40 Jahre RONCO Rückblick auf eine Westernreihe der Siebzigerjahre
40 Jahre RONCO
Rückblick auf eine Westernreihe
der Siebzigerjahre
Rückblick auf eine Westernreihe
der Siebzigerjahre
Rücblick
Es war im Sommer 1974, als ich in einem dieser legendären, längst geschlossenen Tauschläden für Romane über eine faszinierende Heftserie stolperte. Bis dahin als Halbwüchsiger nur mit Perry Rhodan- und Landser-Heften in Kontakt gekommen, bot RONCO für mich eine literarische und besonders abenteuerliche wie kämpferische Variante des Western an. Dieses Genre kannte ich bislang nur aus zumeist älteren US-Filmen im TV-Programm. Die Titelbilder mit dem knallroten Logo RONCO Der Geächtete waren es, die weit mehr versprachen, als die Cover all der vielen anderen Reihen mit ihren lieblosen Zeichnungen oder Szenenfotos aus Filmen. So wurde ich in jenem Jahr zum großen Fan von Ronco. Die wöchentliche Tour zur örtlichen Bahnhofsbuchhandlung entwickelte sich bald zum Ritual. Heute unvorstellbar, standen dort sicherlich fast 20 Heftreihen in einem Regal hinter dem Verkäufer fein säuberlich in Fächern aufgereiht. Die Lektüre der Hefte beschäftigte mich bald so sehr, dass ich 1976 und 1977 sogar einige kritische Briefe an den Exposé-Redakteur Dietmar Kügler schrieb, die von ihm ausführlich beantwortet wurden. Ich habe sie aufgehoben, und sie sind heute wertvolle Zeitdokumente.
An dieser Stelle sei Kügler für seine umfangreichen Hinweise gedankt, die er mir im 2. Halbjahr 2011 übermittelte.
Mitten im Western-Boom der frühen 70er-Jahre entstand in der Münchener Chefredaktion des Pabel-Verlages die Idee für eine völlig neue Serie mit dem Namen Ronco Der Geächtete, deren Start für den April 1972 vorgesehen war. Nach knapp 500 Ausgaben erschien das letzte Heft im September 1981 auf einem stark gewandelten Markt.
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den wesentlichen Entwicklungslinien der Serie, ihren Machern und am Rande auch mit der damaligen Verlagspolitik.
Die Serie wird geboren
1971 kamen knapp 30 Italo-Western in die bundesdeutschen Kinos.1 Der Höhepunkt der Welle war bereits überschritten, dennoch stand der Western weiterhin hoch im Kurs: In vielen Verlagen wie Bastei, Goldmann, Heyne, Kelter und Moewig erschienen Taschenbücher. Und es gab natürlich die einschlägigen Heftromanreihen der damals wichtigsten Verlage Bastei, Kelter, Marken, Moewig, Pabel und Zauberkreis.2 Die Münchener Chefredaktion des Pabel-Verlages unter Kurt Bernhardt sowie Cheflektor Werner Müller-Reymann entwickelte wohl 1971 die Grundidee3 einer neuen, harten Westernreihe mit einem Serienhelden, der zu dieser Zeit eine Seltenheit auf dem Markt war. Ronco Der Geächtete konnte für Pabel sicherlich als ein Experiment gelten, denn seit Tom Sullivan (1963-65) hatte es so etwas nicht mehr gegeben.
Sicherlich kein Zufall ist es, dass nach der Übernahme der Verlage Moewig und Pabel durch den Zeitschriftenkonzern Heinrich Bauer 1970 ein frischer Wind durch die Westernserien blies. Bereits 1971 ging die Reihe Star Western mit Übersetzungen von US-Autoren und hochwertigen Titelbildern an den Start. Alle bisherigen Western-Heftreihen von Pabel und Moewig wurden 1972 überarbeitet und erschienen unter neuem Namen und mit einheitlichem Layout.4 RONCO muss daher als Bestandteil der neuen Verlagspolitik betrachtet werden.
Die ersten Hefte
Unter der Exposé-Redaktion von Hans Gamber wurden die Inhalte für etwa 20 bis 25 Hefte vorbereitet. Jedes Heft erhielt einen kurzen Einführungstext. Ronco war hier ein einsamer Wüstenwanderer, schuldlos zum Tode verurteilt, seit ein Wagenzug mit zweihundert Frauen und Kindern, den er als Scout führte, in einen tödlichen Hinterhalt geriet. Der Geächtete wird als Outlaw dargestellt, gejagt von einer unbarmherzigen Rachejustiz. Verschiedene zwielichtige Gestalten des Südwestens kreuzen dabei immer wieder seinen Weg. Manche wie ein gewisser Ron Devlin - wollen ein Kopfgeld an ihm verdienen, andere werden zu Verbündeten wie der gewitzte Mexikaner Miguel Vilasar. Ronco lebt hier für seine Rache und muss im Laufe der Zeit viel erleiden. Die Geschichte spielt irgendwo im Südwesten, ist aber nicht genau zeitlich und topografisch zu verorten wie es auch im Italo-Western zumeist üblich ist.
