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Amazing Pulps – Pulp Treasures 6 - Edmund Hamilton – The Vampire Master (Weird Tales 1933/34)

Amazing PulpsPulp Treasures 6
   Edmund Hamilton
The Vampire Master (Weird Tales 1933/34)

In dieser Reihe berichte ich über interessante Funde in diversen alten Pulp-Magazinen - Story-Heften, die zwischen 1895 und 1960 in Amerika zu Tausenden auf den Markt kamen. In ihnen entdeckt man immer wieder kleine Schätze, aber auch Bizarres, Trash von großen Autoren oder Geniales von unbekannten Schriftstellern...

Weird Tales,  März 1923 I
Zu dieser Geschichte gibt es eine persönliche Vor-Geschichte. Ich bin ein großer Bewunderer der Malerin Margaret Brundage. Sie war eine der wenigen Künstlerinnen, die sich im hartumkämpften Illustrations-Markt der 30er Jahre durchsetzen konnten – und nicht nur das, sie schuf einige echte Ikonen der damaligen Cover-Kunst. Sie arbeitete zunächst in Chicago  als Modezeichnerin, hatte aber in der Weltwirtschaftskrise kaum Aufträge. Die Not trieb in die Redaktionen der Pulp-Blätter – damals war Chicago noch eine Hochburg der Pulp-Szene, erst ab 1940 begannen viele Redaktionen nach New York umzuziehen. Brundages Stärken lagen in den feinzisellierten, pastellfarbenen, zerbrechlichen Damen, Botticelli-Figuren der Art-Noveau-Epoche, aber erstaunlicherweise wurde sie nicht von einem der eleganteren Blätter vom Fleck weg engagiert, sondern ausgerechnet vom großen Farnsworth Wright, dem Herausgeber der legendären Horror-Zeitschrift Weird Tales, der auch Zeichentalente wie Virgil Finlay entdeckte, ganz zu schweigen von literarischen Meistern wie Robert E. Howard, Cathrin Lucille Moore oder Robert Bloch. Ausgerechnet er befand, dass es den Verkauf seines düsteren Magazins beflügeln könnte, wenn er Brundages zarte Madeln aufs Cover setzt – möglichst unbekleidet. Sex sells, das wußte man auch damals schon. Brundage erinnerte sich später, wie sie jedesmal um ihre fragilen Pastellmalereien gebangt hatte, wenn sie sie auf die Post gab – und schließlich beschloß, sie persönlich vorbeizubringen, um sie unbeschadet in der Redaktion zu wissen. Das ist auch der Grund, warum die großartige Zusammenarbeit mit ihr endete, als Weird Tales nach New York umzog – sie mochte ihre Werke nicht der rabiaten Post als Paket anvertrauen.

Weird Tales,  März 1923Zu den berühmtesten Covern nicht nur der Geschichte Weird Tales, sondern des Genres Pulp überhaupt gehört ihre Fledermausfrau. Sie erschien auf dem Cover der Weird-Tales-Oktoberausgabe 1933. Ein genialer Wurf – nichts lenkt ab von der Frau mit den schweren Brüsten, dem sonderbaren Kopfschmuck und den seltsam verwinkelten Armen, der Hintergrund ist sattgrün ohne weitere Details. Lediglich der Titelschriftzug der Zeitschrift ist zu sehen und diskret am unteren Rand der rote Titel, auf den sich die Zeichnung bezieht: „The Vampire Master from Hugh Davidson“. Jahrelang war es mein Traum, dieses Bild als Plakat an der Wand zu haben – ich konnte es nirgendwo finden, trotz der Berühmtheit der Vorlage. Bis ich im Netz über eine Firma stolperte, die Plakate preiswert auf Bestellung macht – vorausgesetzt, man besitzt eine hochaufgelöste Bild-Datei. Und das war bei mir der Fall – ich habe mein restauriertes „Original“ hier beigefügt, und dank Horst von Allwördens Arrangierkünsten können Sie mit einem Mausklick das Bild schön groß in aller Pracht betrachten, wenn auch nicht ganz so groß, wie ich es nun hier zuhause bewundern kann. (vorausgesetzt natürlich, Sie lesen das hier nicht auf dem Telefon.)

