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Von Löwen und Lämmern und Mäusen

Narnia - das Rollenspiel und seine AutorenVon Löwen und Lämmern und Mäusen
Narnia – Das Rollenspiel

Eins gleich vorweg: Lämmer zählen nicht zu den spielbaren Rassen im Narnia-Rollenspiel. Zumindest sind sie nicht ausdrücklich erwähnt, auch wenn das Lamm in der christlichen Mythologie durchaus vorkommt und schon deshalb nicht gänzlich abwegig erscheint. Die anderen in der obigen Aufzählung erwähnten Tiere können aber sehr wohl wichtige Rollen beim Spielen einer Narnia-Rollenspiel-Kampagne einnehmen.

Narnia – die von C.S.Lewis geschaffene Welt ist spätestens seit dem Disney-Blockbuster aus dem Jahr 2005 „Der König von Narnia“ so ziemlich jedem ein Begriff. Das nun passend zum Start des zweiten Narnia-Films „Prinz Kaspian von Narnia“ wieder haufenweise Lizenzprodukte von der Brotdose bis zum Sammelalbum auf den Markt geschwemmt werden war eigentlich schon vorher klar - aber ein Rollenspiel?

Nun, zu aller erst muss man klarstellen, dass es sich beim Narnia-Rollenspiel des Brendow-Verlags, der auch für die deutschsprachige Veröffentlichung der Narnia-Bücher sowie einiger Sekundärliteratur zum Themenkomplex Lewis und Narnia verantwortlich ist, keineswegs um ein typisches Lizenzprodukt handelt. Glücklicherweise kann man sogar feststellen, dass man im Gegensatz zu den oben erwähnten Überflüssigkeiten hier sogar ein ausgesprochen gut gemachtes Buch in die Hände bekommt. Doch schauen wir doch einfach mal, was uns mit dieser Veröffentlichung genau geboten wird: Mehr als 400 Seiten stark ist es geworden, das (wie uns der Pressetext des Brendow-Verlages verrät) weltweit erste Narnia-Rollenspiel. Hört, hört, keine Adaption bzw. Übersetzung aus dem Englischen, sondern eine Eigenproduktion des in Moers beheimateten Verlags, der sich sonst eher in christlich-religiösen Gefilden tummelt. Aber Narnia steht ja in Punkto christlicher Symbolik im Bereich der Fantasy-Literatur auch ganz weit vorn.

Als erstes fällt das sehr schlichte und wohl bewusst nicht auf „Spiel zum Film-Optik“ getrimmte Cover des Bandes auf – sehr positiv wie ich finde. Immerhin soll sich das gute Stück ja auch in Kreisen verkaufen, die Narnia auch über die Disney-Filme hinaus zu schätzen wissen. Beim ersten durchblättern kann man auch gleich einen Blick auf die Innenillustrationen von Kai Graf werfen, die allesamt von einer gewissen Schlichtheit getragen werden, die dem Gesamteindruck des Buches meiner Meinung nach gut zu Gesicht stehen. Die Autoren Ulrich Drees und Oliver Plaschka sind beide Neulinge im Bereich der Rollenspielautoren, wenngleich beide schriftstellerische Vorkenntnisse nachweisen können und auch ein ausgeprägtes Verhältnis zum Rollenspiel in ihrem Lebenslauf verankert ist. Doch nur weil jemand zum ersten Mal ein Rollenspielbuch schreibt, muss es ja nicht gleich schlecht sein. Und den Beweis treten die Autoren im übrigens (für ein Rollenspiel) ungewöhnlichen 16,8 x 24 cm-formatigen Narnia-Rollenspielband auch an.

 

Der Klappentext verspricht „alles, was man braucht, um ins Geschehen einzusteigen“ zu beinhalten. Nun ja, Würfel, Stifte und Papier sind auch noch von Nöten, doch das dürfte zumindest eingefleischten Rollenspielern ja sowieso klar sein – der entsprechende Hinweis darauf findet sich allerdings auch auf der Rückseite des Buches. Aber kann der Inhalt dieses Versprechen einhalten? Das Buch beginnt zunächst mit einer Einleitung, in der auf 18 Seiten recht anschaulich erklärt wird, worum es beim Rollenspielen eigentlich geht. Ähnliches hat man in vergleichbarer Form sicherlich schon recht häufig gesehen, muss aber wohl bei allen neuen Rollenspielregelwerken immer wieder genau so gemacht werden, da ja nicht nur erfahrene Spieler unter den Käufern sein sollen. Bereits hier zeigt sich in Ansätzen, dass es sich bei der Zielgruppe in erster Linie sicherlich um jüngere Spieler, die vielleicht mit diesem Buch den Einstieg ins Rollenspiel erfahren sollen, handelt. Meines Erachtens gelingt diese Einführung ziemlich gut, sie ist leicht lesbar und dürfte auch jüngeren Lesern keine großen Schwierigkeiten bereiten. Doch sehen wir weiter: Im nächsten Abschnitt geht es um die Charaktererschaffung und hier wird sogleich die Einzigartigkeit von Narnia im Vergleich zu den anderen Rollenspielwelten aus Literaturvorlagen auf. Wer die Geschichten von C.S.Lewis aus Buch oder Film kennt, wird wissen worauf ich hinaus will. Die Mischung aus Menschen, Fantasy-typischen Fabelwesen wie Zentauren, Faunen oder Zwergen und eher an Fabeln oder Märchen erinnernde sprechende Tiere ist wohl einmalig. Sämtliche eben aufgezählte Wesen lassen sich auch von der geneigten Spielerschaft ins Feld eines Rollenspielabends führen. Die Regeln zur Charaktererschaffung sind gut strukturiert und machen (auch wenn es sicher einiger Spielsitzungen bedarf, um dies abschließend zu beurteilen) einen gut durchdachten und ausbalancierten Eindruck. Ebenso fällt auf, dass bewusst auf eine zu große Fülle an Regeln verzichtet wurde, und dieser Eindruck bleibt auch beim Lesen der nächsten Kapitel bestehen in denen es vornehmlich um das weitere Regelwerk bzw. die Kampfregeln geht. Im Gegensatz zu vielen anderen Rollenspielen benötigt man übrigens nur „normale“ sechsseitige Würfel, die wohl in jedem Haushalt vorhanden sein dürften. Dies erleichtert also auch Menschen den Start ins Narnia-Rollenspiel, die bislang noch nichts mit Rollenspielen zu tun hatten, oder die keinen Spieleladen in der Nähe haben, um exotischere Würfel zu erwerben.

