»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Erbschaft des Grauens (Gaslicht (Krönung) 416)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Erbschaft des Grauens«
Gaslicht (Krönung) 416 von Frank Belknap Long
Da habe ich mich mit meinem schönen düsteren Gaslicht-Roman aus den Weiten des britischen Flachlands natürlich in die Nesseln gesetzt…bis ich endlich festgestellt habe, dass der gewählte Roman von einem Amerikaner geschrieben wurde, in Amerika spielt und nun wirklich frei von allem Britischen ist, abgesehen von dem offenbar unverzichtbaren britischen Schlösschen, welches man von der Insel auf den Kontinent versetzt hat. Dass sogar die Jungs und Mädels in der Umgebung von New Orleans auf diesen Trend abfuhren, ist mir neu, weil die ja alle diese tollen Südstaaten-Bauten im Semi-Plantagenstil bis zum endgültigen Zerfall pflegen, aber nun gut…
Also: mal wieder eine Runde „Gaslicht“, einfach, weil mir mal wieder danach war und dann natürlich stilecht nicht ein deutsches Retro-Produkt ausgewählt, sondern gleich ein paar flotte Übersetzungen aus dem Englischen zusammen gesucht, weil die manchmal so schön knirschen im Gebälk.
Ich darf also vorstellen, Frank Belknap Long.
Wem dieser Name noch nichts sagt (so ähnlich ging es mir auch), dahinter verbirgt sich nicht eine rassige Spitzenklöpplerin der dramatisch-träntreibenden Literatur, sondern ein waschechter und jenseits des Teichs sehr bekannter Horror- und Phantastikautor, der noch mit Lovecraft persönlich korrespondierte und sogar im Comicbereich der Superhelden hochaktiv war. Sein Output war beachtlich (25 Novellen, 150 Kurzgeschichte, etc) und als es dann in den 60ern mal nicht so heiß und fettig in der Kasse klingelte, da ließ sich der gestandene Literatat auch noch dazu überreden, ein paar feminin orientierte Mystery Novels zu verfassen; ein Genre, welches gerade gut im Saft stand.
Klar, so ein Genrewechsel verläuft nicht immer in huppelfreien Bahnen, weswegen er wegen seines Debüts (welches ich hier rezensiere) auch ordentlich angebeult wurde, zumindest was das stilistische Resultat betrifft. Das hielt ihm aber vom Weiterschreiben nicht ab und so verfasste er noch bis Mitte der 70er acht weitere dieser Romane, bei denen er sich dann aber vorsichtshalber mit dem Pseudonym „Lyda Belknap Long“ tarnte. Lyda war der Name seiner spät angeheirateten Gattin und dass Frauen besser über Frauen schreiben können, war damals in aller Munde, insofern hat es den Absatzzahlen wohl nicht geschadet.
Sein Mystery-Debüt dieser Art hieß im Original „So Dark a Heritage“, was sich eigentlich nur auf einen dramaturgischen Unterpunkt der Story bezieht und nicht auf das große Ganze, aber einprägsam ist das dennoch durchaus.
Insgesamt kann ich aber vorweg schicken, dass sich anno 1966 die Idee von den selbstständigen jungen Damen, die sich trotz Angst und Bange durch ein Mysterium arbeiten, bis ihnen von ihrem Zukünftigen der Poppes gerettet wird, noch nicht ganz durchgesetzt hatte. Vielleicht lag es auch am ungewöhnlichen Geschlecht, in das sich Long einfühlen musste, auf jeden Fall geraten wir hier an eine sehr furchtsame und eher passive junge Dame, die ständig nach starken Armen japst, wie ihr Vater sie einstmals hatte. Das führt dann auch dazu, dass die eigentlichen Geschehnisse meistens abseits der Protagonistin stattfinden und ihr im Anschluss berichtet werden müssen.
