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Vampire pflastern seinen Weg - Ein teutonischer Stephen King?

Vampire pflastern sein Weg Hugh Walkers Horror-Romane
Ein teutonischer Stephen King?
Hugh Walker - Versuch einer Wertung

Der Rolle Hugh Walkers als Horrorautor ist mit den Maßstäben des Heftromans sicherlich nicht beizukommen, denn er schrieb nicht Heftroman-gerecht. Bei aller Hochachtung, die ich für den Heftroman immer noch hege, obwohl ich dessen Hauptzielgruppe längst entwachsen bin, so sind diesem Medienträger doch enge Grenzen gesetzt.

 

Manchen Autoren wie Jürgen ›Dan Shocker‹ Grasmück oder den Machern des Dämonenkillers (Ernst ›Paul Wolf‹ Vlcek und Kurt ›Neal Davenport‹ Luif) und noch einigen wenigen anderen ist es gelungen, mehr oder minder im engen Rahmen des Heftes etwas Herausragendes zu schaffen, aber das sind Ausnahmen. Manchen ist es gelungen, fetzige Unterhaltung zu schreiben, aber viele haben nicht einmal das geschafft.

Hugh Walkers Horrorromane sind dagegen anspruchsvoll und bringen Potenzial mit, und sie haben innovative Elemente, die so gar nicht mit den Gesetzen des Heftromans in Einklang zu bringen sind.
Bei Hugh Walker sagt die Form der Publikation nichts über die Qualität der Romane aus. Er hatte seinerzeit das Glück, dass der PABEL-Verlag in den phantastischen Segmenten seines Heftprogramms nicht den ungeschriebenen Gesetzen des Heftromans folgte und Alternativen suchte. Somit konnte er seine Texte platzieren.

Aber PABEL hätte für ihn eigentlich nur das Sprungbrett sein müssen. Die Qualität seiner Horrortexte ist so hoch anzusiedeln, dass ein Sprung zu renommierteren Verlagen durchaus im Bereich des Möglichen gewesen wäre. Das hätte dem Ruf (und dem Bankkonto) Hugh Walkers nur gut getan, denn sein Horrorschaffen wird heute in professionellen Lexika ohne jede Differenzierung als Hefthorror abgetan, nur die Fanzines und semiprofessionellen Werke wie Der Golem wissen den Horrorautor zu würdigen, der Hugh Walker war und ist. Als negatives Beispiel hierfür mag Reclams Science Fiction Führer stehen:
... und publizierte Horror- und SF-Heftchen. (58)
Man muss allerdings wissen, dass zwei der drei Autoren des Science Fiction Führers, nämlich der inzwischen verstorbene H. J. Alpers und Ronald M. Hahn, im Fandom der Sechzigerjahre ideologische Gegner Hugh Walkers waren, was ihr heutiges Urteil sicherlich mit beeinflusst hat.

Für den Heftroman ist Hugh Walker ein Glücksfall, kann er doch als Renommierautor dienen. Allerdings hat es ihn darum gebracht, auch außerhalb des Fandoms als einer der führenden deutschen Autoren der phantastischen Literatur genannt zu werden.

Hugh Walker hatte alle Möglichkeiten, zu zeigen, was in ihm steckt. Er hätte wieder an seine produktiveren Zeiten anknüpfen sollen, aber er hat viele Möglichkeiten verstreichen lassen, weil er zunächst zu bequem war, sich aus dem gemachten Bett bei Pabel zu befreien und später dem produktiven Übersetzer-Duo Straßl zu entfliehen.

