»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Juanitas gemietete Faust (Die Harten Western 13)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Juanitas gemietete Faust«
Die Harten Western 13 von Frank Glaser
Das klingt nach straighter Action, dicken Fäusten, vielen Toten, kurz, knapp, knackig.
Und dazu noch dieser Titel: „Juanitas gemietete Faust“, da sprang mein innerer Bud Spencer natürlich an wie ein Kettenhund vor dem gebratenen Flattermann auf dem Teller.
Tatsächlich hab ich da etwas recht Straightes bekommen, zumindest was den Plot an sich angeht, der so wunderbar geradlinig und konkret daher reitet, als könnte man das alles elegant vom Sattel aus erledigen, inclusive der dringlichsten Notdurft.
Doch da sei Frank Glaser vor!
Wer das ist?
Ja, das wüsste ich auch sehr gern und wenn irgendein fleißiger Pseudonymarchivar im Heftromanfandom irgendwo rauskitzeln kann, wer sich dahinter verbirgt, dann soll er mir Rede und Antwort stehen, denn selten haben sich Plot und Schreibstil so behakt.
Der gute Frank (den bösen Frank hat ja Charlie Bronson längst umgelegt) hat nämlich nur diesen einen Roman für die Serie verfasst (oder es wurde nur der Eine genommen) und wenn ich ein paar Bucks auf irgendwas beim Roulette setzen darf, dann lege ich meine Chips auf das Feld mit „Genrefremd“.
Oder zumindest „Heftromanfremd“.
Versteht mich nicht falsch, das ist kein schlechter Western, er zeugt von einem soliden, fast lyrischen Stil und präsentiert elaborierte Gespräche zwischen den Figuren, die sich in der typischen Vorstellungswelt eines kernigen Westernliebhaber meistens in Form von knackigen Onelinern abspielen.
Hier aber spuckt der Hero nicht einsilbig ein paar Worthülsen in den leeren Saloon und die gedungene Wildkatze spielt sich bei der Double-Entendre-Replik bereits an der Miederschnürung, nein, hier wird geschwurbelt und gedrechselt und wie wild ausformuliert, als müsste man beweisen, dass harte Westmänner auch zur Bilder ganzer Sätzen, ergänzt mit noch solideren Nebensätzen fähig waren.
Das ist um so verblüffender, weil ich selten einen Western gelesen habe, wo nicht wenigstens einer eine weiße Weste zu Markte tragen könnte. Doch hier bevölkern diese herbe Geschichte dem Obertitel entsprechend nur elendes männliches Gewürm und aggressive Pisser, die titelgebende Juanita glänzt mit sperriger Emanzipation, die unser Held ihr einfach nicht rauspoppen kann und der Kämpfer vor dem Herrn ist auch so ein vom Schicksal Verfolgter, der jahrelang auf allerlei Steckbriefen glänzte. Der Wilde Westen war düster, so scheints.
Das führt dazu, dass man bisweilen fassungslos vor lustig dahinschwurbelnden Dialogabsätzen sitzt, während man auf den eigentlichen Kugelhagel oder die nächste Prügelei wartet, stattdessen wortdrechseln die Protagonisten einen verbalen Paarungstanz zusammen, gefolgt gleich noch von einer mehrseitigen Liebesszene, die zwar nicht ganz pornös-peinlich ist, wie sie noch auf der Redlight Ranch zusammen geritten wurde, aber den Anschein erweckt, als hätte der Autor sonst hauptsächlichen leidenschaftliche Melodramen verfasst. Oder zumindest vor diesem Roman drei oder vier davon in Reihe.
Was an Plot dabei übrig blieb, klingt ungefähr so:
»Laß meine Hände los, aber gib mich nicht frei«, murmelte sie und biß ihn ins Ohrläppchen. »Wozu brauchst du deine Hände?«, fragte er mit leisem Lachen. »Sie sind schön, aber du hast so viel was noch schöner ist.« Sie lachte gurrend.«
Also Juanita Castillo hat einen Saloon und da geht es rund.
