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Die Vampire und Dirk - Der Vampir-Horror Roman: Die Braut des Hexenmeisters

Dirk und die VampireDer Vampir-Horror-Roman
Die Braut des Hexenmeisters

Der Vampir-Horror-Roman ist eine Legende des Heftromans. Ich bin leider erst nach Einstellung der Reihe auf die Serie gestoßen und habe in den achtziger Jahren jede Menge davon gelesen.

Dreißig Jahre später wiederhole ich das Experiment Vampir-Horror-Roman lesen nochmals. Ob es immer noch gefällt?

Die Braut des HexenmeistersDie Braut des Hexenmeisters
von
John Willow (Bodo Baumann)
Vampir Horror-Roman Nr. 91
November 1974 / DM 1,20

Pabel Verlag
Manon Regnards Kopfschmerzen werden immer heftiger. Vielleicht liegt es am Gewitter, das über Paris hinwegfegt. In der Rue de Fragonard Nr.7 hält das Taxi vor einer alten Villa mit Türmchen und großen Garten drumherum. Was sie hier soll ist ihr nicht mehr ganz klar. Als in der Nähe ein heftiger Blitz einschlägt, befindet sie sich plötzlich in einer anderen Zeit. Aus dem Fahrer ist ein Henkersknecht mit Jakobinermütze geworden und das Taxi hat sich in einen blutigen Holzkarren verwandelt. Ein wütender Mob umringt die Szene. Im Haus wird sie von einem weinenden Mädchen empfangen, das seltsam alte Sachen trägt und unwirklich blass erscheint. Etwas schreckliches ist passiert. Im Turmzimmer sitzt ihr Freund, zumindest sieht er so aus, Jean Dougnac, und macht ihr Vorwürfe. Jetzt wissen seine Häscher, dass sie mit ihm zusammen ist. Was redet er da? Als sie ihn küsst, löst sich sein Kopf vom Hals und landet zwischen ihren Füssen. Schreiend sucht sie das Weite, stolpert über das blasse Mädchen und wird ohnmächtig.

Als sie aufwacht, ist sie wieder in ihrer Zeit. Der Taxifahrer und eine alte Dame, Madame Robin,  die Besitzerin der Villa, kümmern sich um das verwirrte Mädchen. Als der Fahrer gegangen ist, berichtet Manon von ihrem Tagtraum und Madame wird hellhörig als sie den Namen Dougnac erwähnt. Sie hält Manon für das Medium, auf das sie so lange gewartet hat. Der Meister, Alain Monod, wird sich freuen. Dann erzählt sie von Jean Dougnac, ein Freund von Robespierre, der wegen einer Adeligen vor hundertachtzig Jahren seinen Kopf verloren hat. Sie gibt Manon den Job als Sekretärin, auf den sich diese bei ihr beworben  hat. Später wird noch eine Seance stattfinden, wo auch der Meister zugegen sein wird. Manons Welt steht Kopf.

Der Meister wohnt in einem umgebauten Turm der alten Festungsanlage Mont Valerien, unweit von Paris. Manon staunt über die moderne Einrichtung und wird von einem Stammgast aufgeklärt. Im Laufe des Abends können etwa fünfzig Gäste der gehobenen Gesellschaft an einer Seance teilnehmen oder sich nur vergnügen. Es bleibt ihnen offen, ob sie sich bis zum obersten Turmsaal hocharbeiten, wobei sie einige visuelle Schrecknisse durchstehen müssen - oder nur einen netten Abend in der „Hölle“, dem Bar-Bereich des Turms, verbringen möchten. Der Meister lebt nicht schlecht von dieser neuen Art der Belustigung. Die Stammgäste, etwa die Hälfte der Anwesenden, möchten natürlich alle in die obere Etage zur Geisterbeschwörung.

