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Michael Ende und seine Bücher: Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch

Michael Ende - Seine BücherDer
satanarchäolügenialkohöllische
Wunschpunsch

„Wisst ihr, meine... Freunde, von der Ewigkeit her gesehen nimmt es (das Böse) sich oftmals ganz anders aus als im Reich der Zeit. Da sieht man, dass es eigentlich letzten Endes immer dem Guten dienen muss. Es ist sozusagen ein Widerspruch in sich selbst. Immer strebt es nach der Macht über das Gute, aber es kann ja ohne das Gute nicht sein, und würde es je die vollständige Macht erlangen, so müsste es gerade das zerstören, worüber es Macht zu haben begehrt. Darum, meine Lieben, kann es nur dauern, solange es unvollständig ist. Wäre es ganz, dann würde es sich selbst aufheben. Darum hat es eben keinen Platz in der Ewigkeit. Ewig ist nur das Gute, denn es enthält sich selbst ohne Widerspruch.“(1)

 

Der WunschpunschInmitten der Stadt im Toten Park liegt die Villa Alptraum. Hier lebt der Geheime Zauberrat Beelzebub Irrwitzer, ein unangenehmer Zeitgenosse, ein Umweltzerstörer und Tierquäler.

Am letzten Tag des Jahres erhält er um Fünf Uhr nachmittags nicht ganz unerwarteten Besuch. Maledictus Made ist im Auftrag seines Herrn, seiner Exzellenz Beelzebub, dem Minister der Äußersten Finsternis gekommen, um Irrwitzer an die Einhaltung seines Vertrages zu erinnern. Sein Soll an bösen Taten ist noch nicht erfüllt. Wenn er bis Mitternacht das Versäumte nicht nachholt, wird er in die Hölle geholt.

Zu seinem Unglück besucht ihn an diesem Abend auch noch seine verhasste Tante die Geldhexe Tyrannja Vamperl. Sie will die zweite Hälfte einer Zauberrolle, die in Irrwitzers Besitz ist, von ihrem Neffen kaufen. Nach einigen Streitereien gibt sie zu, das auch sie von dem höllischen Gerichtsvollzieher Made besucht wurde. Die Spruchrolle enthält das Rezept für den satanarchäölügenialkohöllischen Wunschpunsch, ein Getränk mit dessen Hilfe die beiden ihren Rückstand an bösen Taten auf arbeiten wollen. Der Punsch muss bis Mitternacht vollständig auf getrunken sein, dann verwandeln sich alle guten Wünsche in ihr Gegenteil.

Das BüchernörgeleMit dieser Silvesterfeier wollen Zauberer und Hexe allerdings auch ihre heimlichen Beobachter, ihre Spione im eigenen Haus täuschen. Der Hohe Rat der Tiere hatte Verdacht geschöpft. Er schickte den Kater Maurizio de Mauro, einen aus einer italienischen Familie stammenden Minnesänger in das Haus von Irrwitzer. Zu Tyrannja kam der vagabundierende Rabe Jakob Krakel. Beide Tiere ahnen nicht, das sie von den beiden längst durchschaut wurden.

Nun allerdings im Labor des geheimen Zauberrats belauschen sie, in einer Tonne mit Sondermüll versteckt, die Pläne der beiden. So erfahren sie auch, das Irrwitzer Maurizio, der eigentlich Moritz heißt, mit Essen und Medikamenten ruhig gestellt hatte, und das Tyrannja Jakob die ganze Zeit getäuscht hatte. Obwohl sich Kater und Rabe nicht ausstehen können, beschließen sie Zauberer und Hexe aufzuhalten, Natur, Tiere und Menschen zu retten. Aber wie?