Wieviel von diesem Ungemach auf die Kürzungen in der Romanheftredaktion zurückzuführen ist (die Novel hatte angeblich 175 Seiten), ist mir jetzt nicht bekannt, aber auf bekannte Mystery-Phänomene gehe ich nachher noch ein.
Jetzt schnuppern wir erst mal am Okkultsüppchen…
»Sie müssen sich vorstellen, es sei ein Autounfall gewesen«, sagte er, »dann ist es leichter zu ertragen.« (Charles, so wird das nichts mit uns...))
Beim Gardinenbügeln von der Leiter gefallen!
Ganz im Ernst, mit so einem abgedroschenen Witz wollte ich schon immer mal anfangen, aber näher komme ich mit einem Romanauftakt nicht mehr ran.
Emmeline Morisot, die tragische Heldin der ersten Seiten, ist nämlich gerade mal so an die fünf Tage mit Ehemann Charles verbandelt, der sie sofort in sein aus England abgebauten und in der Nähe von New Orleans wieder hochgezogenen Schlösschen entführt, auf dass sie dort gut Wetter macht. Leider entscheidet sie sich fatalerweise dafür, in einem der altertümlichen Zimmer die alten Brokatvorhänge durch neue Gardinen zu ersetzen, nachdem sie nächtens von einem Todessturz geträumt hat. Prompt rutscht ihr die sehr spitze Gardinenstange weg, plumpst runter, prallt vom Boden ab und durchbohrt die arme Ömmeline praktisch im Fall. Das muss man erst einmal so hinkriegen.
Göttergatte Charles, der Herr auf Morisot, telegraphiert sofort rüber nach Baton Rouge, um Emmelines Schwester Louisa zu unterrichten und zur Beerdigung einzuladen.
Diese fällt natürlich aus allen Wolken – gerade hatte sie, nach dem Tod des Vaters, die Entscheidung gefällt, das alte Familienanwesen zu verkaufen, weil Emmeline ihrem Familien- und Kinderwunsch ja endlich nachgegeben hatte und sie selbst sich auf die Suche nach der wahren Liebe machen wollte.
Per Zug reist die Gute an und trifft am Bahnhof einen sehr in Trauer befindlichen, aber gefassten Charles, dessen Ruhe Eindruck trotz aller Verzweiflung auf sie macht. Doch schon auf der Rückfahrt zum Haus geht der Zauber los: ein tobender Wanderer namens Willy Fleming verflucht die Familie bis ins zehnte Glied, was er noch mit einem Steinwurf unterstreicht – offenbar ein ehemaliger Angestellter und Einen-an-der-Waffel-Haber, der eine religiöse Wandlung zum Fanatischen durchgemacht hat.
Aber auch die generelle Familiensituation sorgt für Interesse: da ist zunächst mal Charles‘ arbeitsunwilliger, aber sehr scharfzüngiger Bruder André, der wohl von allen guten und bösen Charaktereigenschaften was mitbekommen hat. Dann folgt Schwesterherz Morella, die sich irgendwie nicht ganz stilecht durch die Weltgeschichte geheiratet hat und jetzt ihren Sohnemann Pierre als Alleinerziehende mit sich führt. Der wiederum ist jetzt flotte elf Jahre alt.
Louisa macht sich zwischen all der Trauer schon mal vorsorglich einen Kopf, ob vielleicht doch auf der Familie ein Fluch lastet, wird dann aber doch ganz freundlich beim Willkommensempfang begrüßt, auch vom Hausdiener Ferchault und einem gar nicht so kühlen André, den Emmeline nicht eben freundlich beschrieben hatte.
In der Folge macht dann Louisa eine Stippvisite zur Aufbahrung, die in ihrem Zustand wirklich nicht das Gesündeste ist. Doch auch in der Folge gönnt man ihr keine Ruhe: kaum ist sie im Bett, fallen im Garten drei Schüsse, André verfolgt vogelwild einen Flüchtenden und schießt diesen auch an. Angeblich soll es ein Landstreicher (nicht Fleming, der alte rote Hering) gewesen sein, angeblich geht es um versuchte Brandstiftung.
