»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Rote Rache (Dan Oakland Story 29)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Rote Rache«
Dan Oakland Story 29 von U.H. Wilken
Amüsierwillige unter den Lesern haben sich noch meine abenteuerliche Zählung der Toten aus dem Roman »Nordlicht-Geister« (Dan Oakland Story 64) in Erinnerung, aber davon wird es heute keine Wiederholung geben, denn obwohl auch hier in Dutzenden und Zigdutzenden gemeuchelt und gestorben wird, bleiben die Zahlen diesmal nicht ganz so detailliert an den Zeilen kleben, sondern müssen in den Geschichtsbüchern der Welt nachgeblättert werden.
Denn, wie es der Zufall so will, habe ich mir einen der alten „Oaklands“ geangelt, die bereits im „Silber-Western“ veröffentlicht wurden – in diesem Fall als sechster Band mit der Nr. 1074. Für Horror-Fans: das ist so wie ein ganz alter Larry Brent oder ein John Sinclair aus dem Gespenster-Krimi.
Tatsächlich fußt dieser Roman auch noch rund und gut (bzw. bös) auf einem tatsächlichen historischen Ereignis, dem Massaker am Sand Creek, bei dem die amerikanische Kavallerie ein übermäßig aus Frauen, Alten und Kindern bestehendes Indianerlager der Cheyenne und der Arapaho angriff und zu großen Teilen niedermetzelte. Tante Wiki spricht von 133 Todesopfern, ob aber damals wirklich so genau mitgezählt wurde und wie viele der Angegriffenen später noch gestorben sind, weiß man nicht so genau.
Strukturell fand ich diesen „Oakland“ jetzt simpler und einfacher einzuordnen, als das Dauergemeuchele aus dem späteren Roman. Der Rot-gegen-Weiß-Konflikt (nicht der von der Currywurstbude, Leute!) steht auch hier im Zentrum und die einfache Rechnung von Gewalt erzeugt Gegengewalt kann sich problemlos jeder heraus destillieren. Dabei kommen die Weißen natürlich schlechter weg (willkürliche Gewalt, maßloser Hass, ehrloses Gebaren, angestrebte Vernichtung aller Indianer) als die Indianer (beachtlich gnadenlose Rache), wobei aber keine Seite wirklich etwas zu gewinnen hat, denn die Weißen sind schon die Überlegenen und die Indianer eh auf dem Rückzug.
Der Zauberwort – beliebt auch bei „Rape‘n‘Revenge“-Filmen – heißt dabei Revanchismus, denn ein simples einseitiges Metzeln ergibt noch keine gelehrige Moritat, wie man es vielleicht besser hätte machen sollen.
Bemerkenswert an diesem Roman ist, dass es sich wirklich fast ausschließlich – bis auf die Details, in die unsere Helden Dan Oakland und sein Sohn Sky betreffen, wirklich – um historische Ereignisse handelt, bis auf eine kleine Auslassung am Schluss, aber davon später mehr.
Natürlich wird so mehr eine spannende Nacherzählung der historischen Geschehnisse daraus, eine Geschichtsstunde, während die Protagonisten derweil durch die historischen Locations eiern, damit die Leser auf die jeweiligen Orte fokussieren können. So wird die zentrale Figur nur zum Chronisten im Geschehen, ohne jedoch wirklich Einfluss auf die Geschehnisse ausüben zu können. Das ist ungewöhnlich für die Western-Heftromane, wo der Plot meistens schwer zentriert heldengetrieben angelegt wird….
»Sie schossen so lange, bis sich kein Leben mehr rührte!«
November 1864:
Während anderswo noch der Bürgerkrieg tobt, ist Dan Oakland mit seinem halbindianischen Sohn Sky auf dem Weg in den Norden, wo man noch in Ruhe überwintern kann.
Allerdings müssen sie dafür in einem Fort Proviant aufnehmen, was dadurch erschwert wird, dass sich dort offenbar ausnahmslos Indianerhasser breit gemacht haben. Und dann taucht auch noch ein 600-Mann-Regiment von Soldaten auf, geführt von Colonel Chivington (historische Gestalt!), der den Auftrag hat (oder sich zu eigen macht), die ansässigen Indianer mal so richtig durchzuvernichten.
Es gibt zwar Verträge und eigentlich ist es gerade halbwegs friedlich, aber sowohl der leitende Major Anthony wie auch Chivington sind zwei Fans des gottgegebenen Massakers, mit dem man die „rote Brut“ auslöschen kann. Dazu wollen sie das Winterlager der Stämme am Sand Creek angreifen.
