Das Gefühl von damals - Die Schallplatte als Zeitmaschine
Das Gefühl von damals
Die Schallplatte als Zeitmaschine
Ich erinnere mich an viele Freunde, an viele Nachbarn und kleine Geschichten, an die Straßenfeste am Waldrand. Ich erinnere mich an die Schallplatten, die ich damals selten, aber ab und zu zu sehen und hören bekam.
Vom Thema Grusel versuchte Mutter mich fern zu halten, was ihr immer schwieriger gelang, bis es ihr eines Tages ganz entglitt.
Die Hörspielplatte "Das Gespenst vom Schloßhotel" hatte ich damals meiner Erinnerung nach nicht. Doch sicher viele der Art. Eigentlich kein richtiges Gruselhörspiel, eher jugendgerecht, aber dennoch spannend erzählt. Sogar ein Todesopfer durfte es hier geben.
Heute habe ich mich wieder einmal in den Genuss der Erstausgabe dieses Hörspiels gebracht - 45 Jahre später. Zwar ist das Hörspiel 1981 in der Neon-Gruselserie von EUROPA unter dem Titel "Schloß des Grauens" neu aufgelegt worden und erfuhr eine weitere Auflage 1999 auch auf CD, aber das Original bleibt eben das Original, auf Schallplatte versteht sich. Die beiden Spielseiten haben je eine Länge von etwa 17 Minuten und 50 Sekunden. Gesamtspielzeit gut 35 Minuten. Die späteren Ausgaben waren aufgrund neuer Musik und Effekte etwa um 2 Minuten länger.
Manch einer vermag es als kurz empfinden, aber das waren damals übliche Spielzeiten für Hörspielplatten und Cassetten. Erst Die drei ??? brachen mit dieser Tradition und 40-50 Minuten waren von an auch möglich.
Worum es geht
Hier geht es nun um einen Schlossgeist, der nach seiner verschollenen Geliebten sucht. Dabei erschreckt er die Damen, die er im Schloss trifft so unglücklich, dass eine von Ihnen bei einem Treppensturz umkommt. Ulla und Benno, die ziemlich unfreiwillig im Schloss zu Gast sind, weil ihr Wagen nicht anspringt, wollen der Sache auf dem Grund gehen, um weiteres Unglück zu vermeiden.
Somit suchen sie Gruft, in denen nach ihren Recherchen Linda, die ehemalige Geliebte des Geistes, begraben liegen muss. Und das schon sein 400 Jahren.
Minimalistisch ist nicht nur die Laufzeit, sondern auch die Handlung. Abe rauch das war seinerzeit so üblich. Zumal EUROPA sicher am Konsum orientierte. So produzierte das Label Hörspiele und Musik-Tonträger für den Wegwerf-Haushalt. Damit griff man die Strategie der US-amerikanischen Industrie auf. Man konnte unheimlich viel produzieren in kurzer Zeit und man konnte billig sein. Kritiker verschmähten dies, weil sie Schallplatten und vor allem Musik als Kulturgut sahen.(1)
Kulturgut sind aber all die Platten und Hörspiele, die EUROPA damals machte sowieso - auf irgendeine Art und Weise und zumindest für einen Kreis von Anhängern über all die Jahre.
Minimalistisch war auch die Ausstattung. Okay ein schönes großes Cover von Olof Feindt, aber die Rückseite nutzte man hauptsächlich für eigene Werbung. Darüber hinaus gibt es nicht mehr Infos als in den Kassetteneinlegern auch. Ich weiß nun gar nicht wo ich das gute Stück erworben habe, als es mir heute im allerbesten Zustand aus meinem Plattenschrank heraus in die Hände fiel. In Folie war es noch, aber wohl eher nachträglich angelegt.
Zum Beiwerk
Es gibt nur wenig Musik auf der Platte, was man in der Neuauflage geändert hat. Erfreulicherweise muss man sagen, auch wenn ich mir da eine bessere und spannendere Musik gewünscht hätte. Leider wurde 1981 auch Ullas Schlusssatz "...und ich sage Dir, er lügt wie gedruckt", einfach herausgeschnitten. Es sollen auch noch andere Stellen fehlen. Aber in der CD-Version ist der Satz dann wieder drin.
Die Besetzung besteht zunächst aus Andreas von der Meden und Reinhild Schneider als Protagonisten Benno und Ulla. Als Hotelier Wagner hört man den unvergleichlichen Ernst von Klippstein. Sicher eine seiner markantesten Rollen. Seine Ehefrau Marianne Kehlau ist als Frau Bentien zu hören, die vom Geist zu Tode erschreckt wird. Der Geist wird von Peter Kirchberger gesprochen, hat aber selbst kaum Text. Den meisten dürfte sein schneidiges LINDAAAA! in Erinnerung geblieben sein. Jochen Serndt rundet den Cast in der Rolle eines Polizisten ab. Damit ist die Besetzung komplett, einen Erzähler braucht es hier nicht.
ich habe mich erfreut am umdrehen der Platte auf dem Plattenteller, der mit Blutooth-Lautsprecher verbunden war. So ganz ohne neue Technik geht es nicht. Aber in Anbetracht der heutigen Möglichkeiten mit Streamingdiensten und Co. ist es schon wie eine kleine Reise in die Vergangenheit.
Das Gespenst vom Schloßhotel
(1)= Die EUROPA-Chronik (Wolfgang Damerius, Frank Boldewin, Pop.de 2020)
(c) by author
Kommentare
Ich höre in letzter Zeit wieder sehr oft meine alten LPs. Auch wenn ich Musik auf Youtube höre, lausche ich meist den Kratzern alter Vinyl Schätze...
CDs höre ich nur noch im Auto...
Ganz zu schweigen von Winnetou!!!(Mit der guten, alten Filmmusik!)
Man kann über youtube sagen was man will, aber ohne diese Plattform hätte ich in vielen Fällen nur noch die Erinnerung...
und diese Artikel. Es ist auch Sinn solcher Aufsätze, die Erinnerung aufrecht zu erhalten bzw. zu erneuern.