Die Vampire und Dirk - Der Vampir-Horror Roman: Die Vampir-Oma und ihre Kleinen
Der Vampir-Horror-Roman
Die Vampir-Oma und ihre Kleinen
Die Vampir-Oma und ihre Kleinen
Mein Senf
DIE VAMPIR-OMA UND IHRE KLEINEN... klingt irgendwie nett. Vielleicht sogar etwas zum vorlesen? Irgendwann, so im Alter zwischen sechs und acht, wurden die Grusel-Heftchen aus Papas Regal plötzlich für meine Kinder interessant. Die Titelbilder von Thole hatten es ihnen besonders angetan. Fest im Glauben, die Dinger stehen hoch genug, hatte ich nun ein Problem: Sie wollten mal in so ein Märchen für Erwachsene reinstöbern und suchten sich u.a. die Nr. 80 raus. Waren ja schließlich Kinder auf dem Umschlag. Natürlich habe ich sofort mein Veto eingelegt, ohne dass ich ahnte, was bei der Vampir-Oma abging. Trotzdem, ich hatte schließlich schon andere „Märchen“ von Earl Warren gelesen. Nach etlichen Diskussionen haben sie mir dann eine neue Bibi Blocksberg-Kassette aus dem Ärmel geleiert und mich nicht weiter bedrängt.
Ein bis zwei Jahre früher saß ich noch jeden Abend mit einem quietschebunten Kinderbuch auf der ehemaligen Wickelkommode und gab mir alle Mühe, meinen Nachwuchs in den Schlaf zu labern. Ein festes, allabendliches Ritual. Da gab es Bärenfamilien, die Weihnachten mit den anderen Tieren friedlich in einem tief verschneiten Wald feierten, oder die niedlichen Häschen, die fleißig ihre Vorbereitungen für das Osterfest trafen. Eine heile Welt. Irgendwann wollten die zwei aber „richtige Märchen“ hören und so kamen die Klassiker aus der Sammlung der Gebrüder Grimm dazu, wo kleine Kinder und ihre Großmütter von bösen Wölfen verspeist werden oder man Heranwachsende mit Flüchen belegt hat, die daraufhin 100 Jahre schliefen oder Gefangene ihres eigenen Haarwuchses wurden. Hexen, Waldgeister, Zwerge oder die damals beliebte böse Schwiegermutter konnte man hier treffen. Vor allerlei Alltagsgefahren wurde gewarnt. Selbst den näheren Verwandten sollte man nicht so leichtfertig über den Weg trauen. Erst recht nicht, wenn sie versuchten einen im Wald auszusetzen oder mit Äpfeln vor der Türe standen. Das Prädikat „Pädagogisch wertvoll“ hat wohl keine dieser Geschichten verdient, aber man war vorbereitet auf das, was einen in der Welt der Erwachsenen später so erwartete. In früheren Jahrhunderten ging man nicht so zimperlich mit den Kinderseelen um wie zu heutigen Zeiten und am Ende vieler Märchen bekamen die Bösen noch ordentlich, und meist sehr effektvoll, ihr Fett weg. Ertrinken, verbrennen oder aufschlitzen (und anschließend wieder zunähen) waren beliebte Mittel, um den garstigen Unholden den Rest zu geben.
Der Arzt und Psychiater Heinrich Hoffmann fuhr 1844 mit dem „Struwwelpeter“ dann die ganz harte Schiene und ließ, immer mit einem erhobenen Zeigefinger versehen, Kinder verbrennen und verhungern, Daumen abschneiden oder vom Wind in die Wolken treiben. Kurz, es floss zu dieser Zeit reichlich Blut durch die Kinderzimmer. Das war manchmal purer Horror und sicherlich oft ein Schock für die lieben Kleinen. Die fiese Hexe aus Hänsel und Gretel hat mich damals auch eine Zeitlang beim einschlafen verfolgt, wurde dann später aber von Dracula und Co. abgelöst. Meine Oma erzählte immer aus dem Stehgreif die ollen Dinger und bei derberen Szenen (Hexe jagt Kinder oder so) legte sie noch einen drauf und trieb meine Schwester und mich um den Küchentisch. Als Kind hat man halt noch eine rege Fantasie. Auch gab es schon Geschichten über unartige Kinder und deren Streiche, wie z.B. Max und Moritz. Damit, dass ich nach Jahren mal wieder über eine solche „Lausbuben“- Geschichte stolpern würde, hatte ich nicht gerechnet. Der VAMPIR HORROR-ROMAN war für eine Überraschung aber immer gut. Nach der Lektüre des Romans bin ich natürlich froh, dass ich damals hart geblieben bin und lieber das Geld für „Bibi“ rausgerückt habe. Irgendwann hatte das „Büchervorlesen“ bei uns dann auch ein Ende und der Kassettenrekorder zog ins Kinderzimmer ein. Die Grimmschen Märchen wurden meinen Kindern irgendwann zu langweilig. Verständlich, denn von Bibi Blocksberg, Benjamin Blümchen und Co. konnte man auch jede Menge fürs Leben lernen. Tööörrööö...
