HORROR EXPERT 17 – Die Abscheulichen
Die Abscheulichen
Was passiert?
Rosamond Lews, die britische Privatdetektivin, tut ihrer Freundin Mary einen Gefallen und vertritt sie als Assistentin bei ihrem Boss Sir Ebner Douglas, dem weltbekannten Anthropologen und Arzt. Denn Mary hat nach vielen unbefriedigten Jahren endlich den Märchenprinzen gefunden – er hat sie im Kino befummelt, und sie schmolz dahin, nachdem er ihr ihren ersten Orgasmus überhaupt bescherte. Jetzt heiraten sie – ein Märchen aus unseren Tagen.
Also begleitet Rosamond – die Ich-Erzählerin – Sir Ebner nach Genf zu einer Tagung. Wie es der Zufall will, begegnen sie bei einer Spritztour dem Prinzen Nagwang Bakshi aus Bhutan. Der wird gerade entführt. Nichts, was Rosamond und ihre Automatik nicht regeln können. Nach einem Aufenthalt in einer Privatklinik und weiteren verhinderten Anschlägen nimmt Nagwang Sir Ebner und Rosamond mit zurück in die Heimat.
Für Sir Ebner die Erfüllung eines Lebenstraums. Will er doch unbedingt den Yeti finden als Missing Link. Aber Bhutan lässt keine Ausländer ins Land. Jetzt kann Sir Ebner als privilegierter Gast einreisen. Rosamond bekommt die junge Dienerin Ly zugeteilt, die sie mit der Kultur vertraut macht. Da junge Leute sich hier ausleben und experimentieren dürfen, bevor sie der Ernst des Lebens einholt, versucht Ly sofort bei Rosamond unter die Decke zu schlüpfen, was der dann doch zu weit geht.
Mit dem Sherpa Sikhwandsu steigen Sir Ebner und Rosamond hinauf in den Himalaya. Sie begegnen vergeistigten Lamas, die ohne Essen zu müssen in Höhlen hausen, und erhalten Prophezeiungen. Dann wird Rosamond in der Nacht von einem Yeti entführt. Der Yeti verschleppt sie ins Eis und spielt mit ihr King Kong und die weiße Frau, bis Mrs. Yeti dazwischengeht und dem Spiel ein Ende bereitet.
Auf der Flucht stößt die mitgenommene Rosamond auf den Rest des Killerkommandos aus Europa. Die beiden Kerle informieren sie genüsslich, dass sie Sir Ebner und den Sherpa erschossen haben und sie auch umbringen werden. Nachdem sie sie vergewaltigt haben. Rosamond knallt die beiden ab und eilt weiter bergab, bis sie gerettet wird. Wunderbarerweise lebt Sir Ebner. Irgendwie hat er überlebt, obwohl er in einen Gletscher geworfen wurde. Aber das Erlebnis hat ihn buchstäblich stumm gemacht.
Rosamond und Ly bringen ihn zurück nach London, wo er in eine Klinik eingeliefert wird und sich langsam erholt. Seine Schwester kümmert sich um ihn. Dann verschwindet Sir Ebner und hinterlässt Rosamond einen Brief.
In dem Brief schildert er seine wunderbare Rettung im Himalaya. Ein Geistwesen namens Iris in Form einer schönen nackten Frau hat seinen Geist auf eine andere Ebene geholt und ihm damit das Leben gerettet. Iris hat ihm enthüllt, dass sie zu Außerirdischen gehört, die die Erde erforschen. Da sie aber die Atmosphäre nicht vertragen, haben sie vor Urzeiten die Yetis als ferngesteuertes Forschungskommando den Berg runter geschickt. Aus denen wurden dann die Menschheit. Es gibt keinen Missing Link, Affen sind nur Affen. Der Mensch stammt vom Yeti ab. Vor 12000 Jahren haben sie das Experiment wiederholt, um die Menschheit vor ihrem nächsten, kommenden Aussterben zu bewahren. Und da die Aliens Sir Ebner für eines der vollkommensten Exemplare der Rasse halten, haben sie ihn nun gerettet.
