. Tyman rät ihr noch Stillschweigen über die Figur zu bewahren und unterzutauchen, denn sie kann der ganzen Menschheit, sollte sie in falsche Hände geraten, gefährlich werden. Das war so ziemlich das Letzte was über seine Lippen kam bevor ihm der schwere Wagen vor dem Haus für immer das Licht ausbläst.
Lana fackelte nicht lang und nimmt eine Stelle als Sekretärin außerhalb der Stadt in Cornwall, Dartmoore an. Die Bezahlung stimmt, aber der Mann am Telefon macht geheimnisvolle Andeutungen über den Job. Als sie das große Haus mit dem Namen Tregorran Grange sieht, weiß sie was er meint. Hier bringt der Staat seltsame Lebewesen unter, die selbst in normalen Anstalten oder Gefängnissen für Aufsehen gesorgt hätten. Der Chef der Anstalt ist Dr. Bollinger, ein freundlicher und zuvorkommender Mensch mit einer geheimnisvollen Vergangenheit. Irgendwann ist er durch einen Freund bei der Regierung auf Tregorran gelandet und hütet nun mit seinem Personal ein paar Lebewesen, die weder Mensch noch Tier sind.
Eine Kostprobe bekommt Lana, als sich ein „Bewohner“ in ihr Zimmer schleicht. Nummer Siebzehn ist ein eher harmloser Zyklop, der schnell wieder in seine Zelle gebracht wird, wobei Bollinger sich jetzt von seiner groben Seite zeigt. Eigentlich hat Lana nur Mitleid mit dem Wesen. Er gehört aber auch zu der harmloseren Sorte Unhold.
Nachdem sie ein neues Zimmer bekommen hat, wird sie plötzlich von maskierten Geheimbündlern festgehalten die immer noch hinter der Figur von Onkel Tyman her sind. Dr. Bollinger taucht auf und wird niedergeschlagen. Als sich schließlich „Nummer Siebzehn“ einmischt, geht es den Maskierten an den Kragen. Einen erwürgt er, aber die anderen bearbeiten ihn schließlich mit einem Messer und er stirbt selig in Lanas Armen.
Am anderen Tag wird Dr. Bollinger zu einem dringenden Notfall gerufen, was sich aber als Falle entpuppt. Ein paar Maskierte schnappen sich den Doktor und binden ihn auf ein Bahngleis. Als er sein Ende kommen sieht, lernt er Midnight Jones kennen der sich selbst als Tramp oder Minnesänger bezeichnet und nach eigenen Angaben über zehntausend Jahre alt ist. Der langhaarige Mann mit Gitarre und einem Bündel auf dem Rücken erklärt, dass das Gleis im Winter nicht benutzt wird und befreit Bollinger aus seiner misslichen Lage. Er schleppt den angeschlagenen Doc zur nächsten Polizeistation, singt ihm ein fröhliches Lied und warnt vor den Machenschaften des Geheimbundes. Auch Lana ist in großer Gefahr. Was für ein seltsamer Typ und woher kennt er Lana?
Wenig später wird auch Lana in eine Falle gelockt. Angeblich hat Bollinger seine Tasche vergessen. In einem kleinen Landhaus wird sie schließlich gefoltert und darüber befragt, was sie über die Statue weiß. Aber was soll sie groß erzählen, denn Onkel Tyman hat sie nicht aufgeklärt. Irgendwie kann sie sich schließlich befreien und nebenbei noch zwei Peiniger überwältigen.
Auf der Flucht trifft sie Midnight Jones, der sie mit in seinen Unterschlupf nimmt. Er versorgt ihre Wunden und erzählt ihr, dass er ihren Onkel ziemlich gut kannte. Dieser war der Hüter der Statue, die dem uralten Geheimbund gehörte. Damit die Bruderschaft damals nicht die Weltherrschaft übernehmen konnte, mischte sich König Salomon ein und verbannte deren Kräfte in die Figur. Irgendwann zerbrach sie und ein Teil gelangte wieder in die Hände der Brüder. Solange die Figur nicht vollständig war, musste der Geheimbund im Verborgenen agieren. Jetzt hatten die Brüder die Spur wieder aufgenommen und waren kurz davor ihre alte Macht wieder zu erlangen. Das könnte für die bestehende Welt übel ausgehen. Midnight Jones gehört zu der Rasse der Halbgötter und bekämpft die Bruderschaft schon seit etlichen Jahrtausenden. Man könnte auch Engel zu ihm sagen.
Midnight bringt Lana zu Sally, einer befreundeten Malerin, nach London und holt die Figur aus Tregorran Grange. Die Künstlerin ist so angetan von der kleinen Statuette, dass sie direkt ein Bild malt und dieses ihren Agenten mitgibt. Der schleppt es zu Armande, einem Galerieinhaber, der es sofort ins Fenster setzt. Nun, die Augen der Bruderschaft sind überall und nachdem man Armande befragt und getötet hat, kennen sie schließlich den Aufenthaltsort von Lana. Kurz darauf taucht auch der erste Maskierte bei Sally auf und bedrängt die beiden Frauen mit einem Revolver. Wieder schreitet Midnight ein und tötet den Unhold, doch die Jagd auf die Figur geht weiter.