Augenblicklich zerschießt sie – natürlich das heißeste Wesen westlich des Rio Pecos – die Hand ihres eigenene Berufsspielers in ihrer Amüsierhölle, bevor er selbst seinen Derringer in unseren Helden in spe entleeren kann.
Das rettet Cliff Ryan aber nicht vor der gepflegten Bambule, denn der Spieler hat noch einen riesenhaften Kumpel namens Nat Caine und der will Satisfaktion. Natürlich nicht mit Kanone, sondern bar auf die Fresse. Also geht man sogleich in einen längeren Infight, den Cliff am Ende nicht nur gewinnen kann, er schlägt auch noch einen weiteren Angreifer praktisch ansatzlos mit k.o.!
Andernorts würde jetzt die dicke Rechnung präsentiert, aber Juanita quittiert das Zerlegen der Inneneinrichtung mit einem Augenbrauenheben und flotten Sprüchen und spendiert Cliff erst mal eine volle Pulle Whisky. Dann kommt der übliche versoffene und spindeldürre Stadtarzt gewieselt und verbindet den armen Spieler, während er ein paar Festus-mäßige Bemerkungen murmelt. Für seine Dienste wünscht er sich von Juanita erst mal eine flotte Weise, die vermutlich an der Spitze aller Spotify-Listen bis Dodge City ist und deren Lyrics der alte Glaser gleich komplett abdruckt: „Männer“.
Nach dieser peinlich zu lesenden Runde „Reim dich oder ich fress dich“ ist Cliff semi-dicht und gleichzeitig so rattig gesungen, dass er das Verschieben etwaigen Matratzensports nur sehr unwillig aufnimmt.
Natürlich hat Juanita Verwendung für Cliff und so reiten sie gemeinsam (sie in ungemein schnuckeliger Aufmachung) am nächsten Morgen zu ihrer 15 Meilen entfernt liegenden Ranch der Eltern, die schon einmal ordentlich abgefackelt wurde und nun wieder aufgebaut werden soll. Rinderzucht macht sie schon, Pferdezucht soll noch dazu und mit genug Penunse in der Tasche wird dann auch der Halbweltjob aufgegeben.
Fehlt nur noch der Männe, der die ganzen harten Jobs erledigt und dafür muss der ordentlich vorgegeilte Cliff jetzt durch den Bewährungsparkour.
Nach einem kleinen Wettreiten kommt man auf der Farm gerade rechtzeitig, um mitzubekommen, wie Vormann Tom Radisson (heute mal nicht blue) wieder zuzureitende Pferde „brechen“ will, vor allem einen unbezähmbaren Hengst.
An den wagt sich Cliff natürlich als Nächstes mit allem guten Pferdeverstand, während Toms Miene dabei düsterer und düsterer wird. Beim Zureiten macht er natürlich eine gute Figur, aber schlussendlich wird auch er beim ersten Versuch abgeworfen. Er übersteht alles ohne Bruch, aber der Hengst droht sich zu verletzen mittels des Sattelzeugs, während er sich wie toll aufführt.
Radisson soll ihn beruhigen, stachelt ihn aber nur noch mehr, so dass der Hengst auf den Vormann losgeht.
Cliff räumt ihn wütend aus dem Weg, woraufhin Radisson seine Waffe zieht, was wiederum Cliff zur Waffe greifen lässt. Radisson kriegt eine Kugel in die Schulter und anschließend die Kündigung.
Nach einem Glaserl Wein muss sich Cliff nu auch noch als Lassoschwinger wegen der Rinder bewähren und macht ihr erfolgreich den Roy Rogers.
Dann wird es auch schon Zeit für seine Geschiche, die alte Story vom umschuldig des Mordes Beschuldigten, auf dessen Kopf 5000 ausgesetzt waren und der ewig den wahren Mörder jagte, bis er ihn an den Galgen bringen konnte. So in Richtung Richard Kimble, nur mit Revolver.
Jetzt ist es aber höchste Zeit für den ganzen Kerl und Juanita deutet schon kribblig in Richtung Schlafzimmer. Insert Bilder eines Vulkanausbruchs.