Die Autoren der ersten Staffel waren Weston Gresmont (Werner Gronwald), Frank Glaser (Franz Glaser), Wayne Seymour (Helmut Hartmann), Hal McRitchie (Helmut Richartz), Ken Conagher (Wilhelm Kopp) und der erst 21-jährige John Grey (Dietmar Kügler). Im April 1972 erschien das erste Heft (Von Wölfen gehetzt) mit einem Titelbild des bereits für Pabel tätigen Illustrators Günter König. Mit der beim Publikum sehr bekannten und positiv besetzten Figur des Terence Hill erschienen nun die meisten Heftcover.
Die Serie im Wandel
Für Chefredakteur Kurt Bernhardt hatte Ronco das Image eines Italo-Western- Helden zu pflegen. Zwar warb der Verlag noch 1975 mit diesem Flair5, doch der junge Nachwuchsautor Dietmar Kügler, seit Band 12 im Ronco-Team, hatte andere Vorstellungen und bekam schnell großen Einfluss auf die Serie. Auch Redakteur Rainer Delfs, 1972 von Bastei zu Pabel gewechselt, wollte eine andere Ausrichtung und unterstützte ihn gegenüber der Verlagsleitung.6
Mit der Übernahme des Lektorates durch Kügler Ende 19727 (ungefähr ab Band 25) wurde das Outlaw-Thema allmählich ausgebaut und mit Orts- und Zeitangaben näher unterfüttert. Kügler brachte die Reihe nach eigener Aussage bereits in dieser Zeit Schritt für Schritt weg vom Italo-Western-Image: Meine Intention war das traditionelle Abenteuerthema, vermischt mit authentischem Western-Flair der Frontier-Geschichte, etwas moderner dargestellt.8 In einem den Romanen ab etwa Band 50 neu beigefügten Intro kämpfte Ronco bereits seit mehr als zehn Jahren (...) um sein Recht. Über die Hintergründe des Verrates an dem Ziviltreck erfuhren nun die Leser Genaueres. Skrupellose Waffenhändler und korrupte Armeeoffiziere werden als Schuldige dargestellt.
Zwar war Ronco meistens immer noch allein in seinem Kampf, jedoch bekam er bereits ab Band 36 durch das Halbblut Lobo einen neuen Helfer und Freund zur Seite gestellt.
Die Serie erhielt durch diese Veränderungen weiteren Schwung und verkaufte sich immer besser.
Die Reihe entwickelt sich
Dietmar Kügler erhielt immer mehr Leserpost mit Fragen zur Pioniergeschichte. Ab Band 85 (Ende 1973) wurde deshalb die Leserkontaktseite Ronco-Forum eingerichtet, ein Medium, das bald sehr stark genutzt wurde. 1977 schrieb Kügler an den Verfasser, dass er rund 400 Briefe im Jahr bekomme9, die er alle selbst beantwortete.
Ein zentrales Thema wurde Roncos Kampf mit der Hilton-Company, einer einflussreichen und korrupten Transportgesellschaft. Besonderen Reiz erhielt die Auseinandersetzung dadurch, dass er sich in Hiltons Tochter Linda verliebte. Während Ronco mit Lobo weiter Beweise für seine Rehabilitierung suchte, entwickelte Kügler den nächsten Coup, der die Serie endgültig auf eine Spitzenposition im Heftromanmarkt brachte. Ab Band 100 erschienen alle fünf Wochen die Sonderbände über Roncos Kindheit und Jugendzeit, in denen sein Waisenschicksal und seine Zeit bei einem Apachenstamm auf Basis eines fiktiven Tagebuchs - sehr anschaulich und packend geschildert werden. Kügler verfasste dazu 30 von insgesamt 60 Romanen.
Bis Band 225 kämpft Ronco um seine Rehabilitierung, gründet eine Familie und will friedlicher Farmer werden. Seine Lebensgeschichte wird zur Entwicklungsgeschichte eines Mannes und durch die enge Leserbindung auch zur Erfolgsgeschichte.
Der Serienerfolg
Die Reihe verkaufte sich bald so gut, dass ab Oktober 1975 eine zweite Auflage auf den Markt kam. Im Oktober 1977 bezifferte Kügler die Gesamtauflage auf rund 100.000 Hefte pro Woche10. RONCO dürfte wohl erfolgreicher als alle vergleichbaren Westernserien gewesen sein.
Die Autoren schafften es, den Serienerfolg über Jahre aufrechtzuerhalten. Eine Schlüsselstellung nahm Wilhelm Kopp ein, der als Autor Ken Conagher 58 Romane selbst schrieb und Korrekturen in den Texten der Kollegen vornahm11. Weitere wichtige Autoren wurden Jim Elliot (Bodo Baumann), Earl Warren (Walter Appel), Glenn Lord (Alfred Krebs), Lee Martin (Rainer Delfs) und Frederic Short (Horst Friedrichs), zumeist erfahrene Romanschriftsteller. Rainer Delfs bildete zusammen mit Dietmar Kügler über Jahre die RONCO-Redaktion12.