Sir Ebner kann die kosmische Vögelei nicht mehr vergessen, nachdem er allein wieder in seinem Körper aufwachte, weil Iris ihn nach erfolgtem Vollzug aus ihrer Sphäre geworfen hat. Also hat er den Mund gehalten, um nicht für verrückt erklärt zu werden, und sich körperlich wieder gesundet heimlich nach Bhutan aufgemacht. Als Eremit will er in einer Höhle leben und seinen Geist vervollkommnen, bis seine Liebe Iris zu ihm zurückkehrt.
Rosamond zuckt mit den Schultern, beschließt Nagwang Bescheid zu geben und Sir Ebner seinen Willen zu lassen. Ob es die Aliens nun gibt oder nicht, vielleicht ist Sir Ebner ja doch nicht verrückt. Die Yetis gab es schließlich auch.
Worum geht es?
Dominique Arly zum zweiten. Seine Biografie wurde bereits im Beitrag zu Horror expert 12 abgehandelt. Das war ein Einzelroman. Das vorliegende "Les Abominables" war Teil einer Serie, die er für die Reihe "Angoisse" des Verlags Fleuve Noir schrieb. In diesen Romanen ging es um die unheimlichen Abenteuer der Privatdetektivin Rosamond Lews. Acht Romane erschienen.
Allerdings lag Arlys hauptsächliches Interesse als Autor im lukrativeren Krimigenre. Er schrieb 54 Krimis für die Schwesterreihe "Spécial-Police". Das ist die langlebigste und erfolgreichste Reihe von Fleuve noirs Taschenbuchimperium in jenen Tagen. Zeit für die längst überfällige Bestandsaufnahme dieses Publikumsverlages.
Der französische Verlag "Editions Fleuve noir" wurde 1949 von Armand und André de Caro, Robert Bonhomme und Guy Krill gegründet. Sie wollten preiswerte Taschenbücher mit Unterhaltungsliteratur auf den Markt bringen. In den Nachkriegsjahren war der Bedarf groß. Neu war das Konzept jedoch nicht. Frankreich hatte durchaus eine Tradition, was den Pulproman anging. Schon 1911 konnten die Autoren Souvreste und Allain mit ihrem finsteren Schurken "Fantomas" das Publikum begeistern. Dann gab es unter anderem den Verleger Ferenczi, der seit 1908 dem Heftroman nicht unähnliche Unterhaltungsromane produzierte, und dessen Söhne das Geschäft bis 1966 fortführten.
Nach der Verlagsgründung brachte Fleuve noir mehrere äußerst langlebige Reihen auf den Markt:
Der Erfolg war beachtlich, im Laufe der Jahre kamen ständig neue Serien und Reihen hinzu, darunter auch viele Übersetzungen ausländischer Romane. Beispielsweise fanden 15 Kommissar X von Pabel den Weg in die Reihe "Aventurier". Aber das war erst der Anfang. Von Alias bis Buffy, von CSI-Novelisations bis Final Fantasy, von Perry Rhodan bis ZBV, irgendwann erschienen sie bei Fleuve noir.
Heute gibt es den Verlag nur noch in anderer Form; "Fleuve editions", wie er nun heißt, ist Teil von Univers Poche, das wiederum zur Verlagsgruppe Editis gehört. Man macht auf Qualität statt Quantität. Die vielen Taschenbuchreihen von einst im monatlichen oder sogar mehrwöchentlichen Rhythmus gibt es auch in Frankreich längst nicht mehr. Genausowenig wie die oft reißerischen, erotischen oder phantasievollen Titelbilder. Größtenteils sind die der geschlechterneutralen und nichtssagenden Mainstreampampe gewichen, die alles gleich aussehen lässt. Lediglich die Phantastik ist teilweise das letzte gallische Dorf der Illustration, das der Gleichmacherei trotzt.
Auch wenn sich bei der Masse der Romane der Vergleich anbietet, funktionierte dieser Genre-Markt in Frankreich in vielerlei Hinsicht anders als in Deutschland. Hierzulande blieb Genreautoren der Taschenbuchmarkt der großen Buchverlage mit seiner Tantiemenbeteiligung verwehrt, sie mussten ihr Auskommen bei den inhaltlich stark reglementierten Heftromanen suchen. "Fleuve noir" hingegen setzte bei seinen Reihen am Anfang an massiv auf die Autoren im eigenen Land statt auf Übersetzungen aus Amerika oder England. Das gilt für alle Genre. Selbst bei "Anticipation" und seiner SF – wo gerade im deutschen Heftroman die amerikanische SF vor allem im Anfang dominierte - ist der Anteil ausländischer Autoren ziemlich gering. Die Landsleute waren gefragt. Allerdings beanspruchte FN die Rechte an den Autorenpseudonymen, vermutlich damit sie nicht wie Jean Bruce, der erste große Erfolg des Verlags, zum nächsten, besser bezahlenden Verlag wechseln konnten.
