In Jahr 1985 schrieb Kurt Luif für die 2. Ausgabe der Dämonenkiller-Serie den Roman »Die Pestburg«.
Die erste Hälfte der 138 ist zum Großteil identisch mit dem Manuskript-Anfang von Dämonenkiller Nr. 150. Nur der Anfang ist anders. Der Roman DK Nr. 138 hat einen anderen Schluß bekommen, denn Kurt Luif hat Teile von Dämonenkiller-Exposé Nr. 151 als Vorlage für den zweiten Teil des Romanes verwendet.
"Die rote Hexe"
Dämonenkiller Nr. 150
von Neal Davenport
Coco Zamis schreckte hoch. Geräuschlos setzte sie sich auf und versuchte die Dunkelheit zu durchdringen.
Es war ruhig im Schlafzimmer. Nur das regelmäßige Atmen Dorians war zu hören.
Sie knipste das Nachtkästchenlämpchen an und blickte auf die Uhr.
Es war genau ein Uhr dreißig.
Seit einer Woche wachte sie regelmäßig um diese Zeit auf. Und ein paar Minuten später begann dann immer Dorian zu stöhnen und sich wie verrückt im Bett hin und her zu wälzen. Es war klar, daß ihn Alpträume verfolgten. Doch sobald sie ihn geweckt hatte, konnte er sich nicht mehr daran erinnern, wovon er geträumt hatte.
Coco blickte ihren Gefährten besorgt an. Irgendetwas hatten diese Alpträume zu bedeuten - sicherlich nicht etwas Gutes. Ihre Ahnungen hatten sie selten getäuscht. Coco hatte einige Beschwörungen vorgenommen, um in Erfahrung zu bringen, ob ihnen Gefahr drohte. Doch ihre Bemühungen waren erfolglos geblieben. Sie hatte nichts erfahren.
Dorians Aussehen hatte sich in den Jahren, seit wir uns kennen, nicht verändert, dachte Coco und lächelte leicht. So wie damals, als sie ihn in Wien kennengelernt hatte, trug er jetzt wieder den gewaltigen Schnauzbart. Sein Gesicht war gebräunt, und das schwarze Haar ziemlich lang. Von der Gesichtstätowierung war nichts mehr zu sehen.
Ihr Lächeln erstarb, als sie an die Gefahren dachte, die sie in den vergangenen Wochen zu bestehen gehabt hatten. Die Situation innerhalb der Schwarzen Familie war verworren. Luguri schien durch den magielosen Zustand, der vor ein paar Wochen in New York geherrscht hatte, noch immer geschwächt zu sein. Anders war es nicht zu erklären, daß er sich nicht Rebecca vorgenommen hatte, die eifrig bemüht war alle Vampire der Welt um sich zu scharen.
Aber das soll nicht meine Sorge sein, dachte Coco. Sie war glücklich, daß sich ihr Sohn bei ihr im Castillo Basajaun befand. Martin hatte sich zu ihrer größten Überraschung unglaublich schnell an seine neue Umgebung gewöhnt und alle Bewohner lieb gewonnen. Auch die Schrecken der letzten Monate hatten nicht die erwarteten Spuren in seinem Seelenleben hinterlassen. Seit fast Wochen befanden sich sie nun in der alten Burg in Andorra. Sie und Dorian hatten die ruhigen Tage genossen. Kein Angriff der Dämonen war erfolgt. Es war ruhig - fast zu ruhig.
Dorian Hunter stöhnte. Seine rechte Hand stieß die dünne Decke zur Seite. Er ballte die rechte Hand zur Faust und keuchte. Seine Brust hob sich rascher.
Coco beugte sich über ihn. Seine Augäpfel bewegten sich heftig unter den geschlossenen Lidern. Er öffnete den Mund und stöhnte lauter. Dann warf er sich wild im Bett hin und her.
"Dorian", sagte Coco laut.
Die Bewegungen des Dämonenkillers wurden langsamer.
"Dorian!"
Der Dämonenkiller stieß ein Seufzen auf, gähnte geräuschvoll und öffnete die Augen. Verschlafen blinzelte er Coco an.
"Libussa", sagte Dorian und unterdrückte ein Gähnen.
"Libussa?" fragte Coco verwundert. "Du hast wieder einen Alptraum gehabt. Kannst du dich erinnern?"
Dorian nickte langsam. Er schloß die Augen und strich sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
"Ich kann mich undeutlich erinnern", sagte er stockend.
"Erzähle", bat sie.
"Eine Schlacht", flüsterte Dorian. "Überall das Krachen von Kanonenschüssen. Das Schreien von Verwundeten. Eine Burg. An einem Baum hingen Gehenkte. Und überall Wölfe. Fledermäuse. Dazwischen war immer ein Mädchengesicht zu sehen. Sie hatte rotes Haar, das wie Feuer glühte. Rotes Haar."
"Kennst du das Mädchen?"
"Es war Libussa", antwortete Dorian.
"Wer ist Libussa?"
Der Dämonenkiller setzte sich auf und griff nach den Zigaretten. Er steckte zwei an und reichte eine Coco.
"Ich kann mich nicht erinnern", sagte Dorian verärgert. Er legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach.