Bei der eigentlichen Trauerfeier in der gutseigenen Kapelle ist dann wieder alles ordnungsgemäß trauernd, bis die Maurer pietätsloserweise noch während des Gottesdienstes mit der Einmauerung der Schwester anfangen. Charles gibt ihr zwar Halt, aber André lässt sich zu der (unpassenden) Analyse herab, dass Louisa ja wohl der aufregendere Fisch im Gartenteich gewesen wäre.
In der darauffolgenden Nacht wird die delirierende Trauernde dann von etwas geweckt, was ihr wie Trommeln anmutet. Das wirft Fragen auf, ob eventuell ein Voodoo- oder Obeahfluch seine Kreise bei den Morisots zieht. Louisa sieht sich wieder als Kind, als ihr ein Obeah-Priester namens König Zulu mit seiner Hühnerkopfabbeißnummer ein folgenschweres Trauma verpasste, aus dem nur Daddy sie erretten konnte.
Schreckgeweit erwacht, erblickt sie aus dem Fenster geheimnisvolle Lichtsignale aus Haus und Wald, ehe sie durch eine geisterhafte Nebelerscheinung an ihrem Bettende abgelenkt wird. Als das Nebelwesen plötzlich verschwindet, flieht sie in Panik in die Dunkelheit des Hauses, verirrt sich auf der Suche nach Charles‘ Zimmer und gerät in einen Raum, in dem sie eine Kommode findet, aus der ein Puppenarm hängt. An diesem Arm hängt dann auch noch der Rest einer Obeah-Puppe, die Emmeline sehr ähnelt, bis hin zum durchbohrten Herzen.
Ehe es nun Zeit zum herzhaften Kreischen wird, legt sich Louisa schon eine mysteriöse Hand über den Mund, die sie von dem Zimmer wegschleift und ihr lustige Sachen nach „Du weißt zuviel“-Art ins Ohr flüstert, während sie nur leicht geistesdröge darüber sinniert, ob ihr das wohl gerade ein Gespenst antut. So ist es natürlich nicht, stattdessen salbadert der Betreffende so lange auf sie ein, bis er ihr die Geschehnisse der Nachtwanderung ausgeredet hat, so gründlich, dass da eine Erinnerungslücke klafft. So wacht Louisa dann auch mit einem Gedächtnislöchlein auf, hat aber noch Schwesterleins Medaillon in der Hand (hing vorher an der Puppe).
Beim nächsten Frühstück ist sie dann auch etwas zittrig, während um sie herum schon das nächste Familiengezicke ausbricht. André nagt an Schwester Morella herum, die angebliche ihren Pierre nicht liebt. Der Junge sei etwas Besonderes, was gefördert werden müsse. (Aaah ja….)
Kurz bevor das alles eskalieren kann, ereilt alle die Nachricht, es würde im Stall brennen, woraufhin sofort alle losrennen. Es brennt zwar gar nicht, aber tatsächlich ist Ferchault im Stall in einer Notlage, weil ihm ein Hengst abgeworfen hat, er aber noch im Steigbügel baumelt. Nachdem man aufwändig den sehr altklugen Pierre weggeschickt hat, enthüllt sich ein großes Brandmal an dem Pferd, welches das arme Tier natürlich rasend macht. Jemand hat ihm einen Pferdefuß eingebrannt. Und hat nicht auch André so ein seltsames Muttermal an der Schläfe? (Wird später nicht wieder erwähnt.)
Ferchault wird gerettet und anschließend vertraut ihr André an, woher der Konflikt in der Familie kommt: Pierre könnte hochbegabt sein, liest viele Bücher für Erwachsene, es ist aber möglich, dass es ihm an Empathie mangelt und er soziopathische Züge haben könnte. Da es schon einmal so einen Käfertyrann vor 100 Jahren bei den Morisots gab, befürchtet man jetzt beängstigende Entwicklungen. Darüber hinaus ist das Haus schon mal komplett abgebrannt, was auf einer Tragödie rund um die Obeah-Religion beruhen könnte, aber mit den Soziopathen nix zu tun hat.
