Die Vampire und Dirk - Der Vampir-Horror Roman: Der Henker von London
Der Vampir-Horror-Roman
Der Henker von London
Der Henker von London
Mein Senf
Wer in früheren Jahrhunderten Henker werden wollte, musste schon ein besonderer Mensch sein. Da gab es Spezialisten mit Axt und Schwert, die wie Popstars durch die Gegend zogen und einen festen Preiskatalog hatten. Sie brachten auch meist ihre eigenen Folterknechte mit und erinnerten an die heutigen Schiedsrichter-Teams beim Fußball. Man musste fest im Glauben oder ein Sadist sein, wenn man anderen Menschen auf brutale Art und Weise das Licht ausblies. Beides gleichzeitig war natürlich auch möglich und gut bezahlt wurde der Job auch noch. War mal eine Stelle frei, gab es etliche Bewerbungen – man tat ja schließlich Gotteswerk. Viele Freunde außerhalb ihres Berufszweiges dürften sie nicht gehabt haben, denn der normale Bürger machte lieber einen Bogen um diese Gesellen und ihre Häuser standen meistens weit ab von denen der anderen. Dabei war der gewöhnliche Henker des Mittelalters, mit dem wir es in den Grusel-Heft-Romanen schon mal zu tun haben, eine echte Verbesserung zu den grausigen Kameraden aus früheren Epochen, die Hinrichtungen zu wahren Blutorgien machten. Ein gezielter Hieb mit dem Schwert oder der Axt, löste das Ausweiden, Vierteilen, Rösten, Strecken, Aufspießen usw. nach und nach ab. Wer Hälse mit nur einem Schlag durchtrennen konnte, war ein Meister seines Fachs und wurde hoch belohnt. Schattenseiten hatte dieser Beruf natürlich genug. Neben der gesellschaftlichen Ächtung hatten die Henker am Lebensabend oft keine Freude. Verfolgt von den Geistern ihrer Opfer, verbrachten viele ihre letzten Jahre in diversen Anstalten oder brachten sich gar selber um. Den Enkeln dürften die Haare zu Berge gestanden haben, wenn Opa von der Arbeit erzählte. Auch in unseren geliebten Heftromanen schwangen sie hier und da schon mal die Axt oder das Schwert und meistens konnte man sie nicht so richtig einordnen. Oft waren sie auf der Seite der bösen Buben, aber manchmal mordeten sie auch im Auftrag der Gerechtigkeit – wie in diesem Roman von Peter T. Lawrence.
Zum dritten mal stand jetzt schon Lawrence auf dem Umschlag und immer noch ist das Geheimnis nicht gelöst, wer denn nun hinter dem Pseudonym steckt, wenn es denn eins ist. Seine ersten Gehversuche bei den Heftromanen sind es jedenfalls nicht, da das ganze Geschehen auch diesmal wieder sehr routiniert (im Ich-Erzähler-Stil) erzählt war. Der Schreibstil und der Sprachgebrauch erinnern stark an die Krimis, die ich irgendwann mal gelesen habe. Wäre nicht unüblich, dass ein Krimiautor Gruselromane geschrieben hat. Der Sprung ist ja auch logisch, denn die gleichen Berufsgruppen wie Polizisten, Reporter und Detektive tummelten sich in so ziemlich jedem Gangsterroman dieser Zeit. Jetzt noch ein paar Unholde dran - fertig. Zumindest machten die Protagonisten von Lawrence den Eindruck, als wenn sie schon oft unter anderen Namen im Einsatz waren. Gekonnt beschrieb er den Alltag der Ermittler, ohne jedoch zu übertreiben. Es gibt fast nicht schlimmeres als diese aufgesetzte Ganovensprache der 60/70er Jahre, wo es von Krätze-Luigis und Umbertos (Typ einarmiger Rabattmarkenfälscher) nur so wimmelte. Lawrence übertrieb zum Glück nicht, sondern gestaltete seine Dialoge recht spannend und passend zum Geschehen.
