Der Bone Orchard Mythos Band 1: Die Passage
Der Bone Orchard Mythos
Band 1: Die Passage
Das Eiland ist ein einsamer Felsen, auf dem sich lediglich ein Leuchtturm und ein kleines Haus befinden. Die einzige Bewohnerin ist Sally, die die Insel seit Jahren nicht mehr verlassen hat. Ihr einziger menschlicher Kontakt ist ihr Bruder Dougie, der John mit seinem Boot zur Insel bringt.
John soll auf der Insel ein Loch untersuchen, das sich im Felsboden aufgetan hat. Mit einer Sonde will er das Loch erkunden, schreckt aber lediglich ein paar Vögel auf. Kurz kann er allerdings die Umrisse eines Gesichtes erkennen.
Es wird Abend und John verbringt die Nacht im Haus. Die ganze Nacht ist er von Erinnerungen geplagt. Als kleiner Junge musste er mit ansehen, wie seine Mutter ertrunken war. Die Vögel aus dem Loch haben seine Erinnerungen verstärkt ins Gedächtnis gerufen, denn auch damals beim Tod der Mutter spielten Vögel eine Rolle. Er meint in der Dunkelheit draußen, sogar ein Zerrbild seiner toten Mutter zu erkennen.
Am nächsten Tag untersucht John den Leuchtturm und vermutet, dass hier etwas nicht stimmt. Das Glas der Lampe im Leuchtturm ist zerstört und funktioniert gar nicht. Sally ist sauer, dass John, ohne um Erlaubnis zu fragen das Gebäude untersucht. Sie schlägt mit einer Schaufel auf ihn ein und schubst ihn in das Loch. Unten angekommen durchgeht er eine surreale Welt mit fremdartigen Bauten. Aus einem Bauwerk tritt Blut aus, dass sich zu einem riesigen Meer aufstaut. Als John aus den Fluten auftaucht, befindet er sich im Meer vor der Insel mit dem Leuchtturm.
John geht an Land und erreicht das Loch. Dort trifft er auf Sally und Dougie. Es kommt zu einem Handgemenge, in dem John mit einer Axt getroffen wird und über die Klippen ins Meer fällt. Sally, versehentlich von der Axt getroffen, fällt in das Loch und Dougie springt ihr hinterher.
Fazit
Es gibt Comics, die erschließen sich dem Leser erst auf den zweiten Blick. Die Passage ist so eines.
Die Geschichte kommt mit wenig Text aus und zieht ihre Kraft aus der dunklen und unheimlichen Atmosphäre, die über den Seiten liegt. Mit John, Sally und Dougie spielen nur drei Personen mit. Über Dougie und Sally erfährt der Leser nur, dass sie schon seit vielen Jahren mit der Insel etwas verbindet. Was das genau ist, erfährt der Leser nicht. Vielleicht wird das Thema in den folgenden Bänden vertieft, was aber die Ankündigung zu dieser Reihe in Frage stellen würde. Schließlich wird dem Leser versprochen, dass in dieser Reihe in sich abgeschlossene Geschichten erscheinen. Über John erfährt der Leser, dass er ein unbewältigtes Trauma in Hinsicht auf den Tod der Mutter hat und sich selbst einen Teil der Schuld an ihrem Ableben gibt. Aber auch hier kratzt die Charakterisierung Johns nur an der Oberfläche. Am Ende bleiben doch zu viele Fragen offen, um hier von einem abgeschlossenen Einzelband zu reden. Vielleicht wollen die Autoren aber auch nur einige Enden offen halten, um Spannung beim Leser zu erzeugen.
Im Prinzip passiert nicht viel auf den 90 Seiten und der Band ist schnell durchgelesen. Der Kern der Geschichte besteht darin, dass das Loch der Durchgang zu einer anderen Welt ist. Es könnte sich um das Totenreich handeln, da John meint, hier seine Mutter zu erkannt zu haben. Das war dann auch der Grund, warum ich den Comic schnell zur Seite gelegt habe. Ich mag es gewöhnlich nicht, wenn Comicgeschichten mit wenig Text ausgestattet sind und sich die Handlung überwiegend aus den Zeichnungen ergibt. Ich kenne Comicalben, die sind in 15 Minuten durchgelesen. Bei einem Preis von 15-20 Euro empfinde ich das als ein ungünstiges Preis-Leistungsverhältnis. Anscheinend habe ich mit der Passage einen solchen Band erwischt.
In den folgenden zwei Tagen musste ich den Comic immer wieder in die Hand nehmen, da mich die düsteren und atmosphärisch dichten Zeichnungen doch mehr abholen, als ich zuerst gedacht habe. Die Tuschezeichnungen in Kombination mit den abgestuften Grautönen in den Hintergründen erzeugen eine unheimliche Stimmung, in deren Sog man sich als Leser gut mit reinziehen lassen kann.
Es bleibt zu hoffen, dass die Ereignisse in den Folgebänden noch einmal aufgegriffen werden und das Schicksal und die Hintergründe der drei Protagonisten weitererzählt werden. Sollte der Stil dieses neuen Comicuniversums allerdings darin bestehen, Mysterygeschichten mit offenen Enden zu erzählen, könnten die Leser schnell das Interesse verlieren. Wer stimmungsvolle Comics mag, die ihren Schwerpunkt auf der visuellen Gestaltung legen, kann hier einen Blick reinschauen. Wer eine Geschichte mit unvermuteten Wendungen und starken Charakteren sucht, könnte enttäuscht sein.
Jeff Lemire kann bereits auf eine Karriere und große Erfolge im Comicbusiness zurückblicken. Vor allem für DC Comics hat er an den großen Superheldenserien mitgearbeitet. Er ist der Schöpfer der Serie Sweet Tooth, die er erfolgreich bei DC veröffentlicht hat und die Von Netflix als TV-Serie adaptiert worden ist. Zeichner Andrea Sorrentino kann ebenfalls auf viele erfolgreiche Arbeiten für Marvel und DC zurückblicken. „Die Passage“ ist nicht die erste Zusammenarbeit von Lemire und Sorrentino. Beide haben zusammen die Serie „Gideon Falls“ erschaffen, die mit einem Eisner-Award ausgezeichnet worden ist. Die stimmungsvollen Farben stammen von David Stewart, der bereits seit über 20 Jahren Comics koloriert, darunter bekannte Serien wie Hellboy.
Der Bone Orchard Mythos