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Amazing Pulps – Pulp Treasures 17 - Strange Tales - Weird Tales-Konkurrenz

Amazing PulpsPulp Treasures 17
Strange Tales
Weird-Tales-Konkurrenz

In dieser Reihe berichte ich über interessante Funde in diversen alten Pulp-Magazinen - Story-Heften, die zwischen 1895 und 1960 in Amerika zu Tausenden auf den Markt kamen. In ihnen entdeckt man immer wieder kleine Schätze, aber auch Bizarres, Trash von großen Autoren oder Geniales von unbekannten Schriftstellern...

Weird Tales1.
Wer an das erste goldene Zeitalter der Horror- und Dark-Fantasy-Literatur denkt, wird damit unweigerlich die Zwanziger und Dreißiger Jahre und das Magazin Weird Tales assoziieren. Es überlebte gloriose drei Jahrzehnte  - nach zwei qualvollen Gründerjahren 1923/24 erschien es bis zum Ende der Pulp-Ära 1954. Heute gibt es vereinzelte Kritiker, die an den frühen und späten Jahren herummäkeln, doch alle sind sich einig, dass diese Zeitschrift in Qualität, Intensität und Originalität in Sachen dunkler, gruseliger Geschichten unerreicht bleibt – bis heute.
Aber ist das wirklich so? Gab es keinerlei zeitgenössichen Versuche, diesem berühmten Blatt Konkurrenz zu machen?

Nur wenige solcher Versuche wurden überhaupt gestartet – und die wenigen verliefen dann nicht grade erfolgreich. Doch zwei kurzlebige Zeitschriften seien herausgehoben, die sicher zu ähnlichem Ruhm aufgestiegen wären, hätten sie die Gründerjahre überlebt.

Zunächst scheint es sehr merkwürdig, dass sich Weird Tales als „Unique Magazine“ bereichnen konnte und selbst die Gegner dem nicht wiedersprechen konnten. Es war einzigartig. Vergleicht man etwa die zeitgleiche Entwicklung der Science-Fiction-Magazine in Amerika, dann erlebt man einen Boom von Magazin-Titeln, die sich zwar auch Konkurenz machten, doch sich nicht existenziell bedrohten. Anscheinend war der Markt für die vier Riesen – Amazing Stories, Astounding Stories, Planet Stories und Wonder Stories - groß genug.

Und da sind wir bei einem großen Problem der Genre - Ausrichtung Horror/Dark Fantasy – dieses Spezialgebiet war anscheinend zu klein, um mehr als eine Zeitschrift ökonomisch möglich zu machen. Zumindest die Sorte Horror und Fantasy, die in Weird Tales gepflegt wurde, hatte zu wenig Anhänger, als daß sich neue Magazine gelohnt hätten.

Weird Tales hatte zwar ein breites Spektrum an Schauerliteratur, machte aber bei den Autoren zwei grundsätzliche Dinge zur Bedingung: es mußten wirkliche supernatürliche/ übernatürliche Dinge passieren, und die Verfasser sollten sich bemühen, den Lesern wirklich Angst einzujagen – je mehr, je besser. Eher nicht gewünscht waren Aspekte wie Ekel, Verstümmelungen, sexuelle Gewalt oder Stories, in denen sich das Übernatürliche am Ende als Streich herausstellt. Ob die Geschichten makaber oder gut ausgingen, blieb den Autoren überlassen. Humor spielte nach dem schrecklichen Fiasko von Giesys „The Wicked Flea“ (1925/10) keine Rolle mehr im Blatt, die Leserschaft stellte sich als vollständig humorlos heraus, und nach dem Flea-Shitstorm unternahm Herausgeber Wright kaum noch Versuche, schwarzen Humor unterzubringen.

Natürlich findet man von diesen Regeln auch Ausnahmen. Hin und wieder experimentierte Weird Tales auch mit Gore, dem Torture-Porn, der nicht übernatürlichen Fake-Geschichte und Suspense-Stories über Serienmöder. Doch das eher als Würze zwischen anderen Geschichten.

Die Liebhaber dieser speziellen Sorte düsterer mehr unheimlicher als gewaltttätiger Literatur (sieht man mal von den sonderbar blutrünstigen Fantasy-Geschichten von Howard ab) waren anscheinend eher intellektuell und in der Minderzahl. Denn es zeigte sich, dass Gruselmagazingründungen, die vom Weird-Tales-Schema stark abwichen, durchaus Erfolg hatten – sogar mehr als das Original.

