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FARGO DER REVOLVERMANN

fargoFARGO
DER REVOLVERMANN

Fargo, der Revolvermann von John Benteen erschien von 1977 bis 1978 als eigenständige Taschenbuchserie im Pabel Verlag. Den Fans der Heftromanreihe Star Western dürfte der Autorenname nicht ganz unbekannt gewesen sein. Bereits seit 1975 gab es in unregelmäßigen Abständen Benteens Serie Sundance als Heft. Nun entschied man sich, Sundance als Taschenbuchserie noch einmal neu aufzulegen, im monatlichen Doppelpack mit Fargo, der zweiten Serie von John Benteen.

 

Silber aus MexicoHinter John Benteen verbarg sich der amerikanische Autor Benjamin Haas (1926 - 1977), der unter verschiedenen Pseudonymen schrieb. Als Thorne Douglas verfasste er die Westernserie Rancho Bravo (1972-1977) mit fünf Titeln, als Richard Meade schrieb er Thriller und Fantasy, unter seinem richtigen Namen historische Romane. Als Jack Slade steuerte er auch zu Lassiter bei.

Fargo umfasst im Original 23 Romane; nach Haas' Tod wurde die Serie im Gegensatz zu Sundance nicht von anderen Autoren weiter fortgesetzt. Obwohl das die Zeit der anonymen Verlagspseudonyme war, steckt hinter Benteen zumindest offiziell immer Haas. Ein Fargo wurde von einem anderen Autoren beigesteuert, der unter dem Pseudonym John Wesley Hardin erschien.

Der erste Roman erschien 1969 bei dem Taschenbuchverlag Belmont Tower aus New York. Haas war ein Profi, der zwar marktorientiert schrieb, aber auch durchaus bereit war, von den traditionellen Westernthemen abzurücken. Er folgte eindeutig dem Zeitgeist, wenn in der Serie Sundance die Generäle und Politiker der Indianerkriege als völlig korrupt dargestellt werden und der Held ein Halbblut ist. Oder Neal Fargo ein Söldner mit Vergangenheit ist.

Klappentexta us dem Original Man mag spekulieren, dass sich der Autor kräftig von Sam Peckinpahs Film The Wild Bunch inspirieren ließ. Viele Elemente des Films finden sich hier wieder, von der Epoche bis zu der expliziteren Gewaltdarstellung. Die ersten Romane erschienen nicht in einheitlicher Serienaufmachung, das kam erst später. Zum Erscheinungszeitpunkt gab es die nummerierten Action-Adventure-Paperbacks noch nicht, die in den Siebzigern und Achtzigern in den USA Millionenauflagen erlebten. Diese Erfolgsgeschichte wurde erst 1969 von dem Autor Don Pendleton angestoßen, dessen Roman The Executioner – War against the Mafia das Genre der gewalttätigen Vigilantenserien begründete. Zwar erreicht Fargo bei Weitem nicht den Gewaltfaktor dieser Romane, aber Ton und Atmosphäre sind schon beträchtlich rauer als im klassischen Westernroman.

Neal Fargo ist der klassische Einzelgänger, der schon alles gemacht hat, ob nun Profiboxer, Viehtreiber oder Rausschmeißer im Bordell. Als Soldat nahm er bei der Invasion von Kuba teil und wurde der persönliche Freund von Theodore Roosevelt, dem späteren Präsidenten. Jetzt, im Jahre 1915, arbeitet er als Söldner und Waffenschmuggler oder übernimmt für viel Geld gefährliche Aufträge. Das Geld gibt er dann für Glücksspiele, Frauen und das gute Leben aus. Handlungshintergrund ist nicht nur die Freundschaft mit Roosevelt, sondern auch die Epoche, in der der klassische Westen verschwindet. Es ist die Zeit des Ersten Weltkriegs und der Revolution in Mexiko. Das hat alles nur noch wenig mit Westernromantik zu tun und mehr mit dem Beginn des Maschinengewehrzeitalters.
 
Ben Haas weiß spannend und farbig zu erzählen, der atmosphärisch beschriebene Schauplatz ist dabei genauso wichtig wie die ununterbrochene Action. Das lässt darüber hinwegsehen, dass die Romane größtenteils demselben Muster folgen, sogar am Anfang jedes Mal dieselben Beschreibungen haben, wenn es um Fargos Vita oder sein Waffenarsenal geht, das vom automatischen Colt 1911 bis zur abgesägten Schrotflinte reicht. Das ist sehr amerikanisch und ein echter Vorläufer des Gun Porn, wie man diese Art Romane heute so treffend nennt.

Panama GoldDas simple Konzept - Fargo erhält seinen Auftrag, lernt eine schöne Frau kennen, die sich ihm auf der Stelle hingibt, stößt auf den Hauptgegner, immer ein eiskalter Killer mit einer Armee von Killern, und vernichtet ihn am Ende - wird vor allem durch die für einen "Spätwestern" ungewöhnlichen Schauplätze aufgewertet. Ein Großteil der Romane spielen an Orten wie Argentinien, Guatemala und einmal sogar auf den Philippinen. Davon sollte der deutsche Leser allerdings nichts mitbekommen.