"Ist es nicht seltsam, daß du plötzlich von Libussa träumst?" erkundigte sich Coco.
"Allerdings. Ich bin sicher, daß es eine Warnung sein soll. Ich habe die Szene, die ich eben geträumt habe, vor ein paar Monaten schon einmal gesehen. Es war im Tempel des Hermes Trismegistos. Damals hatte ich aber das Gesicht des Mädchens nur einen Sekundenbruchteil gesehen und es nicht erkennt. Ich hätte schwören können, daß das Mädchen blondes Haar gehabt hätte."
"Versuche dich zu erinnern, Dorian. Es könnte wichtig sein. Wann hast du in deinem sechsten Leben gelebt?"
"Als Schwarzer Samurai starb ich 1610. Ich muß also im gleichen Augenblick geboren worden sein. Besser gesagt, meine Seele schlüpfte in den Körper eines in dieser Sekunde zur Welt kommenden Kindes. Aber so sehr ich mich auch bemühe, mir fällt nicht ein, wer ich damals gewesen bin."
"Du hast aber einmal erwähnt, daß du dich an die Szene irgendwie erinnerst hast."
"Stimmt. Es muß während des Dreißigjährigen Krieges gewesen sein. Ich befand mich damals in Deutschland. Libussa muß eine Rolle in meinem damaligen Leben gespielt haben. Aber welche?"
"Das würde ich zur gerne von dir wissen, Dorian. Ich kann dir nicht helfen."
Wütend sprang Dorian aus dem Bett und drückte die Zigarette aus. Mißmutig ging er im Zimmer auf und ab.
"Der Dreißigjährige Krieg begann 1618", sagte Dorian. "Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits acht Jahre alt."
"Vielleicht hilft es deiner Erinnerung nach, wenn wir uns über diese Zeit unterhalten?"
"Schaden kann es nicht", brummte Dorian.
"Begonnen hatte alles mit dem Prager Fenstersturz", sagte Coco. "Wenn ich mich recht erinnere, muß das im Mai 1618 gewesen sein."
"Es war der 23. Mai. Die böhmischen Protestanten waren in den Hradschin eingedrungen und warfen die beiden von Ferdinand eingesetzten Statthalter und ihren Sekretär aus einem Fenster des Ratssaals. Doch die drei hatten Glück im Unglück. Sie landeten auf einem Misthaufen und bleiben am Leben. Aber dieser Sturz war nur der auslösende Faktor für den Dreißigjährigen Krieg. Die Ursachen dafür lagen viel tiefer."
"Ich weiß es", sagte Coco. "Es war eine Frage von Religion. Auf der einen Seite war es der katholische Glaube, und auf der anderen Seite die protestantische Religion."
"Genau genommen, waren es sogar drei Parteien", erklärte Dorian. "Die Reformation hatte zwei Führer gehabt. Luther und Calvin. Und die Lehren dieser beiden ergänzten sich nicht, das Gegenteil war der Fall. Und dazu kamen noch andere Dinge. Die Menschen waren völlig verunsichert. Es gab auch viele Anhänger, die an die Macht des Übersinnlichen und Unerklärlichen glaubten. Tausende fanden Zuflucht im Okkultismus und gaben sich der Schwarzen Magie hin. Die Bewohner Deutschlands glaubten an Hexen und viele beteten den Teufel an."
"Ich habe gelesen, daß der Fürst von Anhalt in seinem Tagebuch von Geistererscheinungen geschrieben hat. Der Kurfürst von Brandenburg glaubte an die "Weiße Frau", die angeblich vor Todesfällen warnen sollte. Und der Herzog von Bayern hat sogar seine Frau exorzieren gelassen, um den Fluch der Unfruchtbarkeit von ihr zu nehmen."
Dorian nickte zustimmend. "Ich könnte da noch ganz andere Dinge nennen. Aber kommen wir zum wesentlichen. 1618 waren die Habsburger die stärkste Dynastie. In ihren Händen vereinigte sich alle Macht. Die Habsburger herrschten über Österreich, Tirol, die Steiermark, Krain, Kärnten, Ungarn, Mähren, Schlesien, die Lausitz und Böhmen, Teile von Burgund, die Niederlande, das Herzogtum Mailand und das Königreich Neapel. Sie waren die Könige von Portugal und Spanien und herrschten in Amerika."
"Das war ein gewaltiges Reich", stimmte Coco zu.
"Die Habsburger raten unnachgiebig für die katholische Kirche ein. Sie verfochten diese Überzeugung so verbissen, daß es zwangsläufig zu einer Konfrontation kommen mußte. Um es kam dazu. Bedauerlicherweise, wie ich heute sagen muß. Der Dreißigjährige Krieg war für Deutschland fürchterlich."
"Hätte dieser schreckliche Krieg nicht vermieden werden können?" erkundigte sich Coco.
"Das ist eine interessante Frage, mit der ich mich schon früher auseinander gesetzt hatte. Tja, möglicherweise wäre alles anders gekommen, wenn nicht Ferdinand als Kaiser gewählt worden wäre. Und diese Wahl war eine komplizierte Angelegenheit."
"Erkläre es mir bitte."
Dorian unterbrach seine Wanderung im Zimmer und blieb vor Coco stehen.
