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Eine »unheimliche« Mischung - Dämonenkiller – Die Taschenbücher: Dreiundsechzig Lektüren - Ein Fazit

Eine »unheimliche« Mischung: Dämonenkiller – Die TaschenbücherDreiundsechzig Lektüren - Ein Fazit

Nach 63 Bänden und 5 Jahren stellte der Pabel-Verlag die Reihe der Dämonenkiller-Taschenbücher 1980 ein. Der kleine Bruder des Vampir Horror-Taschenbuchs hatte seine Existenz der gut laufenden gleichnamigen Heftromanserie zu verdanken, die er immerhin 3 Jahre überlebte.

32 Romane wurden von deutschen Autoren verfasst, 31 waren Übersetzungen aus dem Englischen.

Eine »unheimliche« Mischung: Dämonenkiller – Die Taschenbücher - Blutige TränenNach der Sichtung aller Bände stellt sich die Frage, ob die häufig geäußerte Kritik, dass sich die Reihe vom Qualitätsanspruch nie besonders gelohnt hat, ihre Berechtigung hat oder nicht.

Und man muss leider feststellen, dass es in der Tat so ist. Das Vampir Horror-Taschenbuch hatte die besseren Autoren und die besseren Anthologien. Die Auswahl für den Dämonenkiller war oft zweite Wahl mit zufällig wirkenden Einkäufen und beliebigen Originalromanen.

Zweifellos läuft so manche Kritik ins Leere, weil sie auf alle Pabelprodukte der Sparte zutrifft. Auf Länge gestutzte Übersetzungen, Selbstzensur bei als zu gewalttätig empfunden Stellen, auch schon vor der Indizierungswelle, keine Informationen über den betreffenden Autor, nicht einmal oberflächliche Kurzbiografien, Verzicht auf erklärendes Beiwerk wie Vor- oder Nachworte der Originalbücher.

Das alles ist aber kein spezielles Problem des Dämonenkiller-Taschenbuchs. Das findet man auch im Vampir Horror-Taschenbuch, bei den Western, SF und Krimireihen. Erneut eine Bestätigung, wie einzigartig die Terra Fantasy mit ihrer Betreuung durch Hubert Straßl war. Andererseits, will man fair sein, muss man auch die Dekade in Betracht ziehen. Der Großteil der Fakten, die in die diversen Dämonenkiller-Rezensionen Einzug hielten, sind erst in den letzten Jahren öffentliches Wissen geworden, oft durch die akribische Arbeit von den häufig geschmähten Nerds und nicht zuletzt durch das Internet. Die Quellen waren 1975 spärlich bis nicht vorhanden, Pseudonyme waren noch ihren Namen wert und so manche Querverbindung nicht erkenntlich oder aus gutem Grund verschleiert, wenn man sich das Geschäftsgebaren mancher Agenten ansieht. Derartiges Beiwerk ist auch eine Frage des Budgets; die (Mehr)Arbeit will bezahlt werden. Und hätte die Allgemeinheit der Leser weiterführende Informationen über Werk und Autor beim Horror wirklich als Mehrwert empfunden? Wohl eher nicht.

Invasion der BestienUnd so manches funktionierte auf dem Kioskmarkt von 1975 nun einmal anders als auf dem Buchmarkt von 2017. Nur um ein Beispiel zu nennen: Die vielen Novelisations. Die diversen in der Reihe untergebrachten Kinobücher wie die Nummern 7, 15, 17, 30 und 36 hätten zu der Zeit als Buch zum Film vermarktet keinen Mehrwert erbracht. Zum Veröffentlichungszeitpunkt waren diese Filme alle nicht mehr in den Kinos verfügbar, Video stand erst in den Startlöchern, also warum sich in Mehrkosten stürzen? Von der geringen Bedeutung der Filme fürs Genre mal ganz abgesehen. Nur beinharte Fans kaufen bewusst Novelisations von Filmen wie "Invasion der Bestien" alias "Squirm".