Der Erfolg gab den Machern recht, vor allem beim überaus populären Krimi, der die anderen Genre wie die SF und den Gruselroman weit hinter sich ließ. "Spécial-Police" und "Espionnage" brachten Serien wie "Coplan" von Paul Kenny (237 Bände), "Sam&Sally" von M.G.Braun (ca. 100 Bände) oder "San-Antonio" von Frédéric Dard (175 Bände) hervor, die alle im Laufe der Jahrzehnte in verschiedenen Ausgaben nachgedruckt wurden. Vieles davon wurde verfilmt für Kino oder Fernsehen, manchmal sogar recht anspruchsvoll mit Schauspielern wie Alain Delon oder Gerard Depardieu. "OSS 117" von Jean Bruce, mit dem "Espionnage" began, schaffte es auch auf 250 Bände. Nach dem Unfalltod des Autors 1963 schrieben zuerst seine Frau weiter und dann die Kinder.
Die Verkäufe bei Fleuve noir konnten sich sehen lassen. Paul Kennys "Coplan" hatte nach 84 Bänden eine Gesamtauflage von 15 Millionen Exemplaren, M.G.Braun kam mit 28 Krimis immerhin noch auf 3,2 Millionen. Das sind keine Einzelfälle. Im Schnitt kamen die beliebtesten "Spécial-Police" und "Espionnage"-Autoren zu ihren besten Zeiten Mitte der Sechziger auf 140000 verkaufte Exemplare pro Band. Selbst der Rest fing mit 100000 Startauflage an. Dagegen sind die Verkäufe in der SF und vor allem bei der Phantastik wie bereits an anderer Stelle erwähnt deutlich geringer. Kam SF bei "Anticipation" auf 15000 verkaufte Exemplare, waren es bei "Angoisse" nur noch bescheidene 6000. Kein Wunder, dass die Berufsschreiber wie Peter Randa oder André Caroff, die man hierzulande – wenn überhaupt - als reine Phantastikautoren kennt, hauptsächlich für den Krimi schrieben. Randa veröffentlichte bei "Spécial Police" 104 Romane und 79 bei "Anticipation", bei "Angoisse" waren es gerade mal 5. André Caroff schrieb 68 Romane für "Espionnage", 45 für "Spécial-Police" und 33 für "Anticipation". Dass er bei "Angoisse" immerhin auf 29 Romane kommt, ist seinem Erfolg mit der Serie "Madame Atomos" zuzuschreiben.
So wie die Hausautoren Monat für Monat einen Roman nach dem anderen produzierten, war auch die Titelbildgestaltung einheitlich. Bis 1978 zeichnete Michel Gourdon Titelbilder für die meisten Reihen von Fleuve noir. Wie viele es genau waren, ist schwer zu sagen. Die Zahlen schwanken. Ein Nachruf im "Le Monde" beziffert 5000 Illustrationen in seiner Karriere, andere Quellen geben 3500 an. Wie bei allen guten Illustratoren ist sein Stil unverkennbar. Man erkennt einen Gourdon, wie man einen Bruck oder einen Askin erkennt. Zuerst den Zeiten entsprechend konservativ, wurden die Cover zusehends freizügiger, bis das nackte Pin-up häufig im Vordergrund stand. Aber alles kommt aus der Mode. Man ersetzte Gourdon durch Fotocover; gelegentlich gab es auch mal nur noch Bilder von nackten Models, wie sie auch auf den unzähligen Herrenmagazinen der Epoche zu sehen waren. Was schon bizarre Züge hat, wenn man bedenkt, dass ein Krimi aus dem Jahr 1952 in der Neuausgabe von 1984 eine Erotik suggeriert, die auf den Seiten kaum zu finden ist. Je mehr sich die Ära von "Spécial-Police" und "Espionnage" dem Ende näherte und die Auflagen sanken – 1982 waren es nur noch 25- bis 30000 Exemplare -, umso hektischer erscheinen die Änderungen, sich an den neuesten Trend zu hängen. Am Ende war man wieder zur Illustration zurückgekehrt.