 

Hiernach folgt, wie bereits erwähnt, der wohl wichtigste Teil eines jeden Rollenspielgrundregelwerks – das Regelsystem, welches in den darauf folgenden Kapiteln zum Kampfsystem, Tugenden, Gaben und Zaubern umfangreich abgebildet wird. Im Großen und Ganzen gibt es hier nicht wirklich viel Neues für erfahrene Rollenspieler. Hauptattribute wie Stärke, Gewandtheit, Charisma und Intelligenz (insgesamt gibt es 9 Attribute) sind so oder in ähnlicher Form sicherlich in den meisten Rollenspielen vorhanden. Im Vergleich zu vielen anderen Systemen fällt allerdings der recht geringe Umfang der eigentlichen Kampfregeln auf, die mit 27 der insgesamt 400 Seiten durchaus knapp bemessen sind (bei DSA sind es knapp 40 von 300 Seiten, bei anderen Systemen deutlich mehr). Dies lässt meiner Meinung nach durchaus Rückschlüsse darauf zu, dass es sich bei Narnia eindeutig nicht um ein besonders kampflastiges System handelt, was auch dem Geist der Buchvorlage entspricht. Nichtsdestotrotz scheinen die Kampfregeln nicht zu kurz sondern sogar recht gut durchdacht und machen einen gut spielbaren Eindruck. Überhaupt sind die Regeln allesamt relativ einfach gehalten und auch für Einsteiger gut zu verstehen. Gerade die Abschnitte zu Tugenden, Gaben und Zaubern erreichen meines Erachtens sehr gut das Ziel der Autoren, das besondere Narnia-Flair in ein Rollenspielregelwerk zu transportieren. Hier haben es die Autoren beispielsweise nicht nur geschafft, die von Lewis in den Büchern erwähnten Formen der Magie umzusetzen, sondern gleich auch noch eine ganze Reihe neuer, aber trotzdem sehr stimmiger Zaubersprüche ins Spiel zu integrieren, so dass auch wirklich für jeden Geschmack bzw. jede Gelegenheit der richtige Zauber dabei ist.

 

Doch mit den Kapiteln zum Regelwerk ist das Buch noch lange nicht am Ende angelangt. Die Autoren haben wirklich ganze Arbeit geleistet und präsentieren auf weiteren 200 Seiten wirklich alles, was man zum Start in eine Narnia-Rollenspiel-Kampagne benötigt. Angefangen bei der Verteilung von Erfahrungspunkten und der damit zusammenhängenden Charakterentwicklung über wirklich umfangreiche Ausrüstungslisten bis hin zu einem Kapitel zu den verschiedenen, mit dem Narnia-Rollenspiel bespielbaren Epochen aus der Geschichte Narnias wird dem Spielleiter (der hier übrigens als Erzähler bezeichnet wird) sehr viel an hilfreichen Informationen rund um Narnia geboten. Abgerundet wird das ganze durch ein gut ausgearbeitetes Einstiegsabenteuer und eine Vielzahl von Abenteuerideen, die mit entsprechender Vorbereitung Stoff für etliche weitere Spielsitzungen bieten. Selbstverständlich darf auch ein alphabetischer Index ebenso wie die Kopiervorlage für den Charakterbogen nicht fehlen (der übrigens auch auf der Internetseite www.laternendickicht.de kostenlos heruntergeladen werden kann) nicht fehlen. Einziger Wermutstropfen ist meiner Meinung nach, dass die angekündigte Narnia-Landkarte nicht gesondert beiliegt, sondern lediglich auf den Buchinnenseiten abgedruckt wurde, und somit nicht besonders groß ausfällt. Trotz ihrer recht nett anzusehenden Gestaltung ist sie mir persönlich auch nicht detailliert genug. Manch ein Spielleiter wird gerade diese mangelnden Details allerdings eher als positiv empfinden, da so noch genügend Gestaltungsmöglichkeiten für eigene Orte existieren.

 
 

Narnia, das RollenspielFazit: Dem Brendow-Verlag und den Autoren gelingt es, ihr Erstlingswerk im Bereich der Pen&Paper-Rollenspiele zu einer absolut runden Sache zu machen. Einsteigerfreundlichkeit und ansprechende optsiche Gestaltung gehen mit einem gut durchdachten Regelwerk und allen wichtigen Information zum Start in die Welt von Narnia einher. Lediglich die Karte hätte meiner Meinung nach größer ausfallen können. Nun bleibt abzuwarten, ob sich genügend Käufer für dieses Produkt finden, so dass der Verlag noch weitere Publikationen wie Quellenbücher oder Abenteuer nachschieben wird.

 
 

Narnia – Das Rollenspiel
von Ulrich Drees und Oliver Paschka
mit Illustrationen von Kai Graf
ISBN 978-3-86506-214-7
Preis:    29,95 Euro
Brendow Verlag

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