Volkseigene Monster und Gerichtsmedizin - Hammerharte Horror Schocker 18
Volkseigene Monster und Gerichtsmedizin
Hammerharte Horror Schocker 18
Krappok (17 Seiten)
Im Jahr 1987 versuchen Wissenschaftler in der „Versuchsanstalt der Fischereibetriebe der DDR VEB“ eine neue Krebsart zu züchten, mit der sich einiges an Devisen verdienen lässt. Die Erfolge fallen allerdings bescheiden aus und in der Wendezeit wird die Einrichtung geschlossen. Die überlebenden Tiere der laufenden Versuchsreihen werden in die Ostsee geschüttet, an deren Küste das Labor liegt.
Einige Jahre später fährt Jonas mit Freunden an die Küste, um dort den Abend zu verbringen. Er entdeckt die Ruinen des VEB und findet auf dem Weg dorthin einen großen Klumpen Bernstein, als plötzlich ein Riesenkrebs dem Wasser entsteigt und Jagd auf die jungen Leute macht. Sie fliehen in die Ruine und gelangen dort in einen sicheren Keller, denn der Riesenkrebs passt nicht durch die Eingangstür hindurch.
In den Gewölben treffen sie auf einen völlig verwahrlosten Mann. Er ist der Hausmeister, der nach Abwicklung der Fischereibetriebe das Gebäude in Ordnung halten sollte. Der Riesenkrebs tauchte kurz nach der Schließung auf und sei wohl eine Folge der Experimente. Es ist nicht möglich dieses Gebäude zu verlassen, denn sofort eröffnet der Riesenkrebs bei einem Versuch die Jagd.
Der Hausmeister erblickt das Bernstein, das Jonas am Strand gefunden hat. Es ist allerdings kein Bernstein, sondern Phosphor, das aus Restbeständen an Brandbomben aus dem 2. Weltkrieg stammt. Die Eingesperrten schmieden den Plan, den Krebs mit Hilfe des Phosphors zu verbrennen.
Jonas attackiert den Krebs und alle können aus der Ruine entkommen, nur Jonas vorerst nicht. Später kann er mit dem Phosphor das Gebäude in Brand stecken und entkommen. Die Polizei glaubt seinen Worten kein bisschen, zumal der Hausmeister und seine Freunde verschwunden sind. Ein anwesender Arzt vermutet, dass Jonas an Schizophrenie leide und die anderen umgebracht habe. Jonas wird in eine Psychiatrie eingewiesen.
Der Arzt und ein weiterer Mann bleiben zurück. Es wird deutlich, dass sie den Vorfall vertuschen wollen und sie für das Verschwinden des Hausmeisters und seiner Freunde verantwortlich sind. Die Veröffentlichung der wahren Ereignisse wäre zum Schaden einiger industrieller Unternehmen gewesen, die zur Profitmaximierung ähnliche Experimente wie die an den Krebsen durchführen. Ihre Aufgabe besteht darin, Vorfälle wie diesen zu vertuschen.
Die Geschichte um den Riesenkrebs ist mit 17 Seiten die bisher umfangreichste im Horror Schocker. Entsprechend wird in dieser Ausgabe nur noch eine weitere abgedruckt.
Levin Kurio und Rainer F. Engel legen mit Krappok eine grafisch sehr detailliert ausgearbeitete Geschichte vor. Es lässt sich sogar sagen, dass dies die bis dahin am besten gezeichnete Story der beiden ist. Die Geschichte wird wie gewohnt von Panel zu Panel erzählt. Bei den großen Actionsequenzen, in denen der Riesenkrebs in Aktion tritt, sind die Panels sehr viel größer und wirken mächtiger. Der Leser sieht den Krebs aus der Perspektive von Jonas und das Gefühl stellt sich ein, ein riesengroßes und unüberwindbares Monster vor sich zu haben. Das knallige Rot des Krebses unterstreicht die Gefährlichkeit des Tieres.
Auf den 17 Seiten sind mehrere Themen enthalten, die gewohnt kompakt im Stil alter EC-Comics präsentiert werden. Sehr lustig ist, dass die Erzählweise des amerikanischen Vorbildes übernommen wird. Monstergeschichten finden in den USA fast immer in den menschenleeren Gebieten des Westens statt. Levin Kurio hat dieses Art auf deutsche Verhältnisse übertragen und lässt es an der Küste von Meck-Pomm spielen. In der Einöde lässt er dort Ruinen stehen, die seit Jahren niemand mehr betreten hat. Sehr schön: Die große, endlose, verlassene Weite in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Monstergeschichten der 50er und 60er Jahre sind bevölkert von Riesentieren, die aus den Experimenten geheimer Labors stammen. Wie der Riesenalligator, der die Toilette hinuntergespült wird und dort in der Kanalisation zu einem Riesenmonster heranwächst und zur Nahrungssuche auf Menschenjagd geht, wird der Krebs in die Ostsee gekippt, um danach ins Unermessliche zu wachsen und ebenfalls Jagd auf Menschen zu machen.
Die geheimen Labors sind zu DDR-Zeiten errichtet worden und hatten die Funktion, eine neue Art an Meeresfrüchten zu entwickeln, um mit ihnen harte Devisen zu verdienen. Nach der Wende wird der VEB zwar geschlossen, der Wille mit mutierten Pflanzen oder Tieren Geld zu verdienen hat sich nicht geändert. Die Industrie forscht weiter in diesen Grenzbereichen, um weiter Profite zu machen. Es werden gesondert Leute beauftragt, dafür zu sorgen, dass Informationen hierüber nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Die Polizei wird kurzerhand so manipuliert, dass Jonas für unglaubwürdig und verrückt gehalten wird und in die Psychiatrie eingewiesen wird. Der Arzt und sein Komplize beraten über weitere Ereignisse, in denen vergleichbare Informationen drohen, an die Öffentlichkeit zu gelangen. So hat kürzlich eine Maispflanze ein Mädchen angegriffen und die beiden sind aufgefordert, die Vorgänge im Sinne ihrer Auftraggeber ebenfalls zu vertuschen. Das sind alles Zutaten für beste Verschwörungstheorien.
