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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Im Abgrund des Bösen (Gaslicht 292)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Im Abgrund des Bösen«
Gaslicht 292 von Anna Lombardi

Welcome Back, liebe Mysteryliteratur, für die weibliche Seite in uns allen! Einstmals hatte ich mich einer Auslese von Geheimnisromanen gewidmet, einfach weil es kurios zu sein schien und weil die »Drama, Baby«-Herzschmerzklischees bestimmt Anlass für ein paar saftige Scherze wären, aber dann hatte ich meinen Ausflug doch sehr genossen.

Also einfach mal nach Gefühl und Wellenschlag ein flottes Gaslicht-Trio erbeutet und jetzt müsst ihr damit fertig werden! Deal with it!

Was soll ich sagen? Bombenstory!

Wie ich überrascht feststellte, konnte ich zu Autorin „Anna Lombardi“ irgendwie so gar nichts recherchieren, bei meinem Erstversuch letztes Jahr war immerhin noch zu eruieren, dass es sich um eine Übersetzung aus dem Englischen handelt, hier allerdings herrscht totale Ebbe.

Es ist der – soweit ich feststellen konnte – einzige Roman unter diesem Autorennamen oder Pseudonym, den es gibt und ich konnte ihn nirgendwo sonst verorten (er ist wohl mindestens von 1978) und es scheint sich um kein Verlagspseudonym zu handeln, aber vielleicht kann irgendwann ja jemand Licht ins Dunkel bringen.

Mir sind solche Einzelromane jedenfalls lieber als die „Run-of-the-Mill“-Ware solider Reihenautoren aus deutschen Landen, weil sie meistens einen Tick anders sind, als es der gewöhnliche Plot erwarten ließ und war mein letztjähriger „Gaslicht“-Roman schon der Wahnsinn auf Stelzen, so kriegt man auch hier keine typische Geschmacksrichtung serviert.

Ob „Im Abgrund des Bösen“ (übrigens ein Titel, der überhaupt keinen Bezug zum Restroman hat, das Gleiche gilt für das gewählt Cover, denn die Story spielt in der Jetztzeit und wirkt ein wenig wie eine Episoder aus einer Soap) nun übernatürliche Elemente enthält oder nur einen sehr wortgewandten Hypnotiseur, wird nicht ganz klar, aber es sind Anklänge von Seelenwanderung und dem „Grafen von St. Germain“ drin, ohne dass sich die Autorin genötigt fühlt, den Erklärbär über Gebühr aus dem Käfig zu lassen.

Bisweilen meinte, ich dass die Autorin die übernatürlichen Bezüge nur deswegen gewählt hat, weil die unheimliche Überzeugungskraft des Hausgastes nicht überzeugend gewirkt hätte, aber trotz netter zwischenzeitlicher Anleihen bei mystischen Elementen verschiedener Kulturen (die aber nur erwähnt werden), wirkt die Story alles in allem wie eine Geschichte, die in leicht abgewandelter Form auch im 19.Jahrhundert funktioniert hätte – und dort vielleicht sogar noch besser.

In den klassischen viktorianischen Stories war der zwingende, dämonische Einfluss eines Verführers noch viel besser dem Unheimlichen verhaftet und deshalb gerät die Story dann auch, trotz modernen Settings, zu einer Art Kammerspiel, dass weniger auf äußere Effekte setzt, als vielmehr auf eine dichte Nacherzählung, da alles Äußere und sogar der Selbstmordversuch ergänzt und nacherklärt werden müssen.

Das ist dann nicht die aktivste Form des Erzählens, hält aber alle Beteiligten hübsch beisammen.

Und hier der Plot...

Im Abgrund des Bösen»Would you like a cup of my Java?«
Es ist eine dunkle und stürmische Nacht – wieder einmal – diesmal rund um das Haus der Familie Mooreland in Maine.

Die Moorelands haben ordentlich Geriebenes auf der Bank, weswegen die Nobelherberge in Stephen-King-Land auch nur das Sommerquartier ist und man bei Einsetzen des Bodenfrost salsbald immer nach Houston, Texas umzieht. Only in America…

Heute Nacht ist schon fast wieder alles für den Umzug bereit, es fehlen allein noch Hausherr Randolph, Chef einer global agierenden Firma für die Löschung brennender Ölquellen und sein bester zweiter Mann Stanley Ford.

