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HORROR EXPERT – Eine Einleitung

Horror ExpertEine Einleitung

Mitte der 60er Jahre war Phantastik in Deutschland eine ernste Sache und fand in den Bastionen der Hüter von guter Literatur und Kultur der Republik statt. Den Buchhandlungen.

Geistergeschichten aus England und die ersten Erzählungen von Lovecraft waren bereits 1965 im Heyne Verlag erschienen. Als Reihe gab es nur die "Bibliothek des Hauses Usher" aus dem Insel Verlag, die ab 1969 einen Streifzug vor allem durch die klassische angloamerikanische Phantastik bot.

Wolfhart LutherDas aber auch nur im Hardcover. Dazu gab es bei den unterschiedlichsten Mainstream-Verlagshäusern vereinzelt Anthologien für den Hardcovermarkt. Diese Angebote richteten sich an ein älteres Publikum mit dem dafür nötigen Kleingeld.

Am Kiosk fand das Genre aber nicht statt. Weder im Heftroman noch auf dem Taschenbuchsegment am Kiosk, das vor allem Pabel und Moewig mit ihren SF-Reihen und Bastei mit seinen diversen Serien bearbeiteten. Das Terra-Taschenbuch gab es ab 1965 und war nach Heyne und Goldmann die drittälteste SF-Taschenbuchreihe in Deutschland.

Erst 1968 trat der Zauberkreis-Verlag mit seinem Silber-Grusel-Krimi auf den Markt, was dann den Anstoß gab, dass Pabel und Bastei 1972 und 1973 auf dem Heftsektor mit ihren eigenen Produkten nachzogen. Und dann später auf den Kiosk-Taschenbuchmarkt ausweiteten. Aber bevor Pabel mit seinem Vampir Horror-Taschenbuch ab 1974 Romane und Kurzgeschichten aus dem angloamerikanischen Bereich veröffentlichte, hatte ein anderer Verlag das Gebiet bereits bearbeitet und größtenteils schon wieder aufgegeben. Die Verlagsgruppe Luther/Erber aus Sasbachwalden.

Anne ErberWolfhart Luther arbeitete in der Verlagsleitung von Bastei und Pabel, bevor er sich 1970 als sein eigener Verleger etablierte und zusammen mit seiner Frau Anne Erber die beiden Verlage Erber und Luther gründete. Die Verlagsgruppe deckte im Laufe der nächsten Jahre das ganze Spektrum der diversen Genre ab, vom Adels-Roman bis zum Western. Laut Eigenwerbung bot man anfangs "Taschenbücher der gehobenen Preisklasse, Schallplatten, MusiCassetten, Tonproduktion und Glückwunschkarten".
    
Denkt man an Erber/Luther, denkt man heute in erster Linie an die berüchtigte Serie "Dr. Morton" von 1975, deren Indizierung den ganzen Kioskmarkt kräftig durchrüttelte. Aber bereits ab 1971 wollte Luther die Phantastik im Taschenbuch populär machen, also ein paar Jahre vor Pabel oder Bastei. Laut Eigenauskunft in einer Auflagenhöhe von 12000 bis 36000 betrachtete man das Genre in erster Linie als verkaufsträchtig. "Im Ausland wird ein Teil der Produktion durchaus als Dichtung betrachtet, während man sie in Deutschland als einfache Unterhaltung ansieht", so Luther in einem Zeitungsinterview von 1973. "Unser Ziel ist es, zu unterhalten und in gewissem Maß auch zu informieren. (Gruselmagazin.) Wir wollen keine Literatur machen."

AnzeigeUnd den Vorwurf kann man den Machern nun wirklich nicht machen. 1971 startete man gleich mit drei Reihen.

  • Top Grusel- und Horror Krimi
    (1971-1973; 18 Bände)
  • Terror-Krimi (1971-1973; 18 Bände)
  • Horror expert
    (1971-1973; 26 Bände – 1971 8 Bände, 1972 14 Bände, 1973 2 Bände)

Somit ist Horror expert die erste Buchreihe des Genres, die im regelmäßigen Erscheinungsrhythmus in Bahnhofsbuchhandlungen und am Kiosk erhältlich war.

Bei den 26 Bänden gab es 24 Übersetzungen und 2 deutsche Originalromane, 16 Bücher wurden aus dem Englischen übersetzt, 8 Bücher aus dem Französischen.
    
Die Reihe ist etwas in Vergessenheit geraten, genau wie die anderen Luther-Produkte aus der Zeit. Schon zur Erscheinungszeit wurde sie in Rezensionen des Fandoms meistens verrissen, wobei sich nachvollziehbare Kritik und viel moralische Entrüstung über die oft reißerische Aufmachung die Waage halten.

Jack the RipperAus heutiger Sicht betrachtet ist "Horror expert" eine exzentrische Mischung aus echtem Schund und einigen wenigen Perlen, die kein klares redaktionellen Konzept erkennen lässt. Mit 189 Seiten vergleichsweise umfangreich, kostete der Band 3,80 DM – zum Vergleich, Pabel-Taschenbücher kosteten genau wie Bastei-Taschenbücher 2,80 DM -, was am Kiosk in der Tat zur "gehobenen Preisklasse" gehörte.