Illustration von KehnWährend Irrwitzer und Tyrannja den Wunschpunsch vorbereiten, sperren sie Moritz und Jakob in das Katerzimmer ein. Die beiden Tiere brauchen Hilfe. Aber von wem? Und wie kann man das Unglück überhaupt verhindern? Jakob meint, wenn das Neujahrsläuten der Glocken des alten Münster früher erklingen würde, wäre die Umkehrwirkung des Wunschpunsches ja aufgehoben. Also machen sich die beiden auf den Weg in die Stadt. Sie steigen aus dem Fenster hinaus in den Toten Park und den tobenden Schneesturm. Beide sind nicht mehr die jüngsten, dazu noch geschwächt von den Dämpfen in der Sondermülltonne. Sie erreichen die Kirche mit letzter Kraft.
 
Die Tür ist verschlossen. Also beginnt Moritz den Aufstieg von außen. Jakob folgt ihm wieder willig, glaubt er doch nicht mehr an die Richtigkeit seiner Idee. Völlig erschöpft kommen sie im Glockenturm an, nicht mehr in der Lage die Glocken zu läuten. Sie begegnen dem Heiligen Sankt Silvester, der den Tieren einen Ton des Neujahrsläuten in Form einer Note im Inneren eines Eiskristalls gibt, den sie lediglich dem Trank beimischen müssen, denn: „In der Ewigkeit“, sprach Sankt Silvester, „leben wir jenseits von Zeit und Raum. Es gibt kein Vorher und kein Nachher und auch Ursache und Wirkung folgen einander nicht, sondern sind ein immerwährendes Ganzes. Darum kann ich euch jetzt schon den Ton schenken, obgleich er erst um Mitternacht erklingen wird. Seine Wirkung wird der Ursache vorausgehen wie bei so vielen Gaben, die aus der Ewigkeit stammen.“(2)

Aber Jakob und Moritz sind zu erschöpft um den langen Weg noch einmal zurückzulegen. Ein letztes Mal spricht der Heiligen zu ihnen: „Nun ich denke, das ist kein Problem. Ihr werdet ja mit dem Glockenton fliegen, es wird nur ein paar Sekunden dauern, bis ihr dort seid. Haltet euch nur gut aneinander fest.“(3)

PuppentheaterDie beiden Tiere können den Ton gerade noch rechtzeitig im Wunschpunsch versenken, als auch schon Zauberer und Hexe ins Labor zurückkommen, denn sie hatten Jakob und Moritz holen wollen. Die Silvesterfeier kann beginnen. Um die Wette trinken Irrwitzer und Tyrannja ein Glas nach dem anderen und wünschen der Welt nur das Beste, in der scheinbaren Gewissheit, das sich alle ihre Wünsche in das Gegenteil verkehren werden. Als sie schon mächtig betrunken sind, der Punsch aber noch immer nicht verbraucht ist, wollen sie die Ergebnisse ihrer Wünsche sehen. So wünschen sie nun ihren Tieren gutes Aussehen, Gesundheit und vieles mehr. Jakob und Moritz warten ängstlich auf das Ergebnis. Und sie haben es tatsächlich geschafft. Die Umkehrwirkung des Wunschpunsches ist aufgehoben. Beide wandeln sich ganz im Sinne der ausgesprochenen Wünsche. Hexe und Zauberer geraten darüber in Streit, wer denn nun Fehler gemacht habe bei der Zubereitung. Aber dann ist es auch schon zu spät. Das Neujahrsleuten beginnt. Maledictus Made erscheint und schickt die beiden in die Hölle. Moritz und Jakob haben es geschafft:
„Jedenfalls, nahm Maurizio schließlich wieder das Wort, „wird es bestimmt ein sehr gutes Jahr für alle- ich meine, wenn überall geschieht, was mit uns geschehen ist.“
„Wird's wohl“- Jakob nickte tiefsinnig-, „aber wem sie's zu verdanken haben, das werden die Menschen nie erfahren.“
„Die Menschen nicht“, pflichtete der Kater bei, „und selbst wenn es ihnen jemand erzählen würde, sie würden es höchstens für ein Märchen halten.“(4)
Ende mit den PuppenDer satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch ist Michael Endes letzter vollendeter Roman, 1989 erschienen. Bereits 1990 erschien eine von Ende selbst geschriebene Theaterfassung. Bis heute ist der Wunschpunsch sein populärstes Bühnenstück.

