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Kampf der Giganten - Pioniere des Westens I

Pioniere des WestensKampf der Giganten
Pioniere des Westens I

Mit "Rio Concho" und "Civil War Chronicles" hat der Autor Alfred Wallon im Mohlberg-Verlag bereits zwei inhaltlich miteinander verknüpfte Serien erfolgreich laufen. Serienunabhängige Western (Geistertanz, Mangas Coloradas, Untergang am Little Big Horn, Quantrill) von ihm erscheinen zudem im Persimplex-Verlag. Mit "Kampf der Giganten" veröffentlichte er nun auch im Mohlberg-Verlag einen für sich allein stehenden historischen Roman.

 

Kampf der Giganten1. Buch: Unternehmen Raton Pass
Ray Morley, im Auftrag der Atchison, Topeka & Santa Fé Railway (ATSF) auf dem Weg zum Raton Pass, wird von Strauchdieben überfallen. Das Eingreifen des zufällig vorbeikommenden Clay Caldwells rettet ihm das Leben. Am Ziel angekommen muss er sich mit seinem Begleiter erneut mit den vorher ziehen gelassenen Banditen auseinandersetzen. Dann erst kann er Richen Lacy Wootton, dem Betreiber der Zollstraße, die Pläne der Eisenbahngesellschaft unterbreiten. Denn genau diesen Pass will nicht nur sein Auftraggeber, sondern auch die Denver & Rio Grande Railroad (DRG).

Das erste von vier im Paperback enthaltenen zusammenhängenden Büchern erstreckt sich über gerade einmal 41 Seiten, ist also weitaus kürzer als ein normaler Heftroman, der bei den Mohlbergausgaben in diesem Format normalerweise etwa 70 Seiten einnimmt. Tatsächlich ist der Auftaktband dieser Tetralogie recht kurzweilig geraten, die Entscheidung des Autors, sich von dem eingefahrenen Format zu lösen, erweist sich als richtig.

Leider gelingt dem Autor das 'Loslassen' bei der Sprache nicht ganz so gut: Eine typische Heftromansprache, einfach gehalten, fast ausschließlich über Dialoge definiert, bestimmt den Roman. Die Schilderung der Charaktere wirkt sehr distanziert, viel zu oft werden nur die Beobachtungen anderer Figuren aneinandergereiht, um das Verhalten eines Charakters zu vertiefen. Kaum Gedankengänge, überhaupt keine Reflektionen der Figuren - der Erzähler Alfred Wallon erklärt viel zu oft dem Leser die Figuren, doch er vermag es nicht, sie dem Leser nahe zu bringen. Sie 'leben' nicht.

Als Leser verfolgt man das Geschehen aus der Distanz, mit dem Erzähler als zwischengeschaltete Instanz, die dadurch Abstand zu den Figuren entstehen lässt, und selbst bei den Actionsequenzen wird man nicht mitgerissen. Das mag für einen Heftroman ausreichend sein (selbst darüber kann man diskutieren), für ein Paperback ist es einfach viel zu wenig.
  
Ärgerlich auch, dass der Autor sich nie auf eine Figur als Mittelpunkt festlegen mag, sondern oft von Absatz zu Absatz, manchmal sogar im Absatz, die Betrachtungsweisen wechselt. Hier verschenkt er viel Potenzial und Tiefe - aber es erlaubt ihm, auf triviale Art Überraschungen zu bereiten (z. B. die Schlusssequenz), die bei einer konsequenten Schilderung durch die Augen der Protagonisten eben nicht möglich gewesen wären.

Die Handlung an sich vermag durchaus zu überzeugen. Der Wettlauf um den Pass ist nachvollziehbar, und gerade dieses erste Buch gefällt, weil die beiden Gesellschaften zwar bereits aufeinanderprallen, es aber noch nicht direkt zu gewalttätigen Konflikten kommt.

