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Die Vampire und Dirk - Der Vampir-Horror Roman: Die weiße Frau

Dirk und die VampireDer Vampir-Horror-Roman
Die weiße Frau

Der Vampir-Horror-Roman ist eine Legende des Heftromans. Ich bin leider erst nach Einstellung der Reihe auf die Serie gestoßen und habe in den achtziger Jahren jede Menge davon gelesen.

Dreißig Jahre später wiederhole ich das Experiment Vampir-Horror-Roman lesen nochmals. Ob es immer noch gefällt?

Die weiße FrauDie weiße Frau
von Frank Sky
(H.G. Franciskowsky)
Vampir Horror-Roman Nr. 82
September 1974 / DM 1,20

Pabel Verlag
Mitten in der Nacht wird es in Anne Blooms Zimmer, gelegen im dritten Stock des Schlosspensionats Hohenbrück, eisig kalt. Seltsam, denn draußen ist es sehr warm, weshalb die Englisch-Lehrerin bei geöffnetem Fenster schläft. Als sie etwas wacher wird, sieht sie eine weiße Frauengestalt auf sich zukommen, die für die immense Kälte verantwortlich ist und etwas von „töten“ und „Kind“ wispert. Anne ergreift die Flucht, rennt in das leere Zimmer einer Schülerinnen und  ruft um Hilfe. Der nette Dr. Schwab ist sofort zur Stelle, dicht gefolgt von Dr. Lohmann und Frau von Stöckingen, der Schulleiterin.

Anne Bloom erzählt von der weißen Frau, was die anderen  Lehrer ihr aber nicht abnehmen. Lohmann glaubt sogar, dass sie ein Verhältnis mit der Schülerin hat. Das  Zimmer gehört Gerlinde Schultheiß, die bis zu Morgen verschwunden bleibt. Nach einer umfangreichen  Suche findet man sie schließlich tot in einer alten Truhe. Das siebzehnjährige Mädchen ist erstickt.

Anne Bloom ist schockiert, sie mochte Gerlinde sehr gerne. Um etwas Abstand zu gewinnen, unternimmt sie einen Spaziergang am Fluss und trifft dort auf den schwachsinnigen Keschmer. Er scheint über den Tod von Gerlinde Bescheid zu wissen und macht seltsame Andeutungen. Scheinbar kennt er auch die weiße Frau.

Die polizeilichen Ermittlungen dauern an. Am Abend kommt Nebel auf. Anne Bloom und ihr Kollege Schwab unternehmen noch einen Spaziergang am Fluss, als sie auf eine Schülerin, Lydia von Hellwangen, stoßen. Sie lehnt ihre Begleitung ab, was sich als Fehler herausstellt. Sie wird das Nächste Opfer der weißen Frau und wird später ertrunken im Fluss gefunden

Lohmann, der Geschichtslehrer, hat in der Chronik des Schlosses das Geheimnis um die weiße Frau entdeckt: Graf Hugo von Gröningen hatte eine Tochter namens Ulrike, die ein Kind von einem „Gewöhnlichen“ bekam. Aus Angst vor ihrem Vater brachte sie den Säugling in einem Kloster, in das sie geflüchtet war, aus Verzweiflung um. Die Tat kam ans Licht und der Graf mauerte seine Tochter lebendig im Schloss ein. Scheinbar hat sie vergessen, dass sie selber ihr Kind umgebracht hat und sucht es seit dieser Zeit. Lohmann hat inzwischen herausgefunden, dass Ulrike alle zwanzig Jahre für drei Nächte im Schloss erscheint und es immer Tote gibt. Die zweite Nacht ist erst angebrochen.

Harriett Mahler und ihre Freundin Petra König unternehmen einen Erkundungsgang durchs Schloss und entdecken in der Folterkammer den verrückten Keschmer, wie er ein Tier auf der Streckbank ausnimmt. Sie flüchten auf ihr Zimmer, doch Lydia ist neugierig und macht sich in den frühen Morgenstunden nochmal auf zur Folterkammer. Vom Dachboden her hört sie dabei wimmernde Geräusche. Als sie nachschaut, entdeckt sie die weiße Frau und flüchtet abermals. Die Geschichte glaubt ihr natürlich niemand, außer Anne Bloom, aber so langsam spitzt sich die Lage zu. Die Geschichtslehrerin möchte die Mädchen so schnell wie möglich nach Hause schicken, aber die Schulleiterin fürchtet um den guten Ruf des Pensionats.