"Es gab sieben Kurfürsten in Deutschland", erzählte der Dämonenkiller weiter. "Sie waren die eigentlich Herren des Reiches, den nur mit ihrem Einverständnis konnte der Reichstag zusammentreten und der Kaiser gewählt werden. Den Vorsitz im Fürstenkollegium hatte der Kurfürst von Mainz, der zusammen mit den Kurfürsten von Trier und Köln die bedeutendsten waren. Diese drei vertraten die katholische Kirche. Macht hatten sie aber nur wenig. Die vier anderen waren die Kurfürsten der Pfalz, Brandenburgs, Sachsens, und der König von Böhmen. Und mit dem König von Böhmen hatte es so seine eigene Bewandtnis. Er war tatsächlich ja kein Reichsfürst, sondern ein unabhängiger Monarch. Er durfte nur bei der Kaiserwahl mitstimmen, konnte aber sonst nie in die inneren Angelegenheiten des Reiches eingreifen."
"Die Habsburger stellten doch schon seit fast einem Jahrhundert den König von Böhmen, nicht wahr?"
"Stimmt. Und am 17. Juni 1617 wählten die Böhmen Ferdinand von Steiermark zu ihren König. Das paßte dem protestantischen Kurfürsten Friedrich von der Pfalz überhaupt nicht, der selbst gerne König von Böhmen geworden wäre. Die Stimmung unter der Bevölkerung Böhmens war gegen die Habsburger. Ferdinand traf alle möglichen harten Maßnahmen gegen die Protestanten. Es kam zum Aufstand - zum Prager Fenstersturz. Nun sah Friedrich seine Chance. Am 26.8.1619 wählten die böhmischen Rebellen ihn zu ihrem König."
"Aber da war doch bereits Kaiser Matthias gestorben!"
"Das ist richtig. Und es ist auch irgendwie kurios, daß am 28. August die sieben in Frankfurt versammelten Kurfürsten oder ihre Stellvertreter einstimmig Ferdinand zum neuen Kaiser wählten. Nun war Friedrichs Position als König von Böhmen unhaltbar geworden. Kaiser Ferdinand verbündete sich mit dem mächtigen und reichen Maximilian, Herzog von Bayern. Auch Johann Georg, der Kurfürst von Sachsen schlug sich auf die Seite des Kaisers. Im Sommer kam es zu entscheidenden Schlacht. Maximilian kam mit einem 25 000 Mann starken Söldnerheer der Katholischen Liga nach Böhmen. Am 8. November schlug Maximilians Heer die Truppen Friedrich in der Schlacht am Weißen Berg, in der Nähe von Prag. Maximilian eroberte Prag und Friedrich floh nach Holland. Ferdinand bekam die böhmische Krone zurück."
Der Dämonenkiller setzte sich und steckte sich eine neue Zigarette an. Das Gespräch über den Dreißigjährigen Krieg hatte ihn nicht weitergebracht. Er konnte sich nicht an sein sechstes Leben erinnern.
Er war die Reinkarnation des Barons Nicolas de Conde, der sich um 1484 um den Preis der Unsterblichkeit dem Fürsten der Finsternis verschrieb. Seit fast fünfhundert Jahren wanderte nun seine Seele von einem Körper in den anderen - und immer hatte er gegen die Schwarze Familie gekämpft. Doch es hatte immer einige Zeit gedauert, bis er sich an seine früheren Leben erinnern hatte können. Es war, als würde eine Sperre vor seiner Erinnerung liegen. Er konnte nicht beliebig die Erinnerung an seine früheren Leben wecken. Deutlich konnte er sich an seine Leben als Juan Garcia de Tabera, Georg Rudolf Speyer, Michele da Mosto und Tomotada erinnern. Doch wer war er in seinem 6. Leben gewesen?
"Ich kann mich nicht erinnern", sagte der Dämonenkiller mißmutig, als er die Zigarette ausgeraucht hatte.
"Versuche zu schlafen, Dorian."
Der Dämonenkiller schüttelte den Kopf. "Ich bin zu aufgeputscht. Im Augenblick ist an Schlaf nicht zu denken. Schlafe aber ruhig weiter. Ich gehe in die Bibliothek."
Er griff nach seinem Morgenmantel und schlüpfte hinein. Völlig geistesabwesend trat er in den schwach erleuchteten Korridor und schritt rasch zur Bibliothek, die vollgestopft mit Büchern über Magie war. Aber es gab auch tausende andere Bücher, hauptsächlich wissenschaftliche Werke, doch auch ein paar der bekanntesten Romane und Werke der Weltliteratur.
Dorian brauchte nicht lange suchen und er hatte die Bücher gefunden, nach denen er gesucht hatte. Es waren das bekannte Sachbuch 'Der 30 jährige Krieg' der Historikerin Wegdwood, und die zwei berühmten Romane von Grimmelshausen 'Lebensbeschreibung der Erzbetrügerin und Landstörzerin Courasche' und 'Der abenteurliche Simplicissimus'.
Nachdem er kurz in Wegdwoods Werk geblättert hatte, las er ein paar Zeilen des Simplicissimus, legte ihn aber bald zur Seite. Die Lebensbeschreibung der Courage interessierte ihn mehr. Er verschlang förmlich die Seiten.