Am nächsten Morgen ist die Hose gerade wieder an, als Halbblut Bruce von der Weide daher gesprengt kommt. Fünf Pferdediebe haben seinen Partner Frank umgelegt und die 30 guten Zuchtrinder gestohlen.
Das ist ein Job für Cliff, der sich gerade als Angestellter mit Aufstiegschancen zum Ehemann erfolgreich komplettbeworben hat. Er greift sich zwei Männer, die so eine Verfolgung gut mitmachen können, allerdings sind es mit Dario und Tobe nicht gerade die pflegeleichtesten. Vor allem Tobe hat immer Widerworte.
Derweil ist Tom Radisson in der Stadt angekommen, hasserfüllt und voller wahnsinniger Besitzansprüche an Juanita. Er lässt sich erneut vom Doc verarzten und presst aus dem das vermutliche Ziel einiger Bandenmitglieder heraus, die der Arzt zufällig bei einer Behandlung erfahren hat. Dann reitet er davon.
Derweil verfolgen Cliff, Bruce, Dario und Tobe die Viehdiebe quer durch das wilde, wüstenhafte Steppenland und kommen ganz gut voran, als sie bemerken, dass sie verfolgt werden. Der Verfolger ist aber niemand anders als Juanita, die dabei sein möchte. Notgedrungen nehmen sie ihren weiblichen Boss mit.
Als klar wird, dass die Diebe am Ufer eines Flusses ein Nachtcamp machen müssen, macht sich Cliff erst einmal allein auf die Strümpfe, um alles auszukundschaften. Natürlich wird er Klette Juanita dabei nicht los. Nach allerlei Warte- und Sabbelei, schleicht sich Cliff davon und nähert sich den Viehdieben auf die vorsichtige Tour. Er kommt aber nicht nah genug an sie heran und verrät sich schließlich versehentlich. Sofort wird auf ihn das Feuer eröffnet und er kann zwei der Männer aus der Entfernung mit seiner Winchester erschießen.
Das alles löst natürlich eine Mini-Stampede aus und die Rinder rasen durch den Canyon zurück. Cliff sammelt Juanita ein und kehrt zu den Männern zurück, die inzwischen die Herde in eine Sackgasse leiten konnten.
Cliff fordert die Männer auf, die Leichen zu begraben und die Herde zurück zu treiben, was aber bei Tobe nicht sonderlich gut ankommt, so dass er dem erst einmal was aufs Maul geben muss.
Er selbst sieht sich jetzt – wie in seinem eigenen Fall – im Rachemodus und will allein weiter reiten. Natürlich will Juanita wieder mit (gähn!).
Die Verfolgung wird eine harte und ermüdende Sache und beide sind nach einiger Zeit ganz schön kaputt, weil ihnen auch das Wasser ausgeht. Cliffs Hengst Negro riecht aber schließlich einen nahen Fluss und rettet seinen Reiter so.
Nach einem fröhlichen Bad wird dann zunächst mal wieder leidenschaftlich gerödelt.
Postkoital hat Cliff dann die Lösung parat: sein Pferd hat nämlich ebenso lüstern nach einer „rossigen Stute“ geschrien und sie somit in der Nähe gewittert. Also sind die Diebe nicht ferne.
Nach ausdauernder Suche finden sie das Tier, das allerdings ein gebrochenes Bein hat und erschossen werden muss. Offenbar sind jetzt drei Banditen auf zwei Pferden unterwegs.
So ist es nicht mehr lang zum Showdown und als man die Männer eingeholt hat, kann Cliff alle drei in einem Feuergefecht erschießen.
Bums steht plötzlich Tom Radisson in der Wildnis und will seinem Widersacher den Fangschuss geben, doch Juanita zieht schneller und legt ihn hinterrücks um.
Bitte fallen sie sich jetzt in die Arme...