Anne Bloom schaut sich in der Folterkammer nochmal nach einen Hinweis um, nachdem sie  in der Chronik des Schlosses etwas über einen Henker gelesen hat, als das Licht ausgeht. Im Schatten des Raumes entdeckt sie einen unheimlichen Kapuzenmann, der sie schließlich die Treppe hinauf jagt. Anne schließt mit ihrem Leben ab, bis sie  von Dr.Schwab gerettet wird. Ihr Verfolger ist natürlich verschwunden.

Weil die Lehrer nicht mehr weiter wissen, holen sie einen Experten mit ins Boot. Der pensionierte Mathelehrer Anton Grünwald kennt sich mit dunkler Magie aus. Er weiß auch einiges über den in der Chronik erwähnten Henker Leopold. Er war der Sohn des Baders und arbeitete für Graf Hugo. Gleichzeitig war er aber auch der Geliebte von Ulrike und das Kind von ihm. Der sadistische Graf Hugo befahl Leopold, seine eigene Tochter zu foltern und einzumauern. Darüber hat Leopold wohl den Verstand verloren und kehrt, ebenfalls wie die weiße Frau, alle zwanzig Jahre zu den Lebenden zurück, um junge Mädchen in die Folterkammer zu locken und zu töten. Heute ist der dritte Tag und die Mädchen befinden sich in größter Gefahr.

Nachdem Harriett verschwunden war und in einem versteckten Schacht in der Nähe des Turms schließlich schwer verletzt gefunden wurde, lenkt die Schulleiterin endlich ein und schickt die Mädchen nach Hause. Grünwald ist ebenfalls auf dem Schloss und möchte eine Seance abhalten, um den Geist von Ulrike zu befragen, wo denn ihre Gebeine verborgen sind. Mit der Beerdigung in geweihter Erde könnte sie Ruhe finden. Der Henker ist eine andere Hausnummer.

Anne Bloom macht ein Nickerchen und wacht plötzlich frierend auf. Die weiße Frau ist in ihrem Zimmer. Sie befolgt Grünwald Plan und redet auf die weiße Frau ein. Sie verspricht, ihr zu helfen wenn sie den Ort ihrer Einkerkerung verrät. Vielleicht kann sich Grünwald so die Seance sparen. Allerdings lockt Ulrike Anne in die Folterkammer, wo der Henker schon auf sie wartet.

Die anderen Lehrer machen sich Sorgen um die junge Lehrerin und hören ihre Schreie in der Folterkammer, aber sämtliche Zugänge sind durch stabiles Eisen plötzlich versperrt. Schwab versucht trotzdem sein Glück und bekommt unerwartet Hilfe vom verrückten Keschmer, der einen geheimen Eingang zur Kammer kennt. Als sie den Raum betreten, liegt Anne schon auf der Streckbank. Vorher hat Ulrike, die ihren Geliebten behilflich ist, das Versteck ihrer Gebeine verraten. Hinter einer Mauer liegen ihre Überreste. Als Schwab die Mauer einreist und Ulrike ihre Knochen sieht, finden sie und Leopold endlich ihre verdiente Ruhe. Der Spuk von Schloss Hohenbrück ist endgültig vorbei.