Die eingebaute Selbstzensur, erst recht nach 1977, dem Jahr der Dämonenkiller-Indizierung, ist bedauerlich, bei den deutschen Romanen aber wesentlich gravierender in ihren Auswirkungen. Hier geht es dann nicht mehr nur darum, auf ein paar schaurig-schöne, erotische oder blutige "Stellen" zu verzichten. Da wurden die Geschichten dann gleich dementsprechend entwickelt und hatten nicht mehr den geringsten Biss. Oder Originalität, was das angeht. Der Verlag musste die Inhalte den Realitäten angleichen, und so sehr man das beklagen oder sich über die oft so kleinkarierten Bemühungen lustig machen mag, der stillen Mehrheit des Zielpublikums war das letztlich egal. Im Heftromanbereich wurden die Reihen wie der Vampir Horror-Roman oder der Gespenster-Krimi trotz deutlich spürbarer Veränderungen weiter gekauft, bis die Serie der Reihe endgültig den Rang ablief. Beim VHR hat das immerhin 5 Jahre funktioniert, wenn man 1976 als das Jahr des inhaltlichen Wandels festlegt. Beim teureren Taschenbuch war das Publikum wählerischer, wie die relativ frühe Einstellung von Pabels Taschenbuch-Horror zeigt, aber die Konkurrenz wurde auch langsam übermächtig. Die 80er waren die Zeit der von Stephen Kings angeschobenen Horrorwelle, die in alle Mainstream-Verlage überschwappte. Da konnte das Angebot der Pabel-Reihen nun wirklich qualitativ nicht mithalten.

Eine starke redaktionelle Philosophie lässt sich beim Dämonenkiller-Taschenbuch in der Tat nicht erkennen. Jedoch gab es die beim Vampir Horror letztlich auch nicht. Dort wurde zwar mehr die Anthologie mit der zumindest im Ausland literarisch eher anerkannten Kurzgeschichte gepflegt, aber dass man dort versuchte, wichtige Autoren des Genres aufzubauen und den Namen zu verkaufen, kann man wirklich nicht behaupten. Trotzdem – und das sei unbestritten - lag die Messlatte beim Dämonenkiller erkennbar tiefer. Hier gab keinen Leiber und auch keinen Merritt, keinen Haining und auch keinen Parry. Von den internationalen Autoren hat mit Ausnahme von Guy N. Smith, der in England zum Millionenseller avancierte, keiner das Horrorgenre bereichert, weder kommerziell noch inhaltlich. Vor der Ebook-Zeit war nicht einer der in der Reihe erschienen Romane noch lieferbar.

Bei den deutschen Autoren stellt sich die Frage gar nicht erst. Auch wenn einige wenige Beiträge fraglos weit über dem Durchschnitt ihrer Konkurrenz lagen, hatten sie alle nur eine Halbwertzeit von vier Wochen, in denen sie dem Verlag Gewinn einbringen konnten. Und dass ein paar von ihnen als Hefte nachgedruckt wurden, lag nicht an ihrer Qualität, sondern an ihrer Verfügbarkeit.

Die schwarze KapelleImmerhin, die Zahl der deutschen Originalveröffentlichungen beim Dämonenkiller-Taschenbuch ist bemerkenswert. Jedoch wurde diese Entscheidung sicherlich nicht zuletzt aus der Notwendigkeit geboren. Es gab immer weniger Material, das mit dem vorgegebenen Umfang kompatibel war; außerdem waren die Originale zumindest in England meistens ziemlich gewalttätig, was aufwändige Bearbeitungen erforderte. Also warum nicht Romane von einheimischen Autoren zurechtschneidern lassen? Leider hielt damit die absolute Beliebigkeit Einzug. Die Romane von Wiemer, Tenkrat und den anderen hätten mit wenigen Ausnahmen genausogut als Heft erscheinen können. Kaum eines davon rechtfertigt das Taschenbuchformat. Zweifellos sind diese größtenteils langweiligen Softgrusler kompetent geschrieben. Das macht sie aber nicht zu Klassikern des Genres.

Die größte Enttäuschung des Dämonenkiller-Taschenbuchs war sicherlich, dass kaum Dämonenkiller drin war. Die Erwartung war selbstverständlich, dass das Projekt in die Fußstapfen von Perry Rhodan, Kommissar X oder Lobo tritt. Selbst der lahme Franco Solo war Star seines eigenen Taschenbuchs. Das blieb Dorian Hunter verwehrt. Stattdessen gab es abgesehen von der Spätphase mit den Coco-Romanen eine Reihe, die im Prinzip niemand brauchte. Schließlich gab es ja schon den Vampir Horror.