»Als der Orkan langsam abebbte, flüsterte sie gepresst: »Du erdrückst mich.« - »Du hast es so gewollt. Gib es nur zu, Du hast mich nicht ins Wasser gelockt, damit ich mich abkühle, sondern damit ich an dir aufs Neue entbrenne«
Äh ja, und noch mehr ähnlicher Schwulst.
Leider kann dieser Roman nie ein erträgliches Dialogniveau erklimmen, sondern versinkt in einer Art pathetischem Schwulst, den nie jemand sagen würde, nicht einmal in einem Westernheftchen, schon kaum in einem Courths-Maler-Roman.
Dabei verfolgt der Autor seinen Minimalplot gar nicht mal so ungeschickt und sehr lesbar mit einem angenehmen, detailreichen und sehr farbigen Stil, der die Bilder hinter der Geschichte wunderbar in Szene setzt. Machen die Figuren jedoch die Klappe auf, wird es steif und nicht selten ziemlich peinlich.
Insofern kann man sich also an schönen Beschreibungen ergötzen, gleichzeitig ist das einer dieser Texte, die man um Himmels Willen nicht laut vorlesen darf, weil man sich dabei ansonsten vor Lachen einnässen würde. Sonst ist das eher ein Merkmal von schwülstigen Liebesgeschichten mit hohem Sexanteil.
Wer sich das Teil also besorgen möchte, bitte laut deklamierend vor Publikum verlesen.
Ansonsten ist das ein passabler Western, auch wenn der Plot ein wenig dünn ist.
Die erste Hälfte besteht aus einer lauernden Umkreisung, als Arbeitsbewerbung getarnt, die zweite aus der Verfolgung der Viehdiebe. Danach ist dann auch gleich Schluss und man erfährt nicht, wie es mit Cliff und Juanita weiter geht, aber bestimmt haben sie der Gegend noch ordentlich eingeheizt.
Die Story mit Tom Radisson, der plötzlich bei den Banditen auftaucht, ist übrigens ein klarer Fall von „Oh, ich hab mich da bei meinen 20.000 Detailbeschreibungen von Wetter, Natur und Lebewesen so verzettelt, dass ich die Story jetzt schnell auf einer Drittelseite zuende schreiben muss.“ Also treffen sie alle bei dem Feuergefecht zusammen, die total gesichtslosen Banditen, gefühltes Kanonenfutter, Radisson, die brünstige Juanita und der toughe Cliff. Fertig, aus. Naja, so ein als Snack zwischendurch gehts.
Interessant ist übrigens, dass mit Juanita hier endlich mal eine Frauenfigur auftaucht, die sich wirklich nie die Butter vom Brot nehmen lässt, sich nicht blöd aufführt, nicht plötzlich nächtens mal klein und schwach werden muss, sondern dem Thema Emanzipation im Westen durchaus konsequente Seiten abgewinnt.
Dass Cliff so einiges besser kann als sie, akzeptiert sie klaglos, klebt ihm aber immer wieder an den Hacken und will hartnäckig überall dabei sein. Das nervt zwar manchmal den Leser und noch öfter Cliff, aber die Resultate beweisen, dass er ohne sie am Ende tot in der Wüste liegen würde. Lohnt sich doch, so eine Frau, die auch mal widersprechen kann.
Ist aber auch nötig, denn die übrigen Männer sind meistens ziemlich dreckig, hässlich, grob, fanatisch und/oder geil, so dass ich fast gewillt bin, hinter Frank Glaser vielleicht eine Frau zu vermuten oder zumindest einen Autoren, der gut Romane für beide Geschlechter schreiben konnte.
Nur mit dem Dialog, der eben wie aus einer schlechten Theateraufführung oder eben tatsächlich einem billigen Schmierenroman klingt, hat man so seine Schwierigkeiten.
Ach so, besonders „hart“ war dieser Western nun auch wieder nicht, aber schon recht direkt und Held Cliff darf seine anatomische Härte ja auch mehrfach beweisen, insofern war das Kelter-Label schon ganz in Ordnung. War halt die heiße Erde von Neu Mexico…
Das soll für heute reichen, ich muss noch das Pferd versorgen...
Kommentare