Um klaren Kopf zu bekommen, reitet Lousia jetzt erst mal eine Runde aus und gerät im tiefen Wald an eine dunkle Höhle, vor der sie einige seltsame Metallbehälter findet. Beim Erkunden der Höhle, wird sie von einem Betrunkenen attackiert, den sie jedoch mit einem Gewehr niederschlagen kann. Sie flieht und wirft das Gewehr in die Büsche (???).
Rasend schnell zurückgeritten, trifft sie auf den souveränen Familienanwalt John Wyatt, der sofort der Sache auf den Grund gehen will und los reitet. Anschließend erzählt sie es noch Morella (Charles ist nicht da) und dann auch noch André. Der wiederum hat just noch was Interessantes in Pierres Tagebuch erspäht, als das alles auch schon obsolet wird: Pierre hat einen Unfall gehabt und wurde von Wyatt versehentlich umgeritten, nachdem er auf die Straße lief. Wyatts Pferd ging durch und trug ihn davon, als er jedoch zurück war, hatte Ferchault schon den Jungen gefunden und zum Haus zurück gebracht. Der Doc diagnostiziert ein paar kaputte Rippen.
Verwirrenderweise hat Wyatt an der besagten Höhle nichts entdecken können.
Louisa geht nach all dem erst einmal eine Runde auf Matratze, was ihr langsam wieder die Erinnerungen an den Erinnerungsklau von neulich Nacht zurück bringt. Dennoch pennt sie dann für Stunden ein. Kaum sind die Augen wieder auf und sie ist klar, sind auch die seltsamen Trommeln wieder da und es klopft an der Tür.
Wider Erwarten ist es kein Angreifer und auch nicht Charles (der noch weg ist), sondern Ferchault, dem so einiges an Wyatts Aussage bzgl Pierre nicht ganz koscher vorkommt, vor allem Nachfragen darüber, ob Pierre bei dem Rücktransport irgendwas Verwertbares (Verbales) von sich gegeben hätte. Tatsächlich hat der Junge das getan, nämlich das jemand hinter ihm her war, doch das hat der Diener nicht erzählt. Jetzt will Pierre nur Louisa irgend etwas ausrichten.
Bei der Gelegenheit klärt Ferchault praktisch im Vorbeifahren auch gleich mit anderen Dingen auf, die Louisa die Nächte lang machen: das regelmäßige „Trommeln“ ist ein Klatschen der Wellen vom Mississippi, die in die Höhlen unter dem Haus branden; der weiße Geist sind Nebelbildungen, die durch die Ritzen im Mauerwerk entstehen.
Also eilt Louisa beruhigt zum gar nicht soziopathischen Pierre, der ihr seine Version der Story auftischt: er ist wütend nach dem Rauswurf aus dem Pferdestall durch die Gegend gelaufen und hat Louisa gesehen, wie sie aus der Höhle rannte und das Gewehr wegwarf. Im Anschluss hat er ihren Angreifer und einen weiteren Mann aus der Höhle kommen sehen, die sich dann über die „Ware“ unterhalten haben, die sie noch schnell wegschaffen müssten. Denn darum geht es wirklich: Heroinhandel.
Die Männer hatten dann die Behälter in der Höhle versteckt, als Wyatt geritten kam, der offenbar mit den beiden gemeinsame Sache gemacht hat. Als Pierre flieht, wird er an der Schulter angeschossen und dann von Wyatt an der Straße abgefangen.
Weiter kommen sie nicht, denn Wyatt taucht im Zimmer auf und bedroht Louisa. Er bringt sie in die Gänge unter dem Haus, doch dort hat Charles einen Hinterhalt aufgebaut. Es kommt zu einem Schusswechsel und Wyatt wird verwundet, die Männer verhaftet.