Daheim hinterm Ofen haben sich versammelt: das schnuckelige Töchterlein Caroline, das sich schon sehr lange sicher ist, dass Stanley in sie verschossen ist (Altersunterschied allerdings: 10 Jahre), der etwas füllige Vetter Michael Hastings, Mutter Gladys, ein thailändisches Haushelferpaar und das Au-Pair-cum-fast-adoptierte franco-libanesische Schönchen Sybill, welche selten lächelt und sehr laut schweigt.  (sehr multikulturell, die Gesellschaft!)

Stanley und Randolph kommen aus unterschiedlichen Richtungen und alle dürfen ob ihrer Verspätung etwas besorgt sein, weil auch der Wind so durch die Kamine jault, dass alle an Geisterstimmen und böse Omen erinnert werden.
Alles sammelt sich bei Kaminfeuer und Grog im Salon und Caroline lässt sich mal wieder durch den Kopf gehen, wie ihrem „Bruder“ Stanley bei einem Tanz offensichtlich schlagartig bewusst wurde, dass sich das Mädel der Familie in eine begehrenswerte Frau verwandelt hat. Dummerweise macht auch Sybill Stanley schöne Augen und der macht hilflos mit.

Da steht Stan endlich – zurück aus Alaska – in der Tür, ist aber einen Happen zu schweigsam. Als Caroline ihn löchert, kommt er mit Andeutungen über ein seltsames Erlebnis daher, aber es bedarf ein paar erzählerischer Anreize des jovialen Michael, der eine gruselige Geschichte zum Besten gibt, damit er damit rausrückt.

Offenbar hatte Stanley in Alaska einen Kollegen namens Leif, einen Schweden, der mit Todesverachtung seinen Job ausführte und sich in stillen Stunden von „irgendjemanden“ verfolgt fühlte. Er hört auch Stimmen und das hat damit zu tun, dass Leif einmal ganz schwer in eine gewisse Romana in Italien verliebt war, bis ein mysteriösen Graf Falco aufgetaucht war und sie ihm abspenstig machte. Es kam zur „Aussprache“ und der Graf endete mit einem Messer zwischen den Rippen, was die Beziehung leider beendete.

Bimbam, die Glocke. Alle erwarten den Herrn Papa, doch draußen steht ein dürr gewachsener, in Schwarz gekleideter älterer Herr, der sich als Dr. Konstantin Java vorstellt und sich sofort wie zu Hause fühlt und aufführt. Fragen zu seiner Person ignoriert er, wickelt aber mit akut unterhaltsamer Dampfplauderei die ganze konsterniert Bagage sofort um den Finger. Sogar Sybill erwacht aus ihrem schweigsamen Stupor und wird ausgesprochen albern.
Caroline kommt das alles sehr seltsam vor, als würde der Mann alle unter eine zutrauliche Trance zwingen, als dann endlich Randolph Mooreland in der Tür steht, frisch zurück aus der Nordsee.

Der Hausherr kennt den unbekannten Gast sehr gut, er hat ihn schließlich eingeladen, denn Java hat ihm angeblich während einer Krankheit vor kurzem das Leben gerettet und nun ist er vollkommen von den Socken. Was das für eine Krankheit war, erfahren wir und die Beteiligten nie.

Später am Abend geben sich Stanley und vor allem Michael sehr misstrauisch ob der Wirkung Javas auf die Damen – und dann stellt der fette Vetter dem guten Stanley ein Ultimatum, nun endlich Caroline mal einen Antrag zu machen und nicht weiter aus Verlegenheit der guten Sybill weitere Avancen. Er gibt ihm zwei Tage Frist.

Währenddessen bereiten alle die jahreszeitliche Umsiedlung vor, während sich Java passgenau in den Haushalt einfügt. Kurz vor der Abreise lässt dann Mooreland gegenüber seiner Frau Gladys das Rudel Katzen aus dem Sack: weil er Java soooo dankbar ist, hat er ihm mal eben nonchalant die Hand seiner Tochter versprochen. Caro muss den dürren Zausel mit der Honigstimme ehelichen und da gibt es gar keine Diskussion! (Hossa!)
Gladys ist da anderer Meinung und das sagt sie auch – letztendlich muss ja auch Caroline mal davon erfahren.