Weird Tales,  März 1923Als es dann ein Meter zwanzig hoch in meiner Wohnung hing, spukte mir immer wieder die einzige Titel-Zeile des Covers durch den Kopf: „The Vampire Master from Hugh Davidson“. Irgendwann wollte ich wirklich wissen, was für eine Geschichte Frau Brundage da eigentlich so sinnlich illustriert hat. Glücklicherweise besitze ich die Oktober-Ausgabe 1933, und so begann ich frohgemut zu lesen.

Schon bald wurde ich frustriert – am Ende des 4. Kapitels der Story beglückte mich Herausgeber Wright mit folgendem fröhlichen Werbespruch:

„Don't miss next month's thrilling installment about bodies that walked und carried their coffins with them!“

[Verpassen Sie nicht die packende Folge im nächsten Monat – dann geht’s um Leichen, die umhergehen und ihre Särge mit sich rumtragen!]

Na toll. Dieser fiese Trick ist mir schon mal untergekommen in Weird Tales. Fast alle Pulps pflegten ihre Leser VORHER drauf hinzuweisen, wenn sie einen Fortsetzungsroman begannen, sowohl im Inhaltsverzeichnis als auch vor dem ersten Kapitel. Nicht so Wright. Er betrog hier oft listig den Leser – der sollte nach dem Cliffhanger natürlich auch die nächsten Hefte erwerben. Viele Gelegenheitskäufer hätten vielleicht einen längeren Roman gemieden und gar nicht erst begonnen, wenn sie gewußt hätten, dass sie auch noch die nächsten Exemplare erstehen müssten. Und es war durchaus zu erwarten, dass nach einem solchen Cover-Geniestreich zahlreiche Zufallsleser es am Kiosk entdeckten und nur deswegen kauften.

Clever. Aber heute kann man ja nicht einfach zum Kiosk, Buchladen oder zu Amazon gehen und Weird- Tales-Ausgaben der Dreißiger Jahre bestellen. (Warum eigentlich nicht??? Tja , das sind so die verschrobenen Wünsche der Horror- und Pulp-Fans.)

Tatsächlich hatte ich auch Weird Tales 1933 11+12. Aber als mir fehlte definitiv Heft1934/1, sehr ärgerlich, zumal vier Folgen eher die Ausnahme waren in der Zeitschrift und die Novelle auch nicht sooo lang ist, dass man sie nicht hätte bequem auf drei Folgen verteilen können.

Weird Tales,  März 1923Dann kam mir die Idee, dass ja das gute Stück vielleicht irgendwo nachgedruckt worden ist – in einer Buchausgabe zum Beispiel. Und erst jetzt enthüllte sich bei meinen Recherchen der wirkliche Name des Autors: Hinter dem Pseudonym steckt Edmond Hamilton, der SF-Autor, auch hierzulande wohlbekannt durch seine Captain-Future-Geschichten. Das überraschte mich etwas, wenn weder war mir damals klar, dass Hamilton sich auch im Genre des ganz und gar irdischen Hardcore-Horrors betätigt hatte (es gibt zahlreiche Veröffentlichungen von ihm in Weird Tales, doch die meisten unter seinem eigenen Namen sind düstere SF- oder Fantasygeschichten). Zum andern war die Story für einen unbekannten Mr. Davidson ganz passabel, für einen Hamilton aber eher mau. Naja, vielleicht war das ja auch der Grund fürs Pseudonym.      

Die Geschichte erschien in einer sehr unterhaltenden Hamilton-Sammlung: The Vampire-Master and other Horror-Stories (Haffner, 2000). Die konnte ich beschaffen. Ein Glücksgriff. Das Buch ist auch deswegen bemerkenswert, weil es neben Weird-Tales-Geschichten einiges äußerst interessantes Material aus einem düsteren Magazin enthält, dessen Ausgaben heute so rar sind, dass dagegen Weird Tales wie Mainstream wirkt: „Thrilling Mystery“. Für das Magazin schrieb Hamilton Stories mit so schönen Titeln wie „Beasts that was once Men“ und „Children of Terror“ (beide 1936). Sie sind hier nachzulesen.