Dirk und sein SenfMein Senf
Muss man über H.G. Franciskowsky noch viel erzählen? Eigentlich dürfte so ziemlich jeder mal mit ihm in Berührung gekommen sein – zumindest als Freund von Heftromanen verschiedener Genres oder auch als Liebhaber alter Hörspiele. Für den Branchenprimus Europa hat er, als Platte und Kassette noch die dominanten Tonträger waren, an die 600 Abenteuer verfasst und über hundert goldene Schallplatten plus 6 mal Platin eingeheimst. Ein sehr interessantes Interview hat G.Walt für den Zauberspiegel mit ihm geführt, als der Mann (14.1.1936-3.11.2011) noch lebte. Den größten finanziellen Erfolg dürfte er auch als Stammautor bei Europa gehabt haben, denn wer kennt nicht die unheimlichen Geschichten um Frankenstein, Dracula und anderen bekannten Monstern aus seiner Feder. Natürlich hat er sich dabei nicht zu hundert Prozent an die historischen Vorlagen gehalten, sondern schrieb seine eigenen Story`s. Für kleine Kinder waren die Themen vielleicht noch ein wenig zu gruselig, aber in meiner Jugendzeit war er, neben Kassetten mit Jules Verne Abenteuern, mein Favorit in Sachen Einschlafbegleitung. Irgendwie hatte er aber in fast allen beliebten Produktionen von Europa seine Finger im Spiel. Die drei ???, TKKG, Fünf Freunde und Scripte zu Masters of the Universe sowie Commander Perkins kamen aus seiner Feder. Was, er konnte auch SF? Und wie, denn von 1971 bis 2004 gehörte er zum Autorenstamm von Perry Rhodan und verfasste dort über 200 Romane. 1974 landete er bei den Vampiren von Pabel und gab mit dem vorliegenden Roman seinen Einstand. Dabei benutzte er als Pseudonym die letzten drei Buchstaben seines Klar-Namens - tolle Idee mit hohen Wiedererkennungswert. Aber aus „Franciskowsky“ konnte man noch mehr basteln, wie etwa: H.G. Francis, Hans G. Francis, H.G. Francisko, Gunther Frank oder eben Frank Sky. Ob er auch Grusel für Erwachsene konnte? Meine Meinung ist da etwas zwiegespalten, zumindest was seinen Erstling beim VHR anbelangt.

Mit fortlaufender Handlung hatte ich immer mehr das Gefühl, in einem Jugendbuch rund ums Mädchenpensionat Düsterbrunn, äh Dunkelsteig bzw. Hohenbrück zu stecken, nur dass die Schülerinnen nicht alle lebend das Ende der knapp 65 Seiten erreichten. Okay, ich weiß dass er für die Europa-Tonträger geschrieben hat und bin deshalb vielleicht etwas voreingenommen. Trotzdem, im Grunde genommen wollte Franciskowsky wohl niemanden ernsthaft schaden, aber die Redaktion hatte da andere Vorstellungen. Zumal der Jugendschutz 1974 noch nicht aufmuckte.

Das Miteinander im Schlosspensionat war etwas seltsam bis nervig. Dabei war es nicht die weiße Frau die einen auf den Keks ging, sondern das Lehrerteam rund um die Granit scheißende Schulleiterin Frau von Stöckingen, ein Ableger des berühmten Fräulein Rottenmeier – der Mutter aller steifbeinigen Hausdamen. Ein Lehrer, der angegraute Dr. Lohmann, tat sich beim Nerven besonders hervor, dichtete er doch der netten Anne Bloom schon auf den ersten zehn Seiten ein lesbisches Verhältnis zu einer ihrer Schülerinnen an. Das hatten wir auch noch nicht, zumal im Roman die zwischenmenschlichen Beziehungen doch recht bescheiden, und wenn überhaupt sehr schüchtern, angedeutet wurden. Lehrer Schwab hatte latent ein Auge auf seine Kollegin Anne geworfen und am Schluss gab es eine heruntergerissene Bluse samt Fleischbeschau. Uiuiui. Ein wenig kam es so rüber, als wenn sich Sky zwischendurch daran erinnerte, dass er für Erwachsene schrieb. Lohman nervte übrigens bis zum Schluss und machte anzüglich schlüpfrige Bemerkungen. Warum hat der Henker nicht ihn geholt? Anne Bloom brachte sich mit ihrer Neugier immer wieder in prekäre Situationen, was aber nicht weiter schlimm war, denn hinter der nächsten Tür wartete schon Dr. Schwab um sie zu retten. Hatte sie mal Pause, suchten die noch neugierigeren Schülerinnen nach den Unholden und gerieten in noch prekärere Situationen. Ein Teil der Lehrerschaft blieb unsichtbar und lief nur stumm hinterher. Eigentlich hatten immer nur die gleichen Personen eine Sprechrolle. Seltsam nebensächlich blieb dann auch die Polizei rund um Kommissar Wargahn.