Der Fleiß und das Durchhaltevermögen der Autoren ist schon bemerkenswert. Ein Krimi-Autor wie Claude Rank hat es bei Fleuve noir auf mindestens 250 Romane gebracht, André Caroff oder Maurice Limat haben in allen Genres und mit allen Pseudonymen sogar mehr produziert. Und auch wenn die Autoren ihre Serienhelden hatten, gab es genausoviele Einzelromane. Jeder hatte die Chance, dass sein Werk nicht sofort wieder in Vergessenheit geriet, wie Neuauflagen und Neuausgaben im Laufe der Jahrzehnte deutlich zeigen. Aber die Qualität ist sehr schwankend, egal, um welches Genre es sich handelt.
Beim Krimi beispielsweise gibt es Autoren wie Leo Malet, dessen Erzählungen mit dem Privatdetektiv Nestor Burma aus Paris viele Male nachgedruckt, verfilmt und sogar übersetzt wurden und der heute als literarischer Klassiker gilt. Auf der anderen Seite verschwand eine Vielzahl der Autoren schnell wieder in der Versenkung. Viele dieser Krimis imitierten einfach die amerikanischen Vorbilder, was bei der Massenproduktion sicherlich einfacher war, als Georges Simenon nachzueifern. Dementsprechend nichtssagend sind sie teilweise auch; das Amerika der harten Gangster in einem Roman von "Sam&Sally" wirkt so authentisch wie im durchschnittlichen Jerry Cotton, Plot und Stil sind schlicht. Einfache Krimi-Unterhaltung eben. Andere Romane wiederrum sind durchaus eigenständig, setzen weniger auf Action und mehr auf Psychologie, erzählen eher die Geschichte eines Verbrechens als deren Auflösung. Und spielen in der französischen Heimat.
In Deutschland, wo der Krimi genauso populär war wie in Frankreich, waren die Autoren von Fleuve noir wenig erfolgreich. An Jean Bruce und seinem CIA-Agenten "OSS 117" kam man auf dem Höhepunkt der James Bond-Welle zwar anscheinend nicht vorbei. Der Agent mit dem schönen Namen Hubert Bonisseur de La Bath erschien zuerst mit ein paar Bänden 1958 bei Ullstein, dann ab 1966 mit 25 Bänden bei Moewig in dessen Krimi-Taschenbuchreihe. Ein paar Jahre später versuchte es Bastei mit der Serie "Sam&Sally" von M.G.Braun, die Hammetts Ermittlerpärchen aus "Der Dünne Mann" nacheiferten, im Heft. Die Reihe lief auch als Fernsehserie "Zwei sind ein Paar" 1984 im Regionalprogramm der ARD.
"San Antonio" von Frédéric Dard, der unter diversen Pseudonymen und auch unter eigenem Namen an die 400 Romane veröffentlicht hat und in Frankreich anscheinend so etwas wie eine Institution war, ist dort noch heute in Neuausgaben lieferbar, obwohl sein Autor bereits 2000 verstarb. Die Abenteuer des Kommissars aus Paris gab es bei Bastei als kurzlebige Taschenbuchreihe und auch als Comic.
Beim französischen Agenten FX-18 "Coplan" ist es etwas komplizierter. Die Serie war in Frankreich sehr erfolgreich. Es gab 237 Bände, die im Laufe der Zeit von insgesamt 3 Autoren unter dem Pseudonym "Paul Kenny" geschrieben wurden. Zuerst als Gemeinschaftsproduktion der Belgier Gaston Vandenpanhuyse und Jean Libert, nach dem Tod des Ersteren 1981 schrieb Libert eine Weile allein weiter, den Rest der Serie verfasste Serge Jaquemard, ein weiterer FN-Autor. Der letzte "Coplan" erschien 1996. Eine mehrteilige französische Fernsehverfilmung in Spielfilmlänge lief 1990 auch in der ARD, bot Verlagen aber keinen Anlass, noch mal in die Serie einzusteigen.
