»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Spring ins Feuer und stirb! (Western Inferno Nr. 3)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Spring ins Feuer und stirb!«
Western Inferno 3 von Pat Anderson (Werner Dietsch [?])
Ihr erinnert Euch vielleicht noch: das war diese knackend harte, abgründige Höllenloch-in-der-Wüste-Story, in der nach allerlei Missetaten, Mord und Totschlag sich am Ende der Himmel auftat und Millionen von gefrässigen Heuschrecken fast alle Guten wie Bösen auffraßen, wenn nicht sowieso kurzfristig alles abgefackelt wurde (Schrei bis du umfällst).
Da gab es Fassungslosigkeiten auf jeder schwer erlesenen Seite und ein Westernstädtchen, in dem sie nach ein paar Tagen Wassermangel von einer Minute auf die Andere durchdrehen wie beim Primark-Ausverkauf, um sich alle martialisch an die Kehle zu gehen.
Aber da der Autor im heutigen Fall eben nicht U.H. Wilken, sondern Pat Anderson (wenn ich dem Web glauben darf, hauptsächlich ein Pseudonym des Westernroutiniers Werner Dietsch) auf dem Cover prangt, folgt dann doch eher westerntypische Kost, ohne übermäßige Strapazierung der Wahrscheinlichkeit.
Und was ist mit dem nötigen Inferno? Ja, das kommt auch, mit Ansage und überdies mit äußerst wenig Gnade, denn hier geht es um einen gepflegten Waldbrand, der sich dann später (als der Roman deutlich an Brennstoff verliert, ahem…) zu einem Präriebrand weiter entwickelt. Zusammen gehalten wird das alles von einer netten, klassischen Westernklammer, der Verfolgung eines Flüchtlings durch einen einsamen Recken, bzw. zwei knorrige Haudegen, die aufgrund und nicht wider besseren Wissens mitten in ein Inferno ziehen.
Insofern wird dieser Roman dem Tenor der Serie also wesentlich besser gerecht, weil er sich in moralisch-biblisch-mystische Gefilde verdrückt oder sich diesen zumindestens andient, sondern eine Naturkatastrophe schildert, wie sie in den Weiten der Steppe und der Berge tatsächlich mal vorkommen kann.
Dazu passt die kantige und robuste Natur der Klammer, die die nötige Grundsituation recht schlüssig vorgibt und Härte nicht mit Abstrusitäten vertauscht, bis die Elementarkräfte (plus die Taten eines Psychopathen) aus dem gesamten Cast brachial Hackepeter machen. Da wird dann auch saftig in die Gore-Kiste gegriffen, nicht nach dem Breen-Code-Gesetz unversehrt, aber tot am Boden liegend, sondern kleingemacht, gespalten und zermatscht.
Leider hält diese Plotgrundlage nur gut zwei Drittel des Romans durch – ein regelmäßiges Problem, leider – und das letzte Drittel zieht sich dann eine Runde in die Länge, bis es zum Pay-Off am Ausgangspunkt kommt. So hätte es auch James Stewart gespielt, wieder klassisches Material.
Hier ist dann also das brandheiß gesponnene Garn…
»Also, Sie sind der Kerl! Was können Sie sonst noch, außer Saloons zu zerlegen?«
Unser Held heißt Kansas – ein rauer Bursche!
Wer darauf spekuliert hat, mit einem wunderbaren Bud-Spencer-Moment begrüßt zu werden, hat Pech: die Schlägerei ist längst vorbei, als unser Held in der Gefängniszelle mit einem Mordskater wieder aufwacht. Dabei hat er sich aber wohl nicht lumpen lassen, denn weil irgendjemand dem Mägdelein May zu nahe getreten ist, hat er nicht nur vorab exzessiv gebechert, sondern dann auch noch einen kompletten Saloon kurz und klein geschlagen, mit einigen Männern inclusive. Anschließend hat man dem Rasenden eine Pulle mit Betäubungsmittel gegeben, die er dann fatalerweise auch noch auf ex gesüffelt.
Während sonst so etwas immer aufs Spesenkonto verbucht wird, steht hier ausnahmsweise mal eine 2000-Dollar-Rechnung im Raum. Der Sheriff verfolgt es noch nicht weiter, der Richter ist gnädig, da steckt was dahinter.
Tatsächlich kann und soll Kansas die Rechnung plus Spesen und Belohnung abarbeiten, wie ihm der „King of the Town“ namens Holt, eine echte Silberlocke anvertraut. Kansas muss nur einem Treck hinterher und Holts Sohnemax John wieder herschaffen, der mit einer gewissen Rina durchgebrannt ist. Kansas ist zwar nicht der erste Verfolger der ausgesandt wird, findet es aber sehr interessant, dass von den Anderen noch keiner zurückgekommen ist.