Dan kann seinen Sohn zwar noch aus dem Fort schicken, bevor das Regiment sich darum breit macht, er selbst kommt bis zum Abmarsch jedoch nicht mehr hinaus. Er wird Zeuge, dass nur drei der Offiziere, darunter ein Captain Sole (die historische Figur heißt übrigens Soule) gegen den Plan sind, auch Frauen und Kinder zu attackieren oder überhaupt an diesem Massaker teilzunehmen.
Oakland trifft einen alten Scout namens Beckwourth, der die Soldaten führen soll, sich aber entscheidet, nach der Abreise den Blinden zu spielen, auf dass die Soldaten selbst ihren Weg finden müssen.
Sky versucht, von draußen Kontakt aufzunehmen und schleicht sich durch das Armeelager. Prompt muss er einen der Soldaten bis zur Bewusstlosigkeit würgen, um kein Aufsehen zu erregen.
Die verständigenden Käuzchenrufe von Vater und Sohn verraten Dan fast, doch Beckwourth gibt an, er habe die Rufe ausgestoßen.
Dennoch wird Sky entdeckt und nach längerer Suche gefangen ins Fort gebracht. Damit ist Oakland praktisch aufgeflogen und muss sich verstecken, wird aber Zeuge, wie Sole (Soule) und seine Männer sich zur Befehlsverweigerung verschwören.
Das Regiment zieht am 28.November schließlich los.
Beckwourth zieht seine Show durch, aber die Kavallerie zwingt einen Rancher, sie weiter zu führen.
Dan kann die verbleibenden Wachen niederschlagen und Sky befreien. Mit einem Husarenritt preschen sie auf Pferden aus dem Fort, wobei Sky sich noch einen Streifschuss einhandelt.
Der Versuch, das breitgefächerte Regiment jedoch zu umreiten erweist sich als zu zeitraubend, die Oaklands können die Indianer im Lager nicht mehr rechtzeitig warnen.
Es kommt zu dem brachialen historischen Massaker, bei dem 700 Weiße auf 400 Indianer losritten und unvorstellbare Grausamkeiten vollbrachten. Die Oaklands werden Zeuge.
Später suchen sie die Cheyenne in ihrem Winterlager auf, wo die Indianer auf Rache sinnen. In einem großen Rat verbündet sich „Leg-in-the-Water“ mit den Arapahos und den Sioux, um den Gegenschlag zu führen.
Oakland entscheidet sich sich schließlich, den Winter in der Postkutschenstationssiedlung Julesburg zu verbringen.
Von nun an schlagen die Indianer zu, wo es nur geht – exemplarisch wird hier eine kleinere Poststation mitsamt allen Gästen niedergemetzelt.
Als der Winter fortschreitet, gerät Sky in Julesburg zunehmend unter den Einfluss seiner Hormone – und den des Alkohols. In einer Kneipe kommt es zu einer munteren Schlägerei, bei der wirklich alles zu Bruch geht. Allerdings möchte Sky irgendwann auch mal eine Frau haben, was wegen seiner Abstammung eher prekär gesehen wird.
Inzwischen greifen die Indianer vor allem auch die Lebensmitteltransporte an, die von der Armee begleitet werden. Als alle bis auf einen jungen Soldaten abgeschlachtet sind, lässt Leg-in-the-Water diesen am Leben, obwohl er am Sand Creek mit dabei war.
In Julesburg ist der Winter nun weit fortgeschritten und die Aggressionen häufen sich. Der fanatische Indianerhasser O‘Henry (einarmig!) trifft mit neuen Nachrichten über die Indianerattacken und Belagerungen ein und findet hasserfülltes Gehör.
Als sie einen trinken, begegnen Dan und Sky dem alten Indianer „Old Man oft the Thunder“, der in der Stadt natürlich in großer Gefahr ist. Prompt wird er von einer wütenden Menge gefangen genommen und als möglicher Spion schließlich vor der Stadt aufgehängt.
Ein von dem Toten mitgeführter Spiegel bringt Dan auf die Idee, dass damit tatsächlich Signale an das Heer der Indianer draußen vor der Stadt gegeben werden sollten. Als er den Beweis dafür findet, werden Sky und er von O’Henry und anderen Männern überwältigt und beschuldigt, mit den Indianern zusammen zu arbeiten.
Sky soll am Morgen drauf gehängt werden, Dan wird gefesselt im Hotel zurückgelassen.
Doch noch in dieser Nacht schleichen sich die vereinigten Indianerkriege nach Julesburg und legen überall Feuer, um dann während der Rettung die Weißen zu attackieren.
Dan, dem Hilfe verweigert wird, kann sich befreien und in letzter Sekunde zu Sky eilen, der just von O’Henry ermordet werden soll, was sich mangels eines Arms jedoch als schwierig erweist. Dan erschießt den Mann.