Manon ist schließlich „Oben“ und sitzt an einem runden Tisch unweit des Meisters. Sie merkt, wie er sie beobachtet und spürt seine magische Ausstrahlung. Dann wird sie von einer Stimme, die ihren Namen ruft, ins Jahr 1572 entführt. Ein Mann mit Spitzbart, Jean Dougnac der Ältere, materialisiert sich vor ihr und stellt sich als ein Ahnherr ihres Freundes Jean vor. Er wird heute, in der Bartholomäus-Nacht, seinen Kopf verlieren, weil er einem Hexenjäger Paroli geboten hat. Dougnac war der ehemalige Burgvogt der Familie Vermandois, der sich in die Tochter des Grafen verliebte. Ebenso hatte ein vorübergehend einquartierter Hexenjäger ein Auge auf die Schönheit geworfen. Sollte sie seine Liebe verschmähen, würde er sie als Hexe anklagen. Nun, sie hat seine Liebe verschmäht. Dougnac brachte die junge Frau in Sicherheit. Als der Graf von einer Reise zurückkam, spann der Inquisitor eine Intrige. In der Bartholomäus-Nacht kamen sie den Vogt holen und köpften ihn mit einem Beil. Dieser Vorgang wiederholt sich seit dieser Nacht jeden Monat bei Vollmond, bis ein Nachkomme der Grafentochter und ein Verwandter Dougnac´s sich in Liebe finden werden. Der Vogt verwünschte daraufhin den Hexenjäger zur Ruhelosigkeit bis ans Ende der Zeit oder bis ein Dougnac kommt, um ihn zu töten. Dann erwacht Manon aus ihrer Trance.

Scheinbar hat nur sie den alten Geist Dougnac´s erlebt, denn selbst der Meister hatte eine andere Erscheinung. Er ist sauer auf sein altes Medium Yvette, die als Jobvermittlerin eine kleine Agentur betreibt und so dem Meister immer wieder junge Mädchen zukommen lässt. Er vermutet, dass Manon eine Nachfahrin  der Vermandois ist, für die vor Jahrhunderten der geköpfte Vogt arbeitete. Zumindest trägt sie ein Medaillon mit ihren Wappen um den Hals. Er muss unbedingt ein Zusammentreffen zwischen ihr und einem Nachfahren der Dougnacs verhindern. Vielleicht ist es auch schon zu spät, denn am Nachmittag hatte sie einen Brief an einen Jean D. zur Post gebracht. Monods setzt seine Helfer auf diesen Jean an.

Jean Dougnac nimmt sich Arbeit mit nach Hause. Er studiert Medizin und soll den Gehörgang einer Leiche herausoperieren. Den passenden Kopf, oder besser die Reste davon, findet er in der Kühlkammer der Universität. Als er gegen Mitternacht eine Abkürzung zu seiner Bude im Quartier Latin über den Friedhof nimmt, spricht ihn eine zerlumpte Alte, die auf einem Grabstein kauert, an. Sie möchte ihren Kopf wieder haben, den Jean in einer Plastiktüte bei sich trägt, und bietet ihren Körper zwecks Liebesspiel an. Der junge Mann ist angewidert, aber als sie die müffeligen Lumpen fallen lässt staunt Jean nicht schlecht. Die Alte hat einen perfekten Körper. Sie wird immer aufdringlicher und Jean flüchtet, ohne wirklich Abstand zu gewinnen. Er fällt  in einen Abwasserkanal und wird von Sand verschüttet. Ein Arbeiter findet ihn schließlich und holt Hilfe.

Monods, der Meister, ist ein alter Vampir-Dämon der schon ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel hat. Er ist auch der Hexenjäger auf dem der Fluch der Ruhelosigkeit lastet. Welch Ironie, da er ja eh nicht sterben kann, außer es kommt ein Dougnac... Das Blut junger Mädchen hält ihn am Leben. Seine eifrigen Helferinnen und ehemaligen Gespielinnen, wie Madame Robin oder Yvette, stärken ihm dabei den Rücken. Heute Nacht begehrt er das Blut Manon`s und gibt Odile Robin den Auftrag, das Fenster heimlich zu öffnen. Er möchte mit der Nachfahrin der Vermandois eine blutige Hochzeit abhalten, um den Fluch zu brechen der seine Existenz gefährdet.  Auch die „Kiste“ soll sie bereitstellen, in der normalerweise seine blutleeren Opfer verstaut werden. Leider wird nichts aus seinem Plan, denn auf dem Medaillon, welches Manon um den Hals trägt, ist ein Pentagramm eingraviert. Der Vampir flüchtet und die Kiste bleibt leer. Odile Robin ist froh darüber, sie mag Manon irgendwie.