Unwillig hob er den Kopf, als die Tür geöffnet wurde und Coco ins Zimmer trat. Dorians Laune hob sich etwas, als er bemerkte, daß Coco zwei Flaschen Bier und einen Teller mit verlockend aussehenden Sandwiches mitgebracht hatte.
"Laß dich nicht von mir stören, Rian", sagte Coco und schenkte das Bier ein. "Ich kann auch nicht schlafen. Lies ruhig weiter."
Der Dämonenkiller trank einen Schluck, aß zwei Brötchen und las weiter.
Als er ein paar Zeilen des XI. Kapitel (Nachdem Courage anfähet, sich fromm zu halten, wird sie wieder unversehens zu einer Wittib) gelesen hatte, stutze er. Er blätterte zurück.
Er las laut vor und Coco hörig neugierig zu. "Mich selbst aber mundierte ich wieder wie von diesem mit Pferd, Gewehr, Sattel und Zeug, und also staffiert kamen wir bei den Häusern Gleichen zu der Tillyschen Armee..."
"Hm", meinte Coco. "Was ist daran so interessant?"
Dorian blätterte nun zu den am Schluß des Buches befindlichen Wort- und Sacherklärungen.
"Hier steht zwei Burgen südöstlich von Göttingen", sagte er. Kopfschüttelnd legte er das Buch auf den Tisch. "Ich kann mich aber daran erinnern, daß es drei Burgen waren. Sie lagen zwischen Arnstadt und Gotha. Die drei Hochburgen hießen: Wachsenburg, Mühlberg und Gleichen. Ich war dort. Ich kann mich undeutlich erinnern. Es war fürchterlich heiß. Ich saß auf einem Zigeunerwagen..."
Der Dämonenkiller kniff die Augen zusammen und nach ein paar Sekunden schloß er sie.
Wie war sein Name damals gewesen?
Er konzentrierte sich stärker. Die Luft schien von seinen Augen zu flimmern. Die Wiesen waren verbrannt. Der Himmel war tiefblau und wolkenlos. Nur das Knarren der Räder und das Schnaufen der durstigen Pferde waren zu hören. Ein paar Schwalben flogen über den Wagen hinweg.
Irgendjemand berührte seinen Arm.
"Gabor", sagte eine sanfte Stimme.
"Gabor!" rief Dorian überrascht aus. "So nannte mich Janko!"
Der Bann war gebrochen. Es war als würde eine Hand den Schleier zu seiner Erinnerung fortreißen. Er konnte sich wieder erinnern...
Hier schilderte nun Kurt Luif den Anfang vom 6. Leben des Dämonenkiller
"Die Pestburg"
Dämonenkiller-Zweitausgabe Nr. 138
von Neal Davenport
Die Erinnerungen kamen während der Nacht; sie verfolgten und peinigten ihn, doch er konnte ihnen nicht entfliehen.
Sein Gedächtnis spie die alptraumhaften Tode wie schlecht zusammengeklebte Filmausschnitte aus, die sich endlos wiederholten.
Es waren Gedankenfetzen, die seinen Schlaf zur Marter machten.
Mahnend zogen die letzten Minuten seiner früheren Leben vorbei, die ihm bewußt waren, beklemmend krochen die damaligen Ängste und Hoffnungen in ihm hoch.
Coco Zamis blickte ihren Gefährten besorgt an.
Dorian Hunter stöhnte. Mit der rechten Hand stieß er die dünne Decke zur Seite. Seine Brust hob sich rascher, die Augen bewegten sich heftig unter den geschlossenen Lidern. Der Dämonenkiller öffnete den Mund und schrie durchdringend, dabei warf er sich wild im Bett hin und her.
Sein Gesicht veränderte sich erschreckend.
Baron Nicholas de Conde...
Als ich wieder zu mir kam, war ich bereits an den Pfahl gebunden. Die Flammen umzüngelten mich, und ich erlebte den Augenblick meines Todes in allen Einzelheiten mit.
Dann erblickte ich Equinus durch die Flammen. Er hielt die Lanze und schien nur darauf gewartet zu haben, daß ich das Bewußtsein erlangte, dann stieß er zu. Ich sah noch sein satanisches Grinsen, fühlte den schmerzenden Einstich - und dann überhaupt nichts mehr.
Juan Garcia de Tabera...
Vor meinem Gesicht baumelten ein Kreuz und ein Rosenkranz. Einer der Priester hielt meinen Oberkörper fest. Sie hatten meine Brust entblößt. Ich sah den Holzpfahl, den einer in der rechten Hand hielt. Ich wollte mich bewegen, wollte um Gnade winseln, doch ich konnte nichts tun; ich war wie gelähmt.
Deutlich spürte ich den brennenden Schmerz, als der Pfahl mein Herz erreichte.
Irgendwann starb ich.
Georg Rudolf Speyer...
Ich zerstörte den magischen Kreis, ließ Alraune an mich herantreten und genoß ihre Umarmung, bis mein ureigenstes Ich den sterbenden Körper des Georg Rudolf Speyer verließ und in einen anderen Körper wanderte. In den Körper eines Neugeborenen irgendwo auf der Welt.
Michele da Mosto...