In Deutschland erschien Coplan zuerst 1962/1963 in der Reihe Spionage-Roman von Moewig abwechselnd mit anderen Autoren. In den 16 Romanen wurde die Figur aber unbenannt; nun hieß der Agent Jack Martell. Was genauso sinnfrei erscheint wie Edward S. Aarons Agenten Sam Durell in derselben Reihe in Frank Yuma umzubennen. Ende der 60er gab es dann noch mal 4 Coplan-Titel aus dem SEP-Verlag.
Die vielen anderen Spionage- und Krimiserien von "Spécial-Police" und "Espionnage" blieben unbeachtet. Verständlich. Wenn sich schon die Besteller nicht verkauften, wieso sollte dann der Rest Erfolg haben? Agentenromane und Krimis aus Frankreich waren in Deutschland mit Ausnahme von Maigret eben nicht gefragt.
Der größte Verbreitungsgrad der Franzosen von Fleuve noir in Deutschland ist in der Tat bei Luthers Reihen "Horror expert" und dem "Top Grusel- und Horrorkrimi" sowie dem frühen "Vampir Horror Roman" zu finden.
Eine Fußnote in der deutschen Verlagsgeschichte sollte allerdings noch erwähnt werden. Von 1968 bis 1969 versuchte es der SEP Verlag aus Rüsselsheim mit einer Taschenbuchreihe und ein paar Hardcovern, die exklusiv Material von Fleuve noir aus den Reihen "Spécial-Police", "Espionnage", "Coplan", "L'Aventurier" und sogar "Angoisse" brachte, aber nach nicht mal ca. 30 Bänden aufgab. Aufmachung und das Impressum legen nahe, dass die Bände in Frankreich produziert oder co-produziert wurden. Hier gab es wie nicht anders zu erwarten André Caroff und Peter Randa, aber auch B.R.Bruss, J.G.Arnaud, Paul Kenny und andere.
Die beiden "Angoisse", die dort 1969 mutmaßlich erschienen sind – sie sind auf dem Antiquariatsmarkt nicht zu finden, nicht mal zu den üblichen Mondpreisen -, stammen von D.H.Keller und Roger Blondel. Keller schrieb "Dr.Werner, der Satan", Blondel schrieb "Wir haben alle Angst". Blondel ist ein weiteres Pseudonym von René Bonnefoy, der in Deutschland sonst als B.R.Bruss veröffentlicht wurde.
Aber zurück zu Dominique Arly. Er sah sich als Handwerker. 1972 schrieb er in einem Brief: "Ich schreibe zum Vergnügen und um Geld zu verdienen. Mittlerweile ist dieses Einkommen logischerweise wichtiger als meine Pension geworden. Ich arbeite methodisch und nach Plan; dabei stützte ich mich auf meine Erfahrungen und Recherche. Im Moment fällt mir das Schreiben leicht und es macht Spaß. Ich weiß nicht, ob das ewig so weitergehen wird."
Wie die meisten Autoren erschuf er diverse Serienhelden. Für den Krimi waren das Polizisten wie der junge Gendarm Jean-Pierre Martin, der mindestens in einem halben Dutzend Romanen auftaucht und hauptsächlich in kleinen Städten auf dem Land ermittelt. An dieser Stelle interessiert uns aber nur die Serie um die Detektivin Rosamond Lew, die sich im Gruselkrimi behaupten durfte.
"Les Abominables" stammt aus dem Jahre 1971 und ist bereits der fünfte (!) Band über Rosamond Lew. Wieder einmal hinterlässt Luther und seine Redaktionspolitik Ratlosigkeit. Warum beginnt man mit dem fünften Band einer Serie? Zugegeben, nach der Lektüre des Bandes hat man den Eindruck, dass es in diesem Fall ziemlich egal ist, welchen Band man liest. Dennoch macht diese Vorgehensweise keinen Sinn. Wieder einmal bestätigt sich die Beobachtung, dass das französische Paket wahllos auf den Horror expert und den Top-Krimi verteilt wurde.