Mit dem Segen der Indianer fliehen Vater und Sohn in das Lage der Indianer in den Bergen, wo sie auf den Häuptling Black Kettle treffen, der nicht begeistert vom Krieg ist, sich aber nicht durchsetzen konnte. Sky verliebt sich in das hübsche Mädchen „Die-in-der-Sonne-steht“. Als sein Vater mit den anderen Häuptlingen aufbricht, weil die Indianer Fort Ratkin angreifen wollen, bleibt er zurück.
Im Fort sind die Kavalleristen inzwischen gezwungen, sogar schon Lebensmitteltransporte zu begleiten, damit sie ihr Ziel erreichen.
Bei Sky im Lager läuft es für den jungen Mann ziemlich gut (ahem!), bis auch hier eine Abordnung von Soldaten sich einen schnellen Sieg verspricht und in den Morgenstunden das Lager mit den Frauen und Alten attackiert. Es gibt wieder viele Tote, darunter Skys neue Freundin, aber die Angreifer werden vollständig aufgerieben. Keine entkommt.
Gleichzeitig greift die Hauptmacht der Indianer den Transport samt Hilfsbegleitung an und schlachtet alle Beteiligten ab – inclusive des jungen Soldaten, der in den Bergen noch verschont geblieben war. Das wird als Sieg gefeiert.
Sky bleibt nichts übrig, als das Mädchen zu begraben, dann reiten Vater und Sohn davon.
»Ich hab sie geliebt, Dad!«
Merkt ihr was?
Das ist hier gerade mal so die Hälfte einer für mich so typischen Inhaltsangabe – und ich habe nicht mal aus Zeitgründen oder Unlust irgendein Detail ausgelassen.
Nicht, dass bei U.H.Wilken in diesem Fall nichts los gewesen wäre, aber dieser Roman hangelt sich so bewusst und bemüht an historischen Ereignissen entlang, dass die beiden Hauptfiguren wie ins Bild gehämmert wirken. Auffällig geraten sie hier entweder in totale Lebensgefahr oder werden hilflos Zeuge unglaublicher Grausamkeiten, die sich Rot und Weiß gegenseitig antun. Bei Letzterem können sie nie etwas tun (weil das Ereignis ja so geschehen ist), bei Ersterem glaubt man – sofern man den Trick in diesem Fall durchschaut hat - meist nur an bemühte Seitenschinderei, eben weil die Episoden wie Füller wirken und Protagonisten selten sterben.
Natürlich kann ich mich endlos ergötzen wie Dan und Sky immer wieder kurz vor dem Exitus durch blutrünstige Rassisten und augenrollende Indianermörder stehen und sich dann doch brachial durchsetzen können (wobei das eigentlich meistens nur Dan ist, während Sky hier noch relativ naiv durch die Gegend schleicht), aber sogar im Rahmen eines einzelnen Romans spürt man, wie die beiden Figuren mit sanfter Gewalt in den örtlichen Rahmen gezwungen werden, in dem das alles stattfinden musste.
Womit wir auch schon bei „Sand Creek“ und „Julesburg“ wären!
„Sand Creek“ werden Westernliebhaber wohl kennen, aus „Little Big Man“ oder „Das Wiegenlied vom Totschlag“, dieses berüchtigte Massaker hat seinen Weg in die Annalen der Indianerkriege gefunden und steht heute exemplarisch für die Verbrechen der „Weißen“.
„Julesburg“, die hier abgehandelte Revanche, ist nicht so bekannt, lässt sich aber in Verbindung mit „Sand Creek“ sogar in der Wikipedia finden, insofern sind sowohl die Belagerung der Stadt wie auch die Angriffe auf Lebensmitteltransporte und Soldatentransporte historisch verbürgt.
Einen kleinen Auslasser leistet sich allerdings der Autor bei der Revanche, der durchaus nicht unbedeutend ist. Mit dem Massaker an den Soldaten und dem Treck kommt so eine Art Hauch von ausgleichender Gerechtigkeit auf, doch auf die Belagerung und den geplanten Angriff auf das Fort Ratkin (das namentlich bei Wilken gar nicht genannt wird) kommt man nach dem letzten Schlachtfest gar nicht mehr zu sprechen. Die Indianer hätten für sich in diesem Fall gewonnen – und gut. Tatsächlich misslangen jedoch sowohl Angriff wie auch Belagerung des Forts anscheinend, trotz zahlenmäßiger Überlegenheit, was sich am Ende des Romans jedoch nicht so gut gemacht hätte.