„Töte dich, Michele da Mosto!“ schrie der Kokuo.
Ich gehorchte. Ich stieß mir die Klinge in den Leib.
„Sieh mich an, Michele da Mosto!“ befahl der Herrscher.
Ich blickte hoch. Tränen rannen über meine Wangen, und der Schmerz raubte mir den Atem. Ich spürte, daß sich mein Geist anschickte, den Körper des sterbenden Michele da Mosto zu verlassen.
Der Kopf des Kokuo bewegte sich. Er drehte sich um 180 Grad, und ich sah ein zweites Gesicht. das ich vor fast genau hundert Jahren schon einmal gesehen hatte.
Der Kokuo war niemand anderer als Heinrich Cornelius Mudt, den ich 1487 in meinem Leben als Baron de Conde kennengelernt hatte.
Das Bild verblaßte langsam.
Tomotada...
Und nun erfüllte sich mein Schicksal. Die furchtbaren Geräusche, die der Kokuro-Kubi erzeugte, verklangen. Finsternis senkte sich über meinen Geist.
Tomotada war nicht mehr. Mein Geist aber lebte weiter, wanderte durch die unbegreiflichen Ewigkeiten, bis er einen neuen Körper fand. Den Körper eines Neugeborenen, das irgendwo in der Welt gerade zum Leben erwachte. Ich wußte nicht, in welchem Land und auf welchem Erdteil meine neue Heimat lag. Ich wußte nur, daß ich die Mächte des Bösen überlistet hatte und Geborgenheit in einem neuen Körper fand.
Bald würde die Erinnerung an die Leiden meines fünften Lebens verblassen, bis sie für etliche Jahre ganz erlosch und erst wieder in Jahr und Tag zurückkehrte.
Was würde mir das sechste Leben bringen? Wer würde ich sein? Ich hoffte nur eines: daß ich nicht wieder zum Sklaven der Mächte der Finsternis wurde.
Die Bewegungen des Dämonenkillers wurden langsamer. Ein paar Minuten schlief er noch weiter, schließlich stieß er ein tiefes Seufzen aus, gähnte geräuschvoll und öffnete die Augen.
Verwirrt starrte er Coco an, die mit einem Tuch den Schweiß von seinem nackten Oberkörper wischte.
„Waren es wieder die gleichen Alpträume?“ fragte sie.
Dorian nickte. „Doch das Ende war diesmal anders. Es war eine sinnlose Aneinanderreihung kurzer Szenen. Zuerst eine Schlacht, mit Kanonendonner, in den sich die Schreie der Verwundeten mischten.
Eine alte Burg, Gehenkte an einem Baum, Wölfe in einem Wald. Dazwischen war immer ein Mädchengesicht zu sehen. Es hatte rotes Haar, das wie Feuer glühte.“
„Hast du das Mädchen erkannt?“
Mißmutig schüttelte er den Kopf. „Irgendetwas wollte durchbrechen. Das alles habe ich schon vor Monaten in Form einer Vision gesehen, es war im Tempel des Hermes Trismegistos.“
„Versuche dich zu erinnern, Dorian. Es könnte wichtig sein.“
„Wir haben Besuch bekommen“, sagte der Dämonenkiller und runzelte die Stirn.
Es war genau ein Uhr dreißig.
„Um diese Zeit?“ wunderte sich Coco. „Wir wären verständigt worden. Niemand kann unbemerkt ins Castillo Basajaun eindringen.“
„Einer kann es“, sagte Hunter und sprang aus dem Bett. „Olivaro!“
„Olivaro“, flüsterte Coco verblüfft.
* * *
Olivaro stand in der Bibliothek und studierte aufmerksam die Buchrücken. In der linken Hand hielt er einen dünnen Reclam-Band.
„Sei herzlich willkommen“, sagte Dorian.
Langsam wandte sich Olivaro ihnen zu. Auf den ersten Blick hätte man ihn für einen erfolgreichen Manager halten können, doch dieser Eindruck trog, denn Olivaro war kein Mensch. Er war ein Januskopf, der im Jahr 777 von seiner Heimatwelt Malkuth zur Erde geschickt worden war.
Aufmerksam musterte der ehemalige Herr der Schwarzen Familie Coco, deutete eine leichte Verbeugung an, dann nickte er Dorian zu.
„Entschuldigt bitte mein überraschendes Auftauchen“, sagte Olivaro mit wohlklingender Stimme.
„Steckst du in Schwierigkeiten, Olivaro?“ erkundigte sich Coco.
Er lächelte leicht. „Nein, doch Dorian hat ein Problem. Seit ein paar Nächte verfolgen ihn Alpträume.“
„Woher weißt du das?“ fragte Dorian überrascht.
„Ich habe dir mein zweites Gesicht geschenkt“, meinte Olivaro.
„Dafür kann ich dir nicht genug danken, Olivaro, doch es erklärt nicht, weshalb...“
„Laß es gut sein, Dorian. Zwischen uns besteht eine seltsame Verbindung, die ich nicht erklären kann. Ich bin gekommen, da ich dir helfen will.“
„Setzen wir uns“, sagte Dorian erstaunt. „Darf ich dir etwas anbieten?“
„Eine Tasse Kaffee wäre nicht übel.“
„Schon verstanden“, sagte Coco. Sie betrat einen kleinen Nebenraum und ließ die Tür offen.