Die deutsche Ausgabe kann unter keinem guten Stern gestanden haben. Im Anfangsjahr der Veröffentlichung starb der Autor, das Originalmaterial reichte keine zwei Jahre. Der Held verkörperte genau den Typ, den die Sittenwächter des Jugendschutzes aus ganzem Herzen verabscheuten: einen Söldner und Waffenschmuggler, der für Geld in Bürgerkriegen tötet. Also das perfekte Material für eine Indizierung. Darüber hinaus wollte man offensichtlich viele der Romane dem Publikum nicht zumuten, weil sie eben keine "richtigen" Western darstellten. Geschichten vor dem Hintergrund der Revolution in Mexiko mochten ja noch angehen, aber Abenteuergeschichten auf den Philippinen oder in Argentinien? Natürlich ist das Spekulation, aber die Tatsache, dass unter den 15 Romanen bereits zwei – nicht besonders gute - Einschubbände von deutschen Autoren sind und nicht einer der exotischeren Schauplätze vertreten ist, ist schon bezeichnend. Dabei hatte die Redaktion vermutlich mit ihrer Einschätzung leider sogar recht. Das auf Pferdeopern, Cowboys und Indianer eingeschworene Publikum hätte auf die eigentlich dem historischen Abenteuerroman zugehörigen Geschichten bestimmt eher irritiert reagiert.

Apache RaidersDie Übersetzung kann man aus den bereits angeschnittenen Gründen nur als gereinigt bezeichnen. Fraglos ist sie professionell gemacht, fasst geschickt zusammen, kürzt den Text. (Die ersten Bände haben noch 154 Seiten, die dann auf 160 erhöht wurden.) Der Vergleich der ersten beiden Kapitel des ersten Bandes Silber aus Mexiko (Fargo) wirft ein interessantes Schlaglicht auf den Zeitgeist und den Umgang mit dem Originalmaterial.

Fargo steigt pleite in El Paso aus dem Zug, die Figur wird in ihrem historischen Kontext vorgestellt, lernt in einem Saloon die schöne Tess kennen, wird von zwei Typen provoziert, die er zusammenschlägt, dann geht er mit Tess auf ihr Zimmer. Abblende. Am nächsten Morgen liegt sie nackt neben ihm, und nach einem Quickie, das in der Epoche vor dem Adult Western noch dezent mit ... beschrieben wird, macht sich unser Held auf den Weg zu seinem Auftraggeber, der Ärger mit dem Revolutionär Pancho Villa hat.

Die Übersetzung nun unterschlägt die meisten historischen Fakten. Die Erwähnung Theodore Roosevelts fällt ausgerechnet im ersten Band unter den Tisch. Warum die Leser auch mit unnötigen historischen Details überfordern? Die ausgesprochen sexualisierte Beschreibung von Tess, die es erregt, als Fargo die beiden Männer zusammenschlägt, ist deutlich entschärft oder fällt ganz weg. Die detaillierte Beschreibung der wüsten Schlägerei ist ebenfalls deutlich verkürzt und entschärft, und der Quickie am Morgen findet auch nicht statt.

Phantom GunmanDurch die Streichungen wird die Betonung eliminiert, dass die Ereignisse hier zur Zeit des Ersten Weltkriegs spielen. Als Leser muss man schon wissen, dass Pancho Villa und der mexikanische Bürgerkrieg zwischen 1910 und 1920 anzusiedeln sind, um den Zusammenhang herzustellen. Vor allem aber nehmen die Einkürzungen auch in den Folgeromanen den lakonischen und pulpigen Tonfall weg und säubert sie, wo es um Gewalt, Sex oder die überaus machomäßigen Charakterisierungen vor allem in Hinsicht auf den Umgang mit Frauen geht. Der Fargo der deutschen Ausgabe ist ein gereinigter Fargo.

Insgesamt 10 Bände wurden nicht übersetzt. Darunter ein paar ausgezeichnete Abenteuerromane. Vor allem Valley of Skulls scheint von der Thematik Filme wie Indiana Jones oder Fitzcarraldo oder die Ideen von Autoren wie James Rollins oder Clive Cussler vorwegzunehmen. Zugegeben, das hat nun wirklich nichts mehr mit dem klassischen Western zu tun, aber diese Romane lesen sich auch heute noch spannend. Hier eine kleine Zusammenfassung:

  • Valley of Skulls
    Fargo soll eine Gruppe Archäologen aus einem Tal an der Grenze zu Guatemala holen, die eine spanische Kanone aus Gold entdeckten, und von jedem Strauchdieb in der Gegend verfolgt, in die Zivilisation schaffen wollen
    .

  • Panama Gold
    Ein amerikanischer Glücksritter namens Buckner heuert in Zentralamerika eine Killerarmee an, um den Panamakanal zu sabotieren. Fargo soll ihn aufhalten.

