Alarmstufe Rot - »Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben«
Alarmstufe Rot
»Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben«
Bei seiner Vladimir-Nabokov-Verfilmung „Lolita“ hatte Stanley Kubrick unmittelbar davor zum ersten Mal mit dem britischen Komiker Peter Sellers (1925-1980) zusammengearbeitet, den er später für dessen Improvisationstalent und die gute Zusammenarbeit über alle Maßen loben sollte. So verwundert es nicht, dass er Sellers in „Dr. Seltsam“ gleich mehrere Rollen anbot. Der Komiker war zunächst für vier Charaktere vorgesehen, konnte den Part des texanischen Majors T.J. King Kong dann aufgrund einer Verletzung allerdings nicht übernehmen, da dieser fast ausschließlich in einem Flugzeugcockpit agiert. Slim Pickens sprang für ihn ein, aber für Sellers blieben insgesamt trotzdem drei Rollen übrig, die er mit enormer Wandlungsfähigkeit verkörperte, was ihm schließlich seine erste Oscar-Nominierung als bester Darsteller einbrachte. Außerdem war Kubricks Film auch in den Kategorien Film, Drehbuch und Regie für den renommierten Filmpreis nominiert, musste sich allerdings fast überall dem Konkurrenzfilm „My Fair Lady“ von George Cukor geschlagen geben. Sein Platz in der Filmgeschichte ist aber auch „Dr. Seltsam“ sicher.
Mitten im Kalten Krieg der frühen 1960er Jahre fällt der psychopathische General Jack D. Ripper (Sterling Hayden) eine folgenschwere Entscheidung: Da er glaubt, die Sowjets würden das Trinkwasser der Amerikaner vergiften, schickt er eine mit Wasserstoffbomben ausgestattete Flotte an B-52-Kampfjets in die Sowjetunion, wo sie das ganze Land in Schutt und Asche legen sollen. Als General Buck Turgidson (George C. Scott) vom Angriff erfährt, wird er ins Pentagon in den Stab von Präsident Merkin Muffley (Peter Sellers) gerufen. Dort kann er allerdings auch nicht viel zur Deeskalation beitragen, weil Ripper der Einzige ist, der den Rückrufcode für die Flotte kennt. Colonel Bat Guano (Keenan Wynn) soll den Luftwaffenstützpunkt Rippers einnehmen und zwischen dem General und dem Präsidenten eine Telefonverbindung herstellen. Aber Ripper vermutet einen Angriff der Roten und verschanzt sich mit seinem RAF-Group Captain Lionel Mandrake (ebenfalls Peter Sellers) in seinem Büro. Präsident Muffley versucht in der Zwischenzeit, seinen russischen Amtskollegen am Telefon über den Stand der Dinge zu unterrichten. Dabei erfährt er von diesem und seinem wissenschaftlichen Berater Dr. Seltsam (Peter Sellers zum dritten), dass die Russen eine Weltvernichtungsmaschine gebaut haben, die sich bei einem nuklearen Angriff auf ihr Land selbständig einschaltet und alles Leben auf dem Planeten komplett vernichten wird.
Ein bedrückender Film, weil diese Art der Alptraumkomödie wohl leider nie an Aktualität einbüßen wird. Kubricks akribisch ausgestatteter und beleuchteter Schwarz-Weiß-Film ist voll beißender und treffender Ironie, zumal man sich gut vorstellen kann, dass bürokratisches Gebaren selbst im Pentagon zum Fallstrick werden kann. Neben dem selbstverständlich exzellent agierenden Peter Sellers stechen unter den anderen Schauspielern vor allem George C. Scott und Keenan Wynn ins Auge, die selten so gut waren wie hier. Ein wichtiger und nach wie vor beeindruckender Film, der der Menschheit einen Spiegel vorhält. Die Erstveröffentlichung als 4K-Ultra-HD-Disc bietet ein sehr gutes Bild (im Widescreenformat 1,66:1), bei dem nur gelegentlich das Filmkorn noch sehr deutlich hervortritt. Auch akustisch kann die Fassung überzeugen (Englisch im DTS HD Master Audio 5.1 oder in DTS HD Master Audio Mono; Deutsch, Tschechisch, Französisch, Italienisch, Japanisch und Spanisch jeweils in Dolby Digital 5.1, optional mit 29 verschiedenen Untertitelfassungen). Das umfangreiche Bonusmaterial besteht aus dem Featurette „Stanley Kubrick denkt über die Bombe nach“ (6 Minuten), Experten-Interviews, die jeweils Teilaspekte der Produktion des Films näher unter die Lupe nehmen (Mick Broderick – 19 Minuten, Joe Dunton und Kelvin Pike – 12 Minuten, Richard Daniels – 14 Minuten, David George – 11 Minuten, Rodney Hill – 17 Minuten), einem Audio-Interview mit Stanley Kubrick aus dem Jahr 1965 (3 Minuten), Interview-Clips aus der „Today Show“ mit Peter Sellers (11 Minuten) und George C. Scott (6 Minuten), einem Exhibitor-Trailer (17 Minuten) sowie dem englischen Kinotrailer zum Film.
© Sony Pictures Entertainment