Olivaro nahm in einem Sessel Platz, lehnte sich zurück und verbarg das gelbe Büchlein zwischen seinen Händen, dann starrte er Dorian durchdringend an.
„Du versuchst vergeblich, dich an dein sechstes Leben zu erinnern, Dorian.“
„Stimmt, doch ich habe ein wenig Angst davor. Fast immer wurde zwischen der Vergangenheit und Gegenwart eine Verbindung hergestellt, die nichts Gutes brachte.“
„Diesmal besteht diese Gefahr nicht. Du mußt den Schleier zu deiner Erinnerung lüften, Dorian, sonst wirst du verrückt.“
„Was befürchte ich auch“, sagte Dorian schwach. „Als Schwarzer Samurai starb ich 1610. Wer war ich in meinem sechsten Leben? Heute träumte ich ein paar Szenen, die aus dem Dreißigjährigen Krieg stammen könnten.“
„Ein wahrhaft düsteres Kapitel in der Geschichte der Menschheit“, stellte Olivaro fest. „Dagegen ist das angeblich so finstere Mittelalter direkt gemütlich zu nennen.“
„Du mußt es beurteilen können.“
„Ich kann es. An der Entwicklung bist du nicht ganz unschuldig, denk an dein Leben als Nicholas de Conde.“
„Lieber nicht. Welche Rolle hast du und die Schwarze Familie im Dreißigjährigen Krieg gespielt? Haben die Dämonen wieder in mein Leben eingegriffen? Dein Erscheinen als Heinrich Cornelius Mudt und
als Kokuo in meinen früheren Leben lassen nur Böses ahnen.“
Olivaro lachte sarkastisch.
Coco schenkte den Kaffee ein, dann ließ sie sich neben Dorian nieder.
„Für die Schwarze Familie war der Krieg höchst vergnüglich“, schaltete sich Coco in die Unterhaltung ein. „Den Hexenwahn nützten die Dämonen weidlich aus. Und die Ghoule erlebten ihre Hochblüte.“
„Es waren goldene Zeiten für die schleimigen Leichenfresser“, stimmte Olivaro zu. „Vielleicht sollte ich einmal die Menschheitsgeschichte von meiner Warte aus niederschreiben.“
„Das wäre allerdings interessant, mein Lieber“, sagte Coco wütend. „Wieviele Menschen hast du ins Unglück gerissen, Olivaro? Du hast sie beeinflußt, bist unter diversen Masken aufgetreten und hast ein stinkendes Süppchen gekocht!“
„Wir wollen nicht alte Wunden aufreißen“, warf Dorian beruhigend ein.
„Warum nicht?“ fragte Olivaro belustigt. „Coco spricht die Wahrheit. In der Vergangenheit waren wir erbitterte Feinde, mein Freund. In den Augen der Menschheit war ich ein Schurke, eine Bestie, die den Tod verdient hatte. Doch nach den Gesetzen der Schwarzen Familie war ich ein würdiger Dämon, dessen Bosheit und Schlechtigkeit man rühmte.“
„Was war deine Aufgabe beim Prager Fenstersturz, Olivaro?“ fragte Coco, die sich immer noch nicht beruhigt hatte.
„Damit hatte ich nur indirekt zu tun“, antwortete der Januskopf ausweichend.
„Ha!“ brummte Coco verächtlich. „Ich weiß, daß sich unter den böhmischen Adeligen einige Dämonen versteckten, die in den Hradschin eindrangen und die von Ferdinand eingesetzten Statthalter samt ihrem Sekretär aus einem Fenster warfen.“
„Das war am 23. Mai 1618. Die drei hatten Glück im Unglück, denn sie landeten auf einem Misthaufen und blieben am Leben. Dieser Sturz war der auslösende Faktor für den Dreißigjährigen Krieg. Ich war nicht dabei, Coco.“
„Welche Seite hast du unterstützt, Olivaro? Die Protestanten oder die Katholiken?“
Olivaro schien sich über Cocos Ärger zu amüsieren.
„Ich wechselte häufig die Seiten“, schürte er das Feuer.
„Das habe ich mir gedacht“, höhnte Coco. „Das entspricht ganz deiner Natur.“
Olivaro ignorierte diese Bemerkung. „Meine Liebe, du hast noch eine dritte Gruppe vergessen. Es gab viele Anhänger, die an die Macht des Übersinnlichen und Unerklärlichen glaubten. Tausende fanden Zuflucht im Okkultismus und gaben sich der Schwarzen Magie hin. Die Bewohner Deutschlands glaubten an Hexen, und viele beteten den Teufel an.“
„Dahinter steckte die Schwarze Familie“, sagte die noch immer zornige Coco.
„Nicht ausschließlich. Ein wenig wurde diese Bewegung schon von ihr gesteuert.“
Die ehemalige Hexe der Schwarzen Familie schwieg. Sie wußte, daß Olivaro recht hatte. Nicht alles konnte man auf die Dämonen schieben.
„Genug der Diskussion“, sagte Dorian.
