Amerika - Ein neuer (alter) Western bei Bastei - Mit Jörg Kastner in den Wilden Westen
Amerika - Ein neuer (alter) Western bei Bastei
Mit Jörg Kastner in den Wilden Westen
Jörg Kastner
Der 1962 geborene Autor ist mir das erste mal begegnet als ich über Sherlock Holmes Pastiches recherchiert habe. Von ihm stammen zwei der ersten deutschsprachigen Titel "Dr. Watson und der Fall Sherlock Holmes" (1994) sowie "Sherlock Holmes und der Schrecken von Sumatra" (1997). Danach bin ich ihm noch ein weiteres Mal begegnet als es um Fortsetzungen der Erzählungen von Karl May ging. "Oase des Scheitans" (2000) und "Hadschi Halef Omar" (2010) stammen hier aus seiner Feder.
Doch Kastner ist weitaus vielseitiger. Er hat etliche historische Romane verfasst, darunter in den neunziger Jahren eine Germanen-Saga um Arminius und Bücher mit Handlungsort Köln. Es gibt aber auch phantastische Romane und einige Triller wie die Engels-Trilogie (2000-2006) von ihm. Und wie ich mittlerweile weiß, hat er auch einige Heftromane (Trucker King, Jerry Cotton und Lassiter) verfasst.
»Flucht in die Neue Welt«
Der Einstiegsroman spielt komplett in Deutschland und zwar in Elbstedt und Hamburg. Der junge Zimmermann Jacob Adler kehrt zurück in seine Heimatstadt. Er hat seine Wanderjahre abgeschlossen und will jetzt möglichst bald seine Braut Louisa heiraten und eine Familie gründen. Während der Wanderjahre hat er nur brieflich Kontakt mit den Menschen daheim halten können. Doch als er wieder nach Elbstedt kommt, drei Monate später als ursprünglich geplant, erwartet ihn eine böse Überraschung. Sein Elternhaus steht nicht mehr, dort befindet sich jetzt eine Lagerhalle der Arning-Brauerei. Schlimmer noch die Mutter ist gestorben und liegt auf dem Friedhof, die übrige Familie soll sich auf den Weg nach Hamburg gemacht haben, um von dort in die Vereinigten Staaten zu gehen. Und seine Louisa hat den Sohn des Brauereibesitzers geheiratet. Als er Nachforschungen anstellt, findet er heraus, was passiert ist.
Der Dachstuhl einer Kirche, die von seinem Vater errichtet worden ist, stürzte bei der Einweihung ein und tötete dabei einige Menschen. Sein Vater übernahm die Kosten für das Unglück und ruinierte sich dadurch. Louisa hat den Sohn des Brauereibesitzers geheiratet, weil dieser die lebensnotwendige Operation ihrer Mutter finanziert hat. Und hinter dem Kircheneinsturz stehen finstere Machenschaften eben jenes Brauereisohnes. Doch es kommt noch schlimmer. Dieser Bertram Arning fordert Jacob Adler zum Duell als er sich mit Louisa trifft. Doch die Erwartung bei einem Pistolenduell leichtes Spiel mit Jacob zu haben, erfüllt sich nicht. Obwohl völlig ungeübt trifft Jacob den Gegner. Da Duelle verboten sind wird Stillschweigen vereinbart. Doch Barning hält sich nicht daran und beschuldigt bald darauf Jacob, ihm aufgelauert und auf ihn geschossen zu haben.
Jacob muss fliehen und beschließt nach Hamburg zu gehen und seiner Familie nach Amerika zu folgen. In Texas gibt es einen Onkel, der dort schon seit etlichen Jahren lebt und sein Glück gemacht hat. Verfolgt von der Polizei erreicht Jacob tatsächlich die Hansestadt, muss dort aber feststellen, dass er nicht über die nötigen Papiere verfügt um ordnungsgemäß eine Passage auf einem Schiff nach New York zu bekommen.
Immerhin lernt er dort den jungen Martin Bauer kennen, einen Landwirt, der in den Vereinigten Staaten als Farmer arbeiten will. Als Jacob unter Hand eine Passage bucht, wird er von dem Auswanderagenten an die Polizei verraten, weil ein Barning ein Kopfgeld auf ihn angesetzt hat. Mit Hilfe seines Freundes gelingt es ihm dennoch als Frau verkleidet an Bord der ALBANY zu gelangen.
Ein historischer Roman?
Jörg Kastner hält sich weitgehend zurück, was die zeitliche Einordnung der Geschichte angeht. Man erfährt immerhin, dass der amerikanische Bürgerkrieg schon einige Zeit anhält und Bismarck preußischer Ministerpräsident ist. Das Ganze spielt also Anfang der 1860er Jahre. Was seine Schilderung der Wanderburschen und des preußischen Militärdienstes angeht, handelt es um Fakten. Auch die Organisation des Auswanderwesens mit den Agenten und den Umbau der Schiffe, weil für die Rückfahrt nicht genügend Passagiere vorhanden sind, ist historisch korrekt. Das Städtchen Elbstedt scheint dagegen reine Fiktion zu sein. Dieses preußische Städtchen ist nur sieben Nachtmärsche durch unwirtliches Waldgelände von Hamburg entfernt. Nun ist die Stadt aber um diese Zeit nördlich der Elbe vom damals dänischen Schleswig-Holstein umgeben und südlich der Elbe vom Königreich Hannover und auch weiter östlich der Elbe liegt erstmal mecklenburgisches Gebiet. Schleswig-Holstein und Hannover wurden erst 1866 von Preußen annektiert. Überhaupt bleibt der Autor auch bei der Schilderung Hamburgs eher vage, es gibt keinen Lokalkolorit. Und auch die im Roman geschilderte prompte Zusammenarbeit der Polizeibehörden von Hamburg und Preußen dürfte sich damals nicht so einfach gestaltet haben. Preußen und auch Hamburg waren eigenständige Staaten mit eigenen Regierungen, Gesetzen und Polizeibehörden. Historische Persönlichkeiten werden gar nicht in die Handlung eingebaut. Also: dies ist definitiv kein historischer Roman.
