Western (Romane): Eulenmond von Hilde Kähler-Timm
Eulenmond
von Hilde Kähler-Timm
von Hilde Kähler-Timm
Nachdem der kleine Treck sich zweimal geteilt hat, sind die Rickers die einzigen, die weiterhin an ihrem Ziel, dem Fort Walla Walla am Fuße der blauen Berge, festhalten. Doch der Vater leidet seit Monaten unter einem hartnäckigen Husten und die Vorräte müssen um Frischfleisch ergänzt werden.
An diesem Morgen im Oktober gehen der Vater, der älteste Sohn John und der dreizehnjährige Harry auf die Jagd. Zurück bleibt die fünfzehnjährige Tochter Josie. Während die Männer sich um das Fleisch kümmern, soll Josie die anderen Arbeiten wie Wäschewaschen, Kochen, Nähen u. a. verrichten. Sie lassen Josie ein Gewehr und einen Revolver zurück. Auch der junge Hund Buff bleibt bei ihr. Der Vater verspricht, bis zum Abend zurück zu sein.
Der Tag vergeht wie im Fluge. Arbeit gibt es reichlich zu tun. Und erst als das Feuer am Abend brennt, die Bohnen gekocht sind, beginnt Josie sich Sorgen zu machen. Ihre Männer sind noch immer nicht zurück. Das Mädchen gibt mehrere Schüsse in die Luft ab. Doch niemand antwortet ihr. Die Schüsse verhallen ungehört. Josie verbringt eine unruhige Nacht mit Buff an ihrer Seite im Planwagen.
Am nächsten Morgen beschließt Josie, nach den Männern zu suchen. Sie findet lediglich ein Stück von Vaters Jacke und einen Knopf von Johns. Sonst keine Spur. In den nächsten zwei Tagen sucht sie das Tal noch in andere Richtungen ab. Auch ohne Erfolg. Pa, John und Harry bleiben verschwunden. Nun gibt sich das Mädchen ganz ihrer Verzweiflung hin, isst und trinkt nichts mehr, fleht Gott um ihren Tod an. Erst der kleine Hund Buff, den sie zusammen mit ein Paar Mokassins von Great Plaines-Indianern eingetauscht hat, weckt wieder ihren Lebenswillen. Josie beginnt um ihr Überleben zu kämpfen. Sie bekommt den Wagen niemals allein aus dem Tal heraus. Der einzige Weg wäre zu Fuß zurück zum Trail. Doch der Winter steht vor der Tür. Kein Wagen würde mehr auf dem Weg nach Oregon sein. Und allein bei Schneefall hätte sie keine Chance. Also beginnt sie eine Hütte zu bauen, Vorräte zu sammeln, um den Winter im Tal zu überstehen.
Im nahen Gebirge teilt sich eine Indianerfamilie vom Stamm der Cayusen. Ein Kind ist an Windpocken erkrankt, dieser von den weißen Siedlern eingeschleppten tödlichen Krankheit. Um einer Epidemie zu entgehen, nimmt der Häuptling Schwarze Schlange den Großteil der Familie mit, während die direkten Verwandten unter der Führung von Springender Fisch zurückbleiben. Die Cayusen mussten vor der Übermacht der Siedler in die Berge fliehen, die immer noch jeden ihres Stammes töten, als Rache für das Massaker an den Männern, Frauen und Kindern der Missionsstation, das die Indianer 1847 verübt haben. Allerdings wussten sich die Cayusen nicht mehr anders zu helfen, starben sie doch an den eingeschleppten Krankheiten der Weißen, ohne von ihnen Hilfe zu bekommen.
Für Josie und die Cayusen wird der Winter hart. Die Vorräte sind knapp, Fleisch ist selten. Dennoch hat sich Mond der singt in das verbotene Tal gewagt und dem Mädchen den letzten Ochsen gestohlen, den anderen hatte sie selbst geschlagen. Dabei waren sich beide kurz begegnet. Der Indianer erschrak vor der hageren bartlosen Gestalt in Männerkleidung.