Da wird symbolisch einfach mal die Unschuld geopfert, in Gestalt der soldatisch missbrauchten Lichtgestalt, die einmal überlebt und beim nächsten Mal dann eben kein Glück mehr hat. Wär er mal aus der Armee ausgetreten…
Ansonsten ist hier schon alles beim Alten und das wird mir jetzt schon beim zweiten Roman ein bisschen zu eindimensional: alles Killer außer Mutti hier.
Jeder, ja wirklich fast ausnahmslos jeder Weiße hier in der Weite Amerikas HASST Indianer. Höhö, alle abschlachten, die Untermenschen! Gebt mir Blut! Gore macht Western besser!
Als Alibi treten einmal kurz die historischen Befehlsverweigerer auf – leider auch in einer dramaturgisch dann unnützen, weil nicht weiter erzählerisch verfolgten Sequenz, damit hat es sich aber auch schon. Wer nicht mindestens zur Hälfte Indianerblut in den Adern hat, ist ein verdammter Rassist und Menschenschlächter und das tritt sich irgendwann breit. Das gilt auch für die anderen hier geschilderten Charakterzüge, die mit feige, alkohol- und streitfixiert, lynchbereit, schmuddelig und ungewaschen wohl noch am besten beschrieben sind. Und ich spreche von Soldaten und Zivilisten, Männer wie Frauen.
Intensive Sequenzen gelingen trotzdem: Sand Creek ist wirklich herbe geschildert und sehr drastisch für einen Heftroman und der Angriff auf die Poststation im Schnee inclusive des finalen Abschlachten/Vergewaltigens der Frauen (nur angedeutet) steht dem Ganzen in Direktheit so gut wie nichts nach. Gestorben wird hier nicht heroisch, edel und gut, sondern dreckig, hart und blutig, insofern stimmts dann wieder, wenn wir an der Westernerromantik vorbei zielen.
Dennoch kommt man nicht umhin, hier die Indianer ein wenig idealisiert zu sehen und die Weißen durchgängig zu Unmenschen ummoduliert.
Überhaupt fehlt es an weiteren Figuren, die mehr und länger als drei Seiten aktiv sind und für die man sich weiter interessiert als bis zum dem Wunsch sie möglichst schnell abgeschlachtet zu sehen.
Das heißt nicht, das wäre hier nur etwas für die niederen Instinkte, aber irgendwo zwischen historischer Schilderung, Moral und Botschaft muss leider auch immer wieder der Unterhaltungsanspruch befriedigt werden, der bei dieser Blut-und-Tränen-Story mit bekanntem Ausgang immer wieder auf das Gleiche hinausläuft: das Zertrampeln der Unschuld durch Hass und Gier.
Hat man diese Abläufe erst einmal auf dem Schirm, können die gängigen Abläufe ganz schön schnell langweilig werden, außer man liebt diese sich beständig wiederholenden Elemente heiß und innig.
Fazit: eine recht rohe und direkte Geschichtsstunde mit einigen deftigen Füllern, die aber nicht wirklich überzeugend in die geschichtlichen Abläufe eingefügt wirken und eher zur Groteske neigen.
Aber abschließend doch ein ausreichender Reiz, sich mit den Indianerkriegen mal etwas mehr zu beschäftigen.
Kommentare
Zur Erscheinungszeit gab es fürs Zielpublikum wenig allgemein zugängliche - sprich bezahlbare
- Nachschlagemöglichkeiten. Das war immer einer der zusätzlichen Anreize bei Ronco, die historischen Infos, die für Kontext sorgten.
Insofern wundert es mich nicht, dass Wilken da einige Infos ausgelassen hat. Vielleicht wusste er es auch gar nicht. Kommt aufs Quellenmaterial an.
Ist sowieso schon erstaunlich, dass in einem Genre, dass hierzulande derart schematisch und beliebig gehandhabt wurde - wie die ganzen Lobo/Sundance/Lassiter/was ist er heute, egal Infos zeigen - jemand da überhaupt eine solche Saga durchziehen konnte.
Danach war ich ein paar Monate lang Dan Oakland Leser, jedoch waren das nicht gar so viele Romane, da das ja noch die Silber Western Reihe war, und Oakland erschien dort etwa alle 4 Wochen. Nach ca 10 Romanen bin ich dann aber wieder ausgestiegen, bei Nr 21 der SW Zählung, weiß gar nicht mehr genau warum, da die mir alle gut gefallen hatten. Ich habe dann später noch mal einen Letzten gekauft, der aber ziemlich öde war, und das war es dann.
Ich habe in den letzten Jahren 2 oder 3 der alten Oaklands noch einmal versucht, aber mehr als passabel sind die jetzt nicht mehr. Die Handlungen sind meist zu schematisch, und es gibt kaum interessante Charaktere.