„Mit Coco habe ich schon immer gerne gestritten“, meinte Olivaro lächelnd. „Doch das verschieben wir auf später. Wir wollen deine Erinnerungen wecken, entspanne dich, Dorian.“
Gehorsam machte es sich der Dämonenkiller bequem.
„Dieses Büchlein hast du sicher irgendwann einmal gelesen, oder?“ fragte Olivaro und hielt die Reclam-Broschüre hoch.
Dorian nickte. „Natürlich.“
Es war der berühmte Roman „Lebensbeschreibung der Erzbetrügerin und Landstörzerin Courasche“ von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen.
Olivaro schlug das Buch auf, blätterte darin und suchte eine bestimmte Stelle.
„Das XI. Kapitel“, sagte er leise. „Nachdem Courage anfähet, sich fromm zu halten, wird sie wieder unversehens zu einer Wittib.“
Langsam las er weiter, nach ein paar Sätzen hob er den Kopf und blickte Dorian an. „Weckt das eine Erinnerung in dir?“
„Nein“, sagte Dorian kopfschüttelnd.
„Lies du weiter vor, Coco. Du blickst mir jetzt in die Augen, Dorian.“
Cocos Stimme war einschmeichelnd und wurde zu einem Singsang. Olivaros Augen flackerten, und ein gelber Schein ging von seinem Hinterkopf aus.
Der Dämonenkiller versank in einen tranceähnlichen Zustand.
„Mich selbst aber mundierte ich wieder wie vor diesem mit Pferd, Gewehr, Sattel und Zeug, und also staffiert kamen wir bei den Häusern Gleichen zu der Tillyschen Armee, allwo...“
„Gleichen“, flüsterte Dorian.
„Zwei Burgen südöstlich von Göttingen“, sagte Olivaro. „Erinnere dich, Dorian. Wie war dein Name? Erinnere dich!“
Der Dämonenkiller schloß die Augen.
„Gleichen“, sagte er tonlos. „Es waren drei Burgen. Sie lagen zwischen Arnstadt und Gotha. Die drei Hochburgen hießen: Wachsenburg, Mühlberg und Gleichen. Ich war dort. Undeutlich kann ich mich erinnern. Es war fürchterlich heiß. Ich saß auf einem Zigeunerwagen...“
„Konzentriere dich, Dorian“, sagte Olivaro drängend.
Wie war sein Name damals gewesen? Dorian öffnete die Augen einen Spalt. Die Luft schien vor seinen Augen zu flimmern, die Wesen waren verbrannt, der Himmel war tiefblau und wolkenlos. Nur das Knarren der Räder und das Schnauben der durstigen Pferde war zu hören. Ein paar Schwalben flogen über den Wagen hinweg.
Irgendjemand berührte seinen Arm.
„Gabor“, sagte eine sanfte Stimme.
„Gabor!“ rief Dorian überrascht aus. „So nannte mich Janko!“
Der Bann war gebrochen.
Er konnte sich wieder erinnern...
Hier schilderte nun Kurt Luif den Anfang vom 6. Leben des Dämonenkiller
"Die rote Hexe"
Dämonenkiller Nr. 150
von Neal Davenport
Dorian schwieg erschöpft. Immer, wenn er sich an eines seiner früheren Leben erinnerte, war er danach restlos groggy.
Dankbar griff er nach dem Glas, das ihm Coco reichte, die gespannt seiner Erzählung gelauscht hatte. Der Dämonenkiller trank das Gas auf einen Zug leer und steckte sich eine Zigarette an.
In der Bibliothek wurde es langsam heller. Coco stand auf und drehte das Licht ab."Warst du wirklich dieser Matthias Troger von Mummelsee?" fragte Coco neugierig.
Dorian blickte die Glut der Zigarette an. "Ich denke schon. Aber ich kann mich nicht genau erinnern. Wir bleiben damals ein paar Tage im Wald versteckt. Ich fing ein paar Kaninchen, und wir fanden Beeren und Wurzeln. Dann zogen wir weiter, den ganzen Herbst und Winter über. Wir kamen nach Paderborn, Detmold, Hameln und Minden. Als wir in Solingen eintrafen, war es bereits tiefster Winter. Das muß im Dezember 1626 gewesen sein."
"Zu dem damaligen Zeitpunkt konntest du dich noch nicht an deine früheren Leben erinnern?"
Mit diesen Zeilen endete leider das angefangene Dämonenkiller-Manuskript Nr. 150 von Kurt Luif alias Neal Davenport.
"Die Pestburg"
Dämonenkiller-Zweitausgabe Nr. 138
von Neal Davenport
Der Dämonenkiller war erschöpft, als er seine Erzählung beendet hatte. Seine Hände zitterten leicht, und es dauerte einige Minuten bis er sich beruhigt hatte.
„Libussa“, sagte er leise. „Ihr Tod war so sinnlos. Ihr schreckliches Ende quälte mich lange Zeit.“
„Was geschah nach der Hinrichtung?“ fragte Coco.
Dorian Hunter zündete sich eine Zigarette an, inhalierte tief.