Etwas angeschlagen und mit gebrochenen Rippen wacht Jean in einer Klinik wieder auf. Eine Schwester gibt ihm eine Spritze und erzählt, seltsamerweise, dass seine Freundin in Paris ist. Woher kennt sie Manon? Etwas später soll er in ein anderes Krankenhaus verlegt werden. Er türmt aus dem bereits fahrenden Krankenwagen, um die Schwester nach Manons Pariser Adresse zu fragen und entgeht so einem tödlichen Unfall. Das war heute schon der zweite Anschlag auf sein Leben. So langsam glaubt er an einen Fluch. Sein Großvater und sein Vater sind ebenfalls sehr jung gestorben. In seiner Familie gibt es ein Motto: Zeuge schnell ein Kind, bevor du den Löffel abgibst (oder so).

Manon erwacht spät am Morgen in ihrem Zimmer bei Madame Robin und bemerkt im Spiegel ein blutiges Mal an ihrer Halsschlagader. War es doch kein Traum, dass der Meister in Form einer riesigen Fledermaus in der Nacht zu ihr kam und ihr Blut trank? Am Abend ist sie zu einer weiteren „Sitzung“ eingeladen, sie möchte aber lieber Kontakt zu Jean aufnehmen.

Im Turmzimmer ist alles bereit für die Geisterbeschwörung. Außer dem Meister, Madame Robin und Yvette, kennt Manon niemanden. Sie hofft erneut, auf den Geist von Jean Dougnac d.Ä. zu treffen, aber man hat ihr heimlich das Medaillon abgenommen. Jetzt ist sie anfällig für die Manipulationen des Meisters. Per Gedankenübertragung erklärt er sie zu seinem Geschöpf. Manon ist seltsam euphorisch und kann sich nicht dagegen wehren. Scheinbar ist auch etwas im Wein. Die spiritistische Sitzung wird, dank des neuen Mediums, ein grandioser Erfolg von dem die Pariser Gesellschaft noch lange spricht. In der  Nacht besucht der Vampir erneut sein Opfer, aber saugt es nicht leer. Er möchte sie als Medium und Dienerin noch etwas behalten. Selbstverliebt kreist er über Paris.

Der Hexenmeister hat nicht mit der Rache einer Frau gerechnet. Die Gegenseite (Dougnac der Ältere)  hat in Yvette ein dankbares Opfer und verstärkt ihre Eifersucht. Einst war sie die Geliebte des Meisters und sein erstes Medium, jetzt hat er nur noch Augen für Manon und den anderen jungen Dingern vor ihr. Sie sucht in der Nacht Jean auf und erzählt ihm alles. Wenn er seine Freundin retten möchte, muss er Monod in seiner Dämonen-Gestalt mit geweihten Silberkugeln töten. Dann gibt sie ihm noch ein paar Beweise für Monods Missetaten.

Jean geht zur Polizei und erzählt seine Geschichte. Natürlich hält man ihn für einen Spinner, jedoch hat er Kenntnisse über drei verschwundene junge Frauen, die von Yvette an Madame Robin als Sekretärin mit Kost und Logis vermittelt wurden. Als die Beamten Yvette aufsuchen, wurde diese bereits von Monod bestraft und getötet. Der zuständige Arzt stellt fest, dass die Leiche völlig blutleer ist. So langsam glaubt auch Inspektor Jolliet an einen Blutsauger, holt Jean Dougnac aus seiner Zelle und lässt sogar, nach Yvettes Anweisung, Silberkugeln gießen.

Der Hexenmeister ruft seine treue Gemeinde zusammen um seine Hochzeit mit Manon zu verkünden, als plötzlich die Polizei vor der Tür steht. Jolliet durchsucht, mit Monod im Schlepptau, mit seinen Leuten den Turm und die Kasematten darunter. Im ehemaligen Leichenkeller entdeckt man schließlich die vergrabenen Überreste der drei vermissten Frauen. Bevor Monod etwas machen kann, malt Jean ein Pentagramm um den Hexenmeister und macht ihn so dingfest.

