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Eine Hommage an Leutnant Blueberry 1

Eine Hommage an Leutnant Blueberry 1

Nach 17 Jahren erscheint mit der Hommage eine neue Geschichte um den berühmten Leutnant der US-Armee.  Blueberry ist in Fort Navajo stationiert und wird Zeuge der Ermordung zweier Indianerinnen.
Krieger ihres Stammes starten daraufhin einen Rachefeldzug, der das Potenzial zu einem neuen Indianerkrieg in sich trägt. Blueberry gerät zwischen die Fronten und versucht das Schlimmste zu verhindern.

In der Nähe von Fort Navajo hat sich eine Sekte niedergelassen. Deren Anführer ist der Prediger Dahlstrom, der zwei Kinder in die Glaubensgemeinschaft mitgebracht hat. Bei einem Ausritt in die Wüste töten die zwei Geschwister mit einem  Freund zwei Indianerinnen beim Versuch sie zu vergewaltigen.

Blueberry befindet sich in der Nähe und greift in die Auseinandersetzung ein. Er wird von den Dreien überwältigt und zurückgelassen. Er birgt die Leichen der beiden Indianerinnen und bringt sie zu ihrem Stamm zurück.

Die beiden sind die Frau und die Tochter des Kriegers Amertume, der sich für die Tat an den Mördern rächen will. Amertume bricht mit einigen Kriegern zum Tatort auf und findet dort Hinweise auf die Täter. Sie begeben sich auf einen Rachefeldzug quer durchs Land.

Blueberry kehrt nach Fort Navajo zurück und erhält den Auftrag die Mörder und deren Familien zum Schutz in das Fort zu bringen, denn Blueberry hat die Mörder erkannt, das den Indianern aber nicht mitgeteilt. Dahlstrom kommt ihm zuvor und bringt sein Gefolge ins Fort.

Er hat die Tat seiner Kinder in Erfahrung bringen können und fürchtet nun Racheaktionen der Indianer. Die Mörder sind nicht in das Fort mitgekommen. Der Prediger hat sie beauftragt, die Familie der Ermordeten zu töten.

Blueberry begibt sich mit Jimmy McClure und einer Einheit Soldaten auf die Suche nach den jungen Leuten. Auf einer von den Indianern überfallenen Farm liefern sich die Soldaten einen Kampf mit diesen, dem Blueberry und McClure gerade noch so entkommen können. Sie kehren nach Fort Navajo zurück.

Die Lage eskaliert weiter und die Indianer setzen ihren Rachefeldzug fort. Blueberry macht sich allein auf die Suche nach den drei jungen Leuten…

Fazit
1963 veröffentlichen Jean Michel Charlier und Jean Giraud mit Fort Navajo die erste Episode der Serie Blueberry in dem französischen Comicmagazin Pilote. In den folgenden Jahren wird sich Blueberry zur erfolgreichsten europäischen Westernserie mausern.

Die Serie setzt kurz nach Beendigung des amerikanischen Bürgerkrieges 1865 ein und erzählt die Lebensgeschichte des jungen Leutnants Mike Steve Donovan, der in den Wirren des Krieges zur Armee der Nordstaaten gelangt und den Namen Blueberry annimmt. Die Serie wird die weiteren Erlebnisse des Helden chronologisch weitererzählen und nutzt ein in Comics selten verbreitetes Stilmittel: Blueberry altert mit den Jahren mit.

Charlier und Giraud können ihren Großzyklus um den Schatz der Konföderierten und General Gelbhaar gerade noch zu Ende erzählen, als Charlier im Jahre 1989 stirbt. Giraud schreibt und zeichnet von 1995 bis 2005 den Zyklus Mister Blueberry, in dem ein sichtlich gealteter Blueberry aus der Armee ausgetreten ist und an der berühmten Schießerei am OK Coral teilnimmt.

Schon 1968 schrieben Charlier und Giraud einige Episoden über die Jugend Blueberrys, die im amerikanischen Bürgerkrieg beginnen und zur Handlung nach Fort Navajo aufschließen sollen.

Nach Charliers Tod übernimmt Francois Corteggiani die Jugendabenteuer und führt sie zeitlich fast bis an Fort Navajo ran. Giraud schreibt einen weiteren Dreiteiler in den Jahren 1991 bis 2000, in dem Blueberry zum Marshal einer Kleinstadt wird.

Die Lebensgeschichte Blueberrys ist bis heute nicht weitererzählt. Es gibt einen Auftritt Blueberrys in der Serie „Die Gringos“. Sie spielt im Jahre 1913 während der mexikanischen Revolution und zeigt einen ergrauten Blueberry.