Kansas nimmt notgedrungen an und bekommt Unterstützung durch seinen alten Kumpel Lepko, dem er mal das Leben gerettet hat und der ist noch knorriger, noch rauer. Und wie Kansas so aus der ersten Person heraus zu uns spricht, da wissen wir schon, dass es Lepko nicht bis zur letzten Seite machen wird.
Man macht sich auf den Weg, den Powder River runter, doch weil Juni ist und sehr trocken, ahnt man schon, dass die beiden Zunder kriegen. Außerdem hat der Treck ordentlich Vorsprung.
Der erste Kontakt, den sie dann haben, ist ein alter Siedler, der vom Fischfang lebt und bei sich zwei blauäugige Blondinen namens Joan und Jennie wohnen hat. Die beiden haben ihm Indianer überlassen und nun wacht er über ihr Wohlergehen. Als in den nahen Bergen Waldbrände ruchbar werden, will der Alte mit den Mädchen und den Männern aufbrechen, weil in den Bergen sein Kumpel Frenchie wohnt, der in Gefahr sein könnte.
Frenchies Hütte ist dann auch schon abgefackelt, aber neben einem Ring, der einer gewissen Rina gehört, finden sie auch noch ein Spur zu einer weiter oben liegenden Hütte in den Hügeln. Leider geht die Unglückssträhne dann auch schon los, denn während eines Abendlagers, blastert sich der Alte versehentlich selbst mit seiner Flinte den Kopf weg, was die Stimmung nachhaltig trübt, vor allem bei den Mädels.
Der Plan, sie bei Frenchies Hütte abzuliefern, geht leider auch nicht, denn dem Franzosen hat jemand aufs Blutigste die Fontanelle perforiert und eine Frau liegt geschändet und mit eingeschossenem Hinterkopf nahebei – offenbar war sie mal eine Art Frauenbeauftragte in dem besagten Treck. Bei ihr findet man einen Hinweis auf Holt.
Kaum hat man die armen Seelen unter der Erde, als auch schon der pausierende Feuersturm von Neuem losbricht. Eine Flucht wird durch die Flammenwände vereitelt und man muss sich in die Hütte zurück ziehen. Noch während das Inferno um die Hütte losbricht, taumelt plötzlich ein junger Mann in die Hütte, wild nach seiner Rina rufend. Kansas traut sich in die Ofenglut und kann das Mädchen im letzten Moment bergen.
Als er wieder zu sich kommt, informiert ihn Lepko, dass die Situation mittelprächtig bis beschissen ist: die Pferde mussten erschossen werden, rund um die Hütte ist alles abgebrannt und es droht die Gefahr einer Terpentinexplosion, weil durch die Hitze die Stoffe in dem Baumharz zur Explosion kommen können.
Darüber hinaus scheint Früchtchen Johnny ein rechter Fiesling zu sein, der sofort – und zurecht – vermutet, dass Kansas und Lepko wegen ihm ausgesandt wurden. Rina hat derweil einen nachhaltigen Eindruck bei Kansas hinterlassen.
Leider können die Eingeschlossenen die Feuerpause nicht wirklich nutzen, weil sie sowohl Gegend als die Gegebenheiten bei Waldbrand nicht kennen und das Wetter finstere Kapriolen schlägt. Schon bricht der nächste Sturm los, der Brand wieder anfacht und als Holt die halbwegs schützende Hütte verlassen will, kloppt Lepko ihn nieder. Anschließend kommt es zu der angekündigten Explosion der Harzdämpfe und alles im weitesten Umfeld wird hübsch pulverisiert.
Als Kansas wieder zu sich kommt, kann er nichts sehen und nichts fühlen. Auf und neben ihm liegen Menschen und er muss sich erst frei arbeiten. Dann sieht er das Fiasko: Joans Körper hat seinen geschützt, doch ihr Kopf wurde durch ein Trümmerstück eingeschlagen, Rina liegt bewusstlos neben ihm. Lepkos Beine wurden durch einen Felsblock zertrümmert, allerdings lebt er noch. Holt hat das Inferno überlebt und erlöst Lepko mal präventiv per Revolver, bevor dieser wieder zu sich kommt. Jennie finden sie an einen Baumstamm genagelt, mit von einem Ast gespaltenem Schädel. Und rund um sie herum ist ein Wald aus knietief glühender Asche.
Holt beweist ab sofort seine Psychopathenfertigkeiten und entwaffnet Kansas, doch bei der Suche nach einem versteckten Messer, kann Kansas den Jungen ordentlich ausknocken. Rina bestätigt dann, dass Holt für all die Morde verantwortlich war und dass der Tote in der Hütte Frenchie war. Und, dass Frenchies Sohn gern Rache üben würde.