Es gibt Autoren, die können keine überzeugenden Frauencharaktere schreiben. Arly gehört dazu. Auf keiner Seite kommt Rosamond Lew, die immerhin aus der Perspektive der Ich-Erzählerin geschildert wird, irgendwie glaubhaft herüber. Selbst wenn man wohlwollend von der Annahme ausgeht, dass die vorherigen vier Romane ausführlich etabliert haben, was Rosamond als Frau ticken lässt, und der Autor keine Lust hatte, sich ständig zu wiederholen, ist das trotzdem schwach. Die Szenen, in denen die Gute sich in Action-Barbie™ verwandelt, sind wenig überzeugend. Wenigstens ist das Thema Sex aus heutiger Sicht ganz amüsant. (Oder haarsträubend, je nach Einstellung.) Im Gegensatz zu seinen Kollegen bei "Angoisse", die auch noch in den 70ern eher zugeknöpft waren, war Arly da etwas experimentierfreudiger. Er schrieb später ja auch Erotikromane. Natürlich geht das über Euphemismen und die obligaten Beschreibungen körperlicher Vorzüge nicht hinaus – was an dieser Stelle aber ebenfalls nur daneben und alles andere wie eine Frau klingt. Immerhin liefert Arly wenigstens amüsanten 70er Jahre Schund. Die Anfangsszene mit der Jungfer Mary, die sich in einen selbstbewussten Schmetterling verwandelt hat und in klassischer Sekretärinnenreport-Manier über ihr sexuelles Erwachen berichtet, das diverse unfassbare Stationen mehr hat als oben zusammengefasst, ist ein klassischer WTF-Moment, der seinesgleichen sucht. Selbst die Möchtegern-Lesbenszene ist von der Anlage her nicht unwitzig. Trotzdem bleibt Rosamond tugendhaft, obwohl selbst der Yeti ihr an die Wäsche geht.
Genauso unglaubwürdig wie die Heldin ist der rumeiernde Plot. Ein bisschen Krimi, ein bisschen exotisches Abenteuer. Von Grusel keine Spur, der Yeti tut nix, der will nur spielen. Das angetackerte Nirwana/Shamballah-Ende, das dem Leser allen Ernstes völlig antiklimaktisch als Brief um die Ohren gehauen wird, ist schlichtweg albern und eine absolute Fehlleistung.
Natürlich waren der Himalaya und seine Exotik zum Erscheinungszeitpunkt ein beliebtes Thema in der Pulpliteratur. Ob es nun der Shadow ist, der das Böse im Herzen der Menschen erkennt und seine Ausbildung in einem Lama-Kloster erhielt oder Marvels Dr. Strange in seinem ursprünglichen Origin, der Mythos von Shamballah war eine ergiebige Quelle sowohl für Pulpautoren wie auch für Esoteriker und Geisteskranke wie Himmler.
Trotzdem erscheint die Idee von den vom Berg runtergestiegenen Yetis/Forschungswerkzeugen als Begründer der Menschheit in dieser Form einfach nur dämlich. Und selbst wenn man die Idee originell findet – das mal so eben auf einer Seite zu verwursten und dann nichts weiter daraus zu machen, ist bestenfalls eine Verschwendung.
So kann auch der zweite Dominique Arly nicht mal ansatzweise überzeugen. Man fragt sich, wie seine Krimis gewesen sein mögen, wenn schon seine Gruselromane so handwerklich schlecht bis mittelmäßig sind. Er muss seine Fans und die dazugehörigen Verkäufe gehabt haben, sonst hätte er nicht so viel veröffentlichen können. Die Redaktion vom Luther-Verlag hat wirklich ein Händchen dafür gehabt, zielsicher daneben zu greifen.
Da mal wieder ein paar Seiten im Buch übrig waren, gab es noch die Kurzgeschichte "Fahrerflucht" von Doris Grüning als Reklame für "Luther's Grusel+Horror Cabinet 8". Vielleicht hat die Pointe 1972 noch funktioniert – auch wenn die Vorstellung eher deprimierend ist -, heute reicht sie in ihrer Vorhersehbarkeit und mangelnden Originalität bestenfalls zu einem Augenrollen.
Dafür gibt es mal wieder keine Vorschau für den Folgeband. Die wird ersetzt durch den Klappentext für den TERROR KRIMI 9 mit dem schönen Titel "Nackt unter Mördern", der offensichtlich die Phantasie der Leser anregen sollte.
Herbert Papalas Version eines Yetis, der aber etwas übergroß geraten ist.
Das Original
Kommentare
Ansonsten kann ich Heiko nur zustimmen.
Heikos Anregung bzgl. eines Sachbuches solltest du wirklich mal überdenken.
Ich werde mal darüber nachdenken.