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Von Maschinen mit Geist und Seele - Steampunk von Chris Schlicht


Steampunk von Chris SchlichtVon Maschinen mit Geist und Seele
Steampunk von Chris Schlicht

Was wäre wenn ... das ist eine der Spielformen des Steampunks. Dampf und Kohle haben sich als die einzig umsetzbaren Energiequellen erwiesen und werden flächendeckend eingesetzt, mit fatalen Folgen für Menschen und Umwelt. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, wird das deutsche Reich von unverantwortlichen, macht- und geldhungrigen Adeligen und Industriellen regiert, die sich nur für sich interessieren.

Chris SchlichtBei Chris Schlicht entsteht aus diesen Zutaten eine Trilogie in einem alternativen Deutschland zur Zeit des Jahrhundertwechsels 1900. Das Bruderpaar Peter und Paul Langendorf sieht sich ungewöhnlichen, mysteriösen und gefährlichen Kriminalfällen gegenüber, die sich nicht einmal eine hyperaktive, vielfältig kreative Autorin ausdenken könnte.

Vor diesem unerfreulichen Hintergrund versuchen Peter und seine Verbündeten, den Ungerechtigkeiten und Gewalttaten etwas entgegen zu setzen. Es sind in den ersten beiden Büchern Maschinengeist und Maschinenseele jeweils mehrere Fälle auf einmal, denen sich Peter stellen muss. Im ersten Teil sind es offenbar technikfeindliche Sektierer, die Baron Wallenfels Innovationen bekämpfen wollen, während gleichzeitig skrupellose Banditen mit dem Missbrauch von jungen Frauen Geld scheffeln. Wenig später versucht Peter eine Serie von Morden aufzudecken, die diesem in ihrer Perversität bisher nicht begegnet waren. Und als wäre das nicht genug, tauchen seltsame Kinder auf, und natürlich bekommt Peter es auch wieder - unvermeidlich - mit der Familie Wallenfels zu tun.

MaschinengeistSteampunk hat sich nicht aus dem Nischengenre herausentwickeln können (vielleicht ist dies auch ganz gut so, wenn man das Interview mit der Autorin und Grafikerin/Illustratorin liIllustratorin......... Denn nichts ist vergänglicher als Mainstream), ist dort aber lebendig und vielfältig - und alles andere als langweilig. Bei den Romanen von Chris dauert es etwas, bis "Schwung" in die Sache kommt, was mich im zweiten Band erstmal gründlich verwirrt hat, denn man fühlt sich erst einmal in einen mittelalterlichen Roman versetzt, bevor man dann überraschend doch in der Welt von Peter Langendorf landet, ein ausgesprochen interessanter und ungewöhnlicher "Kniff".

(Wir haben uns schon öfter mit ihr unterhalten: ... Christine Schlicht über die Kunst des Zeichnens, Steampunk und Cthulhu und ... Christine Schlicht über Zeichnen mit der Hand und PC und wie man sich präsentiert),

Wie vielfältig Steampunk sein kann wird allein schon durch die wenigen weiteren Beispiele deutlich wie die "Liga der außergewöhnlichen Gentlemen" oder diverse erotische Spielarten, oder wie das Projekt Steamtown der Orgels und Carsten Steenberg (... Thomas und Stephan Orgel und Carsten Steenbergen über Steamtown, Plasma und Discovery-Writing und ein Link zu einem Artikel aus der Hochzeit, als noch neue Geschichtenteile veröffentlicht wurden Steamtown – ein E-Roman der besonderen Art), die Geschichten von Philip Reeve (Larklight, Mortal Engines), und die Vielfalt anderer Projekte an Büchern, Filmen, Spielen, Cosplays, etcetc.

In der Tat war ich nicht wenig überrascht, als die Handlung von Maschinengeist (dem ersten Teil der Geschichte um Peter Langendorf) im ersten Teil nach der eher beschreibenden, klassisch dampfenden Einführung in die Welt der Geschichte deutlich Fahrt aufnahm, und es nicht bei ein wenig dampfigem Maschinengrusel blieb, sondern die Geschichte düster, durchaus gewalttätig und alles andere als viktorianisch diskret wurde.

Eines der großen Geheimnisse des Erfolges der Steampunkwelt besteht zweifellos darin, in die Welt einzuführen und ein Gefühl der dortigen Realität so zu vermitteln, dass man die Atmosphäre und für die jeweilige Welt bestimmenden Faktoren wahrnimmt - und dabei zu vermeiden, dass jedes dritte Wort "Dampf", "Verschmutzung", "Korsett" oder die anderen klassischen Versatzstücke lautet. Ich finde das in fast jeder Geschichte schwierig, und nicht immer gelingt es, umso wichtiger ist es, dass man rasch vermittelt bekommt, was die Welt außerdem ausmacht, und man so eintauchen kann. Von da aus entstehen dann die Geschichten, die mindestens ebenso vielfältig wie die Rahmenbedingungen sein können, immerhin lässt sich Steampunk als Setting über ziemlich jede Handlung stülpen, was auch einen der Gründe dafür sein dürfte, dass manche Geschichten eben das sind, was Chris in dem Interview meint,  wenn man einfach ein Zahnrad (außen) draufklatscht und es Steampunk tauft.

Maschinenseele können Die atmosphärischen Großen- und Kleinigkeiten sind es, die es einem ermöglichen, in die Geschichte einzutauchen, wie die Beschreibung einer Umgebung, die vielleicht so tatsächlich existiert (wie beispielsweise bei Chris Schlicht), einem sogar in geschriebener Form nur schwerlich verstehbarer Akzent (südhessisch babbeln is ne schwere Sach, sogar wenn ma ma da g'wohnt hat - ich habe echt jedes Mal neu kämpfen müssen), oder das konsequente Durchhalten der gewählten Welt. Im Fall der Maschinenromane ist dies eine deutschkaiserliche "alternate History", was ich ganz besonders interessant und herausfordernd finde, da ich als Geschichtsaffinado mich da besonders gerne überraschen lasse.

Wie sehr es Chris gelingt, die südhessische "Rolle" durchzuhalten, beleidigt uns Zauberspiegelmacher übrigens so sehr, dass wir das tatsächlich teilen müssen, um unserer Empörung auch entsprechend Raum zu geben:

»"Ich habe dafür andere Probleme, bei denen ich kalte Füße bekomme. Spätestens, wenn Valerian und ich in Hamburg sind und wir uns mit den Norddeutschen zusammenraufen müssen. Soll ja auch ein ungewöhnliches Völkchen sein, dort oben im flachen Land", sinnierte Paul (...) "Klar, wenn man heute schon sehen kann, wer übermorgen zu Besuch kommt, wird man seltsam", grinste Peter.«

(wenn wir DAS vor September 2018 gelesen hätten, wäre es nicht sehr wahrscheinlich gewesen, dass wir dich als Freundin eingeladen hätten, liebe Chris! :-))

Also, wer noch auf der Suche nach einem ungewöhnlichen Leseleckerbissen - als Geschenk oder für sich selbst - ist, weiß, wonach er in der Buchhandlung seines Vertrauens fragen soll, nach Maschinengeist und Maschinenseele,  und vorgemerkt fürs neue Jahr den Maschinengott. In dem Sinn einen schönen dritten Adventsonntag.

 

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