  • Alaska Steel
    Fargo wird von einer schönen Erbin angeheuert, das Schicksal ihres Mannes in Alaska zu klären. Der Roman beginnt in Hollywood, wo Fargo als Berater beim Stummfilm arbeitet.

  • Massacre River
    Fargo begleitet eine chinesische Braut und 100.000 Dollar in Gold auf einer Reise durch die Philippinen.

  • The Black Bulls
    Fargo soll eine schöne Tochter und einen Preisbullen aus Argentinien holen, wo er mit dem Rinderzüchter und Agenten des deutschen Kaisers Wilhelm von Stahl aneinandergerät, denn das Kaiserreich braucht Fleisch für seine Soldaten in den Schützengräben.

  • Gringo Guns
    Fargo schmuggelt Waffen nach Nicaragua und gerät in die Revolution.


Was für den Misserfolg letztlich verantwortlich war, wer vermag das als Außenstehender heute schon noch zu sagen? Ob eine mögliche Indizierung drohte, der deutsche Leser wirklich nicht viel mit dem Helden anfangen konnte oder es sich nicht lohnte, die Serie auf lange Sicht von deutschen Autoren fortsetzen zu lassen, es gibt viele Möglichkeiten. Auf jeden Fall brachte es Fargo gerade mal auf 15 Bände, 13 Übersetzungen und 2 deutsche Einschubbände, bevor die Serie eingestellt wurde. Band 16 mit dem Titel Alles oder Nichts von Jim Sheridan wurde angekündigt, erschien aber nicht. Ein Roman mit demselben Titel vom selben Autor erschien ein paar Jahre später als Lobo Tb. 26. Der hat abgesehen von den Namen sogar wortwörtlich denselben Klappentext aus der Vorschau in Fargo 15. Ein deutlicher Hinweis, dass die Entscheidung zur Einstellung doch recht abrupt kam.

In Amerika ist Ben Haas auch heute noch bei vielen Lesern und vor allem Autoren von Westernromanen in guter Erinnerung; in diversen Blogs werden vor allem die Fargo-Romane oft vom Regal geholt und abgestaubt. Hierzulande ist er wie so viele Westernautoren eine Fußnote in einem Genre, das langsam in Vergessenheit gerät.

Die Festung in den BergenTitelliste:
1    Silber aus Mexico   John Benteen
2    Gegen eine Armee von Killern    John Benteen
3    Gefangen in der Feuerhölle    John Benteen
4    Die Spur des Phantoms    John Benteen
5    Das Gold des Eisenmannes    John Benteen
6    Die Scharfschützen    John Benteen
7    Die Texas Rangers    John Benteen
8    Die Beutegeier    John Benteen
9    Kampf der Kolosse    John Benteen
10  Die Geisterapachen    John Benteen
11  Triff den Tod in Corralitos    Jim Sheridan
12  Zwei Gringos gegen die Hölle    John Benteen
13  Heißer Job für Fargo    John Benteen
14  Die Festung in den Bergen    John Benteen
15  Treibjagd    Ken Conaghe
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Kommentare  

#16 Max 2011-10-23 01:41
Ist es eventuell möglich, den (sehr informativen) Artikel um eine Liste der Originalausgaben in Reihenfolge zu ergänzen? Meine Recherchen sind bisher leider bei ein paar Bänden, die im selben Jahr (1971 bzw. 1976) herauskamen, an (noch) nicht überwindbare Grenzen gestoßen.

Besten Dank schon mal ... :-)
#17 anyone 2013-07-12 16:55
#18 Mario Ulbrich 2015-06-19 17:37
Ja, der erwähnte Lobo von Jim Sheridan ist ein umgeschriebener Fargo. Da gibt es eine Szene, in der die Schurkenarmee in Pferdekutschen (!) bergauf angreift und von Lobo mit einer Gatling-Gun zusammengeschossen wird. Ziemlicher Bullshit. Wenn die Soldaten aber in einem Lkw saßen, macht das Sinn. Die Lkw-Szene hat man wohl umgeschrieben, ohne sich große Mühe zu machen, und so wurden dann Pferdefuhrwerke draus.
#19 Michael Vent 2018-02-26 14:03
Eine tolle Aufstellung zu den Romanen einer Serie, die ich in den 1970-er Jahren gern gelesen habe. Habe mir sofort einige alte Exemplare über Booklooker besorgt. Bei Amazon bekommt man die US-Originale z.B. als Ebook. Zu deren Reihenfolge siehe www.goodreads.com/series/92443-fargo

Eine Ergänzung: Aus der o. a. Titelliste erschienen mindestens Band 2, 8 und 10 auch als Heftromane vor ihrer Veröffentlichung im Taschenbuch... UND obendrein Alaska-Stahl (Alaska Steel), Band 3 in der Reihenfolge der US-Originale, als Star Western Heftroman Nr. 168 (Pabel Verlag).

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