Wenn man genau hinschaut und den ein oder anderen Vorgänger beim VHR oder Bastei (GK) gelesen hat, kommt man schnell dahinter, dass Lawrence immer mal wieder zur Konkurrenz rüber geschielt hat. Bei ihm konnte man Spuren von Hugh Walker entdecken oder zwischendurch blitzten auch schon mal die französischen Übersetzungen durch. Von der Schreibe her lag er irgendwo zwischen Luif und Rellergerd, die ja auch noch nicht so lange den Friedhof nach gruseligen Geschichten absuchten. Auch sie kamen spürbar aus der Krimi-Ecke.
Das Thema Henker gab es zu dieser Zeit auch nicht so oft. Da konnte man locker ein wenig Geschichte mit einbauen, was ja bekanntlich immer gut kommt, und dem Romanen dadurch so etwas pseudoreales gibt. Ein Buch (die schwarzen Henker) wurde erwähnt und zufällig wohnte der Inspektor noch in der Bude des berüchtigten Arwanus, der zu seiner Zeit extrem religiös verstrahlt war und sich auch schon mal Arbeit mit nach Hause genommen hat - im Geheimraum lagen noch ein paar Skelette herum. Der Weg zu seiner Fleischwerdung war etwas mühsam, auch für den Leser. Mit jedem Opfer, das Condell in Gestalt des Eismonsters für ihn schockgefroren hat, bekam er mehr Körperutensilien dazu. Und da wären wir wieder bei seinem zweiten Roman innerhalb der VHR-Serie, der ja von einer unfertigen Mumie erzählte. Ein wenig wiederholte sich Lawrence.
Die Auftritte von Inspektor Condell waren am Anfang deshalb etwas zäh, weil er ständig kränkelte. Arwanus versuchte den Geist und Körper seines späteren Wirtes zu übernehmen, was über mehrere Seiten doch ein wenig aufs Gemüt drückte. Wie bei ELMER (der fiese Splatterwurm von Henenlotter) schmeichelte Arw. seinem Opfer Condell und ließ ihm sogar ein wenig Handlungsfreiheit. Die Wendung am Schluss, als er dann den Körper von John Condell übernommen hat, war vorhersehbar. Mich hat es jedenfalls nicht überrascht.
Typisch für Romane dieser Zeit war das schnelle Anbandeln. Gab es irgendwo eine Witwe oder ein armes, junges Ding ohne Lebensplan und Verwandte, lauerte an der nächsten Ecke schon der gute Polizeibeamte/Detektiv/Reporter von nebenan, um seinen Arm und später auch andere Körperteile, anzubieten. So auch hier, denn die Witwe Haley war ja schließlich frei und ihr Kerl schließlich schon in der Leichenstarre.
Die Nebenhandlung um die Prostituierte von Seite 27 verlief anschließend völlig im Sand. Hier wollte Lawrence nur mal klarstellen, dass der Unhold mit hypnotischen Kräften arbeitete und die Augenzeugin suggestiv aus dem Fenster schickte. Das passte zwar nicht zur Arbeitsauffassung des Henkers, der ja nur die bösen gekillt hat, aber was soll´s. Eine Bordsteinschwalbe macht noch keinen Sommer.
Etwas verwirrend war die Nahrungsaufnahme von Arwanus. Brauchte er nun Blut oder ernährte er sich am Anfang von der Angst seiner Opfer, die ja selbst bei der Autopsie noch innerlich gefroren waren. Diese Idee hätte er übrigens weiter verfolgen sollen, stattdessen fing das Monster an, für seinen Herrn ab ca. Seite 30, Blut zu sammeln. Wirkte etwas eingeschoben und spät erdacht.
