Leidlich spannend - Carnacki, der Geisterdetektiv
Leidlich spannend
Carnacki, der Geisterdetektiv
Ins Deutsche übertragen wurden die Texte von Jürgen Martin. Insgesamt ein sehr schöner und optisch ansprechender Band.
William Hope Hodgson ersann seinen „Sherlock Holmes des Übernatürlichen“ Anfang des letzten Jahrhunderts ganz in der Manier von Algernon Blackwoods John Silence. Die ersten Geschichten wurden 1910 veröffentlicht, eine weitere folgte 1912. Zu Lebzeiten des im Jahre 1918 im Krieg gefallenen Autors erschienen lediglich sechs der Stories. Eine weitere wurde posthum 1929 veröffentlicht, zwei weitere folgten 1947 durch August Derleth, über den eine zeitlang spekuliert wurde, ob nicht etwa er selbst die Geschichten geschrieben hätte. Zuzutrauen wäre es ihm…
Die Erzählungen sind alle nach einem stets wiederkehrenden Schema aufgebaut: ein erlesener kleiner Freundeskreis von geduldigen Zuhörern wird sporadisch in Carnackis Haus zum Dinner eingeladen, welches in der Folge auf Wunsch des Gastgebers schweigend verläuft. Nachdem das Mahl beendet wurde, zündet sich Carnacki seine Pfeife an und beginnt von seinem letzten Fall zu berichten. Einer der Anwesenden in dieser Rahmenerzählung – Dodgson (man beachte die Ähnlichkeit des Namens) – ist zugleich auch der Erzähler der Story und gibt sie an den Leser weiter. Carnacki ist ein sehr fortschrittlicher und dem modernen aufgeschlossener Detektiv, der das Übernatürliche zwar akzeptiert und auch fürchtet, aber dennoch stets wissenschaftlich vorgeht und nach natürlichen Erklärungen sucht und bisweilen auch findet. Eine weiteres Zeichen seiner durchaus materiellen Ansätze ist seine Ausrüstung, die - wenn man den Zeitpunkt der Entstehung der Geschichten vor Augen hat – geradezu revolutionär erscheinen: ein elektrisches Pentagramm oder ein Farbkreis aus leuchtenden Röhren hat zuvor wohl kein anderer Kämpfer gegen die Geisterwelt benützt. Neben seinen modernen Geräten benützt der Detektiv Auszüge aus dem fiktiven Sigsand-Manuskript oder das ebenfalls fiktive Saaamaaa-Ritual. Klingt eigentlich ganz interessant, ist es dann aber leider nicht.
Die Stories sind nur leidlich spannend und von durchwachsener Qualität und durch ihren stereotypen Aufbau werden sie rasch eintönig und langweilen beim Lesen. H. P. Lovecraft, sonst durchaus ein Bewunderer Hodgsons, äußerte sich zu Carnacki distanziert und negativ: die frühen Carnacki- Erzählungen seien minderwertig , der Detektiv selbst schwach und stereotyp, sowie nur ein mittelmäßiger Abklatsch von John Silence.
Ganz so hart würde ich mit dem Autor nicht ins Gericht gehen, aber überzeugt hat Carnacki auch mich nicht. Zwar vermittelt und webt Hodgson bisweilen durchaus gekonnt eine sehr dichte und unheimliche Atmosphäre, allerdings löst sich diese dann fade auf, da die Geschichte eine Wendung nimmt, die sie ihrer Übernatürlichkeit und somit ebendieser Atmosphäre wieder beraubt. Der Aufbau der Stories ist auch zu stereotyp und stets gleich, vor allem die Rahmenhandlung ist fade und ihr Konzept dann auch rasch abgenützt. Die Schauplätze der Fälle sind ebenfalls nahezu austauschbar: es handelt sich stets um heimgesuchte Orte, meist sind es Spukhäuser.
Carnackis Spekulationen, Theorien und Erklärungen sind häufig hanebüchen und abstrus. Der Geisterdetektiv selbst wirkt auch merkwürdig blass und farblos, ist kaum charakterisiert und gesichtslos. Er agiert zwar scheinbar aufgeklärt und vordergründig innovativ, ist aber letztlich nur ein wandelnder Grauschleier mit wenig Temperament und Elan. Gegen ihn wirken die Spukerscheinungen deutlich lebendiger.