Wenn Earl Warren auf dem Cover stand, wurde es auch immer ein wenig märchenhaft, meist noch mit fundierten regionalgeschichtlichen Hintergrundwissen gewürzt. Nicht immer ganz zimperlich führte er dabei seine Protagonisten durch die unheimlichen Abenteuer. Er konnte mitunter ganz plastisch Grusel und Horror vermitteln, was Anfang der 70er nicht jeder Autor schaffte. Warren/Appel gab sich alle Mühe, die VAMPIR-OMA UND IHRE KLEINEN sämtlicher Sympathiewerte zu berauben. Kaum schlugen die kleinen Rangen ihre schwarzen Augen auf, ging es auch schon rund. Bis zur Einschulung vergriffen sie sich nur an Familienangehörige oder ließen im Urlaub beiläufig mal einen Schwimmer absaufen, doch dann wütetet sie unter den Gleichaltrigen in ihrer Klasse. Wer etwas über ihre unheiligen Machenschaften wusste, war dran. Die kleine Lucie fand man tot in einer Sickergrube und die neugierige Lehrerin Gerda Holzbauer verbrannte bei lebendigen Leib, zum Stillstand durch Erikas Fähigkeit gezwungen.
Die Gardine des Fensters, in dem Gerda Holzbauers stand, fing Feuer. Sie schlug Gerda Holzbauer ins Gesicht. Die Haare der zierlichen Lehrerin begannen zu brennen. Flammen leckten an ihr hoch. Ihr Pyjama stand in Flammen. Die Schmerzen waren schrecklich, doch Gerda Holzbauer konnte keinen Ton hervorbringen.
Sie stand wie hinter einem Feuervorhang. Die Kinder im Garten klatschten in die Hände und sprangen in die Luft. (Seite 44)
Okay, auch Lehrer haben manchmal eine Abreibung verdient und wer kann schon sagen, dass er nicht auch mal an diversen „Strafmaßnahmen“ gegenüber lästigen Pädagogen beteiligt war. Aber in den meisten Fällen blieb alles im Rahmen. Zu Walters Zeit war der „Klopfstock“ oder das lange Lineal beim Lehrkörper bestimmt noch angesagt, dürfte aber Mitte der Siebziger schon nicht mehr zum Einsatz gekommen sein. Zumindest meine Lehrer hatten es da eher mit „Fleißkärtchen“ und dem Rausschicken, nebst Brief an die Eltern. Die meisten Lehrkörper der Pestalozzi-Schule im Roman gaben sich Mühe, dem neuen Zeitgeist zu entsprechen.
„Manchmal fehlt uns die Prügelstrafe doch sehr“, mischte ein anderer Lehrer sich ein. „Früher konnte man sich mit einer Backpfeife Respekt verschaffen, wenn es gar nicht mehr anders ging.“ (Seite 30)
Mit Tieren konnten die drei Sonnenscheine auch nicht viel anfangen. Neben dem Rösten lebendiger Igel, gab es auch noch andere Beweise für ihre wenig bis gar nicht vorhandene Tierliebe.
Erika sah sie.
„Halt!“ rief sie.
Die Katze blieb reglos zusammengeduckt stehen. Die Kinder gingen auf das bewegungslose Tier zu. Harald nahm einen Stock und schlug auf die schwarze Katze ein. Martin ließ sich Erikas Gasfeuerzeug geben. Er Stellte die Flamme so groß ein, wie es ging, und richtete sie auf das Fell des Tieres.
Es stank nach versengten Haaren und angekohltem Fleisch. Die Katze stand reglos, zuckte nicht einmal mit der Schwanzspitze. (Seite 40)
Aber mal andersherum gesehen: Was soll aus Kindern, die im Mutterleib schon den bösen Mächten ausgesetzt sind, werden? Ihre sadistische Großmutter Annie hat keine Gelegenheit ausgelassen, sich von ihrer miesesten Seite zu zeigen und den Kleinen allerhand böses Zeug einzutrichtern. Ihre Tochter war nach ihrer Meinung ein missratenes Opfer, weil sie mit dem Teufel nichts anfangen konnte. Dafür wurde sie verprügelt und eingesperrt. Dabei war Rosi recht modern beschrieben. Sie bekam Drillinge von einem Mann mit dem sie noch nicht einmal verlobt war, arbeitete auf einer Säuglingsstation und bildete sich fort. Der Vampirfluch ist komplett an ihr vorüber gegangen. Ein wenig konnte man schon ahnen, dass sie sich gegen ihre Mutter auflehnen wird. Das ahnte aber nicht nur der Leser, sondern auch Annie und hielt sie sehr lange unter einem Bann gefangen. Die vampirische Hebamme hatte so einige dämonische Tricks auf Lager und kannte sich mit Kristallkugel und anderem Zauber recht gut aus. Trotzdem wuchsen ihr die lieben Enkel schnell über den Kopf. Das der Teufel selbst zu seinen Dienern nicht immer ein freundliches Verhältnis hegt, sollten sie am Ende des Romans drastisch zu spüren bekommen.