Die Hauptperson
Jacob Adler ist ein junger Zimmermann, "ein hochgewachsener Jüngling" mit breiten Schultern und einer Schirmmütze, der schon mal seine Fäuste sprechen lässt, aber eine Abneigung gegen Waffen aller Art hegt. Zwar empfindet er es durchaus als ungerecht, dass die Menschen in seiner Heimat je nach Herkunft ungleich behandelt werden, ein politischer Aufrührer ist er aber nicht, hält sich vielmehr an Recht und Gesetz. An Amerika fasziniert ihn die scheinbar gegebene Chancengleichheit für alle Menschen. Er ist ein Familienmensch, findet sich dafür aber doch recht bald mit dem Verlust seiner großen Liebe ab. Er ist ehrlich und gibt viel auf Freundschaft. Sieht so ein Westernheld aus?
Die neu aufgelegte Serie
Der Verlag bewirbt die Serie so:
"Im 19. Jahrhundert war es ein lebensgefährliches Wagnis, ins "gelobte Land" Amerika auszuwandern. Der Bürgerkrieg tobte, und der Westen war noch wild und ungezähmt, bevölkert mit Indianern, Glücksrittern und skrupellosen Banditen, die in allen "Greenhorns" leichte Beute sahen. Ein solches Greenhorn ist der Auswanderer Jacob Adler, der im Jahre 1863 in New York anlandet. Unschuldig des Mordes angeklagt, musste er aus Deutschland fliehen. Dem menschenfressenden Moloch New York knapp entkommen, macht er sich auf den Weg zur Westküste – hinein in ein Abenteuer, das seinesgleichen sucht!"
(Bastei Homepage)
Auch wenn Amerika im Bereich der Westernserien läuft, so weisen doch zumindest die ersten drei Bände (Deutschland, Schiffsfahrt, New York) etliche Elemente des Abenteuerromans auf.
Geplant ist anscheinend die kompletten 22 Bände der Serie neu aufzulegen. Das legt jedenfalls ein im Heft angebotenes Abo nahe. An eine Fortsetzung, die Jörg Kastner früher angestrebt hat, ist anscheinend (noch) nicht gedacht.
Immerhin hat MadMike im Basteiforum dazu Folgendes geschrieben:
"Und das Angebot von Jörg Kastner steht: Wenn wir grünes Licht geben, schreibt er weitere AMERIKA-Abenteuer. OB wir grünes Licht geben können, liegt allein an den Verkaufszahlen."
Verwendet werden übrigens auch die alten Titelbilder. Doch werden die Schriftzüge der Titel anders positioniert. Im Impressum findet man dazu: Titelbilder Boada/Norma. Dabei dürfte es sich um Sebastia Boada handeln und die Agentur Norma. Vergleiche dazu das von Uwe Schnabel geführte Interview.
Er hat auch für Professor Zamorra, Lassiter und Jack Slade viele Titelbilder geliefert. Bei Amerika waren es 20 von 22 Covern. Auch die Erscheinung von Dinoland hat Boada entscheidend geprägt mit 12 von 15 Titelbildern.
Meine Gedanken
Der erste Eindruck ist durchaus zwiegespalten. Einerseits finde ich die Sichtweise durch die Augen eines deutschen Auswanderers durchaus reizvoll. Andererseits wird mir zumindest im ersten Band zu dick aufgetragen. Der arme Jacob verliert sein Elternhaus, die Familie und auch noch seine Braut. Und zu allem Überfluss wird er auch noch zu Unrecht des Mordversuchs angeklagt. Mit seiner Abneigung gegen den Einsatz von Waffen und den überragenden Fähigkeiten im Faustkampf erinnert Adler mich ein wenig an Old Shatterhand, ohne dass das freilich moralisch überhöht wird. Wenn ich die Schilderungen von Hamburg betrachte, frage ich mich, wie wird Kastner das mit Amerika und dem Wilden Westen halten? Gibt es dort mehr Lokalkolorit und historische Fakten? Mit Martin Bauer hat Adler ja schon einen Sidekick bekommen, wird da allmählich eine kleine Heldentruppe aufgebaut oder bleibt es letztlich doch bei einem einsamen Helden? Ich denke, ich werde Amerika noch ein paar Bände weiter verfolgen. Die Überfahrt nach Amerika und New York finde ich durchaus spannend. Doch ich bin auch nicht der typische Westernleser. Wie wird die Serie bei denen ankommen?
Jörg Kastner - Heftromane
Kommentare
Das hatte schon was von Negativwerbung im Quadrat.
Wenn Du Dich aber erinnern kannst, Lox, habe ich damals beim Erscheinen von BE die Titelbilder kritisiert - und bin Im Bastei-Forum zusammen geschrien worden. Auch von Manfred Weinland, welcher ja gar keine Kritik verträgt.
John Sinclair hat meiner Ansicht nach meist recht gute Titelbilder, was auch ein Teil zum Serienerhalt beiträgt.
Die Cover von Dämonenland waren schlecht.
Aber die von Unger/Jenkins sind klasse. Hier hat BASTEI mit der Übernahme der alten Bilder sich selbst einen Gefallen getan.
Bedauerlich. Ich hatte auf ne Fortsetzung gehofft, immerhin lief es ja gut genug alles nachaufzulegen.