Fazit:
Das Buch liest sich insgesamt gut und flüssig, auch die Übersetzung ist gelungen. Inhaltlich hingegen ist es leider schwach. Es gibt zwar durchaus schlechtere Geisterdetektive, aber leider auch bessere (John Silence oder Eli Podgram). Eine einzelne Carnacki-Story in einer Anthologie kann man durchaus mal lesen, aber ein ganzer Band davon ist mir zu viel des Guten.
Ich vergebe 3 von 5 elektrischen Röhren.
Carnacki, der Geisterdetektiv
Kommentare
Ich denke aber ähnlich. Carnacki ist hauptsächlich historisch interessant, besonders einprägsam oder gut sind die Stories nicht. Eigentlich reicht es, wenn man mal eine Geschichte gelesen hat.
Dafür hat Hodgson andere Klassiker geschrieben, die zeitlos sind. Wie "Das Haus an der Grenze".
Festa übertreibt es auch mit den Veröffentlichungen, jetzt gibt es schon eine Interpretation von Sexthemen und Lovecrafts Werken. Wer liest so einen Mist?
Ich bin kein Freund davon wenn für alles eine Statistik und Deutung gefahren wird, denn letztendlich bleibt es eine Kurzgeschichte oder ein Buch.
Manchmal wird Durchschnittliches auch nur kostbarer gehandelt, weil es älter und seltener wurde.
Anmerkung zum Verlag:
Da Festa nun aber auch für pubertierende Mädels "Twilight", "Shades of Grey" und sonstiges Vampir Liebeschnuller veröffentlicht wird es in diesem Verlag zum ersten Mal nun richtig grauenvoll.
P.S.: Und da heißt es immer nur Männer gehen nach ihren Trieben, die Frauen sind jedoch genauso hohl.
Ich könnte allen Verfluchten die ihr Hemd aufgeknöpft offen tragen dieses zutackern oder Vampiren, Wikingern oder anderen Macho Gesellen ein Berufsverbot auferlegen wenn sie mit nacktem Oberkörper beschrieben werden
Ich.
Glücklicherweise reicht mir das Original. Aber es stimmt schon, auf dem Gebiet gibt es wesentlich interessantere Sachbücher, die leider den Weg nach Deutschland bis jetzt noch nicht gefunden haben. Obwohl du das nicht gemeint haben wirst
zitiere Postman:
Wenn es denn die Rechnungen bezahlt und den Verlag über Wasser hält, warum nicht? Offenbar sind die blutigen Perversionsfantasien a la Lee&Co dann wohl doch keine Bestseller.
Nun ja, zu "Vampir Liebesschnuller" finde ich im FESTA Programm jetzt nichts. Allerdings kann man bei der neuen Reihe für das Jahr 2018 eine gewisse Nähe zu "Shades of Gray" nicht leugnen. Obwohl, bei mir auf der Arbeit war es ein männlicher Kollege, der sich "Shades of Gray" fasziniert in den Pausen durchgelesen hat. Nun kenne ich dieses besagte und auch schon in zwei Teilen verfilmte Werk nicht und mich drängt es auch nicht wirklich dazu. Doch von FESTA habe ich mir die ersten zwei Bände der neuen Reihe schon einmal vorbestellt. Wenn die nämlich dem Erotik-Thriller in Richtung "Dark Room" von Sophie Andresky nahe kommen, dann dürfte ich glatt ein Fan der Reihe werden. Kommt halt immer darauf an, wer wie die besagte Thematik anpackt und umsetzt.
Bei "Carnacki, der Geisterdetektiv", den ich ja auch in meiner Sammlung habe, habe ich allerdings bisher noch nicht reinlesen können, weshalb ich mich da noch in Schweigen hülle.
Und Lovecraft und Sex, habe ich auch da. Interessantes Thema.
Wenn es denn die Rechnungen bezahlt und den Verlag über Wasser hält, warum nicht? Offenbar sind die blutigen Perversionsfantasien a la Lee&Co dann wohl doch keine Bestseller.
Lee & Co. laufen sogar recht gut, Andreas Decker, sonst könnte der Verlag sein Programm nicht so kontinuierlich ausdehnen. Allerdings läuft auch die "Action-Reihe" wohl richtig gut, auch wenn ich persönlich kaum etwas mit ihr anfangen kann.