Ein paar Stunden später ist alles klar. Der Angeschossene vom Ankunftstag wird über den behandelnden Arzt ausfindig gemacht und gesteht alles: Wyatt hat den Rauschgifthandel organisiert, während er mit Morella liiert war.
Sogar Emmelines Tod soll auf ihr Konto gehen, angeblich via der Puppe. (???)
Nun können sich Charles und Louisa wie erwartet endlich langsam näher kommen…
»Jaja, liebes Schwesterchen, auch finanzielle Unabhängigkeit kann eine Last sein. Schade, dass es keine sinnvolle Arbeit für uns gibt. Dann müssten wir uns nicht überlegen, wie wir die Zeit totschlagen.« (André in seinem zupackensten Moment...)
Kennen Sie das?
Wenn sie einen Roman oder auch nur eine Geschichte lesen, die gewisse Elemente, ein Konstrukt, einen Plot über eine längere Strecke aufbaut und dann implodiert sie komplett?
Ich spreche dabei nicht von gewissen Schwachpunkten, gelegentlichen Idiotien oder Dialogen des Schreckens, sondern eine komplette Verpuffung der Erwartungshaltung, die Belknap Long hier leider hinlegt – oder zu der der Text hinunter gekürzt wurde.
Natürlich muss eine Mystery Novel nicht zwingend wirklich übernatürliche Elemente beinhalten und eine wirklich raffinierte Täuschung macht manchmal sogar mehr Spaß, wenn sie denn endlich decouvriert wird, aber hier reduziert sich der Plot nach allerlei freundlichen Erklärungen begleitender Nebenfiguren zu einer etwas gehaltvolleren Serienepisoden von „Fünf Freunde“. Da werden Laternenzeichen gegeben, Nebel täuschen etwas vor, Geräusche werden gehört und am Ende ist alles nur das Werk einer Bande von Schmugglern.
Da darf man schon kurz fassungslos schauen, wenn der gute Ferchault (die sich in diesem Roman auch ruhig ein bisschen verdächtiger machen könnte) praktisch alles Supernaturale mal kurz in die Besenkammer schickt. Die Eingeborenentrommeln? Hat sie sich eingebildet aufgrund ihrer Kindheitserfahrungen, sind nur Flussmassen, die im Keller schwappen. Die Geister? Entstehen via Nebelschwaden durch die Kamine. Der Familienfluch? Schlechte Geschäfte und mieser Umgang, dazu eine disfunktionale Familie.
Bei den lieben Verwandten darf sich André vom Start weg mit einem unausgeglichenen Charakter und einer Muss-ja-nicht-arbeiten-Attitüde schon verdächtig machen, bevor die Figur überhaupt eingeführt ist; Morella, das herzige Schwesterlein beim Pillenpoppen, trägt schon einen an Poe angelehnten Namen und hat neben der Streitlust dann doch was auf dem Kerbholz. Und Wyatt? Der taucht erst nach zwei Dritteln des Romans überhaupt auf (vorher war nicht die Rede von ihm), obwohl man ihn bei Pabel schon im Personalstartkästchen auf Seite 3 heraus hebt. Der muss ja der Täter sein.
Gewünscht hätte man sich also auch einen wirklich interessanten Mann in diesem Gewimmel, doch der zukünftige Lover Charles ist ein dermaßen verkehrsberuhigter Stoiker und Gefühlsmensch, komplett durchbeherrscht, dass man völlig von den Socken ist, wenn er auf der Schlussgeraden plötzlich Scharfsinn beweist und zur Knarre greift.
Viel besser wäre es noch gewesen, das Meiste in diesem Roman wäre nun nicht gerade nur durch die berühmte dritte Hand berichtet worden, doch leider ist es so. Starrköpfig bleibt der Autor an Louisa kleben, die zwar allerlei Mysteriöses erlebt, aber eigentlich zu der kompletten Affäre nichts beitragen kann – nicht mal, dass sie einen Arsch in die Hose hätte und einen wichtigen Hinweis findet.