Aber der Hugh Walker, der gern seinen Ansatz verfolgte, Phantasie und Realität in Konflikt treten zu lassen, ist schon in den Neunzigern Dämonen-Land-Leser Timothy Stahl aufgefallen.
Eines muß man ihm lassen: stilistisch zählt er zu den besten Horrorheftschreibern. (…) Aber mir drängt sich allmählich das Gefühl auf: Kennst Du einen Walker, kennst Du alle. (...) Wenn es so etwas wie 'atmosphärische Wiederholung' gibt, dann zelebriert sie Hugh Walker in seinen Heften. (59)
oder auch Heidi Schwendemann:
Die Hugh-Walker-Romane laufen alle nach ungefähr demselben Schema ab: Die Hauptperson weiß nicht, daß sie selbst das Böse verkörpert, ist oft sogar auf der Jagd nach sich selbst. (60)
Hätte Hubert Straßl weiter Horrorromane in regelmäßigen Abständen geschrieben, wäre er vielleicht gezwungen gewesen, sein Spektrum zu erweitern. Zwar versteht er, seine Ansätze zu variieren, aber auf Dauer hätte Hugh Walker neue Möglichkeiten finden müssen, Horrorthemen für sich zu erschließen und dem Leser zu vermitteln. Dazu gehört auch, dass er neue Erfahrungen sammelt, neue Stimmungen einfängt und daraus resultierend neue Schauplätze und Szenarien für seine Romane findet.

»Die Hölle in mir« (Dämonen-Land 50, 1991) ist nur bedingt ein neuer Ansatz. Alle Veränderungen darin sind äußerlich, denn dieser Roman knüpft nach einem Dutzend Jahren direkt an seine Romane an, die er für Vampir-Horror verfasste. Er muss sich neue Themen suchen, denn sonst werden die zitierten Kritiken an Ray Bradbury auch bald für Hugh Walker gelten. In Ansätzen findet man diese Reaktion schon in den Leserbriefen im Dämonen-Land, wenn auch vielleicht etwas verfrüht. Denn der Horrorautor Hugh Walker hat wieder alle Möglichkeiten, sich von seiner Vergangenheit zu lösen.

Dass er immer noch aus den Erfahrungen, Erlebnissen und Ansätzen schöpft, die er in den Sechziger- und Siebzigerjahren sammelte, ist zu wenig. Wenn Hugh Walker ein reiner Heftromanautor wäre, wenn er beispielsweise einer wie Jason Dark wäre, könnte er dieses Spiel ewig so weitertreiben. Jason Dark handelt komplizierte politische und soziale Wirklichkeiten in einigen markigen, nach Parolen riechenden Sätzen ab, und gibt so plakativ und schlagwortartig vor, Wirklichkeit widerzuspiegeln; beispielsweise die Ex-DDR und die Stasi in dem Roman: »Der Stasi-Vampir« oder Rumänien unter Ceaucescu oder die UdSSR).

Andere Heftautoren pflegen diese Wirklichkeit völlig auszusperren, wobei die zweite Möglichkeit mir persönlich sympathischer ist, denn der Heftroman in seiner im positiven Sinne Einfachheit und rein unterhaltenden Grundtendenz bietet nicht die Plattform, derartige Probleme auch nur annähernd adäquat aufzuarbeiten.

»Ein teutonischer Stephen King?« heißt es im Titel dieses Versuchs einer Wertung. Richtig ist, dass Hugh Walker und Stephen King in ihren Horrorromanen durchaus Parallelen aufweisen. Sowohl Straßl als auch King zogen es vor, ihre Geschichten in ihrem unmittelbar erlebten Umfeld anzusiedeln; King erfand dafür sogar ›seine‹ Stadt Castle Rock. Stephen King hat seit den Neunzigern sein Spektrum erweitert, ohne letztlich komplett mit seiner Vergangenheit zu brechen. Der US-Autor ist mittlerweile zu einer Marke mutiert.

Hätte Hubert Straßl weiter geschrieben, wären die in den folgenden Abssätzen beschriebenen Bedingungen für ihn wichtig gewesen, um sich nicht nur einem Hauptthema zu entwickeln bzw. dieses um weitere Facetten zu bereichern. Aber er hat eben nicht weiter geschrieben.

Für Hugh Walker wird es wichtig sein, dies ebenfalls zu tun, der Schritt vorwärts muss getan werden. Legenden müssen abgelöst werden. Vielleicht hilft es Hugh Walker auch, die Magira-Serie nach dieser letzten Überarbeitung hinter sich zu lassen, diese Überarbeitung als Teil des Bruchs zu begreifen. Ebenso gilt es für ihn, die persönliche Einstellung zum Horror zu verändern.