Nach ein paar Tagen entkommt Monod aus seiner Zelle. Damit haben Jean Dougnac und Inspektor Jolliet bereits gerechnet - hofften sogar darauf. Als der Vampir bei Manon auftaucht um sich an ihr zu rächen - sie hat ein ausgiebiges Geständnis abgelegt -  verpasst ihm Jolliet ein paar Kugeln aus Silber. Angeschlagen krallt sich Monod die entrückte und halbtote Manon und versucht mit ihr aus der Villa zu fliehen. Allerdings sind die Türen und Fenster mit Pentagrammen gesichert, so dass ihm nur die Flucht durch eine versteckte Tapetentür in die Dachkammer bleibt.
Dort wartet bereits Jean`s Ahnherr, um ihm bei der Vernichtung des Vampir/Hexenmeisters beizustehen. Die brennenden Holzscheite im Kamin sind zu einem Pentagramm gelegt und in ihrer Mitte befindet sich ein glühender Holzpfahl. Mit vereinten Kräften stoßen die Dougnacs zu und erledigen den verhassten Dämon, der mit lautem Donner und viel Getöse zur Hölle fährt.

Am anderen Morgen erfährt Inspektor Jolliet vom Selbstmord der Madama Robin. Vorher hat sie Manon noch ihr Haus, als Mitgift für die Heirat mit Monod, überschrieben. Jean ist nicht ganz glücklich darüber, aber sein Ahnherr, dessen Gemälde in der Villa hängt, lächelt zufrieden. Der Fluch ist endgültig gebrochen. Im explodierten (ein Gasleck) Turm des Hexenmeisters findet man zwei ineinander verbissene Skelette.

Dirk und sein SenfMein Senf
Ein neuer Autor bei einer Anthologie-Serie ist immer etwas Feines. Man freut sich auf einen anderen Schreibstil, wie er Horror/Grusel interpretiert... vielleicht mal was Neues, was noch keiner gebracht hat. In letzter Zeit war der Vampir-Horror Roman leider auf einem leichten Sinkflug. Mit Franciskowsky und Friedrich, die erst relativ kurz dabei waren,  hat die Redaktion nicht gerade das Füllhorn an frischen Ideen über die VHR-Fangemeinde ausgeschüttet. War der Saft schon raus? Nein, denn im November 1974 kam John Willow alias Bodo Baumann um die Ecke und zauberte dem Leser wieder ein kleines Lächeln ins Gesicht.

Wo war Bodo Baumann bis jetzt? Wo kam er her? Recherche (überwiegend hier beim ZAUBERSPIEGEL) ist bei mir immer so eine Sache, aber er schrieb wohl so ziemlich alles, was sich damals zu Geld machen ließ. Auf Western (Ronco, Lobo)-, SF (Bastei) - und Grusel-Titellisten kann man seinen Namen lesen und er hat aus dem Englischen übersetzt. CHRISTINE von Stephen King oder MILLIONENRAUB AM NIL von John Lange (Michael Crichton) hat er ins Deutsche übertragen. Und, wenn ich es richtig verstanden habe, sollte er wohl ab Nr.35 (Dorf der Kannibalen) beim Dämonenkiller einsteigen. Aus unerfindlichen Gründen wurde daraus aber nichts. Dafür gab dann Gay D. Carson/ Günter Döngens seinen Einstand. Bodo Baumann wäre bestimmt nicht die schlechteste Wahl für die Erfolgs-Serie von Pabel gewesen. Was er jetzt so treibt, nachdem die Flut der Heftromane im Laufe der Jahrzehnte so langsam im Sand versickert ist, entzieht sich meiner Kenntnis. So wirklich Aktuelles konnte ich bei meiner Reise durch die Suchmaschine über ihn nicht entdecken. Da haben andere Kollegen hier beim Zauberspiegel mehr Durchblick.