Ein wenig auf des Lesers Gemüt, zumindest auf das der etwas zarter besaiteten, dürften die vielen Neugeborenen geschlagen sein, deren Blut im Laufe der Handlung als Kraftnahrung herhalten musste. Also mal wieder ein Roman, der für allzu besorgte Eltern nicht unbedingt empfehlenswert gewesen sein dürfte. Allerdings ist auch kein Baby dabei umgekommen. Soweit ist der Autor dann doch nicht gegangen und das wäre auch überflüssig gewesen. Der Mord an der Grundschülerin in der Sickergrube hat da schon, als Beweis für die Bösartigkeit der satanischen Rangen, durchaus gereicht. Erika war übrigens die Anführerin und ihren Brüdern geistig haushoch überlegen. Martin, eine Art böser „Carlson vom Dach“ und Harald mit dem Röntgenblick taten meist das, was sie ihnen auftrug.
Der Titel von VHR 80 ist ein wenig irreführend und lässt eher an einen spaßigen Roman mit lustigen Streichen denken, in Wirklichkeit verbirgt sich dahinter aber eine äußerst brutale Story um einen knallharten weiblichen Vampir mit wenig Familiensinn. Die Hilflosigkeit der Opfer nahm mich doch ein wenig mit und der Hass auf die fiesen Drillinge und ihre kranke Oma wuchs mit jeder gelesenen Seite. Was für Kotzbrocken - alle Achtung Walter. Da ist der freiwilligen Selbstkontrolle/Jugendschutz damals wohl ein Roman durch die Lappen gegangen. Es gab ja auch Nach-Indizierungen (siehe Amoklauf DK 7). Einen geschichtlichen Hintergrund gab es diesmal nicht, dafür aber ein paar Erinnerungen an den Schulalltag anno 1974. Mit ein wenig Pech hätte ich auch in der 1b der Pestalozzi-Schule gesessen. War genau meine Zeit. Die durchgehend spannende Geschichte, vielleicht Walters beste bisher beim VHR, erschien übrigens auch als Hörbuch (Dreamland Grusel 7) und erntete dort recht passable Kritiken. Ich fand sie zumindest sehr gelungen, auch wenn sie manchmal recht frustrierend aus der Sicht der Opfer daherkam. Die Schluss-Pointe, die ein wenig an Herrn Ribbecks Birnen erinnert, bildete einen schön-schaurigen Abschluss.
Was gab es sonst noch?
Wie eine Oma sieht die unheimliche Annie auf dem Titelbild zwar nichts aus, aber dennoch ein wirklich passendes Titelbild von Thole.
Bei VAMPIR INFORMIERT klärte die Redaktion diesmal die Frage, ob es das Necronomicon von Lovecraft wirklich gibt. Ein Leser hat gehört, dass in Frankreich bald eine Übersetzung erscheinen soll und es in der Redaktion des Verlages schon seltsame Vorfälle gegeben hat. Angeblich soll auch im Archiv des Vatikans ein solches Exemplar aus dem frühen Mittelalter aufbewahrt werden. Natürlich ist das alles Humbug, denn wir wissen ja, dass sich das einzige Exemplar in der „Miscatonic Universität“ von Arkham befindet...
Im nächsten Artikel würde es mit Hugh Walker´s vorletzten Teil des Drakula-Vierteilers weiter gehen. Leider ist dem vorherigen Besitzer des Romans wohl ein Glas umgekippt, denn von der ersten bis zur letzten Seite ist bis auf einen gräulichen Fleck nicht viel zu erkennen. Das Heft kam mir gleich ein wenig aufgequollen vor. Pech gehabt. Ich versuche natürlich die Nummer 81 irgendwo zu besorgen und später zu bringen. Ich weiß, die Klinik... wird auch noch nachgeliefert (schäm). Das positive daran ist vielleicht, dass mal wieder ein neuer Autor ansteht. Bin gespannt auf Frank Sky und seine weiße Frau.