In der Hauptserie gibt es einen Hinweis, dass Blueberry im Jahre 1913 mit Pancho Villa den Rio Grande übertreten wird. Die Geschichte ist in Blueberry nie erzählt worden und die Autoren der Gringos erhalten von Giraud die Erlaubnis, die Geschehnisse in ihre Geschichte einzubauen. Am Ende des fünften Bandes verlässt Blueberry Mexiko und der Leser verliert seine Spur.

Zwischen allen erschienenen Comicalben bestehen zum Teil erhebliche, zeitliche Lücken, die mitunter einige Jahre betragen. Der vorliegende Band nutzt eine dieser Lücken und erzählt eine Episode aus der Zeit, in der Blueberry noch in Fort Navajo stationiert ist.

Die chronologische Einordnung ist nicht ganz einfach. Im ersten Zyklus um die Indianerkriege und seinen Einsatz als Sheriff ist er noch der Draufgängertyp, wie er in vielen amerikanischen Western der 50er und 60er Jahre zu sehen ist. Äußerlich wirkt er wie ein geschniegelter Offizier, der mit flotten Sprüchen dem Kartenspiel frönt und keine Schlägerei auslässt.

In den späteren Zyklen ist der Einfluss der Italowestern unübersehbar. Seine Haare werden länger und die Uniform verdreckter. Seine bisherige Aufmüpfigkeit wandelt sich zu offenem Widerstand gegen die Autoritäten, vor allem in der Armee. In dieser neuen Story wirkt Blueberry schon nicht mehr ganz so edel, so dass diese Geschichte wahrscheinlich nach dem ersten Indianerkrieg  und vor seinem Abenteuer als Sheriff spielt.

Joan Sfar und Christophe Blain wagen es nun, dem Werk von Charlier und Giraud ein weiteres Kapitel hinzuzufügen. Es ist nicht einfach im Zuge dieser beiden Könige der Comicliteratur zu bestehen. Entfernen sie sich zu weit von der Erzählweise und der originalen Vorlage werden die alten Leser die Geschichte nicht annehmen.

Kopieren sie einfach nur alte Storys, werden die Bände als fader Aufguss abgeurteilt werden. Daher versuchen die beiden Altes und Neues miteinander zu verschmelzen, was Ihnen auch ganz gut gelingt.

Thematisch zieht die Gefahr eines neuen Indianerkrieges hinauf. Die Entwicklung des Konfliktes beginnt langsam und der Leser kann sich so gut auf die Handlung einstimmen. Blueberry versucht die Vergewaltigung der Indianerinnen zu verhindern, aber trotzdem werden sie von dem Geschwisterpaar umgebracht. Die Indianer wollen sich an den Weißen rächen und starten einen Rachefeldzug.

Blueberry gerät schon wie in früheren Zeiten zwischen die Fronten und versucht Leben zu retten. Ein Wiedersehen gibt es ebenfalls mit dem alten Trunkenbold Jimmy McClure, der vor allem in der zweiten Hälfte der Geschichte an der Seite Blueberrys ist.

Zur Mitte der Geschichte spielt der Kommandant von Fort Navajo Schach gegen eine Maschine. Die Maschine ist der Form eines Menschen nachempfunden und von einem reisenden Händler in das Fort gebracht worden. Die Sequenz wirkt etwas deplatziert und hat im ersten Band keine weitere Auswirkung auf die laufende Handlung. Vielleicht ändert sich das in der Fortsetzung.

Autor Sfar scheint vor dem großen Charlier nicht zurückzuschrecken und erzählt unbekümmert eine Westerngeschichte in bester Blueberrymanier, ohne wie eine Kopie des Meisters zu wirken. Zeichner Blain gerät ebenfalls nicht in Versuchung, wie eine Kopie Girauds zu wirken und prägt die Geschichte mit seinem eigenen Stil.

Seine Zeichnungen sind nicht mit der Versessenheit an Tiefe und Detailliertheit charakterisiert, wie der Leser es von Giraud gewöhnt ist. Trotzdem schafft es Blain, den Leser mit seinem aufgeräumten Stil an die Seiten zu binden.

Einige Einstellungen und Perspektiven, vor allem in denen Blueberry zu sehen ist, lassen dann doch darauf schließen, dass er die Zeichnungen von Giraud eingehend studiert hat. Vielleicht mag das der Grund sein, warum die Zeichnungen an einigen Stellen dann doch etwas vertrauter wirken.

Von den geplanten zwei Alben ist bisher eines erschienen. Die Geschichte versteht sich als Hommage an Blueberry. Leser, die bereits die Jugendabenteuer von Corteggiani haben links liegen lassen, werden möglichweise mit diesem Zweiteiler wenig anfangen können.