Die Nebenhandlung um den Überfall auf Ray Morley passt durchaus, wenngleich bereits hier die sehr einfach gehaltenen Dialoge als große Schwäche des Autors deutlich werden. Die Handlung wird zu sehr über die Dialoge transportiert, wo sie geschildert werden sollte. Zudem werden die gesprochenen Sätze viel zu oft von den Protagonisten "geschnauft", "gegrinst", "genickt" und "geseufzt". Hier erinnert vieles mehr an einen Fanroman als an ein Buch, das in einem doch schon renommierten Nischenverlag publiziert wird.

Ob es dann allerdings "historisch" ist, dass die überwältigten Banditen, die kurz davorstanden, eine der Hauptfiguren zu töten, einfach laufen gelassen werden, mag ich etwas zu bezweifeln. Aber spätestens bei dieser Situation vermag der heftromanerfahrene Leser, der die Gesetzmäßigkeiten dieses Genres kennt, erkennen, dass sich die Wege all dieser Charaktere wieder - bleihaltig - kreuzen werden.

  • 2. Buch: Leadville
  • 3. Buch: Gnadenlose Gegner
  • 4. Buch: Tödliche Entscheidung

Clay Caldwell erreicht Leadville. Er hofft, hier die Spur seines verschollenen Bruders wieder zu finden, stößt aber erst einmal erneut auf Ray Morley. Und wieder gerät er in den Wettlauf der zwei Eisenbahngesellschaften, deren Ziel es ist, die Stadt Leadville von Canon City aus mit Schienen zu erschließen. Zudem muss er sich um persönliche Probleme kümmern: Nicht nur, dass sein Bruder für den Saloonbesitzer Paul Sheridan arbeitet, welcher auch der DRG seine Dienste anbietet, auch seine frühere Geliebte Amy Blaine ist mittlerweile mit dem Titan der Stadt liiert ...

Stand das erste Buch noch gut für sich alleine, beginnt mit dem 2. Buch "Leadville" ein Handlungsbogen, der sich auch über die folgenden Bücher zieht.

Obwohl Alfred Wallon mit Clay Caldwell eine Figur eingeführt hat, die mit der Eisenbahn an und für sich nichts zu schaffen hat, versäumt er es, durch seine Augen die Arbeiten der Eisenbahnbauer dem Leser zu vermitteln. Das Aufeinanderprallen der beiden Eisenbahngesellschaften, hauptsächlich getragen von den Entscheidungsträgern (die darüber hinaus kaum charakterisiert werden) sowie Clay Caldwells familiäre Verstrickungen sind die Hauptthemen; während Ersteres zu simpel gerät und dem Thema nicht wirklich gerecht wird, bleibt die Familien-Schiene in den trivialen Niederungen des Heftromans.

Die Konflikte werden im Gegensatz zum 1. Buch diesmal mehr mit Waffengewalt ausgetragen. Obwohl Alfred Wallon die "guten" Charaktere der ATSF zuordnet, geht selbst die Hauptfigur Clay Caldwell mitunter rigoros vor und darf schon mal bei einem Überaschungsangriff mit Dynamit werfen. Zynisch, da sich unter den Gegnern auch - ihm bewusst - sein Bruder befindet und während des eigentlichen Kampfes kein einziger Gedanke an ihn verschwendet wird. Als Sympathieträger will ich ihn also nicht unbedingt einordnen.

Und ein historischer Blick auf die Gegebenheiten erfolgt gar nicht erst. Wie gehen die Erbauer der Schienenstränge technisch vor? Wie ist der Umgang untereinander? Wie viel zählt der normale Arbeiter in den Augen der Oberen? Wie kommen die Arbeiter mit der Bedrohung der Konkurrenzgesellschaft klar? Wie lange währt der Arbeitsvertrag zwischen Arbeitern und Gesellschaft? Einfachste Fragen, die einem historischen Roman schon zu Gesicht stände, sie zu beantworten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sei es als Hauptthema oder quasi im 'Vorübergehen'.