Ghost Stories2.
Da wäre zunächst die sonderbare Zeitschrift GHOST STORIES. Sie ist der unmittelbare Vorläufer des Frauengrusels. Das Magazin wurde 1926 gegründet und gehörte zum mächtigen Bernarr- Macfadden-Konzern. Puristische Magazin-Forscher zählen die Blätter nicht zu den Pulps, sondern zur Regenbogenpresse / Yellow Press. Macfadden war auf Bekenntnis-Hefte spezialisiert, in denen angeblich authentische Menschen – meist Frauen – über echte Erlebnisse berichteten. GHOST STORIES war auch nach diesem Strickmuster gemacht – Leute berichteten über ihre unheimlichen Begegnungen mit Geistern. Natürlich steckten hinter den Geschichten „Ghost-Writer“ (im wahrsten Sinne!) -. allerdings hatte sich der Konzern eine hübsche Masche überlegt, um die Autoren trotzdem zu nennen – denn es schreiben dort auch Koryphäen wie Agatha Christie, Carl Jacobi und Robert E. Howard. Man tat so, als wenn diese Autoren die echten Geschichten für die Leser aufpolierten, quasi Leserbriefe hochfrisierten. So hieß es meist: „John Kelly's Christmas Ghost, by Antoniette Gregory, as related by a. Goewey.“ Die Zeitschrift enthielt Fotomontagen und Stummfilm-Szenen, die heute ziemlich lächerlich wirken. Das Blatt bringt kaum wirklich gruseliges Material, konnte sich aber erfolgreich bis in die frühen 30er halten. Genau in dem Moment, wo es beschloß, die albernen Attitüden aufzugeben und richtige Stories zu bringen, machte die Weltwirtschaftskrise dem Ganzen den Garaus. Die letzten Ausgaben von 1931 sind lesenswert, wenn auch nicht herausragend, sieht man von Eizelbeiträgen wie H. Thompson Richs „The House of the Fog“ in der Junisausgabe ab.

Terror Tales1930 begann auch der Siegeszug der Popular-Publication-Horror-Magazine wie „TERROR TALES“ - über diese Blätter habe ich schon ausführlich berichtet. Sie konzentrierten sich fast ausschließlich auf blutrünstigen Thriller- und Gore-Horror ohne übernatürliche Komponente (meist wird das Unheimliche am Ende als perfider Trick enttarnt) und waren sehr erfolgreich.

Strange StoriesEbenfalls erfolgreich waren Magazine, die den Umstand ausnutzten, dass Weird Tales so humorlos war und viel Screwball-Material im Stil von Thorne Smith und G.P. Wodehouse brachten. Während John W. Campbells Magazin „UNKNOWN“ genau das tat und dabei zusätzlich eine feindselige Haltung gegenüber „Weird Tales“ einnahm und gegen diese Sorte Literatur polemisierte (Asimov pries Sturgeon als Ersatz für Lovecroft, naja, decken wir den Mantel des Schweigens über diese Peinlichkeit) , entschloß sich Raymond Palmers in seiner Version von „Fantastik für die ganze Familie“, „FANTASTIC ADVENTURES“, Humor, Horror, High-Fantasy und SF bunt zu mischen und auch hin und wieder WT-Typisches Material zu bringen – auch WT-Autoren wie Kuttner, Derleth, Bloch und Bradbury schrieben zuweilen für ihn. Das Blatt überlebte mit einigen Reformen als „Fantastic“ bis in die frühen Achtziger.

Strange Tales3.
Der erste ernstzunehmende Versuch, Weird Tales Konkurrenz mit einem Blatt im selben Stil zu machen, kam von Clayton-Verlag, dem damals auch Astounding Stories gehörte, lange bevor Campbell es in die Finger bekam. Redakteur war Harry Bates. Bates sollte später berühmt für seine Erzählung „Farewell to the Master“ (1940) werden, Vorlage für den SF-Filmklassiker „Der Tag, an dem die Erde stillstand“. Weiteren Ruhm – wenn auch viel später – brachte ihm die Herausgeberschaft des Weird-Tales-Konkurrenz-Unternehmens „STRANGE TALES OF MYSTERY AND TERROR“ ein.

Diese Zeitschrift erschien in unregelmäßigen Abständen von 1931-33 und kam nur auf sieben Hefte. Alle sieben sind heute Horror-Kult und wurden auch nachgedruckt. Bates spezialisierte sich darauf, Material zu veröffentlichen, das WT-Herausgeber Farnsworth Wright abgelehnt hatte. Wright war damals ein sehr penibler, oft ungerechter Redakteur, der besonders schräges Material borniert zurückbeförderte. Bates gelang es, aus den abgelehnten Texten eine Magazin-Qualität zu etablieren, die die von Weird Tales noch übertraf. Fast das gesamte Material der sieben Hefte ging in Athologien ein. Bates druckte so ziemlich jeden großen Horrror-Autor jener Ära:  Lovecraft (hier als Ghost-Autor von Whitehead in dem Spiegel-Welt-Klassiker „The Trap“), Clark Ashton Smith („The Hunters from Beyond“), Hugh B. Cave („Murgunstrumm“), August Derleth („The Thing that Walked in the Wind“) außerdem Edmund Hamilton, Frank Belknap Long, Robert E. Howard und Jack Williamson.