Die Geschichte wartet mit einer kräftigen Portion Kapitalismuskritik auf. Der VEB war schon zu Zeiten der DDR nur darauf ausgelegt Profit zu erwirtschaften. Nach der Wende hat sich im Prinzip nichts geändert. Der VEB wurde zwar geschlossen, vergleichbare Experimente werden aber weiterhin von anderen Unternehmen fortgeführt. Die Experimente und deren Auswüchse sollen weiter im Geheimen bleiben, damit weiter nach gewinnbringenden Dingen geforscht werden kann.
Leser aus dem Osten werden aus der Geschichte vielleicht eine Kritik an der Treuhand rauslesen. Der Hausmeister berichtet an einer Stelle, dass er von der Treuhand beauftragt wurde, die Gebäude weiterhin in Schuss zu halten. Bis heute besteht der Vorwurf aus Teilen der Bevölkerung, dass die Treuhand intakte Unternehmen geschlossen hat und andere Unternehmen die Geschäftsfelder übernommen haben. Im Westen ist das Bewusstsein hierfür weniger ausgeprägt, da die Menschen dort weniger von diesen Entwicklungen der Wendezeit betroffen waren.
Mit den Toten sprechen(8 Seiten)
Franziska ist Gerichtsmedizinerin und hat eine hohe Aufklärungsrate bei Mordfällen. Dafür genießt sie bei ihren Kollegen höchste Anerkennung und man fragt sich, wie sie zu ihren Ermittlungserfolgen kommt.
Franziska geht nach immer dem gleichen Muster vor. Sie schließt sich in die Leichenhalle ein und erweckt die Opfer mittels Magie zum Leben. Sie versucht das Vertrauen der Wiedererwachten zu gewinnen, indem sie ihnen in Aussicht stellt, dass sie wieder vollständig geheilt werden können und in ihr altes Leben zurückkehren dürfen.
Das ist allerdings eine Lüge. Die Wirkung des Zaubers hat nur eine begrenzte Zeitspanne und die nutzt sie, um an die notwenigen Informationen zur Lösung des Falles zu gelangen. Wenn die Opfer erkennen, dass sie nicht überleben werden, ist es in der Regel zu spät. Franziska hat die benötigten Informationen und die Wirkung der Magie lässt nach. Die wiedererweckten brechen endgültig tot zusammen.
Mit den neu erworbenen Kenntnissen kann sie die Täter überführen und sich als ausgezeichnete Profilerin gegenüber den Kollegen präsentieren.
In der Regel enden die Geschichten im Horror Schocker mit einem Twist oder Schockmoment auf der letzten Seite. Yann Krehl greift in der vorliegenden Story auf eine andere Erzählstruktur zurück.
Am Ende der Geschichte präsentiert sich Franziska einem Kollegen als die erfolgreiche Polizistin. Das macht sie bereits auf der ersten Seite, von daher ist dies keine Überraschung mehr. Der Reiz der Geschichte besteht vielmehr darin, dass der Leser zum geheimen Beobachter wird, wie Franziska an die Informationen zur Lösung ihrer Fälle gelangt.
Aus ihren Äußerungen ist ersichtlich, dass sie jedes Mal ähnlich vorgeht. Die Magie, die die Toten zum Leben erweckt, versiegt nach einer Weile. Ihr bleibt also nur wenig Zeit, in der die Opfer die entsprechenden Informationen preis geben können. Sie versucht, den Opfern Hoffnung zu geben, so dass diese Vertrauen zu ihr fassen und den Hergang der Tat berichten. Sobald sie hat, was sie will, lässt sie alle Hüllen fallen und nimmt keine Rücksicht mehr. Eiskalt offenbart sie den Opfern, dass sie die nächsten Minuten nicht überleben werden. Manches Mal versuchen die Leichen sie anzugreifen, die sie aber immer wieder abwehren kann.
Der Leser ist hin und her gerissen. Franziska gelangt an Informationen, die zur Überführung der Täter gelangen. So weit, so gut. Allerdings verhält sie sich dabei wie ein kleines Miststück. Einfühlsam versucht sie den Toten Hoffnung zu geben, um sie dann grausam abzuservieren, wenn sie ihre Informationen erhalten hat. Darüber hinaus zieht sie einen persönlichen Nutzen aus den Ereignissen und rückt ihre Person gegenüber den Kollegen ins Rampenlicht.
Steffi Schütze und Christian Nauck wählen einen Zeichenstil, bei dem die Personen stark im Vordergrund stehen und klar gezeichnet sind. Die Hintergründe sind sparsam ausgestattet, was auch einen guten Grund hat. Die Hintergründe sind in grünen Tönen gehalten. Diese Farbe vermittelt das Gefühl von Hoffnung und unterstreicht das Bestreben des Opfers, wieder normal leben zu können.
Auf der letzten Seite sitzt Franziska mit einem Kollegen in einer Bar und präsentiert die Lösung des letzten Falles als Ergebnis ihrer vorzüglichen Ermittlungsarbeit. Die Bilder sind jetzt nicht mehr in Grüntönen gehalten, sondern in einem satten Rot.
Hammerharte Horror Schocker 18