Und dazu kommt es auch recht schnelle, Gladys überlässt die frohe Kunde ihrem Gatten, der sich enorm entrüstet zeigt, dass das nicht das nötige positive Echo findet – im Gegenteil, Caroline stürzt sich – nu aber, mit Schmackes – in Stanleys Arme.

Während Randolph nun der Stift geht, zeigt sich Java freundlich und verständnisvoll – doch da klingelt schon das Telefon: am Persischen Golf brennts (damals schon!!!). Stanley und Randolph müssen wieder in den Einsatz.
Doch noch bevor es dazu kommt, greift die geschmähte Sybill in das Giftschränkchen, kann aber so gerade noch gerettet werden und wird von Java wieder aufgepäppelt.

Derweil fühlt sich Caroline nicht eben so wohl – sie hat seltsame bis böse Träume, in denen jemand eine Art geistiges Netz um sie spinnt – und sie kann nach vier Wochen die Rückkehr der Männer kaum erwarten.
Als der Heimkehr-Heli jedoch landet, ist Stanley nicht an Bord – er ist irgendwo in Persien verschollen, tot oder entführt oder beides und deswegen ist die Hochzeit wohl erst mal abgesagt. Caroline macht einen geistigen Butzemann und nimmt sich folgerichtig eine ohnmächtige Auszeit.

Ein Kollege Stanleys, ein gewisser Farr, erzählt, dass Stanley die gleiche Besessenheit wie damals der Schwede Leif an den Tag legte und als die alte Geschichte wieder auf den Tisch kommt, zeigt sich Java mit seltsamen Ansichten über Besitzansprüche und Notwendigkeiten bzgl Frauen sehr ungewöhnlich.

Kurz darauf verschwindet auch noch Sybill spurlos – unbekannt abgereist. Doch auch das kann Java irgendwie erklären , um dann die Stimmung wieder nach und nach aufzuheitern. Auch gerät Caroline sehr stark unter Javas beruhigenden Einfluss, so dass es sogar zu Charakteränderungen kommt.
Und schlussendlich ist es soweit: Caroline willigt in eine Hochzeit mit Java ein.

Kurz vor dem festlichen Ereignis, ist Michael plötzlich wieder die einzig mahnende Stimme der Vernunft, wird aber familiär runtergeputzt. Der Kontakt mit dem wieder anwesenden Farr macht den guten Michael jedoch endlich renitent, er will mit dem Kollegen Stanleys den Doktor zur Rede stellen, der gerade im Garten spazieren geht.

Just als die Braut gerade zur Kirche abgeholt werden soll, verfällt Caroline plötzlich in einen katatonischen Zustand – und prompt hat Randolph sein aufbrausendes Temperament wieder.
Schuld daran ist Java – der allerdings jetzt tot im Garten liegt (sitzt). Die Leiche wirkt unnatürlich alt und jeder in der Familie scheint wie von einem Bann befreit. Und Stanley und Caroline sinken sich plötzlich wieder in die Arme, denn der Verschollene steht plötzlich in der Tür.

Offenbar ist Stanley von einem Kollegen nach einer längeren Entführung befreit worden – und dieser Kollege ist Leif Thorstensen. Als man Thorstensen von den Vorkommnissen berichtet, wird dieser plötzlich hektisch und identifiziert Javas Leiche als die des besagten Grafen Falco, den er schon einmal umgebracht hatte.

Ein im Anzug der Leiche gefundener Brief offenbar ein Geständnis Javas, dessen übernatürliche Kräfte ihn offenbar verlassen hatten, als sein alter Gegner sich ihm genähert hatte. Thorstensen fügt dazu an, dass die ganze Entführung Stanleys durch Java gelenkt worden war, die Entführer waren aus der Familie Sybills, welche der Doktor so eingewickelt hatte, dass sie glaubte, so Stanleys Herz erringen zu können. Wen wundert es da noch, dass Caroline der besagten Ramona, dem Herzchen Leifs, sehr ähnlich sieht.
Doch die Herkunft Javas und seine Kräfte bleiben ungeklärt!