Bates bevorzugte einen etwas flotteren, temporeicheren Erzählstil als Wright, deswegen mochte er Lovercraft nicht besonders. Davon abgesehen, sind diese Hefte einfach perfekt – und es ist tragisch, dass der gesamte Clayton-Konzern 1933 pleite ging in den Strudeln der Wirtschaftskrise, sonst hätte das Magazin eine interessante Alternative zu Weird Tales werden können. Für Wright war diese Erfahrung so schockierend wie heilsam, man spürt den toleranteren Umgang mit Manuskripten ab 1932/33.

1939 gab Wright die Redaktion von Weird Tales auf, und das Blatt wurde an ein New Yorker Unternehmen verkauft. Die neue Chefredakteurin Dororthy McIllwraith stellte die Richtlinien etwas um, sie war weder ein großer Fan des Lovecraft-Kreises noch der Dark Fantasy a la R. E. Howard.

Strange StoriesMann sollte ihre Entscheidungen mal an anderer Stelle diskutieren – ich finde, sie machte insgesamt einen sehr guten Job und verabschiedete sich von diesen Themen, weil sie spürte, dass nach dem Tod von Lovecraft und Howard die Glanzzeit des Cthulhu-Mythos und der Dark Fantasy erstmal vorbei war. Doch ein neues Magazin sprang in die Bresche: STRANGE STORIES. Um es gleich vorwegzunehmen: Auch dieses Magazin überlebte nur 13 Ausgaben. Die Qualität der Hefte ist unterschiedlich – aber gerade die ersten von 1939 gehören zu meinen Lieblings-Horror-Heften. Auch hier saß ein Star auf dem Chefsessel: Mort Weisinger. Er ist heute vor allem in der Comic-Szene ein großer Name. Strange Stories war seine letzte Pulp-Redaktionsarbeit, bevor er begann, Superman und Batman zu dem zu machen, was sie wurden.

Weisinger versuchte zwei junge Talente zu animieren, den Cthulhy-Mythos und die Howardsche Fantasy wieder aufleben zu lassen: Henry Kuttner und Robert Bloch. Das Ergebnis ist so bewunderungswürdig wie angsteinflößend. Die sechs Ausgaben von 1939 sind Horrorlitetatur vom Feinsten. Fast nichts davon ist angestaubt. Bloch schreibt „The Curse of The House“ (eine Geschichte, in der es nicht im Haus, sondern das Haus selbst spukt) , „A Question of Identity“, die wohl erste Story, in der ein Vampir in der Ich-Perspektive erzählt (erinnert ein bißchen an Hugh Walker), Henry Kuttner schreibt seine Dunkle-Pan-Fantasy „Cursed Be the City“ und einige der besten Lovecraft-Imitationen überhaupt: The Invaders, The Frog, The Bells of Horror.

Ralph Milne Farley kreiert seine wohl düsterste Horrorgeschichte: „The Bottomless Pool“ , Frank Belknap Long bringt das schaurige „The Creeper in the Darkness.“

Strange StoriesAußerdem gibt’s gute Beiträge von August Derleth, Catherine L. Moore, Otis Adalbert Kline, David H. Keller und Carl Jacobi.

Die Ausgaben ab 1940 lassen nach in der Qualität – bringen aber weiter schöne Cthulhy-Mythos-Beiträge wie Derleth & Shorer's „The Evil One“.

1941 wurde das Magazin eingestellt – und Weird Tales war wieder konkurrenzlos. Auf lange Sicht eben doch das „Unique Magazine.“

Die Ausgaben von „Strange Stories“ sind sehr rar (allerdings auch nicht allzu teuer, wenn sie in Amerika bei ebay auftauchen) – Radioarchives.com hat gerade angekündigt, sie als ebook herauszubringen. Ihre Ankündigung im ersten Newsletter 2018/8:

„Strange Stories now returns with these vintage pulp tales, reissued for today’s readers in electronic format.“

Hoffen wir mal, dass sie durchhalten. Oft halten sie nicht durch. Heft zwei jedenfalls ist bereits erschienen.

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Kommentare  

#1 mammut 2019-08-20 09:16
The Bottomlees Pool ist wohl zusammen mit Robert Bloch verfasst worden und noch nicht auf Deutsch erschienen:
www.isfdb.org/cgi-bin/title.cgi?560041
#2 Matzekaether 2019-08-26 22:49
das ist richtig. ich hab mal angefangen, das zu übersetzen, dann aber wieder weggelegt, weil die Rechtefrage nicht geklärt ist, mit den Bloch-Erben ist nicht zu spaßen...Aber es könnte tatsächlich in der public domain sein.

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