Die erste Versteck-Adresse von Lana ist der Jahrmarkt in Hampstead, wo die Bruderschaft sie aber schnell aufspürt. Mit Hilfe der fürsorglichen Schausteller und Midnight kann sie entkommen.
Der nächste Schauplatz im Kampf zwischen Gut und Böse ist Tregorran Range. Im Morgengrauen greift die Bruderschaft geballt an. Zusätzlich haben sie noch die Insassen frei gelassen. Bollinger trommelte seine Leute zusammen und verteilt Gewehre und Revolver, aber die Lage sieht nicht gut aus. Die Überzahl ist einfach zu groß und schließlich muss Lana und Midnight Jones die Flucht in die unterirdischen Gewölbe des Hauses antreten. Leider war es nur eine kurze Flucht und die Zwei werden gestellt, doch dann kommt der bewaffnete Bollinger dazwischen.
Inzwischen ist auch die magische Barriere rund um das Haus aufgehoben und die Polizei und das Militär rücken an. Sie hatten die Lage schnell im Griff und zwei höhere Beamte nehmen Lana und Midnight mit. Das war abermals eine Falle und diesmal fällt die Figur in die Hände der Brüder.
Auf einer kleinen Gefängnisinsel vor Cornwall ist das Zentrum der Bruderschaft. Eine Zeremonie, bei der die vollständige Kraft wieder auf die Brüder übergeht, soll stattfinden und Jones vermutet, dass sie dabei wohl geopfert werden. Zum Glück entkommen sie aus dem Kerker in dem sie sitzen und kämpfen sich bis zum schwarzen Hauptaltar des Geheimbundes vor, welcher auf einer hohen Klippe steht. Unter Beschuss der Geheimbündler ziehen sie die schwere Altarplatte zum Rand der Klippe und werden dabei mehrmals getroffen.
Lana sieht Midnight zusammenbrechen und stirbt, aber vorher hat sie dem Stein noch einen letzten Stoß versetzt so das er auf den Felsen darunter zerschellt.
Midnight Jones erhebt sich nochmals, nur dass aus seinen Augen jetzt ein helles Licht erstrahlt. Als der Erste der Brüder die Figur fallen lässt, schnappt sich Midnight das Ding und springt über den Rand der Klippe ins weit darunter liegende Meer. Die Bruderschaft hatte die Schlacht verloren.
Handelte der erste Fanthorpe beim VHR noch recht bescheiden von zwei Vampiren, ließ er es diesmal richtig krachen. Auf den ersten Seiten wurde der Leser schon in die Welt eines ominösen Geheimbundes gezogen, der auf der Jagd nach alter Macht und Größe war. Das sie dabei im Verlauf der Handlung recht stümperhaft und trottelig agierten, gab dem Roman bisweilen eine ungewollt humorige Note. Mehr als einmal hatten sie die Figur schon in den Händen, um sich das Ding dann doch wieder abluxen zu lassen. Nach dem Motto: „...ich hab sie, ich hab sie...nee doch nicht,“ begleiteten die Maskierten den Leser bis zum Ende des Romans.
Ab Seite zehn machte Lionell F. dann das zweite große Fass auf: Die Anstalt für Monster und Mischwesen. Hier tummelte sich so einiges an seltsamen Gestalten, welche aber nicht besonders detailliert beschrieben wurden. Schade eigentlich, denn dieses Haus voller Zyklopen, menschlichen Versuchskaninchen und Halbwesen hätte mehr Potential für eine spannende Gruselgeschichte gehabt als dieser schnöde Geheimbund. Zwar kamen die Insassen bei der Schlacht um Tregorran Grange nochmals vor, aber auch hier wurde nicht groß auf die Besonderheiten der Unholde eingegangen. Chance verpasst. Nur „Nummer“ siebzehn, der mit dem Auge auf der Stirn, durfte etwas länger mitspielen um schließlich in den Armen von Lana zu sterben. Frankensteins Monster und sein unglückliches, kurzes Leben lassen grüßen. Da die Monster nach Fanthorpe weder Mensch noch Tier waren, hätten es Pilze sein müssen, aber eigentlich liegt die Vorstellung, dass Pabel sämtliche gruselige Gestalten aus vorangegangenen Romanen hier untergebracht hat näher.
Dann wurde es biblisch, denn Midnight Jones und König Salomon kamen auf den Plan. Midnight war für mich die interessanteste Figur des ganzen Romans und am Ende durfte er sogar die Menschheit retten. Singend und guter Laune kam er des Weges und hielt ein lockeres Schwätzchen mit Bollinger, den die trotteligen Geheimbündler auf ein totes Gleis gebunden hatten. Zum Dank musste sich der Doktor dann ein Loblied über Midnights Heldentaten anhören, der Arme. Da ging es dann um Adam und Eva und den Apfel der Erkenntnis, den angeblich Midnight Jones bekommen hat. Salomon war wohl irgendwann sein Dienstherr. Alles in allem eine schillernde Figur, auch wenn ein wenig eitel, die Fanthorpe da aus dem Hut zauberte. Er hatte lange Haare und entsprach dem typischen Erscheinungsbild der `68 Blumenkinder (plus der Gitarre auf dem Rücken) und war gegen das damalige Etablishment - nur ohne Gewalt. Die meisten hielten ihn für einen Penner. Man merkt hier, dass Fanthorpe in diese Richtung keine Vorurteile hatte und ließ Lana mit ihm in die Pofe steigen.