Franciskowskys Schreibe war ganz passabel, aber auch nicht sonderlich herausragend. Seine Idee, den Roman in einem Mädchenpensionat spielen zu lassen, war nicht schlecht, hätte aber auch von Walter Appel stammen können. Also auch hier nichts wirklich Neues. Im weiteren Verlauf der Geschichte ploppten immer mehr unnötige Ecken und Windungen auf, und man holte sogar im hinteren Drittel des Romans noch einen Hobby-Geisterbeschwörer dazu. Passiert meistens dann, wenn dem Autor nichts mehr einfallen will. Die Verknüpfungen ins Mittelalter war zwar hilfreich für die Handlung, wirkten aber auch sehr unglaubwürdig und etwas schnell erdacht. Einzig der Henker hatte Potential und stahl der weißen Frau ein wenig die Schau. Der wahre Held war der verrückte Keschmer, auch Dummkopf, Idiot und Schwachsinniger genannt, der den Tag für fast alle Beteiligten rettete.

So gesehen war auch DIE WEISSE FRAU wieder mal kein Highlight der Serie und klang schon ein wenig nach den Pseudo-Horror-Kloppern in Heftromanformat der 80er (gähn)...

Was gab es sonst noch?
Das Titelbild von Thole ist mit Abstand das Unheimlichste am ganzen Roman. Erinnert ein wenig an die Nummer 1 der Serie.

Bei VAMPIR INFORMIERT geht man nochmals auf das Necronomicon von H.P. Lovecraft ein und gibt und gibt noch ein paar Querverweise zu ebenfalls fiktiven Büchern. Aber wer weiß, vielleicht ist an der Sache wirklich etwas dran. Zumindest wünscht die Vampir-Redaktion dem wirklich Suchenden noch viel Glück beim aufspüren. Ich hänge mich einfach mal dran.

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Kommentare  

#1 Thomas Mühlbauer 2019-03-06 11:32
Hanni und Nanni im Geisterschloß in der Erwachsenenversion... :-)
#2 Andreas Decker 2019-03-08 10:01
Als der rauskam, habe ich die Reihe nur sporadisch gelesen. Jahre später habe ich ihn dann gekauft, und fand ihn schlecht. Da ich auch von PR her nie ein Francis-Fan war, eher das Gegenteil, hatte ich keine großen Erwartungen. Aber die wurden locker unterboten. Trotz der Hörspiele - die ich zugegebenermaßen alle nicht kenne - war das nicht sein Ding.

In den 80er Nummern war die Umstellung auf deutsche Autoren fast vollständig vollzogen, und bei vielen ist das Beste die Titelbildgestaltung. Auch ohne Jugendschutzrücksichten war ab dann zu vieles doch nur blah.
#3 Thomas Mühlbauer 2019-03-08 12:39
Ja, die Perlen musste man nach dem Wegfall der Franzosen und Belgier suchen. Weil aber die Titelbilder noch immer gut waren und auch die LKS gerne gelesen wurde, hat man eben immer und eher zum VHR gegriffen als zu Geister-, Gespenster- und Silber-Grusel-Krimi. Und wenn es nicht zwischendrin immer wieder mal Ködelpeter, Straßl oder Kobusch gegeben hätte, wäre das meist eine öde Klischee-Kiste gewesen - vor allem auch wegen der zahlreichen Godzilla-Klone oder der heavy rotation bei bestimmten Autoren.
#4 Toni 2019-03-08 20:17
Dabei hat alles so schön angefangen. Ich stolpere so langsam auf die 100 und meine Motivation stolpert mit...
#5 Schnabel 2019-03-08 22:16
Das Thole-Bild ist 1986 nochmals verwendet worden und zwar als Titelbild für die Dämonenkiller-Zweitausgabe Nr. 164.

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