„Die Bauern brachten mich zum Kräuterweiblein. Ich bekam wieder Fieber, doch sie pflegte mich gesund. Später bemühte ich mich, die Pferde und den Wagen zu bekommen, aber dabei hatte ich keinen Erfolg. Zur Abdeckung der Prozeßkosten war alles beschlagnahmt worden.“
„Wann endete die Schreckensherrschaft von Philipp Adolf von Ehrenberg?“
„Der Fürstbischof war ein Besessener, vielleicht wurde er sogar von der Schwarzen Familie beeinflußt.“
„Nein, das wurde er nicht“, schaltete sich Olivaro ins Gespräch ein. „Der verblendete Kirchenfürst regierte bis 1631. Im Bistum Würzburg wurden mehr als zwölfhundert Menschen als angebliche Hexen und Zauberer verbrannt.“
Dorian nickte zustimmend. „Nach anderen Quellen sollen es ,nur' neunhundert gewesen sein. Zum Ende seiner Herrschaft gingen dem Bischof aber dann doch die Augen auf, denn einige der unschuldigen Opfer beschuldigten ihn und seinen Kanzler selber Teufelsgenossen zu sein. Endlich setzte er die Hexenprozesse aus und stiftete ein wöchentliches feierliches Gedächtnis für die Hingerichteten bei den Augustinern.“
„Eine wahrhaft aufmerksame Geste“, höhnte Olivaro.
„Welche Rolle hast eigentlich du bei den Hexenverfolgungen gespielt, Olivaro?“ erkundigte sich Coco.
„Damit hatte ich nichts zu tun, meine Liebe. Dieses Geschäft besorgte ein anderer.“
„Und wer war es?“
„Das kannst du dir doch denken, Coco.“
Der Dämonenkiller blickte seine Gefährtin an, die nachdenklich die Stirn runzelte.
„Wenn ich ehrlich sein soll“, sagte Coco, „dann glaubte ich, daß du der Schreckliche in der Gestalt von Alfred von Wartstein warst.“
Olivaro schnaubte verächtlich. „In Teufelsgestalt bin ich nie aufgetreten, denn das habe ich immer für kindisch gehalten. Doch Asmodi liebte solche dämlichen Verkleidungen!“
„Der Schreckliche war tatsächlich Asmodi?“ staunte Dorian.
„Ja, das Oberhaupt der Schwarzen Familie war Alfred von Wartstein, doch er trat auch unter anderen Masken in Erscheinung. Asmodi war ein höchst rachsüchtiger Dämon, der sich gerne unter die Menschen mischte und sie ins Verderben trieb. Von seiner Warte aus gesehen, war Libussas Tod nicht sinnlos.“
„Das verstehe ich nicht, Olivaro.“
„Vor Libussa hatte Asmodi natürlich keine Angst, doch er fürchtete den schädlichen Einfluß, den sie auf dich ausübte.“
„Hm, demnach muß Asmodi damals schon gewußt haben, wer ich in Wirklichkeit war, obzwar ich mich noch nicht an meine früheren Leben erinnern konnte.“
„Du hast richtig vermutet, Dorian. Wie er das geschafft hat, das weiß ich nicht. Zum damaligen Zeitpunkt war mein Verhältnis zu Asmodi ziemlich gespannt, da ich einige seiner Entscheidungen heftig verurteilte. Wir krachten oft gegeneinander, und da flogen die Fetzen.“
„Gib uns ein Beispiel“, bat Coco.
„Die Ghoule waren zu einer wahren Plage geworden. Burg Kreuzenstein war nicht die einzige Pestburg in Deutschland. Ich tötete die Leichenfresser und brannte die Burgen nieder. Asmodi schäumte vor Wut.“
„Das kann ich mir denken. Du hast also auch Hunold Gufovt erledigt?'
„Ja, das war im Dezember 1626.“
Zufrieden lächelnd lehnte sich der Dämonenkiller zurück.
„Bald schon wirst du dich an weitere Erlebnisse aus deinem sechsten Leben erinnern, Dorian.“
„Hoffentlich hören endlich diese entsetzlichen Alpträume auf.“
„Sie werden dich nicht mehr belästigen, das kann ich dir garantieren.“
„Gott sei Dank!“ sagte Dorian erleichtert.
Und so war das Ende von Dämonenkiller-Zweitausgabe Nr. 138 "Die Pestburg".
Kommentare
Dass das alles 9 Jahre später Serienkanon weichen musste, ist bedauerlich. Fast schon ein Wunder, dass er den Grimmelshausen reinschmuggeln konnte.
Es ist ja mittlerweile kein Geheimnis, dass ich Vlceks Arbeit zur Zeit der Indizierung äußerst kritisch gegenüberstehe. Wie er so ein pralles Thema wie den Dreißigjährigen Krieg so lustlos in den Sand setzen konnte, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Da ist es auch kein Trost, dass Appels spätere Version noch schlimmer ist.
Was das Gleichgewicht Vergangenheit/Gegenwartshandlung angeht, war mit dem letzten da Mosto-Roman deutlich die Luft raus. Gerade das Element hat bei mir als junger Leser viel Interesse für Geschichte geweckt und angeregt, sich auch mal über das Heft hinaus damit zu beschäftigen. Bestimmt war ich da nicht der Einzige. Dass die Konflikte mit dem Jugendschutz vor allem diesen Aspekt so abgewürgt haben, ärgert mich heute mehr als die andere Selbstzensur, die das zur Folge hatte.