Während sie eingeschneit sind, wagen sich die Indianer noch einmal ins Tal, entwenden aus dem Planwagen Josies Notvorräte, ein Gewehr, Honig, Trockenfleisch, Bohnen. Doch sie töten auch einen Berglöwen, der den weißen Siedler bedroht.
Als das Tauwetter beginnt, wird das kleine Tal überflutet, Josies Hütte weggespült. Sie rettet sich mit Buff und den letzten Vorräten in den alten wasserdichten Planwagen. Nun verlässt sie langsam ihre Kraft. Nachdem Mehl und Bohnen aufgebraucht sind, fällt sie irgendwann ins Delirium. Auch Buff ist dem Tode nahe. Doch die Cayusen finden sie, sehr erstaunt darüber, ein Mädchen vor sich zu haben. Sie nehmen Josie mit, pflegen sie wieder gesund.
Um die weißen Siedler nicht noch mehr zu verärgern, beschließen die Indianer, die junge Frau ins Fort Walla Walla zu bringen.
Hilde Kähler-Timm, 1947 in Holstein geboren, studiert Germanistik und Kunstgeschichte in Kiel und Hamburg. Heute lebt die Diplombibliothekarin mit ihrer Familie bei Lübeck. Sie arbeitet in der Stadtjugendpflege und gibt Schreibseminare.
Die Autorin greift in ihrem Roman Eulenmond auf eine historisch verbürgte Geschichte zurück, wie sie in ihrem Nachwort erklärt. Vorbild für die Figur der Josie Ricker ist Miss Janette Riker, die tatsächlich allein in einem Tal überlebt hat, von den Cayusen gefunden wurde und später einen Siedler geheiratet hat. Doch über die näheren Umstände sagen die Quellen nichts. Der kleine Stamm der Cayusen ist schon früh von weißen Siedlern ausgerottet worden.
Kähler-Timm gelingt es, dem Leser die Figuren glaubhaft näher zu bringen. Sie lässt Josie in Rückblicken während der langen Wintertage ihre Reise und ihre Familiengeschichte erzählen. So erleben wir die harte und entbehrungsreiche Reise nach Westen mit, den Kampf gegen Unwetter, Hunger, Indianer und Krankheiten. Auf der anderen Seite bringt sie uns aber auch die Lage der Indianer, speziell der Cayusen über die Familie von Springender Fisch näher.
Geschickt wechselt die Autorin in jedem Kapitel die Perspektive, erzählt einmal von Josie, dann von den Indianern. Und dem Leser wird schnell klar, dass alle in diesem geschilderten Winter dieselben Probleme haben, einfach am Leben zu bleiben.
Eulenmond ist ein wunderbares Buch über die Besiedlung des amerikanischen Westens und seine dramatischen Auswirkungen für die Ureinwohner.
Kommentare
Der in Maine lebende Autor Matthew P. Mayo (geb. 1968) erhielt dafür im Jahre 2018 drei Westernliteratur-Preise, nämlich den Spur Award für das beste Jugendbuch (Best Juvenile Western Fiction), den Western Heritage Award für den herausragenden Roman (Outstanding Western Novel) und jüngst den Peacemaker Award für das beste Jugendbuch (Best Western Young Adult / Children Fiction).
Mayo erzählt das Drama in Form des fiktiven Tagebuchs des unvermittelt auf sich allein gestellten Mädchens (Untertitel: „A Story of Frontier Survival“).
matthewmayo.com/books/novels/stranded/
Man kann gespannt sein, ob dieser Preisregen und die einhellige Begeisterung der amerikanischen Kritiker auch deutschen Verlegern auffallen wird oder nicht. Ob wohl in naher Zukunft eine Übersetzung auf den hiesigen Markt kommen wird?