Hugh Walker war also geraten, von seinem bisherigen persönlichen Milieu in seinen Romanen Abschied zu nehmen. Die Entscheidung darüber ist aber (natürlich) ihm überlassen. Vielleicht könnte er als Alternative zum radikalen Bruch kleine einzelne Schritte machen, indem er beispielsweise alten Ideen neue Wege abgewinnt, wie in den Abschnitten: Stichtag, Vollmond und Kehraus angedeutet.

Aber um Hugh Walker die Ehre zu geben: Unter den vielen tausend erschienenen Horrorheftromanen bildet er mit seinen Ansätzen und Themen eine herausragende Ausnahme.

Leider hat er nie den Sprung weg von PABEL und den Heftromanen geschafft, was vielleicht daran liegt, dass er nicht genügend Initiative entwickelte. Ein Gesprächsausschnitt zwischen mir und Hugh Walker zeigt, dass er sich den Beschränkungen des Heftes und damit seiner Möglichkeiten wohl bewusst war. Zudem erzählt er von dem verpassten Sprung:
HvA: "Bei dir steht das Böse oft im Mittelpunkt der Handlung. Da macht der Jugendschutz gerne Ärger."
HW: "Ja. das war auch das Problem bei Das Haus der bösen Puppen. Nicht für mich, aber für den Prüfer. Er wollte den Schluß geändert haben, weil die Sympathien des Autors auf der Seite des Bösen standen, so dass es scheint, als ob das Böse verherrlicht wird."
HvA: "Oder was die Bundesprüfstelle als Verherrlichung ansieht."
HW: "Ja, das ist das Problem beim Heft. Ich sah den Vampir oder den Werwolf jedoch nicht als das Böse, sondern als einen Außenseiter: der Kampf der einsamen Kreatur ums Überleben. Vampire und Werwölfe sollten auf die Liste der gefährdeten Arten gesetzt werden."
HvA: "Warum hast du nie den Weg zum Taschenbuch oder zum Hardcover gesucht?"
HW: "Es ergab sich keine Gelegenheit beziehungsweise keine Notwendigkeit. Ich schrieb für Vampir und für Dragon, dann war ich sehr beschäftigt mit Terra Fantasy. Ich war tief in der PABEL-Maschinerie. Es ist sehr bequem, zu wissen, daß man sicher sein Honorar kriegt, wenn man mit der Arbeit fertig ist. Pabel ließ mir auch kaum Spielraum, für mehrere Verlage zu arbeiten. Als dann bei PABEL-MOEWIG fast alles eingestellt wurde, hing ich in der Luft. Da ich sichere Honorare gewöhnt war, bot sich Übersetzen als Übergangslösung zusammen mit meiner Frau, die ohnehin enge Termine hatte und über Unterstützung ganz froh war.  (61)
Es scheint, als habe Hugh Walker nicht den Antrieb gehabt, seine Möglichkeiten und stilistischen Fähigkeiten voll auszureizen und sich ihrer so zu bedienen, dass er in die - salopp formuliert - 'literarische Oberliga' aufsteigt, um dort Erfolge zu ernten. Schließlich hätte er eine stattliche Latte guter Romane und Erfolge vorweisen können - nicht jeder deutsche Schriftsteller der phantastischen Literatur kann beispielsweise Amerikaverkäufe vorweisen.

Den Übersetzer Hugh Walker gibt es weiterhin. Bis 2003 im Gespann mit seiner Frau Lore arbeiten und gewohnt gute Arbeit abliefern, allerdings scheint die Karriere des Herausgebers Hugh Walker im professionellen Bereich beendet zu sein. Vielleicht könnte er aber ein Verlagshaus finden, das ihn vereinzelt Fantasy-Classic-Bände oder Anthologien im Terra-Fantasy-Stil herausbringen lässt, denn seine Sorgfalt und sein Interesse an der Fantasy lassen hervorragend ausgestattete Bände erwarten.