Der Abstecher in die überdrehte Künstlerwelt Londons war auch recht frisch und peppte die Handlung nochmals auf. Sally, die Malerin, malte mal so ganz nebenbei in nur einer Stunde ein Meisterwerk, welches schon nach gefühlten dreißig Minuten bzw. zwei Romanseiten im Fenster einer Galerie hing. Manche Künstler brauchen Jahrzehnte um etwas verkaufen zu können, aber die leben auch nicht in Heftromanen.
Entweder hat die Übersetzerin Eva Wagner einen richtig guten Tag gehabt, oder Fanthorpe hat diesmal etwas schlüssiger diktiert. Mit anderen Worten: Der steinerne Dämon war ein recht kurzweiliger Roman, wenn man nicht alles auf die Feinwaage der Logik legt. Vielleicht gab es ein paar Schauplätze zu viel für 65 Seiten, aber andersrum hat die Hetzjagdauch Spaß gemacht. Die Haupt-Figuren waren für einen Heftroman recht nett und teilweise sehr sympathisch beschrieben, hier lag wohl die Stärke von Fanthorpe. Die Handlung hatte drive und war an einigen Stellen auch recht brutal. An allen Ecken wurde recht handfest gefoltert und geschossen, was mich etwas irritierte, denn die Bruderschaft hatte angeblich noch soviel Macht, dass sie um das Anwesen Tregorran eine magische Barriere legen konnte. Seltsam war, dass Lana bei der peinlichen Befragung zwar zusammenbrach, anschließend jedoch zwei Maskierte mit einem Stuhlbein verdrosch und floh. Diese und ähnliche Stellen waren dann doch etwas sehr unlogisch und bereicherten die Story auch nicht großartig. Dazu gehörte auch die Szene mit der Flucht aus dem Verlies. Midnight hieb einen Keil zwischen den Mörtel und hielt eine Fackel dran und schon bröselte es aus den Fugen.
Ein Happy-End gab es für die Protagonisten nicht, aber die Welt wie wir sie kennen wurde gerettet. Immerhin, und für die Menschheit opfert man sich ja recht gerne in Gruselromanen, zumindest wenn der Protagonist nicht mehr gebraucht wird. Scheinbar konnte Tyman seine Nichte nicht leiden, sonst hätte er ihr nicht die Figur überlassen. Bin gespannt, ob Midnight noch mal irgendwo auftaucht, denn er könnte den Sprung ins Meer überlebt haben.
Trotz des recht schnellen Schauplatz-Wechsels gelang es Fanthorpe noch, die Zeit der 60/70 Jahre recht bildreich einzufangen. Hippie-Hippie Hurra! Schon allein deswegen lohnt es sich für mich diese alten Gruselromane nochmals zu lesen, denn die heutigen Zeiten sind doch, meiner Meinung nach, weniger bunt und abenteuerlich. Ja ja, das Alter stumpft ab.
Das Titelbild von Thole sieht diesmal wieder recht grotesk aus und erinnert stark an einen (sorry) riesigen Haufen Kacke mit Augen vor dem eine hübsche Nackte hockt. Mit Sicherheit nicht sein bestes Bild, aber wenn der Verlag es so verlangt. Der Akt sieht aber dafür recht gekonnt aus und ich staune immer wieder, wie schön und unverbraucht seine Frauen rüberkommen.
Bei VAMPIR INFORMIERT kam eindeutig diesmal nicht von Manfred Knorr. Angeblich wollte man sich mit den Themen: Die Untoten, die Gestaltwandler... auseinander setzen. Nun daraus wurde wohl nichts, denn schon in der nächsten Nummer übernahm Knorr wieder das Zepter. War auch besser so, denn er brachte die Informationen nicht unreflektiert sondern geizte nicht mit Knorr-igen Kommentaren. Einziger Pluspunkt diesmal, eine Zeichnung von Heinz Rehwald. Leider fehlte die Info, ob diese gekonnte Zeichnung aus Fankreisen oder von Pabel kam. So etwas hätte man beibehalten sollen.
Übrigens hat sich auch die kleine Berthold- Zeichnungen seit Band 51 verabschiedet. Dafür gibt es jetzt den Vampir-Dracula mit dem Slogan: VAMPIR Horror-Romane - Die ganze Welt des Unheimlichen. Mir haben die Zeichnungen besser gefallen. Schön war noch, dass es Berthold diesmal wieder ins Heft, zusammen mit dem Cartoon der Woche, geschafft hat
Zur Einleitung - Zur Übersicht
Kommentare