Das Haus der Bücher und Schatten
Das Haus der Bücher und Schatten
Offiziell wegen mangelnden Erfolgs bei einer Mordermittlung. Frey rettet in dieser Nacht das Leben der jungen Emilie, die sich vor einen der vielen Güterzüge werfen will, die das Graphische Viertel mit ihrer Fracht an Büchern und Schriften verlassen. In der kommenden Nacht wird sie neben einem ehemaligen Polizeikollegen Freys in der Nähe der Deutschen Bibliothek niedergeschossen. Wieder ist es Frey, der vor Ort ist.
Während es Frey 1933 gelingt, wieder als Polizist in den Dienst aufgenommen zu werden, ist 1913 Paula, die Lektorin, mit ihrem Verlobten in dem Herrenhaus eingetroffen - auch heute noch eine nicht ganz kurze Strecke - brauchen die beiden von Leipzig aus 5 Tage, mit dem Zug, mit dem Pferdeschlitten ...
Paula ist zu Aschenbrand unterwegs, um bei ihm endlich das jüngste Manuskript abzuholen, von dem sich der Verlag viel erhofft. Nachdem die ersten beiden Bücher über das Schicksal deutscher Familien im fernen Nordosten überaus beliebt und finanziell sehr erfolgreich waren, soll das dritte Buch erneut Geld in die Kassen des Verlags spülen, dringend benötigtes Geld. Und ihr Verlobter, der sie begleitet, kann es gar nicht erwarten Aschenbrand endlich persönlich kennenzulernen, denn er verehrt den Schriftsteller sehr.
Und während 1913 Paula und Jonathan in dem abseits gelegenen, mysteriösen Haus ankommen und auf den verschrobenen Aschenbrand treffen, versucht 1933 Cornelius herauszufinden, wie es zu dem Mord an Emilie und dem Polizisten kommen konnte, was die beiden verband, und was Emilies Tätigkeit als ehemaliges Medium des Instituts für Kriminaltelepathie mit dem Ganzen zu tun hat.
Um es gleich vorweg zu nehmen ... dieses Buch von Kai Meyer hat mich förmlich aus den Schuhen gehoben. Es gibt kaum ein Buch, das mich so fasziniert und in seinen Bann gezogen hat, wie dieser dritte Band um Geschichten um das Graphische Viertel. Ich hatte Kai Meyer als Autor nie wirklich aus den Augen verloren, aber ich war kein riesiger Fan von ihm, denn in vielen seiner Geschichten konnte ich mich nicht wirklich verlieren.
Das war hier ganz anders!
Kai Meyer ist es gelungen, eine Melange aus Kriminalroman und phantastischer Geschichte zu spinnen, die mich atemlos von einem Teil der Geschichte zum anderen springen ließ. Immer verbunden mit der Frage, was die beiden Erzählstränge um Paula 1913 und Cornelius 1933 miteinander zu tun haben könnten. Es dauert geraume Zeit, bis dies offenbar wird.
Das Graphische Viertel in Leipzig ist, naturgemäß, in dem Geschichtenteil um Cornelius viel präsenter als in der Erzählung um Paula, die mit ihrem Verlobten bei Aschenbrand in Livland ist. Die Schilderungen eines ganzen Industrie- und Handelsviertels, das nur mit Büchern zu tun hat, bei dem die Luft durch die Abgase aus den Schloten verdreckt ist und man fast das Gefühl hat, man kaut auf Ruß herum, sind packend und nehmen einen einfach mit.
Ähnlich ist es bei den Geschehnissen in und um das Herrenhaus, in dem Paula schon bald mit ihren eigenen Ängsten und Fragen konfrontiert ist. Sie hört Schritte auf Stufen hinter der Wand ihres Zimmers, sieht mysteriöse Erscheinungen, die sie sich nicht erklären kann.
Es gibt gar keine einzelne Stelle, die mich herausragend beeindruckt hat und die ich zitieren wollen würde, denn es gibt so viele Stellen auf so vielen Seiten, die mich gepackt haben. Die Stimmungen sowohl im Herrenhaus wie auch in Leipzig sind großartig herausgearbeitet, detailreich und absolut nachvollziehbar, der Schrecken, der sich immer mehr in dem Roman breit macht, hält einen in Atem, bis man irgendwann eine Verbindung ahnt. Und immer wieder, wenn man glaubt, man wäre auf dem richtigen Weg der Mordermittlung oder der Antworten um die Geschehnisse im Haus, wird man eines Besseren belehrt. Das alles lässt das Buch nicht einen Moment lang langweilig werden.
Ich habe mir gleich erstmal Band 2 gekauft und werde mir Band 1 der Reihe auch besorgen, denn Kai Meyer hat für mich unter Beweis gestellt, warum er einer der Großen der Fantastik in Deutschland ist. Danke!