Was wir wahrscheinlich nie erleben werden, ist ein produktiverer Autor Hugh Walker, als er es 1972/73 war. Vielleicht erhöht er aber wieder sein Arbeitstempo, wenn er sich neue Möglichkeiten erschlossen hat. Doch mittlerweile ist Hubert Rentner. Vielleicht gibt das Interview, das wir in Kürze publizieren, Aufschluss darüber, ob Hugh Walker noch mal angreift oder der Vergangenheit angehört … Man wird sehen.

Michael SchönenbröcherZum guten Schluss ein Zitat von Michael "Monster Mike" Schönenbröcher, der Hubert "Hugh Walker" Straßl für die Highlight-Reihe Dämonen-Land wiederentdeckte und ihn sogar nach langer (mehr als ein Jahrzehnt währender) Abstinenz für zwei neue Romane gewinnen konnte.

Der Bastei-Redakteur sagt über Hugh Walker: 
Wer „Phantastik“ sagt, kommt an Hugh Walker nicht vorbei – so wie weiland der Balrog an Gandalf. Denn genauso spannend und dramatisch sind auch seine Geschichten, egal ob im Grusel- oder Fantasy-Genre. Ein Muss für jeden Fan! (62)
Das ist doch ein Schlusswort. Vielleicht gehen jetzt jüngere Leser daran, Hugh Walker zu entdecken. Die Älteren sollten ihn wieder entdecken. Es sind einige Perlen des phantastischen Romans dabei.

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2012-01-13 18:50
Ich habe die Tage beim Umschichten zufällig Straßls Romane in der Hand gehabt und reingeblättert. Und auch wenn da der Zahn der Zeit dran genagt hat, sind die größtenteils immer noch interessant. Denn vom Ansatz her sind es "richtige" Horrorromane und eben nicht die Krimiserie mit Monsterhatz und simplen Gut/Böse-Schema, die die meisten Leser dann so geschätzt haben. Wenigstens in dieser Hinsicht war er zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Aber er bleibt auch eine Anomalie. Gelobt haben ihn viele, nachgeeifert ? inhaltlich gesehen - eigentlich keiner.

Aber auch wenn er sicherlich das Potenzial gehabt hätte, den Sprung in bessere Märkte zu schaffen, glaube ich dennoch nicht, dass er in den Mittsiebzigern einen Verlag gefunden oder sich verkauft hätte. Unsere Verlage haben deutsche Genre-Autoren einfach nicht haben wollen. (Die SF wollen wir jetzt mal außen vorlassen, dass ist eine ganz andere Baustelle.). Sie wollten auch keinen Horror produzieren, weil das Kioskprodukte waren ? also unterste Schublade im Feuilleton, auch nicht ganz zu unrecht - und sich auch nicht verkauften. Ich habe damals in einer Buchhandlung gearbeitet, und ich kann mich noch deutlich erinnern, wie schnell selbst die ersten Stephen-King-Romane - immerhin Hardcover, damals der Buchadel - als Flops auf dem Wühltisch landeten. Selbst der King hat es erst beim zweiten Anlauf geschafft. Und das zu einer Zeit, als auch in jedem anderen Genre nur ausländische Autoren was zählten.

Die Verlage haben die deutschen Phantastik-Autoren erst entdeckt, als sich das Geschäft und der Zeitgeist grundlegend gewandelt hatten.

Und selbst wenn er es geschafft hätte, wäre das wirklich so eine Errungenschaft gewesen? Sämtliche Bestsellerautoren der Mittsiebziger im Mainstream sind alle in Vergessenheit geraten und nicht mehr lieferbar, von Konsalik bis Danella. Und das gilt erst recht für das Genre. Da ist die Zeit noch gnadenloser drübergegangen. Selbst wenn er DEN Roman geschrieben hätte, wäre der vermutlich heute nur noch eine Fußnote in einem Blog. Insofern hat er es genau richtig gemacht.

Seine Arbeit als Redakteur ist da viel höher einzuschätzen. Trotz der Häme über die Fantasy als Genre von der Kritikerseite hat sie die SF im Regen stehen lassen, und auch wenn die Art Fantasy, die Straßl gebracht hat, beim Publikum in Ungnade gefallen ist, haben seine Bemühungen doch den Weg gewiesen.

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