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HORROR EXPERT 24 – Das Geheimnis der Dresden Farm

Horror ExpertDas Geheimnis der Dresden Farm

Erber und Luther – zwei Namen, die aus der Geschichte der phantastischen Literatur in Deutschland nicht wegzudenken sind und noch heute Anlass zur Kontroverse bieten. Die Reihe »Horror expert« war Vorreiter auf dem Taschenbuchmarkt und machte den interessierten Leser mit einem Genre bekannt, das hierzulande erst in den Anfängen steckte.

Das lohnt einen näheren Blick auf eine ziemlich in Vergessenheit geratene Reihe.

Das Geheimnis der Dresden FarmDas Geheimnis der Dresden Farm
von G. St. John
Horror expert Nr. 24
Übersetzt von Ernst Heyda
1972
Luther Verlag
Was passiert?
Myra Linden ist 26, Journalistin und ledig. Nach dem frühen Tod der Eltern wurde sie von der Tante großgezogen. Die einzige Besonderheit in ihrem Leben ist die Dresden-Farm. Die hat ihr aus unerfindlichen Gründen der alte Großgrundbesitzer Silas Gregory vererbt, als sie einen Monat alt war. 40000 Quadratmeter im Prinzip wertloses Land mit einer Hütte drauf. Myra hat sich nie darum gekümmert, sondern will einen Roman schreiben und Geld machen, bevor sie sich irgendwann mal dorthin zurückzieht.

Aber dann die Katastrophe. Myra erhält einen Brief vom Gericht. Die Gregorys zerren sie vor Gericht und behaupten, sie hätte die Farm nie besessen. Myra muss hinfahren.

In der Hütte stößt sie auf den jungen, verwegenen Silas Gregory, der dort seit einer Weile wohnt und stets mit einer Waffe herumläuft. Si, wie er sich nennt, bezeichnet sich als das schwarze Schaf der Familie, die nur ein Stück entfernt in dem alten Herrenhaus hockt. Er eröffnet Myra, dass das Grundstück nichts wert ist, die Familie es aber unbedingt haben will, da sie seit dem Tod von Sis Vaters praktisch pleite ist. Der hatte im Testament verfügt, dass fünf Jahre lang nichts mit dem Besitz gemacht werden durfte. Die Frist ist nun um.

Myra sträubt sich zwar, aber dann lässt sie sich breitschlagen, als Gast bei der Familie zu wohnen, bis die Sache geregelt ist. Die diversen Familienmitglieder und der Familienanwalt setzen Myra schwer unter Druck, sie wollen sie auszahlen, damit sie nicht vor Gericht geht. Am Abend glaubt sie eine Wolke über ihrem Bett schweben zu sehen, die sie betäubt. Am nächsten Tag ist das Testament, ihr einziger Rechtsanspruch, verschwunden. Ihr Wagen springt nicht mehr an, und sie hält sich für eine Gefangene. Was sie nicht davon abhält, immer nett und freundlich zu ihren Gastgebern zu sein.

Also schnüffelt sie im Haus herum, wird absichtlich oder nicht im Wandschrank eingesperrt, und wird von Onkel Frank aus dem Wagen gestoßen. Oder nicht. Dann fackelt jemand das Haus auf der Dresden-Farm ab, und als Myra mit Silas' Schwester Mary einen Spaziergang unternimmt, wird auf Mary geschossen. Ein Jagdunfall? Oder galt der Mordversuch ihr?

Der Sheriff ist skeptisch und hat Myras Argumente schnell entkräftet. Myra schüttelt dem knackigen Si ihr Herz aus, obwohl sie ihm eigentlich nicht vertraut, und will die Farm verlassen. Aber dann kann sie sich doch nicht dazu aufraffen. Die Frage, warum ihr der alte Gregory eigentlich die Dresden-Farm als Säugling vermacht hat, bleibt unbeantwortet.

Dann wird der nette alte Verwalter Abe mit eingeschlagenem Schädel im Haus gefunden, und wieder kommt die Polizei. Jetzt stehen alle unter Mordverdacht. Myra hat plötzlich das gestohlene Testament zurück, womit der Prozess gegenstandslos geworden ist.