Während fast alle Wege abgeschnitten sind, quält die Überlebenden nun der Durst. Und Johnny Holt ist auch nicht untätig, befreit sich und startet einen Mordanschlag, den Kansas aber ohne Rücksicht auf Verluste vereiteln kann. Wieder wird Holt überwältigt.
Erst die nächsten Tage können sie den langen Marsch über die Aschefelder antreten und kämpfen mit Verätzungen, Hitze und Durst. Schließlich erreichen sie mühevoll die Prärie, finden jedoch trotzdem kein Wasser. Holt, inzwischen wieder befreit, aber ohne Waffe, folgt ihnen mit Abstand.
Schließlich nähern sie sich dem Powder River, doch der Weg über die Ebene wird durch einen zusätzlichen Präriebrand erschwert. Erst mit letzter Kraft schaffen es die beiden in den Fluss, John Holt mit erheblichen Verbrennungen.
Zurück in der Stadt liefert Kansas Holt seinem Vater aus, erklärt ihn gleichzeitig aber zum mehrfachen Mörder. Psycho-Johnny bestreitet das natürlich, doch die vage kritische Situation, ob man den reichen Daddy überzeugen kann, wird durch Frenchies Sohn aufgelöst, der John ein paar letale Kugeln verpasst und dann per Pferd stiften geht.
Vater Holt verzichtet überraschend auf eine Verfolgung und lässt es genug der Gewalt sein, dient sich dann aber als Ersatz-Großvater (oder Onkel) für Kansas und Rina, die beide in seine Dienste getreten sind. Muss ja nicht immer so laufen wie in „Weites Land“…
»Das Mädchen heißt Rina. Ist ein netter Typ. Seien sie nicht so hart zu ihr!« – »Ich bin zu Frauen nie hart!« …
Ja Freunde, das war ein ganz stabiler Abenteuer-Katastrophenreißer mit sogar recht realistischen Bezügen, auch wenn Freunden des puristischen Westerns bei den recht brachialen Todesarten und Verletzungen hier ganz anders werden dürfte, wobei auffällt, dass der Tod durch Flammen, wie aufgrund des Themas und des Covers suggeriert, gar nicht vorkommt. Niemand verbrennt hier auf 60 Seiten, sondern wird erschossen, erschlagen oder sonst wie zu Tode gebracht.
Das ist aber nicht schlimm. Wenn ich etwas zu mosern habe, dann dass dem Roman nach der Totalexplosion genau zur Halbzeit bald deutlich die Luft ausgeht und die Story sich in einen langen Marsch durch die Hölle verwandelt, wobei alle Beteiligten viel länger durchhalten, als sie es angesichts der Wasservorräte (in Zahlen: 0) überhaupt dürften.
Der Autor spielt ein wenig mit der Dreierkonstellation, weil man ja einen waschechten Psycho mit sich führt oder ihn später in seiner Nähe hat, aber nach zwei Überwältigungen durch Kansas geht auch dieser Bedrohung die Luft aus. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich die ganze Restbegleitung nicht gleich bei der großen Explosion aus dem Plot genommen und zumindest Lepko noch eine Weile dabei gehalten, was das sonst nur durch den Ich-Erzähler bemühte Gefühl in die Story gebracht hätte.
Das gilt auch für die Charaktertiefe, denn warum Johnny denn nun so ausgeklinkt ist, erfährt man nie. Rasend eifersüchtig scheint er wohl zu sein, Widerworte bringen ihn auf die Palme, aber für die Schlächtereien in Frenchies Hütte gibt es nicht so recht gute Erklärungen.
Genauso nebulös ist der Umgang mit Rina, die sich lange Zeit schweigend und geheimnisvoll gibt, bis sie endlich auspackt, als sie einen brauchbaren Beschützer in Kansas gefunden hat. Bis zu diesem hatte ich halbwegs noch auf eine weitere bösartige Überraschung (etwas dass sie verantwortlich ist) gewartet. Aber am Ende ist es dann doch nur die Story vom überaus arschigen missratenen Sohn.
Aber ich will nicht schlecht reden, abgesehen von dem zähen Marsch am Ende hält einen der Roman solide bei der Stange, beweist aber angesichts der in der Serie angeschnittenen Themen, was für ein Nischen- und Modeprodukt die Reihe in den 70ern war. Und wie alle Moden war auch diese irgendwann wieder vorbei. Aber manchmal ist so etwas einfach schöner, als der 1538. Standard-Western…
Hüh…