Einmal wird immerhin erwähnt, dass die DRG eine "Schmalspureisenbahn" nach Leadville plant und sich so von der ATSF unterscheidet (Seite 114); dass dieser Begriff dann nicht näher erläutert wird und für sich alleine stehen muss, passt dann in das Bild des ganzen Romans.
Eigentlich war es ein sorgloses und sehr zufriedenes Leben, das sie führte - bis eben zu jenem Tag, als sie plötzlich Clay Caldwell wieder begegnet war. Und seit diesem Tag war ihr bisheriges festes Gefüge und das Bild, das sie bisher von Paul Sheridan hatte, auf seltsame Weise ins Wanken geraten. Als ob sie die ganze Zeit über in einen Spiegel geschaut hätte, der ihr nicht das wirkliche Bild zeigte, sondern stattdessen ein Wunschbild von etwas, das eigentlich gar nicht existierte.
Alfred Wallon: Kampf der Giganten, Seite 148
Überraschend ist es schon, dass die persönlichen Beziehungen Clay Caldwells in diesem Buch so stark in den Vordergrund gerückt wurden, hat doch der Verlagsleiter Heinz Mohlberg laut Alfred Wallons Nachwort ein persönliches Interesse an dem Eisenbahnroman. Und wie schrieb der Verleger selbst in seinem Vorwort? "Nicht die x-ste Version des einsamen Cowboys, der gegen einen übermächtigen totalitären Rancher antritt und natürlich schon das Herz der Tochter des Bösen gewonnen hat; und auch nicht unbedingt die anderen gängigen Themen aus unzähligen WW-Romanen."

Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob der Autor durch das Vorwort vorgeführt wird, oder ob er selbst die Intention des Verlegers im Vorfeld nicht ganz verstanden hat. Merkwürdig ist es schon, dass Heinz Mohlberg in seinem Vorwort genau die Klischees ablehnt, die dann leicht abgewandelt und um den verschollenen Bruder sogar noch verstärkt im Roman auftauchen. 

Auch die Bezeichnung "historischer Roman" auf der Titelseite scheint mir doch etwas gewagt zu sein, wenn sie auch nicht verkehrt sein mag. Immerhin spielt der Roman ja in der Vergangenheit. Doch reicht dies bereits aus, um das Wort "historisch" zu rechtfertigen?

Bei der Rio Concho-Werbung auf der letzten Seite wird zwischen 'normalen' und 'historischen' Western differenziert:
"Neben den 'normalen' Western gibt es seit geraumer Zeit auch das Segment des historischen Westerns, welcher sich nicht nur darin ergeht, zu schildern, welcher Held schneller ziehen o.ä. kann, sondern bei dem im Vordergrund die ursprüngliche Schilderung der Historie steht."
Nun ja, und genau hier bietet "Kampf der Giganten" einfach zu wenig: Kaum Beschreibungen der Örtlichkeiten (nicht einmal der Staat wird im Auftaktbuch genannt!), die ungefähre Jahreszeit (Frühling 1978), zu der die Handlung spielt, erschließt sich nur aus dem Vorwort, der Held darf gleich mehrmals schneller schießen ... Kurz: Mit dem 'historischen Roman' wird kokettiert und übersehen, dass damit ein Eigentor geschossen wird, weil eine Erwartungshaltung beim Leser entsteht, die in keinster Weise vom Roman gehalten werden kann.

Fazit: Ein Roman, der durch die Vorwörter und dem Nachwort mehr vorgibt zu sein, als er denn wirklich ist. Die Bezeichnung "historischer Roman" ist eine Mogelpackung, die einer kritischen Hinterfragung nicht standhält. Bei "Kampf der Giganten" handelt es sich um einen nicht aus der Masse hervorstechenden, vom Umfang her sehr langen Westernheftroman, der immerhin recht kurzweilig geraten ist.

Qualitativ kann Alfred Wallon mit diesem Roman bei Weitem nicht an sein Meisterwerk "Rio Concho 1" (Mohlberg-Ausgabe) anschließen. Vielmehr bekommt man den Eindruck, als handele es sich bei "Kampf der Giganten" um eine lieblose Auftragsarbeit.

Kampf der GigantenPioniere des Westens
Band 1: Kampf der Giganten
von Alfred Wallon
Der Eisenbahnkrieg zwischen der Denver & Rio Grande Railroad und der Atchison, Topeka & Santa Fe Railway

Ein historischer Roman

ISBN: 978-3-942079-59-4
Heinz Mohlberg Verlag, 1. Auflage 2010




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