Wer letztlich für die Reihe zuständig war, bleibt unklar. Das Impressum der Bände ist oft als rudimentär zu bezeichnen, Übersetzer wurden im ersten Jahr grundsätzlich nicht genannt, später zeigte sich etwas mehr Sorgfalt. Für das Lektorat zeichnete zuerst ein F.J.Huber verantwortlich, ab Bd. 8 war es Corinne Berger. Soweit angegeben war der hauptsächliche Übersetzer der fleißige Ernst Heyda, der für die anderen Anthologie-Reihen des Verlages manchmal auch als Herausgeber und Autor arbeitete.

Ende 1972 scheint für alle drei Reihen die Bewährungszeit zu Ende gewesen sein; trotz der vollmundigen Erfolgsmeldungen des Verlags, der behauptete, in 12 Monaten immerhin 1,8 Millionen Exemplare seiner Taschenbuchreihen aufgelegt zu haben, wurden sie alle kurz hintereinander eingestellt. Da liegt die Vermutung nahe, dass der Erfolg nicht den Erwartungen entsprochen hat. Oder man witterte auf dem sich etablierenden Gruselheftromanmarkt bessere Verdienstmöglichkeiten.

In der kommenden Rezensionsreihe werden die 26 Bände von Horror expert besprochen, etwas literarische Spurensuche betrieben und versucht, die Romane etwas näher vorzustellen. Sieht man etwas genauer hin, findet man die eine oder andere Überraschung. Ich wünsche viel Vergnügen.

Quellen:

  • Zauberspiegel
  • Originalpublikationen
  • Ein Dank an Thomas Mühlbauer für seine Hilfe

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Kommentare  

#1 Schnabel 2017-08-14 12:37
Dann lasse ich mich mal überraschen, welche Perlen dort erschienen sind.
#2 Laurin 2017-08-14 13:27
Na, das erfreut jetzt aber mein Herz. Die Taschenbücher sind mir ja damals völlig durch die Lappen gegangen. Wüsste ehrlich gesagt nicht einmal, ob es die hier bei mir im Städtchen überhaupt damals zu erstehen gab.
Und bei Erber/Luther war man ja scheinbar für so manchen Spaß zu haben (siehe Dr. Morton). Die Reihe ist hier also für mich persönlich schon recht interessant, da ich absolut Null Infos zur TB-Reihe "Horror expert" habe, was die Inhalte betrifft. :-)
#3 Toni 2017-08-14 17:59
Ja, da kann man sich mal wieder auf etwas freuen. Ich kann mich noch an etwas dickere "Heftromane" mit ähnlicher Aufmachung erinnern. Die lagen sich damals wund. An Taschenbücher kann ich mich nicht so erinnern. Bin gespannt was kommt...
#4 Laurin 2017-08-14 19:29
Ja, Toni, die Cover (siehe oben) waren nicht wirklich eine Leuchte im Auge des möglichen Käufers. Vielleicht sind die mir deshalb damals nie aufgefallen ... wer weiß das heute noch so genau. ;-)
#5 Erlkönig 2017-08-14 22:05
Die am Anfang deines Artikels genannte "Bibliothek des Hauses Usher" war wirklich ein Juwel. Die Seiten der ersten Bände waren in leicht morbidem grün gedruckt. Irgenwie stimmungsvoll. Auch bei den Autoren stimmte die Mischung.

"Horror-Expert" war aufmachungstechnisch zwar nicht ganz so ansprechend. Aber inhaltlich gab es eine ganze Menge an "Perlen" des Horror-Genres zu entdecken. Natürlich waren auch einige "Romantik-Thriller" wie z.B. "Haus der Garland" oder "Todeshalle" vertreten, die für mich eigentlich nicht unbedingt in die Reihe passten. Sorry, Andreas, will dir jetzt natürlich nicht vorgreifen. Weiß auch nicht, warum mir jetzt gerade diese beiden Titel beim Lesen deines Artikel eingefallen sind.

Unter den Autoren der "Horror-Expert" Reihe war auch, wenn ich mich recht erinnere, die Französin Dominique Arley vertreten. Diese wurde - nicht nur - in Deutschland eher durch ein ganz anderes Buch (kein Horror) sehr bekannt, das sie unter dem Pseudonym "Pauline Reage" verfasst hatte. D.A. war allerdings auch ein Pseudonym.

Ich freue mich schon auf deine Artikelreihe.
#6 Laurin 2017-08-15 08:27
Der richtige Name von "Dominique Arley" bzw. "Pauline Reage" (beides Pseudonyme) dürfte laut meinen Informationen Anna Desclos sein.
#7 Andreas Decker 2017-08-15 12:36
Danke für das Feedback und die Anregungen. Die ersten Beiträge sind mehr oder weniger fertig, und das ist in der Tat eine holprige Fahrt. :-)

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