Aber wäre ein Dämonenkiller-Taschenbuch als Begleitserie zu den Heftromanen überhaupt machbar gewesen? Das kann nur Spekulation bleiben, aber es wäre ein sehr arbeitsaufwendiges Projekt gewesen. Im Gegensatz zu Perry Rhodan ist das Dämonenkiller-Universum überschaubar, und Ernst Vlcek hätte sich als Exposéchef der zu Taschenbuchbeginn noch laufenden Mutterserie bedankt, wenn ihm beliebige Autoren in seine Kontinuität reingepfuscht hätten. Eine Reihe von Einzelabenteuern, die sich beispielsweise allein auf die historischen Inkarnationen des Helden konzentriert hätten so wie Kneifels Atlan-Geschichten bei PR, wäre auf die Dauer zu einseitig gewesen. Jede Romanidee hätte von Vlcek abgesegnet und von der Redaktion akribisch begleitet werden müssen, um die Kontinuität auch nur halbwegs zu wahren und gravierende Widersprüche zu vermeiden. Da hätten viel Geld und Arbeitsstunden investiert werden müssen. Es wundert einen daher nicht, dass die zuerst nur vereinzelten Ausflüge ins Heimatuniversum wie Nr. 22 allein von Vlcek gestaltet wurden.

Coco und der RattenfängerDie spätere Idee mit einer eigenen Coco-Serie war naheliegend. Aber betrachtet man das Ergebnis, stieß auch sie schnell an ihre qualitativen Grenzen. Das lag nicht nur an den gravierenden inhaltlichen Einschränkungen, mit denen die Macher zu der Zeit zu kämpfen hatten – wie die Exposés deutlich verraten. Die (theoretische) Handlungszeit von 1968 wurde grundsätzlich ignoriert; allerdings wäre das auch nicht zu leisten gewesen. Dazu fehlten der Abstand, die Ideen und das Verständnis zur Epoche. Aktuelles Zeitgeschehen als Handlungshintergrund hatte im Heftroman abgesehen von Äußerlichkeiten sowieso keinen Platz. Spätestens nach dem dritten Band hatte Taschenbuch-Coco von der Anlage her immer weniger mit der Hefte-Coco der ersten fünfzig Bände zu tun, die ja theoretisch nicht viel älter ist. Eine Vorgeschichte kann nicht endlos ausgedehnt werden, bevor man sie dem Leser nicht mehr als plausibel verkaufen kann. Und die Hinwendung zu Fantasy und Zeitreisen brachte zusätzliche Beliebigkeit herein.

Da Dämonenkiller-Romane von Anfang an kein Thema waren, ging es um die Auswahl der Bücher, die die Leser jeden Monat zusätzlich zum Vampir Horror-Taschenbuch kaufen sollten, und das Angebot kann man auch bei aller Liebe zur Nostalgie nicht als überwältigend bezeichnen. Auch 1976 konnten Originale wie "Supernatural Stories" von Badger Books in England aus der Feder von Vielschreibern wie Lionel Fanthorpe oder John Glasby nur als seichter Schund bezeichnet werden, der nun beim besten Willen keine Übersetzung verdient hätte. Auch die andere nicht als Serie gekennzeichnete amerikanische Serie, Robert Lorys "Horrorscope", war alles andere als ein großer Wurf und funktionierte schon im Herkunftsland nicht. Der Rest konnte ebenfalls nicht besonders überzeugen, wenn sicherlich ein paar kompetente Romane und ein paar vereinzelte Perlen darunter waren. Die aber grundsätzlich unter den Kürzungen – ob nun wegen Gewalt oder Länge – leiden mussten.

Die Titelbildgestaltung blieb Geschmacksache. Die Idee mit den Motiven im ovalen Spiegel zeigte zumindest den Willen zum Experiment und natürlich den Wunsch, eine optische Alternative zum VHR zu bieten. Auch wenn damit die Bilder beschnitten wurden, war das nicht übel, wurde aber recht bald wieder drangegeben. Und Nikolai Lutohin war nun einmal nicht Karel Thole; tatsächlich fällt es schwer, sich zwei Künstler vorzustellen, die einen gegensätzlicheren Stil haben. Dazu kam die übliche willkürliche Auswahl ausländischer Titelbilder, die zwar grundsätzlich ein gewisses Niveau hatten, aber nur selten zum Inhalt passten. Lässt man den persönlichen Geschmack beiseite, muss man feststellen, dass Pabel in der Rubrik oft erfolgreicher war als bei der Auswahl seiner Romane.