Zuerst dachte ich: ne, nich schon wieder watt mit nem Fluch, aber diesmal tat es gar nicht so weh wie bei Franciskow-sky. Geschickt führte Bodo Baumann den Leser in die Geschichte, obwohl es etwas dauerte bis man den ganzen roten Faden verzwirbelt hatte. Die Story lief alles andere als linear ab und man musste manchmal ein paar Seiten ausharren, bis eine Erklärung zu einer gewissen Sache eingeschoben wurde. Das funktionierte bei DIE BRAUT DES HEXENMEISTERS aber prima und war durchaus durchdacht und gewollt. So fing der Roman z.B. mit der verwirrten Manon, die nicht mehr wusste, dass sie sich um einen Job beworben hatte, an. Der geköpfte Freund, oder vielmehr einer seiner Vorfahren, die Erwähnung der Jakobiner, die Inputs von Madame Robin, ließen den Leser zunächst vor eine Wand laufen. Nach ein paar Seiten lichtete sich die Story dann immer mehr zu einem großen Ganzen mit ständig straff gespanntem Spannungsbogen.

Natürlich ging es im Roman um das klassische Vampir-Thema und der Autor hat unverhohlen bei Dracula abgekupfert, aber seine Variante hatte etwas hintergründig, dem Schreibstil geschuldet humoriges, ohne ins Lächerliche abzurutschen oder langweilige Klischees zu bedienen. Sein Blutsauger hatte durchaus menschliche Züge und so richtig konnte er sich von seinen Liebschaften, über die Jahre gesammelt, auch nicht trennen. So der ganz harte Hund war er jedenfalls nicht. Die Jakobiner, sie spielten im Roman nicht wirklich eine Rolle, strebten die Abschaffung der Monarchie an und waren wohl der wahre Horror ihrer Zeit bzw. für den Adel. So mancher Kopf kam da ins rollen. Da passten die blutigen Machenschaften eines Vampir-Hexenmeisters, getarnt als Hexenjäger, wunderbar rein. Angefangen hat alles in der Bartholomäusnacht (Pariser Bluthochzeit 23.-24. August 1572) etwa 2 Jahrhunderte früher, als die Papst- Treuen über die Protestanten (franz. Hugenotten) hergefallen sind und so den Stein für eine Welle der Gewalt ins rollen brachten. Auch hier musste der Leser die zeitlichen Abläufe etwas sortieren, wobei es ihnen Bodo Baumann nicht unbedingt einfach machte. Irgendwie hießen alle männlichen Dougnacs Jean mit Vornamen. Nach einigen Kopfkratzen habe ich es dann aber auf die Reihe bekommen. Glaube ich zumindest.

Mit sparsamen Worten ließ der Autor gekonnt im Roman eine Menge Atmosphäre fallen und ich fühle mich ein wenig an die Übersetzungen aus dem Französischen, zu Anfangszeiten der Serie, erinnert. Klar, der Roman spielt ja auch in Frankreich, aber dieses heimelige Gefühl, wenn Bruss und Co erzählten, kam bei Willow auch manchmal durch -  zumindest ging es in diese Richtung. Vlcek, Luif, Appel und früher mal Rellergerd und Tenkrat konnten solche Romane auch verzapfen. So eine Schreibe muss man im Blut haben. Seine Charaktere, allen voran Inspektor Jolliet, wurden auf knappen 60 Seiten super ausgebaut. Jolliet war so eine Art französischer Kinderman (Exorzist), Monod wohl der selbstgefälligste Vampir den Paris je gesehen hat und die alten Damen waren tickende Zeitbomben in Sachen verschmähter Liebe. Sie brachten den eitlen Unhold zum straucheln und rächten sich so für seine Erniedrigungen. Zickenkrieg inbegriffen.  Der Inspektor hat mit Monod noch ein Schwätzchen gehalten und sich eine Dose alter Pfirsiche in den Kasematten geteilt, als er schon wusste, dass der dämonische Lebemann drei Frauenleichen im Keller verbuddelt hat.  Und das alles ohne Längen, zumindest sind mir keine aufgefallen. Bodo Willow hatte seine Story fest im Griff.

