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›Kleine‹ Debuts ... ›Grosser‹ Leute: »Das Grauen« von William Voltz

Kleine Debuts ... Grosser LeuteDas Grauen
von William Voltz
(Perry Rhodan 74)

Aller Anfang ist schwer…

Dass diese Erfahrung auch der große Willi Voltz machen musste, kann man sich angesichts der großartigen Romane, die er im Laufe seiner Karriere für die Perry Rhodan – Serie verfasste heute kaum noch vorstellen.

Das GrauenDoch obwohl der gerade mal 25jährige Voltz das Manuskript seines ersten Perry Rhodan – Romans „Das Grauen“ lange vor dem fälligen Abgabetermin eingereicht hatte, wurden sein Arbeitseifer und Enthusiasmus für dieses aufregende neue Projekt, an dem K.H. Scheer ihm die Mitarbeit angeboten hatte, zunächst einmal gebremst, denn man ließ ihn umgehend wissen, dass der Roman vor der Veröffentlichung noch einmal umgeschrieben werden müsse.

Tatsächlich musste der junge Autor seinen Erstling sogar insgesamt viermal umschreiben, bevor er schließlich als Perry Rhodan Band 74 erscheinen konnte.

Welche Ironie, wenn man sich vor Augen führt, dass derselbe Autor viele Jahre später auf dem „Chefsessel“ des Exposé – Autors sitzen sollte…

Bei dem vorliegenden Band 74 handelt es sich, dem Umstand entsprechend, dass ein neuer Autor sich zunächst einmal langsam in den damals schon recht umfangreichen Rhodan–Kosmos einarbeiten sollte, natürlich um einen Einzelroman, dessen Handlung nur am Rande mit dem Hauptgeschehen zu tun hatte: Im Zuge der Aktionen gegen den Robotagenten von Arkon kommt es während eines Routinefluges einer Kaulquappe zu einem Zwischenfall mit einem Mutanten, den man auf dem Planeten Eppal an Bord genommen hatte. Das ist eigentlich schon alles. Aber bereits in diesem ersten Roman, den man heute als Lückenfüller bezeichnen würde (ob dieser Begriff in den frühen 60ern bereits Verwendung fand, darf bezweifelt werden), wird das Talent des Autors erkennbar, auch eine eher kleine Vorlage großartig umzusetzen.

Die große Stärke des späteren Willi Voltz, Nebenfiguren lebendig darzustellen und sie mit Ecken und Kanten auszustatten, klingt hier bereits durch, wenn auch noch nicht in dem Maße, wie es später der Fall war. Der Telepath Goldstein etwa erinnert in seiner Außenseiter – Rolle an spätere Figuren wie Alaska Saedelaere, während der undurchschaubare Eppaner Mataal sich ebenfalls angenehm von den stereotypen Figuren abhebt, welche die frühen Romanen bevölkerten.

Nach einem etwas holprigen Beginn (der erste Satz etwa erstreckt sich über 15 Zeilen, was scheinbar auch nach dreimaligem Umschreiben nicht bemängelt wurde) gelingt es dem Autor sehr schnell, sich warm  zu schreiben, spätestens im zweiten Drittel, als das Geschehen vom Planeten Eppal zur Kaulquappe wechselt, nimmt die Handlung im doppelten Sinn des Wortes Fahrt auf.  Voltz gelingt es hervorragend, die beklemmende Situation an Bord des kleinen Raumschiffs zu schildern und führt den Leser gekonnt an der Nase herum, der ab Seite 40 zu wissen glaubt, wer für die unheimlichen Geschehnisse an Bord verantwortlich ist.

Doch nicht nur die Figuren oder diese überraschende Wendung am Schluss zeichnen den Roman aus. Denn bereits in diesem Erstling findet der Leser den einen oder anderen Abschnitt, in dem die humanistische Einstellung des Autors zum Vorschein kommt und man einen Hauch dessen entdeckt, was die späteren Voltz-Romane ausmachte. Z.B lässt er den Telepathen Goldstein gegen eine Herabwürdigung fremder Rassen protestieren:
„Was für ein Ungeheuer“, rief Weiß und trat vorsichtig an Mataals Überreste heran.
„Schweigen Sie“, wies ihn Goldstein zurecht. „Was verstehen Sie schon davon? Er war kein Ungeheuer. Ich war ein Teil von ihm. Ich begreife seine Handlungsweise. Er dachte zuerst an seine Rasse, dann an sich selbst. Er war nicht schlecht oder ein Monster. Er war nur… anders.“
Auch eine ironisch „selbstkritische“ Anmerkung bezüglich der aufstrebenden Rasse der Terraner findet bereits einen Platz in seinem Debut-Roman:
„Was musste das für ein Volk sein! In den Gedanken dieser Menschen spiegelte sich ein Abbild ihres Lebens und Sterbens. Ihrer Kämpfe, Siege und Niederlagen. Mataal erfuhr von Freude und Trauer, Humor, Ernst, Liebe und Hass. Er war überwältigt von einer derart gefühlsbetonten Lebensweise. Wie war es möglich, dass sie sich so explosionsartig entwickeln konnten? Es wäre Mataal logischer erschienen, wenn sie sich gegenseitig zerfleischt hätten, denn jeder von ihnen schien eigene Ambitionen mit sich herumzutragen.
Wie es gelungen war, eine derartige Masse von Individualisten dazu zu bringen, ein Ziel zu verfolgen, blieb Mataal ein Rätsel.“
Voltz schrieb nach diesem Roman zunächst zwei weitere Einzelabenteuer (mit Band 92 „Geheimmission Moluk“ durfte er eine Quasi - Fortsetzung seines Debut-Romans verfassen), bis ihm - nach relativ kurzer Einarbeitungszeit - die Ehre zuteilwurde, Band 99 zu schreiben, den Roman, in dem der Arkonide Crest  seinen letzten Auftritt hat. Von da an war es natürlich noch ein weiter Weg bis zur Übernahme der Exposé - Tätigkeit (mit Band 650).  Doch auch wenn die größten und besten Voltz - Romane sicherlich erst nach dieser Übernahme erschienen sind, so gab es auch vorher schon einige Perlen, die man auch heute noch lesen und genießen kann. Sein erster PR- Roman ist eine davon.