Aber das Urteil, dass die Reihe völlig überflüssig war, wäre ungerecht. Einige gute bis hervorragende Romane wären ohne diese Plattform nie in Deutschland erschienen, und dazu zähle ich vor allem einige der deutschen Beiträge. Die man auch noch 40 Jahre nach Erscheinen mit Vergnügen lesen kann.

Es hätten aber ruhig mehr sein dürfen.

Zum Abschluss möchte ich meine liebsten Romane der Reihe auflisten. Das ist rein subjektiv. Und zugegebenermaßen eine Mogelpackung. Gehe ich allein von den deutschen Ausgaben aus, fällt es schwer, überhaupt fünf Romane zusammenzubekommen. Die Wertung bezieht sich daher hauptsächlich auf den Inhalt der Originalromane in ihrer unbearbeiteten Form und den persönlichen Geschmack.

Gefallen haben in der Reihenfolge ihres Erscheinens:
Eine »unheimliche« Mischung: Dämonenkiller – Die Taschenbücher - Blutige Tränen
Nr.1: Ernst Vlcek – Blutige Tränen
Für mich immer noch der beste Horrorroman für Erwachsene, den Vlcek je verfasst hat.

Nr.4: Charles Runyon – Die Braut des Parasiten
Ein starker, typisch amerikanischer Horrorroman mit originellen Ideen, die ihrer Zeit voraus waren.

Nr.9: Brian N. Ball – Eiskalt wie ein Todeskuss
Schöner typisch britischer Horror aus dem Golden Age der NEL-Veröffentlichungen.

Nr.12: Marc Marais – Satans letztes Opfer
Die deutsche Ausgabe hat diesen Roman in jeder Hinsicht schwer verstümmelt; hier trifft der Vorwurf einmal in jeder Hinsicht zu. Ein gelungener und ziemlich blutiger britischer Exploitationhorror, wie ihn nur die 70er hervorbringen konnten. Ein in Vergessenheit geratener Klassiker.

Eine »unheimliche« Mischung: Dämonenkiller – Die Taschenbücher - Blutige TränenNr.13: Ernst Vlcek – Das Phantom aus dem Spiegel
Nicht so gut wie die Nr.1, aber immer noch ein gelungener Roman. Was hätte Vlcek auf dem Gebiet vielleicht noch erreichen können, wäre er nicht von der Rhodan-Maschine so vereinnahmt worden.

Nr.37: W. Howard Baker – Der Schlangenthron
Noch ein Stück unverfälschte britische 70er Exploitation. Und eine Obskurität, gibt es davon doch zwei Übersetzungen. Von den Ausgaben ist die gesäuberte Pabel-Version eindeutig die schwächere, aber die unzensierte Übersetzung im Horror Expert-TB von Luther illustriert ganz gut, wie diese Romane ohne Schnitte funktionieren. Und wo die Selbstzensur ansetzte.

Nr.45: John Willow – Das Böse Auge
Ein Phantastikroman von Bodo Baumann, der vom Erzählstil und vielleicht auch von der leisen Story her weit über den meisten deutschen Produktionen steht.

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Kommentare  

#1 Toni 2017-07-31 15:19
Nochmals Danke für die sehr informative Artikelreihe.
#2 Laurin 2017-07-31 16:32
Ja, die Reihe war sehr informativ, zumal diese Taschenbücher meiner Aufmerksamkeit damals wohl gänzlich entgangen sind.

Im Rückblich würde ich allerdings sagen, das ich Romane z.B. wie hier oben nochmals aufgeführt von W. Howard Baker, Marc Marais oder Charles Runyon lieber in guter deutscher Übersetzung ohne Kürzungen lesen würde. Denn diese Zusammenstreichung auf eine brauchbare Seitenzahl, wie damals passiert, halte ich aus heutiger Sicht irgendwie eher für Grenzwertig.
#3 Cartwing 2017-07-31 18:27
was machste als nächstes? ;-)
#4 Heiko Langhans 2017-07-31 18:50
Mögen uns Deine Lust am Schund und die resultierenden Betrachtungen noch lange erhalten bleiben. 8)
#5 Andreas Decker 2017-08-01 10:24
Danke für die Kommentare.

In Kürze kommt was Neues, aber ich bleibe dem Schund treu :lol: Allerdings dieses Mal deutlich weniger Bände.
#6 Schnabel 2017-08-14 12:40
Deine Betrachtung der Dämonenkiller-Taschenbuch-Reihe hat mir gut gefallen und auf deine neue "Reihe" freue ich mich schon...

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