Ein Geschichtsbuch setzt Maßstäbe - Die Rhodan-Chronik Band 1
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Die Rhodan-Chronik Band 1
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Gut ist das Buch, weil Verfasser Michael Nagula journalistisch professionell an seine Aufgabe herangegangen ist und dabei einen flotten, höchst lesbaren Schreibstil pflegt. Kombiniert hat Nagula seinen chronologisch erzählten Text mit einer Zeitleiste, die auf weltpolitische Ereignisse des jeweiligen Jahres eingeht und so die Rhodan-Serie in den historischen Zusammenhang stellt, in dem sie entstanden ist. Dazu gestellt hat Nagula zudem eine Fülle von Autoren-Aussagen, Zeitzeugen-Kommentaren und Info-Boxen über einzelne Roman-Figuren, Völker und Feinde und ihre Entstehung. Sehr positiv fällt auf, dass der Aufstieg der Rhodan-Serie nicht isoliert dargestellt, sondern stets in Verbindung mit dem bunten Kosmos der SF-Heftliteratur in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gesehen wird. So entsteht eine vielfältige Zukunftswelt, in der Perry Rhodan mit der CREST III den Andromeda-Nebel erobert und daneben gleichberechtigt Commander McLane seine ORION VII startet, Rex Corda die Erde vor grünhäutigen Orathonen rettet und Ren Dhark den Geheimnissen der Mysterious auf die Spur kommt. Keine Frage, dass auch die Atlan-Reihe als erfolgreiches Spin-off der Rhodan-Serie, die Comic-Hefte als weniger erfolgreicher Ableger und sogar der Rhodan-Film als künstlerische Katastrophe ihren angemessenen Platz in Nagulas Darstellung finden.
Anders als Eckhart Schwettmann vor fünf Jahren in dem vor allem von Marketing-Gesichtspunkten geleiteten Coffee-table-Buchschinken ALLmächtiger! Faszination Perry Rhodan pappt Nagula sein Material nicht irgendwie beschriftet und mit immergleichen Interviewfragen ergänzt auf Buchseiten zusammen, sondern erzählt tatsächlich eine lebendige Geschichte der Serie. Das ist angesichts der Quellenlage gar nicht so einfach: Die meisten der wichtigsten Akteure aus den Reihen der Autoren (Karl-Herbert Scheer, Walter Ernsting, William Voltz, Kurt Brand, Kurt Mahr) und der Moewig-Verlagsleute (Kurt Bernhardt und Günter M. Schelwokat) sind tot. Viel Hinterlassenschaft außer den Heften gibt es nicht. Vor diesem Hintergrund sind die einzigen Überlebenden jener Zeit (Hans Kneifel und H. G. Ewers) auch oft in einem Maß mit Zitaten und Erinnerungen vertreten, das eigentlich nicht ihrer damaligen Position in der zweiten Reihe angemessen ist.
Nagula macht gleichwohl das Beste aus der Situation und arbeitet dabei so wie mancher moderner Historiker: Bei der Schilderung des einen oder anderen Vorgangs gibt er nicht vor, dass es sich tatsächlich so zugetragen hat, sondern macht auf der Grundlage der interpretierbaren Quellen deutlich, dass es so gewesen sein könnte. Dort, wo die Quellen tatsächlich nichts hergeben, verzichtet Nagula auch auf jede Spekulation.
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Clark Darlton (Walter Ernsting) war offenbar einer der ersten, denen solches Gebaren sauer aufstieß. Das Verhältnis der beiden vermeintlichen Rhodan-Gründer muss lange Zeit nicht das Beste gewesen sein. Selbst Lektor Schelwokat ist schon mal auf Distanz zu Scheer gegangen.
Aber in der Regel fügten sich alle Autoren: Schließlich war Rhodan die Cash Cow nicht nur für den Moewig/Heyne-Verlag, sondern auch für die damaligen deutschen SF-Schriftsteller. Ihnen ging es verständlicherweise zuvorderst erst einmal um ihre guten Honorare die Lebensgrundlage für einen freien Autor. Und ein Heftroman-Verlag ist vor allem anderen ein Wirtschaftsunternehmen wie jedes andere und kein Ort für Schriftsteller-Romantik, wie sie sich vor allem von jugendlichen Fans gerne zusammenphantasiert wird.
Michael Nagulas erster Band der Rhodan-Chronik, der die Aufbau-Jahre der Serie von 1961 bis 1974 zum Thema hat, macht deutlich, dass der Welt-Erfolg des Erben des Universums seinerzeit weder geplant war, noch auf diese Art und Weise jemals wiederholt werden könnte. Rhodan war möglich, weil in den 60er-Jahren verschiedenste wirtschaftliche, politische, kulturelle Situationen sich so darstellten, wie wir sie in Nagulas Darstellung kennenlernen. Ohne eine breite SF-Szene, wie sie in Westdeutschland bereits in den 50er-Jahren im Aufbau begriffen war, wäre Rhodans Stardust wahrscheinlich schon kurz nach dem Start explodiert. Die Affinität der breiten Öffentlichkeit für das Thema Weltraum, beflügelt nicht zuletzt vom Wettlauf der Amerikaner und Sowjets zum Mond, half Rhodan auf seinem Weg in den Kosmos.
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Der zweite Band der Rhodan-Chronik von Michael Nagula, der die Jahre ab 1974 und die Ära des Willi Voltz zum Schwerpunkt hat, soll bereits Ende Mai vorliegen. Wir sind gespannt und freuen uns auf eine weitere Qualitäts- und Fleißarbeit. In Verbindung mit dem ersten Band und einem möglichen dritten Abschlussband hat Michael Nagulas Rhodan-Chronik dann das Zeug zu einem Standardwerk.
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Daten zum Buch:
Kommentare
Wenn das stimmt, ist das ziemlich schauderhaft. Hatte mir auch überlegt, das Ding zu kaufen, aber ich werde wohl auf eine korrigierte zweite Auflage warten.
Wo gearbeitet wird, passieren auch Fehler. Würde ich nicht zu hoch bewerten.
Grosses Lob an Michael Nagula. Warte gespannt auf die nachfolgenden Bücher!