Neben der Jagd auf den durchtriebenen Unhold lud John Willow den Leser noch zu einer kleinen Stadtrundfahrt quer durch Paris ein. Die elitäre Behausung des Meisters, (Fort) Mont Valerien, liegt in Suresnes, einem Vorort der Hauptstadt. Sie war Teil des Befestigungsrings der Stadt und wurde 1841 erbaut. Mal was anderes als eine Burg in den Karpaten. Das „Quartier Latin“ (Lateinisches Viertel), wo der junge Dougnac seine Bude hatte, bekam seinen Namen durch die Studenten den Sorbonne, die dort angeblich überwiegend Latein sprachen. Nicht zu verwechseln mit der britischen Popband Latin Quarter, die mit „Radio Africa“ oder  „New Millionaires“ ein paar Charterfolge verbuchen konnten und in deren Texten es nicht selten recht politisch zuging (Menschenrechte, Apartheid usw.). Allerdings hat sich Bodo Willow Baumann keinen Stadtplan neben die Schreibmaschine gelegt, wie es bei Kurt Luif manchmal der Fall war. Auf dem Gebiet waren sich die beiden Autoren nicht unähnlich, auch wenn VHR 91 der Erstling von Willow war. Hatte Baumann etwa in der WG mit Luif und Vlcek gelebt oder eine Etage darunter (lach)? Glaube eher nicht...

Baumann hat zwar nicht das Rad des gruseligen Heftromans neu erfunden, aber bei ihm eierte es weniger als bei anderen Autoren. Er hatte für diese Art von Heftroman ein super Gespür und dazu noch eine feine Schreibe. Er hätte beim Dämonenkiller wahrscheinlich klasse reingepasst oder zumindest der Neuauflage gutgetan. Trotz einiger Sprünge durch die Jahrhunderte und ein paar zeitlich unsortierter Einsprengsel zur französischen Geschichte, konnte der Leser dem Plot jederzeit folgen. Da musste John Willow auch nicht groß, auf den letzten drei Seiten, Nacherklärungen liefern, sondern brachte die Geschichte ganz entspannt über die Ziellinie. Heute hatte das Böse, obwohl es hier gar nicht so böse wirkte, ordentlich eins auf die Jakobinermütze bekommen. Der Meister war vernichtet, sein Zirkel aufgelöst und zwei junge Menschen konnten weiter ins unbekümmerte Leben starten. Sogar ein befriedigendes Happy-End gab es diesmal, wobei sich der Ahnherr der Dougnacs mit einem Lächeln auf seinem Ölgemälde bedankte. Timing ist oft so eine Sache  bei einem Heftroman mit begrenzter Seitenzahl und da tut es gut, wenn der Autor mal nicht zum Ende hin zu einem wilden Schweinsgalopp ansetzt. Bin gespannt, was Bodo Baumann in seinen nächsten Nummern noch so auf die Leser des Vampir-Horror Romans loslässt und ob er das vorgelegte Niveau halten kann.

Was gab es sonst noch?
Beim Titelbild fällt einem doch fast die vergammelte Kinnlade runter. Wie ein Lebemann und Womanizer sieht die Horrorgestalt nicht unbedingt aus, sondern eher wie ein dämonisches Hutmodell des letzten Jahrhunderts. Sehr unverbindlich, aber auch typisch Thole-Vollportrait.

Manfred Knorr setzt bei seinen Filmnews auf den VAMPIR-INFORMIERT Seiten immer noch auf den Exorzisten, der im September (1974) endlich anlaufen soll. Auf den Inhalt ging er nicht ein, was darauf schließen lässt, dass er dem Kinogänger mit seiner Spoilerei nicht den Spaß verderben wollte. Dass von den Hammer-Produktion´s nichts Nennenswertes mehr kam, bedauerte Manfred ebenso wie die zurückgelassene Fangemeinde des ehemaligen britischen Branchenführers. Die Zeit des beißwütigen Christopher Lee und seinen Kollegen war wohl endgültig vorbei. Der atmosphärische Gothic-Horror in schwarzweiß (obwohl die meisten Haushalte ´74 noch nicht in Farbe sahen), hatte ausgedient und so langsam zog der Trend in Richtung Splatter/Blutmatsch. Spanische und Italienische Produktionen hatten auf dem Gebiet die Nase vorn. Blut, Kotze und Gedärm ließ sich in Farbe einfach besser darstellen. Ein paar Jahre später kaute man dann ungeniert auf alles herum, was mal an einer Blutbahn angeschlossen war. Grenzen des guten „Geschmacks“ gab es dann fast gar nicht mehr.