Myra findet die Tatwaffe, die Kristallkugel von der spinnerten Tante Louise, mit der der alte Abe erschlagen wurde, und wird von den Täterinnen attackiert. Es sind Tante Louise und die eigentlich immer so nette alte Haushälterin Ellie. Myra fällt zum wiederholten Male in Ohnmacht, wird aber gerettet.

Des Rätsels Lösung sind vergrabene 50.000 Dollar, um die der alte Gregory einen Nachbarn betrogen hat. Darum hatte er auch aus Schuldgefühlen das Grundstück Myra vermacht. Si macht Myra einen Antrag, erklärt die Feinheiten des Plots – die beiden alten Frauen glaubten an Hellseherei und hatten eine Macke –, und sie können sich küssen und heiraten.

Worum geht es?
Nach dem lahmen Gothic in HE 16 gibt es in diesem Monat einen noch lahmeren Gothic. Luther hatte wirklich keine Qualitätskontrolle. G. St.John ist Genevieve St. John, Autorin diverser Gothics für zweitklassige Verlage wie Belmont aus Amerika, die in den 60ern eine Handvoll Gothic veröffentlichte. Das ist mutmaßlich ein Pseudonym für Leslie Gladson, einen Mann. Unter diesem Namen erschienen in den 70ern noch ein paar der berühmt/berüchtigten Slaver-Romane mit so schönen Titeln wie "The Abolitionist" und "King's Slaves". Ein Versuch, von der überaus erfolgreichen Mandingo-Welle im Kino zu profitieren, einen Film, den der damals renommierte amerikanische Filmkritiker Roger Ebert als "rassistischen Müll" bezeichnete.

Die Geschichte ist öde und langweilig, das Geheimnis ist lachhaft banal, die Heldin Myra eine dumme Nuss, die dauernd jammert, wenn sie nicht in Ohnmacht fällt. Sie behält das wertlose Grundstück nur, weil es sonst keine Geschichte gegeben hätte. Denn das Angebot der Gregorys ist anfangs durchaus fair. Wie Myra selbst zugibt, bevor sie wieder auf Familienstolz macht.

Selbst das alte Herrenhaus in Upstate New York ist langweilig und als Schauplatz völlig verschwendet. Der in der Zeit häufig zu findende faktische Übersetzerfehler, "County" als "Grafschaft" zu übersetzen, nervt ebenfalls nach einer Weile. Kein Sheriff von Nottingham an der amerikanischen Ostküste.

Nicht mal annährend ein Horrorroman und obendrein ein lausiger Gothic. Wenigstens hatte er im Original ein schönes Titelbild. Aber das ist auch kein Trost.

Auf der redaktionellen Ebene gibt es auch nichts Neues zu berichten. Wieder gibt es keine Vorschau auf den nächsten Band – was jetzt nicht unbedingt von Nachteil ist, ist das doch einer der Heuler vom britischen Vielschreiber Lionel Fanthorpe -, dafür hatte Luther mal wieder Probleme mit der Titelgebung. Terror-Krimi 15 trägt in der Vorschau den schönen Titel "Frischauf zum fröhlichen Sterben". Die Endfassung, die in den Verkauf kam, hieß dann aber "Wiedersehn mit einem Toten".

The Secret of Dresden FarmUnd so hinkt (oder kriecht?) der Horror expert seinem Ende entgegen. Noch zwei Bände, dann ist Schluss.

Das Titelbild:
Wieder ein Filmfoto. Von Constantin. Um fair zu sein, soo schlecht ist das gewählte Motiv nicht, auch wenn es im Gregory-Haus (leider) keine altmodische Folterkammer gibt. Um welchen Film es sich handelt, da müssen die Experten ran.

Das Original
The Secret of Dresden Farm
von Genevieve St. John (Pseudonym von Leslie Gladson)
157 Seiten
Belmont Books, 1968

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Kommentare  

#1 Toni 2018-07-16 20:19
"... und obendrein ein lausiger Gothic." :-)
Manchmal hat man es nicht einfach. Vielleicht haben sie die Vorschau extra weggelassen, um die treuen Leser nicht zu vergraulen.
#2 Laurin 2018-07-16 20:37
@ Toni:
Die vergrault man dann lieber gleich mit dem Büchlein. :lol:

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