 

Kommentare  

#1 Nelson 2010-08-06 00:48
Schön, dass hier an die Anfänge von William Voltz als den vielleicht bedeutendsten Rhodan-Autor erinnert wird. Allerdings hat er seinen PR-Erstling höchstens zweimal und nicht - wie hier behauptet - viermal umschreiben müssen. Das sieht zumindest Inge Voltz-Mahn in ihren Erinnerungen so. Sie war damals zwar noch nicht mit Voltz verheiratet, aber sozusagen "in festen Händen". Hier die entsprechende Passage aus der frei zugänglichen Quelle www.williamvoltz.de:
"Anfang des Jahres 1962 fragte KHS Willi, ob er nicht Lust dazu hätte, bei der Perry Rhodan-Serie mitzuwirken. (...) Willi war, wie konnte es auch anders sein, nicht abgeneigt.
Karl Herbert (Scheer) und Willi trafen sich in Friedrichsdorf, um das Thema für Willis ersten Perry Rhodan-Roman zu besprechen. (...)
Willi machte sich an die Arbeit. Er las alle bisher erschienenen Perry Rhodan-Romane und die Exposés, um dann den Roman zu schreiben, der später als Nr.74 erscheinen sollte. Bis dahin war es jedoch noch ein weiter Weg. Die erste Fassung brachte Willi zu KHS, der nach Überprüfung des Manuskripts einige Änderungen und Korrekturen vornahm. Willi schrieb alles noch einmal. Daraufhin wurde das Manuskript an Günter M.Schelwokat gesandt. Dass ein junger Neu-Autor nicht ungeschoren an der Kritik des großen SF-Meisters vorbei kam, war jedem klar. Willi hörte sich die Kritik an, akzeptierte die Änderungsvorschläge, die nicht unbedingt freundlich hervorgebracht wurden, und machte sich erneut an die Arbeit."
Und abschließend schreibt Inge Voltz-Mahn: "Am 16.10.1962 unterschrieb Kurt Bernhardt vom Moewig Verlag Willis ersten Vertrag für den Roman "Der falsche Mann", der als Nr. 74 und mit dem geänderten Titel "Das Grauen" in der Perry Rhodan-Serie erscheinen sollte. Der Anfang war gemacht."
#2 Larandil 2010-08-06 06:13
Na ja, laut K.H. Scheers Erinnerungen lief das so ab:
Zitat:
WiVo schrieb schnell und mit Eifer. Als er mir den fertigen Band lange vor dem Ablieferungstermin nach Friedrichsdorf brachte, war eine umfassende Korrektur in stilistischer Hinsicht nötig. Die Handlung selbst hatte er gut und aktionsreich ausgearbeitet.
Wenn wir den Titel an unseren leistungsfordernden Lektor G.M. Schelwokat geschickt hätten, wäre er, der Meister der deutschen Sprache, sehr unfreundlich geworden. Also schrieb WiVo den Roman zum zweitenmal. Wieder waren Korrekturen vorteilhaft. Nach der dritten Niederschrift war es soweit!
Ich wagte es, unseren G.M Schelwokat damit zu konfrontieren, wohl wissend, daß sein Urteil bei Kurt Bernhardt Gehör finden würde. Und siehe da - Band 74 wurde unter dem Titel "Das Grauen" veröffentlicht.
Perry Rhodan Werkstattband, Rastatt : Moewig 1986, S. 42

Macht zusammen mit den Änderungswünschen von GMS vier Versionen ...
#3 Cartwing 2010-08-06 08:13
Im Artikel stand ursprünglich "drei mal" umgeschrieben, so wie ich es aus dem Werkstattband wusste. Die vier mal habe ich aus der Perrypedia übernommen. Erschien mir zuverlässiger. Aber letztlich ist es auch nicht ganz so wichtig. Fakt ist, er musste ihn mehrmals umschreiben.

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