Etwas härter geht es bei der nächste VHR-Nummer von Earl Warren aka Walter Appel zu. Walter konnte riesige Monster erfinden, ohne dabei auf Godzilla und Konsorten zu schielen. Auf Dämonen lebende Schmarotzergeschöpfe machen bei DER HERR DES SCHRECKENS Jagd auf unschuldige junge Frauen. Dazu passt gegorene Yakmilch und Buttertee, denn es geht nach Tibet. Warren, Freund von verwirrenden Namenskonglomeraten, führt uns aufs Dach der Welt zu Patmasambamba und Krishnadidudel...

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Kommentare  

#1 c.r.hays 2021-09-13 01:44
Das Titelbild ist eindeutig vom Film 'Das Schreckenshaus des Dr. Death' mit Vincent Price abgekupfert.
#2 Cartwing 2021-09-13 06:09
Wieder ein schöner, kurzweiliger Artikel.

Stimmt, jetzt wo du es sagst, Baumann als King Übersetzer, da klingelt was. Die wurden aber glaube ich später zum Teil neu übersetzt. Warum auch immer.

Ich kenne keine Heftromane von ihm, aber Dönges hätte er beim DK sicher locker toppen können, wenn ich das hier so lese...
#3 Toni 2021-09-13 17:59
Interessant, das mit dem "Schreckenshaus..." zumindest der Bart ist mit dabei, aber ansonsten sieht der Typ eher wie Beetlejuice mit Indiana-Jones Krempe aus. :D

Danke Cartwing. Das mit dem Einstieg beim Dk verstehe ich auch nicht, er hätte da prima reingepasst. Zumindest konnte man seinen ersten Roman super lesen. War auch bestimmt nicht in wenigen Stunden fertig. Mehr als bei Pabel konntest du ja damals auch nicht verdienen. Vielleicht hatte er Größeres vor... Schnee von gestern.
#4 Advok 2021-09-14 17:21
Bodo Baumann:
Er hat in den 70ern für Bastei eine neue SF-Serie konzipiert bzw. konzipieren lassen: Anscheinend gab es Konzepte von Kurt Brand, Konrad Schaef und Hans Kneifel (siehe Perry-Rhodan-Werkstattband), und wohl auch Horst Gehrmann (Ewers).
Weltraumwächter bzw. Wächter der Galaxis.

Relevant: Ihm wäre es gelungen, fast das ganze Perry-Rhodan-Autorenteam für die Bastei-Serie zu gewinnen. Schluss war dann erst kurz vorm Anlaufen, da der Verlagsleiter selbst zurück gezogen hat.
Von Brand lagen nach dessem Konzept bereits ein Auftaktzweiteiler vor, nach dem Schaef-Konzept Exposé bis mindestens Band 25 und einige Romane (von W.A. Hary und Hans Kneifel).

Schade, es wurde nichts daraus.
Oder nicht schade?
:-)

Möglich, dass diese Planungen dann letztlich die Terranauten ermöglicht haben. Ohne PR-Autoren, und anderes Konzept (und bei der Umsetzung des Konzepts dann doch viel zu oft nahe an PR dran).

Als Übersetzer ist Baumann mir bei Heinlein (Starship Troopers) im Gedächtnis geblieben.
#5 Andreas Decker 2021-09-15 10:40
Baumann war ein guter Autor. Obwohl er von der SF kam, scheint er beim Western seine Nische gefunden zu haben. Seine "Jim Elliot" bei Lobo waren größtenteils sehr gut; neben Kügler hat er die meisten der Taschenbücher verfasst.

Das ist ein solider Gruselroman, der immerhin etwas aus seiner Kulisse macht.

Baumann hat später Krimis und Historienromane übersetzt.
#6 Toni 2021-09-16 15:31
Danke Advok und Andreas Decker für die Infos :-)
Ich glaube, damals gab es mehr Autoren die für zwei Serien, Verlage gleichzeitig geschrieben haben. Die SF-Serie von Bastei hätte bestimmt nicht das Aus für Perry Rhodan bedeutet. Obwohl...

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