Oh, wie verführerisch, sind Doktors Worte…
...jaja, reden kann er, der Doktor Java, der hier eine ganze Familie in ein enges semihypnotisches Netz einspinnt, so dass alle, aber auch wirklich alle nur eins wollen: ihn zu mögen!

Das ist nun wirklich unheimlicher als der typisch finstere Endgegner, der zehn Seiten vor Schluss aus irgendeiner Hose gezogen wird oder die sympathische Figur, die überraschend alle getäuscht hat.

Was das denn nun war, dass der Unerklärliche ausgestrahlt hat, es kommt nicht zutage.

Tatsächlich wirkt es sogar recht kontraproduktiv, dass der Doktor auch gleich noch als der dürre, bleiche, ältere Besucher aus dem Dunkel der Nacht eingeführt wird, dessen einnehmendes Wesen jeden Anwesenden zu ungeklärtem Verständnis und Sympathie verführt. „Da stimmt was nicht!“, ist die automatische Reaktion und tatsächlich verhält es sich dann auch so, wobei man die eigentliche Absicht (der Unbekannte ist auf die Tochter scharf) gar nicht so recht glauben will, weil sie eben nicht wirklich überzeugend ist, ohne jegliche übernatürliche Kraft. Wäre der Doktor eher unscheinbar gewesen, anstatt auf den ersten Blick sogar eher abstoßend, hätte man hier eines der wenigen typischen Klischees vermieden.

Leider können die Wortkaskaden des Doktors nicht soweit überzeugen, dass die Idee den Roman trägt, aber die Autorin setzt ihren Plot enorm dicht zusammen und schafft es – und dafür muss ich die Heftromanautoren wirklich ausnehmend loben – alle Fäden in der Hand zu behalten und später tatsächlich zu verdichten. Dabei bleibt der Roman im Fluss, was meistens die größte Schwierigkeit der Autoren war (und ist) und lässt sich ohne große Mühe interessiert weglesen.

Auch der Schmachtanteil ist nicht so groß, tatsächlich wirken die kurzen „Oh, Stanley!“-Einschübe gar nicht passend zum Rest des Romans, bei dem man den Gesamtablauf allerdings bei guter Leseübung recht schnell selbst zusammensetzen kann. Dass die Story dennoch den Leser an sich bindet, möchte ich aber dennoch loben.

Etwas antiklimatisch ist natürlich das Finale, das ohne Endgegner oder böse Hexe auskommen muss, stattdessen verabschiedet sich der Bösewicht praktisch auf französisch, er riecht sozusagen noch einmal an den Rosen und wird dann einfach tot aufgefunden, was auch den kompletten Bannfluch löst (worauf wieder eine längere Nacherzählung/-erklärung einsetzt). Die ist aber immerhin originell und lässt einige Fragezeichen im Raum stehen – wie überhaupt trotz aller finalen Verdammnis der gute/böse Doktor ambivalent gezeichnet bleibt, denn er muss eben besagte Frauen erobern, weil seine energetische Lebenskraft davon abhängt. Letztendlich hat er aber gegen starke, wahre, natürliche Gefühle keine Chance, praktisch ein romantischer Märchenschluss, wenn man so will.

Insgesamt aber eine positive Überraschung ohne etwaige Absurditäten, nicht einmal die komische Seitenfigur Michael, der pummelige Vetter fällt da aus dem Rahmen, stattdessen hat der ohne zu enge gefühlsmäßige Bindung praktisch die Narrenkarte inne und kann als Einziger am Ende einen „Stich“ machen und sich gegen die unwahrscheinliche Verbindung auflehnen.

Ein nachdrücklicher Beleg dafür, dass man keine zu enge Bindung zu seinem Psychotherapeuten aufbauen sollte.

Da kann man auf die nächsten Beiträge ja nur gespannt sein...

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2017-08-08 10:36
Die amerikanischen Gothics hatten schon eine gewisse inhaltliche Vielfalt, die der deutschen Produktionen häufig abgeht. Da ging eigentlich fast alles, vom historischen Roman zum Jet-set in Monte. Nur SF und Fantasy war damals tabu.

Pabels Gaslicht war erfolgreicher als so manche Männerserie. Und dass ohne Fanbasis und Serienzwang.

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