Im September 2018 wurde die legendäre Dämonenkiller - Serie im Bastei - Verlag unter dem Namen Dorian Hunter neu gestartet. Die ersten 50 Bände sind erschienen und ein Ende ist nicht in Sicht. In dieser Artikelserie werfe ich einen kritischen Blick auf die alten Romane im neuen Gewand und begleite den “Dämonenkiller” auf seinem Weg in jene Gefilde, die bislang nur in Buchform erreicht wurden…
Dorian Hunter Band 72
von Neal Davenport
(EV: DK 71 / 30.12.75)
Als der Puppenmann Don Chapman während eines Auftrags spurlos verschwindet, vermutet Hunter, dass Hekate dahintersteckt. Die Frage kommt auf, wann und aus welchem Grund sie ihn hassen gelernt hat, und so erinnert er sich an sein früheres Leben als Michele da Mosto, das er nach dem Tod Georg Speyers führte. Alraune gelingt es, ihn ausfindig machen, und als er sich im Alter von sechzehn Jahren in Lebensgefahr befindet, offenbart sie sich ihm. Mephisto nämlich sinnt nach wie vor auf Rache und hat sie bereits in die Wege geleitet, indem er dafür sorgte, dass Micheles Bruder zu einem Werwolf wurde.
Alraune, die sich unter dem Namen Selva in die Dienste der Familie begeben hat, warnt Michele vor seinem Bruder, macht sich jedoch bei ihrem Versuch, ihn zu schützen verdächtig und wird als Hexe verurteilt und eingesperrt. Sie bittet Michele, der sich noch nicht an sein früheres Leben erinnert und hin und hergerissen ist, zwischen den Gefühlen für sie und Misstrauen, ihr ein Elixier zu bringen, mit dem sie, wie sich später herausstellt, überleben kann, ohne die Lebensenergie von Menschen zu benötigen. Doch der Plan geht schief, Alraune muss fliehen und kann Michele im letzten Moment vor seinem Bruder retten, den sie tötet. Da Mosto weiß nicht mehr, was er glauben soll, hält Alraune inzwischen selbst für eine Hexe und vermutet sogar, dass seine Erinnerungen an sein früheres Leben nur von ihr eingepflanzt wurden.
So lässt er es zu, dass sie auf eine Insel gebracht wird, auf der sich eine Irrenanstalt befindet. Doch die Ausstrahlung der Inhaftierten kann Alraune noch nichts anhaben, sie kann fliehen und schwört Michele wegen seine Verrats Rache. Als dieser sich seines Irrtums bewusst wird, ist es zu spät. In der Gegenwart findet Hunter Hinweise auf einen Schlangenkult und ein “blaues Kindlein”, bei dem es sich um einen neugeborenen Dämon zu handeln scheint, doch Chapman und eine noch unbekannte Zwergenfrau, die sich bei ihm befindet, bleiben verschwunden. Immerhin gibt es Hinweise und Spuren, die nach Kreta führen, also beschließt Hunter, umgehend dorthin aufzubrechen.
Nach einer längeren Durststrecke mit vielen überwiegend doch eher mittelmäßigen Einzelromanen liefert Davenport hier endlich wieder einen “richtigen” Dämonenkiller ab, nach dessen Lektüre man wieder weiß, warum man diese Serie überhaupt verfolgt.
Auch in diesem Roman kann die Vergangenheitsebene wieder in einem Maße überzeugen, dass man darüber die Gegenwartshandlung beinahe vergisst, obwohl es auch dort nicht an Spannung mangelt. Wie schon in den vorigen Bänden, die sich mit der Entwicklung des noch neutralen Pflanzenwesens Alraune hin zur Dämonin Hekate befassten, ist es auch hier wieder eben jene Entwicklung, welche eine ganz eigene Spannung erzeugt, da sich der Leser natürlich fragt, wann und wie es zu dem entscheidenden Schritt kommen mag. Die Figur Hekate darf wohl als eine der interessantesten der Serie bezeichnet werden, vor allem weil ihr Werdegang glaubwürdig und durchdacht geschildert wird.
Natürlich könnte man jetzt bekritteln, dass dieser letzte noch fehlende Schritt hin zum Bösen etwas konstruiert wirkt, da er letztlich nur von der mangelnden Fähigkeit da Mostos, seine Erinnerungen als echt anzuerkennen abhängt, was Alraune / Hekate eigentlich hätte bedenken und somit sein Misstrauen nachvollziehen können, andererseits ist eine solche tragische Wendung natürlich interessanter, als es eine unfreiwillige, etwa durch den Einfluss Mephistos herbeigeführte Entwicklung zum Bösen hätte sein können.
Abgerundet wird das Ganze noch mit einer erneuten Beschwörung des Dr. Faustus, welche man angesichts der beachtlichen Handlungsfülle dieses Romans auch hätte weglassen können, zumal außer ein paar kryptischen, orakelhaften Äußerungen nicht viel dabei herumkommt.
Davon aber abgesehen gibt es bei diesem erstklassigen Roman nicht viel zu meckern. Etwas seltsam mutet nur an, dass Coco den Dämonenkiller nicht nach Kreta begleiten will, weil er dort mit Hekate “herumturteln” könnte. Eine doch etwas seltsame Begründung, vor allem, wenn man bedenkt, wie sehr ihr das Schicksal des Puppenmannes am Herzen liegt, um den es bei dieser Reise ja letzten Endes auch geht.