In Form eines phantastischen Märchens kritisiert Ende die rücksichtslose Umweltzerstörung des Menschen. Sein ewiges oftmals einziges Streben nach Geld und Macht. Er stellt rücksichtslosen Profiterwerb in direkten Zusammenhang mit dem Sterben der Wälder und Tiere, dem Vergiften von Flüssen und Meeren. Ende erzählt aber auch vom ewigen Kampf des Guten gegen das Böse, genauer zwischen Himmel und Hölle, und von der Verführbarkeit des Guten.

Der Wunschpunsch ist voller Sprachwitz, Ironie und scheinbarer Nonsensgedichte. Aber auch literarische Anspielungen lassen sich finden: der erste Auftritt Jakob Krakels zum Beispiel erinnert an Edgar Allan Poes „Der Rabe“.

Das Hörbuch - komplette Lesung von Rufus BeckWunderbar ist der ironische Seitenhieb auf Endes Kritiker, in Form des kleinen Monsters Büchernörgele, das sich in Irrwitzers Sammlung von Feen, Gnomen, Elfen und Monstern findet, das nach seiner Befreiung von den Büchern, die es kritisiert, angegriffen wird. Die Illustratorin gibt dem Monster sogar ein Gesicht, das des Literaturkritikers Marcel Reich- Ranicki.

Die Kapitelüberschriften des schmalen Romans wurden durch Uhrzeiten ersetzt. Das Buch beginnt um 17.00 Uhr und endet um 24.00 Uhr, so fallen Handlungs- und Lesezeit zusammen.

Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch ist ein kurzweiliges, trotz seines bedrückenden Themas, heiteres Buch, das in der Komplexität sicherlich hinter „Momo“ und „Die unendliche Geschichte“ liegt, das aber ein weiterer Beitrag Endes in seinem Kampf gegen die Innenweltverwüstung des Menschen ist:
„Es gibt ein Phänomen, das viel weniger beachtet wird, das ist die Innenweltverwüstung, die genauso bedrohlich und genauso gefährlich ist (wie die Außenweltverwüstung). Und gegen diese Innenweltverwüstung können sie mit einem inneren Bäumepflanzen anzugehen versuchen, und das ist zum Beispiel der Versuch, gute Gedichte zu schreiben, das ist ein innerer Baum, der da gepflanzt wird. Man pflanzt nicht nur einen Baum, um Äpfel davon zu haben, sondern ein Baum ist einfach schön, und es ist wichtig, dass er das ist, nicht nur, weil er zu etwas nütze ist. Und so ist das, was viele Schriftsteller, nicht viele, aber doch einige Schriftsteller und Künstler versuchen, nämlich einfach etwas zu schaffen, was dann da ist und was gemeinsamer Besitz der Menschheit werden kann- einfach, weil es gut ist, dass es da ist.“(5)
Biblio- und Mediographie:
Bücher:
1989: Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch, mit Illustrationen von Regina Kehn, Thienemann Verlag,
2008: Der Wunschpunsch, mit Illustrationen von Regina Kehn, Taschenbuch, Carlsen Verlag


Hörbücher:
1989: Der geheime Auftrag vom Hohen Rat der Tiere,  Das Geheimnis der Pergamentrolle, Der Glockenton im Eiskristall, dreiteilige Lesung des Autors, Karussell Verlag,
1991: Hörspiel mit Tommy Piper, Grete Wurm, u.a., 2006 im Audio Verlag erschienen
2009: Komplettlesung von Rufus Beck, Audio Verlag

Film:
2000: 52 teilige Zeichentrickserie

Preise:
1989: Zürcher Kinderbuchpreis
1989: Sonderpreis der Leseratten des ZDF
1989: Rattenfänger- Preis der Stadt Hameln


Quellen:
(1)    Der satanarchäölügenialkohöllische Wunschpunsch, Carlsen Verlag 2008, Seite 184
(2)    ebenda Seite 188 / 189
(3)    ebenda Seite 191
(4)    ebenda Seite 234
(5)    Hocke / Neumahr: Michael Ende, Magische Welten, Henschel Verlag, Seite 173


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