Tatsächlich kommt sie meistens als Seelchen mit Vaterkomplex daher, die sich von zupackenden Männern überall hin führen lässt und die man sogar – mit nicht sonderlich überzeugenden Monologen – dazu belabern kann, gewisse erlebte Episoden einfach mal zu vergessen. Das ist wiederum so wenig überzeugend, dass sie ihr auch prompt wieder irgendwann einfallen. Aber das ist auch egal, denn immer wenn sie mal entschieden dreieinhalb Schritte in die richtige Richtung macht, wird sie von irgendeinem Erklärbär im Text ausgebremst oder ihr fällt ein Traum oder ein Erlebnis mit Papa ein und dann phantasiert sie noch vor dem Erreichen der nächsten Tür von all den übernatürlichen Phänomenen.
Apropos: da wäre ja noch das im Roman mehrfach zitierte „Obeah“, eine Voodoo-ähnliche Karibikreligion, die hier allerdings nur als Requisite vorkommt (oder nicht vorkommt) und mit einer simplen „Puppe“ am Start ist. Wie diese Puppe nun die gute Emmeline umgebracht haben soll (denn es gibt ja nichts wirklich Übernatürliches in dieser Story), wird nie geklärt.
Emmelines Tod wird am Anfang als Unfall durch Ungeschick und unglückliche Umstände detailliert beschrieben und weder Wyatt noch Morella sind nun Obeah-Priester. Am Ende ist jedoch sogar Louisa überzeugt, dass Wyatt es getan hat, ohne dass man einen handfesten Beweis vorgelegt bekommt, es wird sogar berichtet, die Täter hätten gestanden.
So wird erzählerisch und stilistisch immer wieder die Luft aus der Geschichte gelassen. Das führt so weit, dass gewisse Elemente, etwa das Brandmal an dem unschuldigen Pferd gar nicht mehr aufgeklärt werden, sondern im Text mehr oder minder schulterzuckend hingenommen werden. Auch die Story vom unheimlichen Pierre findet keine Auflösung, denn der Jüngling darf sich erst exzentrisch und altklug, dann mysteriös geben, wird dann in Serienkillernähe gerückt, um dann doch wie ein unschuldiges Kind zu wirken. Um dann just in diesem Moment von der Wirksamkeit von Zyankali zu schwärmen, was Louisa mit einen „Jaja, Dutzidutzi...“ abtut…
Da kann man nur unzufrieden sein: eine Heldin, die sich nicht entwickelt; ein Held, der praktisch nie da ist und so romantisch wie ein Stück Holz wirkt; ein Tunichtgut, der viel interessanter ist, aber schließlich im Nirgendwo versandet; Effekte, die auf der Reizbarkeit eines verschüchterten Gemüts basieren, das alles ist wenig überzeugend – und das gilt auch für die sich am Ende anbahnende Love Story mit dem Witwer der just drei bis vier Tage toten Schwester. Aber die haben in den Südstaaten ja sowieso andere Verhältnisse, warum also nicht…
Warum sollte der nächste Roman also nicht Besseres leisten für meine Herbstmelancholie…?
Kommentare
Ich kann mit ihm wenig bis nichts anfangen, ich hielt ihn stets für einen echten Langweiler. "Botschaft" habe ich auch mal gelesen und keine Erinnerung daran außer, dass es richtig öde war. Und dass er Mitte 60 war, als er ihn schrieb.
Bei Long ist bei mir vor allem hängengeblieben, dass er das Genre von Beginn an begleitet hat und auf einem Armenfriedhof landete, weil er und seine Frau im Alter völlig pleite waren. Erst da haben sich seine Kollegen und Fans an ihn erinnert und zusammengeworfen, um ihn umbetten zu lassen und einen Grabstein zu besorgen. Ist für mich eine typische Amerika-Geschichte.