Weird Tales,  März 1923II
Aber zurück zum Vampirmeister. Die lange Novelle (oder der kurze Roman, ganz wie man will) ist erstaunlich konservativ geschrieben. Übersetzt und leicht gekürzt würde sie sich wunderbar einpassen etwa in den Gespenster-Krimi und durchaus als bessere Arbeit von Tenkrat oder Helgarth durchgehen. Sie ließe sich auch leicht als frühen Zamorra-Roman umschreiben. Der professionelle Bekämpfer der schwarzen Künste, Dr. Dale, eine ziemlich unverschämte Imitation van Helsings (mit einem Schuss Jules de Grandin, nur ohne französischen Akzent) wird mit seinem Assistenten, dem Ich-Erzähler (Dr. Watson läßt grüßen) in ein kleines Dorf gerufen, in dem Fälle starker Blutanämie auftauchen. Dr. Henderson, der Dorfarzt, glaubt, dass es sich hier im Vampire handeln könnte – und zieht Dr. Dale zu Rate. Tatsächlich finden sich bei einer kränkelnden Tochter der Familie Ralton die typischen Symptome – Blutarmut, Alpträume und zwei rote Punkte am Hals. Bei einer Nachtwache stellen die Beteiligten fest, dass Olivia von ihrer eigenen toten Mutter heimgesucht wird, die kurz vorher an einer ähnlichen Krankheit gestorben ist...doch wer hat diese Frau zum Vampir gemacht? Es stellt sich heraus, dass ein Freund der Familie, Gerrit Geisert, ein uralter Vampir ist – er ist nicht etwa der Nachkomme des berüchtigten Gerritt Geisert, der vor 200 Jahren die ganze Gegend in Angst und Schrecken versetzt hat, und dann floh, sondern der zurückgekehrte alte Vampirmeister höchstselbst! Einmal enttarnt, beginnt eine wilde gegenseitige Verfolgungsjagd – Geisert versucht mit seinen Vampiren so viele Dorfmitglieder wie möglich zu töten, um sie für seine finsteren Zwecke als Vampirarmee zu rekrutieren, doch bringt grade das ihn auch zu Fall, denn je mehr er tötet und „vampirisiert“ (es heißt „vampirized“ im Original, schönes Wort von Hamilton), desto mehr Verwandte und Freunde der Opfer glauben Dr. Dale und seiner ungeheuerlichen Vampirtherorie und tun sich zusammen, um Geisert & co. zu töten. Aber der hat sich mit seinen „Kindern“ tagsüber gut versteckt -  und zwar in einer der vielen morbiden Geistervillen der Umgebung, die seit 200 Jahren leerstehen, weil damals alle Anwohner vor ihm geflohen sind...  Bloß welche ist es??

Auf der Plusseite der Story steht, dass Hamilton, was Action angeht, nicht kleckert, sondern klotzt: Da bleiben so einige auf der Strecke und nicht viele übrig, bevor den Vampiren endlich das Handwerk gelegt wird.  Und  Hamilton war schon immer jemand, der mit wenigen Strichen gute Stimmungsbilder zeichnen konnte – die alten verfallenen Villen, die nächtlichen mondbeschienenen Ausflüge der Suchtrupps, um den Unterschlupf der Vampire zu finden - das ist gutes Handwerk. Doch der Gesamtplot wirkt bestürzend abgenutzt, vieles eine direkte Abkupferung der Dracula-Story. Lang und breit erklärt und Dr. Dale, welche Gewohnheiten die Vampire haben und wie man sie vernichten kann, und all das weicht kein Jota vom Üblichen ab, der allbekannte Schnickschnack mit Pflöcken, Kreuzen und Kopfabtrennen, Särgen in Grüften und schädlichem Sonnenlicht und so weiter.
Vielleicht sollte man aber hier Hamilton zugutehalten, dass im Jahr 1933, als der Tonfilm grade Fahrt aufnahm, diese heute als Klischee empfundenen Details noch nicht so abgegriffen waren wie heute nach der zweiten großen Vampirwelle, die in den 1990ern Jahren einsetzte.

Weird Tales,  März 1923III
Ein Detail allerdings ist hübsch erfunden und verweist schon auf den neuen Typus der Vampir-Saga a la Ann Rice – ein Mädchen, das Opfer eines Vampirs wurde (aber noch lebt und nicht untot ist) und von Dr. Dale besucht wird, verhält sich äußerst aggressiv und will die Bekämpfer der Finsteren Mächte nicht im Haus dulden – es stellt sich heraus, dass sie heimlich sehr gern ihren untoten Ex-Lover empfängt und durchaus um dessen Zustand weiß, sie gibt sich ihm willentlich hin und träumt davon, mit ihm bald zusammen als Vampir durch die Gegend zu streifen. Diese Szenen sind sehr erotisch und leidenschaftlich geschildert und bringen Dr. Dale völlig durcheinander, weil es nicht in sein Bild passt, dass ein Opfer ohne Manipulation ein Privileg darin sieht, mit einem Vampir zu verkehren (und bald selbst einer zu sein.) Diese Momente sind wirklich schön, und es ist anrührend zu lesen, wie das Mädchen tobt und schreit, als die Anti-Vampiristen versuchen, ihren Liebhaber zu vernichten – tragischerweise denkt er dann auch noch, sie hätte ihn absichtlich in eine Falle gelockt.