Für Sie ist das Werk mit dem Tode Girauds abgeschlossen. Andere Leser freuen sich auf ein neues Abenteuer mit dem wackeren Leutnant, der das Herz am rechten Fleck hat und hoffen auf vielleicht weitere Abenteuer.

Eine Hommage an Leutnant Blueberry
Band 1: Das Trauma der Apachen
Erscheinungsdatum: 02.04.2020
Preis: 15,00 €
Egmont Comic Collection

© Torsten Pech (10/2023)

Kommentare  

#1 R. Windeler 2023-10-26 09:01
Ich zitiere meinen Beitrag aus dem Comicforum vom 30.07.2021:

Vorweg: Ich finde den Band nicht schlecht, jedenfalls deutlich besser als die letzten Bürgerkriegs-Bände. Aber es gibt einige Dinge, über die ich mich schon sehr wundere.

Die Erzähltechnik lässt zu wünschen übrig. Stellenweise wirkt es so, als seien die Anweisungen des Texters an den Zeichner in den Comic übernommen worden.

Dass drei junge Menschen unterwegs sind, muss man mir als Leser nicht sagen, wenn der Zeichner in der Lage ist, junge Menschen erkennbar als junge Menschen darzustellen.

Die Namen der drei und ihre verwandtschaftliche Beziehung muss man mir auch nicht mitteilen, wenn sie sich anschließend aus den Dialogen ergeben.

Halten Sfar und Blain ihre Leser für so beschränkt, dass sie glauben, ihnen auch das Offensichtliche oder leicht Erkennbare mitteilen zu müssen?

Ebenso bei der ersten Szene mit dem automatischen Schachspieler. Hier erkennt der Leser nach ein paar Panels, dass der Gegner des Kommandanten kein Mensch, sondern ein Automat ist. Warum – um Himmels willen – muss man dem Leser dieses Erkennen dadurch verderben, dass man es ihm platt ins Gesicht sagt?

Und so geht es immer weiter. Ruth Tyreen wird uns gleich mit vollem Namen vorgestellt. Warum? Wenn der Szenarist sein Handwerk versteht, werden wir im Laufe der Geschichte selbst erkennen, wie sie heißt.

Oder Blueberrys Motive dafür, die Leichen der beiden Frauen nicht liegen zu lassen, sondern einzuwickeln und mitzunehmen. Warum nicht anstelle eines „Textkastens“ eine Blueberry-„Denkblase“ („Ich kann sie hier nicht liegen lassen…“)?

Geradezu peinlich wird es, wenn uns erklärt wird, was es mit der Sekte auf sich hat. Ein Szenarist mit Talent wäre in der Lage, diese Informationen subtiler und eleganter zu vermitteln. Zum Beispiel hätten sich Blueberry und der Colonel über die Sekte unterhalten können, als Blueberry seine Vermutung äußert, dass es sich bei den drei jungen Menschen um die Tochter des Predigers und deren Begleiter handelt. Ein Dialog wäre allemal besser gewesen als die plumpe Verkündung im Begleittext.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass die Architektur des Fort Navajo mit derjenigen von Giraud in den Charlier-Stories nichts zu tun hat?
#2 Des Romero 2023-10-27 20:25
Wenn nicht Jean Giraud/Möbius auf dem Band steht, interessiert er mich nicht! Der Zeichenstil ist mir zu eckig und ohne die typischen Schraffierungen. Da ist mir auch egal, ob die Story gut ist.
Hartes Urteil, weiß ich, aber 50 Jahre Blueberry lassen sich nicht so einfach ersetzen.
#3 R. Windeler 2023-11-11 10:49
Zitat:
In dieser neuen Story wirkt Blueberry schon nicht mehr ganz so edel, so dass diese Geschichte wahrscheinlich nach seinem Abenteuer als Sheriff spielt.
Dagegen spricht, dass in "Der Mann mit dem Silberstern" der weißhaarige Colonel Kommandant von Fort Navajo ist, der diese Stellung auch in späteren Bänden inne hat. Die Trauma-Story dürfte daher VOR der Sheriff-Story spielen.
#4 Ganthet 2023-11-11 13:56
zitiere R. Windeler:
Zitat:
In dieser neuen Story wirkt Blueberry schon nicht mehr ganz so edel, so dass diese Geschichte wahrscheinlich nach seinem Abenteuer als Sheriff spielt.
Dagegen spricht, dass in "Der Mann mit dem Silberstern" der weißhaarige Colonel Kommandant von Fort Navajo ist, der diese Stellung auch in späteren Bänden inne hat. Die Trauma-Story dürfte daher VOR der Sheriff-Story spielen.
Du hast recht. Da gehört die Episode wohl hin. Ich habe den Artikel entsprechend korrigiert.

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