Eine gute Idee war das Tonband am Knöchel. Seit dem Exorzisten hatten solche kleinen Aufzeichnugsgeräte in Horrorstorys an Beliebtheit dazu gewonnen. Hier erfuhr der Leser auch gleich mal, dass die Stimme von Arwanus nicht nur in Condells Kopf erklang sondern auch aufgezeichnet werden konnte. Die anschließende Schnitzeljagd durchs Haus war recht interessant. Anhand quietschender Türen und knarrender Treppen fand der Inspektor schließlich den geheimen Raum. Das hatte auch etwas von seinem Mumienroman (VHR Nr.42) und wenn ich ehrlich bin, finde ich dieses Geschleiche durch dunkle Gänge auch immer wieder spannend. Wer weiß, was hinter der nächsten Ecke auf einen lauert.
Abschließend muss ich sagen, dass mich DER HENKER VON LONDON nicht unbedingt um den Schlaf gebracht hat, aber dennoch gut lesbar war. Die Beschreibungen der furchtbar entstellten Opfer haben bei mir jetzt nicht so gezündet, aber so etwas funktioniert in Heftromanen ja auch eher selten. Das Ding mit der inneren Vereisung war mal neu. Immerhin. Lawrence Schreibstil war durchaus flott zu nennen und „nach erklärt“ musste auch nichts werden. Das Timing passte bis zur letzten Seite und man hatte eher noch Zeit, die Geschichte ruhig auslaufen zu lassen. Auf zwei Seiten war sogar Platz für eine Nebenhandlung, denn der Reporter Ascorda ermordete noch schnell seine Frau, um den Henker wieder auf den Plan zu rufen. Vom Teufel oder anderen Dämonen war hier nichts zu lesen. Arwanus war eher so ein Rachegeschöpf, was im Namen des Herrn seinen polierten Stahl in Hälse trieb. Der geschichtliche Hintergrund war zwar da, wurde aber nicht so richtig ernst genommen. Das konnten Walter Appel oder auch Luif besser.
Was gab es sonst noch?
Ja, so stelle ich mir eine Henker vor: Brutal, verschwitzt und unsympathisch. Der kleine Erbsenkopf suggeriert dem Leser noch, dass in diesem Schädel nicht viel Gehirn drin stecken kann. Was man nicht alles aus einem Bild herauslesen kann... Wahnsinn. Ein sehr passendes Bild zum Roman, allerdings habe ich vor dem Lesen eher an ein Vergangenheits- Abenteuer mit ausgiebiger Zeitreise gedacht.
VAMPIR INFORMIERT durchleuchtet heute das Minenspiel von Lon Chaney jr., der in fast allen wichtigen Horror-Filmen der 40er Jahre seine beharrte Wolfspranke in diverse Opfer schlug. Er gab dem Isegrim auf zwei Beinen etwas tragisches und bemitleidenswertes. Erst Jahre später konnte man bei THE HOWLING (Das Tier) von Joe Dante sehen, das Werwölfe auch Arschlöcher sein können. Das Szenenfoto zu Abott and Costello meet Frankenstein sieht, naja, gruselig aus. Vor was hatten wie Knirpse früher eigentlich Angst? Schöne alte Zeit...
Kommentare
Und ich war begeistert! Und wurde Sammler!
Matthias, schöne Verbindung zum Roman. Wir hatten zu Hexenhammer (Fanzine) -Zeiten, so um 1985, auch ein paar Mädels aus der DDR (Kotzen) im Club, denen wir Romane geschickt haben. Leider haben wir später nichts mehr von ihnen gehört. Laut ihren Berichten wurde damals an der Grenze so einiges abgefangen. Da gab es wohl auch Fans von Sinclair und Co. unter den Grenzbeamten....
Halte ich eher für unwahrscheinlich. In Wallace und Harbottle "The Tall Adventurer - the Works of E.C.Tubb" ist nichts dergleichen verzeichnet. Da ist jeder Roman und jede Kurzgeschichte mit Inhalt aufgenommen. P.Lawrence ist als Sammelpseudonym vom Verlag Spencer bei Tubbs Western drin.
Ich gehe mal davon aus, dass das Ding vollständig ist. Immerhin steht sogar "Commander Scott" #38 korrekt als deutsche Erstveröffentlichung verzeichnet drin. Ein paar VHRs hätte Tubb, der daran wohl mitgearbeitet hat, sicher nicht unterschlagen.