Unterm Strich ist das allerdings eine Geschichte, die nach dem Erblicken des schönen Titelbilds deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt und nicht zu den Highlights in Weird Tales gehört. Wright muß ähnlich gedacht haben, denn ab Folge 3 bekommt die Story, weit nach hinten ins Heft verlegt, nicht mal mehr eine Innenillustration.

Fortsetzungsromane in Weird Tales sind übrigens generell problematisch, und WT-Experte Robert Weinberg bemerkt zu Recht lakonisch: „Weird Tales ist nicht grade für seine Fortsetzungen berühmt“. Wirklich kenne ich eigentlich auch nur wenige gute mehrteilige Werke etwa von Lovecraft und Howard, die in Weird Tales erschienen sind. Der seltsamerweise berühmteste ist wohl „Almuric“, eine schwächere Arbeit von Howard, besser ist da schon „Scull-Face“ von ihm; der beste WT-Fortsetzungsroman  ist vielleicht das fulminante Indien-Horror-Fantasy-Abenteuer „Tam, Son of The Tiger“ (1931) von Otis Adalbert Kline. Der Titel klingt ein bißchen wie eine Tarzan-Imitation, der Roman enthält aber alles, was Weird Tales beliebt und berühmt gemacht hat und ist definitiv um Äonen besser als Hamiltons Vampir-Schmonzette. (Wobei zur Verteidigung von Hamilton gesagt werden, muß, dass unter den Fortsetzungen in Weird Tales auch einige Space-Operas von ihm sind, die weit oben auf der Favoritenliste der SF-Fans stehen, etwa „Crashing Suns“ von 1928).

Interessant ist auch die Tatsache, dass sich die Titel-Cover-Zeichnung nicht direkt auf eine Szene in „The Vampire-Master“ bezieht; es tauchen zwar eine Menge weibliche Vampire auf, doch weder verwandeln sie sich in Fledermäuse, noch werden sie als sinnlich dargestellt, im Gegenteil, Hamiltons weibliche Untote agieren mit verzerrten Gesichtern und haben nichts mehr vom Charme der Lebenden. Das ist ein schönes Beispiel, wie man mit richtigen Zutaten dennoch einen Flop zustandebringen kann: Grandioses Cover, legendärer Herausgeber, exzellenter Autor – und trotzdem eine recht laue Angelegenheit.

Was übrigens nicht heißen soll, dass die Story ungenießbar wäre, bei aller Formelhaftigkeit gäbe sie auch heute noch einen passablen Heftroman ab, der mit schnellem Tempo und hübschen Wendungen erzählt wird - fast jedes Weird-Tales-Heft kann man immer noch gut als Eisenbahn- oder Nachtlektüre konsumieren, wenn auch nicht immer alles die Creme des Genres darstellt. Aber wer erwartet das auch schon - bei knapp 3000 Stories...

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Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2018-05-14 08:54
Eine recht ausführliche Werksübersicht zu Edmond Hamilton ist unter nachfolgendem Link zu finden, bei dem Firefox sich allerdings zickig anstellt:

www.pulpgen.com/pulp/edmond_hamilton/index.html

Und wie bist Du an den Haffner-Band rangekommen? Ich suche immer noch Wellmans John Thunstone".
#2 Matzekaether 2018-05-14 14:59
Lieber Heiko,
zwar ist die Ausgabe bei amazon bestellbar, aber für schwinderregend hohe Preise. Ich habe einen Hilferuf an die yahoo-Pulpscangroup gestartet - und ein paar Wochen später einen Scan bekommen.
Danke für die Seite - interessant. Ich nutze am liebsten für Pulp-Bilbliographien den Fiction Mags Index, der hat natürlich nur die Zeitschriftenveröffentlichungen, nicht die Bücher, ist sonst aber sehr akribisch. Außerdem ist er natürlich viel umfangreicher als die isfdb, die nur SF, Horror & Fantasy listet.
www.philsp.com/homeville/fmi/d/d2344.htm#A78532

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