Eine Heldengeschichte
Die Ronco-Geschichte belebt wieder einige seit der Antike bekannte, erfolgreiche Elemente einer Heldenreise (wie sie übrigens auch in manchen Märchen und Rittergeschichten zum Vorschein kommt).
Ein vielversprechender junger Mann zieht aus, um ein neues Leben zu beginnen (nach dem US-Bürgerkrieg), übernimmt einen gefahrvollen Job (Armeescout), wird verraten und kommt in große Gefahr. Er wird an den Rand der Gesellschaft gestoßen, muss seine Identität verbergen (Outlaw) und um sein Recht kämpfen bis zu einem ersten Sieg (Rehabilitierung). Er bekommt seine Geliebte zur Frau (Linda Hilton), gründet eine Familie und muss weitere Gefahren bestehen, bis er auch eine gesellschaftlich anerkannte Stellung erhält (Deputy Marshal, Band 266).
Die RONCO-Redaktion dehnte diese Entwicklungsphase durch viele Schicksalsschläge (Lindas Tod) und Kämpfe noch einmal aus bis Band 316, der im Frühjahr 1978 erschien. Der Held war nun ein Texas Ranger und damit kein negativer Held mehr. Der Serienuntertitel wurde geändert, doch scheint die Redaktion mit Roncos neuer Rolle nicht lange zufrieden gewesen zu sein.
Die Krise der Reihe
1978/79 begann die Auflage zu sinken. Zwei Faktoren dürften den Niedergang der Reihe begünstigt haben. Zum einen entwickelte sich in der Reihe LASSITER bei Bastei eine spürbare Konkurrenz13. Zum anderen schienen die Leser zu spüren, dass Ronco seine Aufgabe allmählich erfüllt hat. Mit Heft 395 (1979) erschien auch der letzte Sonderband der Tagebuchaufzeichnungen. Im gleichen Jahr entschied die Redaktion, Ronco bei den Texas Rangers bis Band 400 wieder aussteigen zu lassen.
Dietmar Kügler hatte die Serie in den Anfangsjahren auch durch seine Romanbeiträge (als John Grey) stark geprägt, widmete sich jedoch seit 1976 stärker seinem Kind LOBO. LOBO Der Einzelgänger wurde eine weitere erfolgreiche, aber wegen ihrer Brutalität und erotischen Einlagen auch heftig umstrittene Heftserie14, 1977 gefolgt von einer mehr pioniergeschichtlich ausgerichteten Taschenbuchreihe. Gleichzeitig musste sich Kügler jedoch wieder verstärkt um seine RONCO-Serie kümmern.
Die Endphase
Ab Band 400 wurde Ronco die Aufgabe eines Wells-Fargo-Mitarbeiters in Arizona übertragen und der Untertitel der Reihe abermals geändert. Kügler schrieb den ersten Roman, änderte die Erzählweise in die bewährte Ich-Form der Tagebücher und entwickelte vierbändige Erzählzyklen, unterstützt durch eigenhändig (!) gezeichnete Kartenskizzen. Doch half dies letztendlich nicht, das Ende der Serie zu verhindern.
Die Einstellung
Es müssen wohl mehrere Gründe gewesen sein, die RONCO nach 493 Ausgaben recht überraschend vom Markt verschwinden ließen. Der Verlag zahlte höhere Honorare als bei anderen Reihen auf dem Markt.15 Die Auflage sank und damit die Rendite. Gleichzeitig hatte sich die Verlagsgruppe mit der Taschenbuchreihe Playboy Science Fiction finanziell überhoben.
Die RONCO-Autoren hatten sich einen Namen gemacht und wurden ohne Zögern von den Konkurrenzverlagen übernommen. Dietmar Kügler hatte gute Kontakte zu Werner Dietsch vom Marken-Verlag und konnte sofort wieder veröffentlichen.18 Rainer Delfs hatte Pabel mit dem Umzug der Romanredaktion von München nach Rastatt 1980 bereits verlassen und war wieder bei Bastei eingestiegen.19
Die Zeit nach Ronco
Bei Pabel sollten keine neuen Westernserien mehr auf den Markt gebracht werden. Doch Werner Müller-Reymann konnte den Verlag 1984 überzeugen, alte und neue Romane von Dietmar Kügler in einer eigenen Reihe zu veröffentlichen. Kügler, beim Marken-Verlag durch Reihen wie Union Pacific oder später 320-PS-Jim gut versorgt, verließ Marken, weil ihn eine neue Serie sehr reizte. Knapp 100 Romane unter dem Titel John Gray-Western bei Pabel. Mit Müller-Reymanns Tod 1986 endete die Serie und damit auch das Western-Engagement der Verlagsgruppe.20
Nachbemerkung
RONCO ist nun bereits seit 30 Jahren Geschichte. Und wenn ich heute wieder die Cover bei einem Fachhändler sehe und einzelne Romane lese, überfällt mich immer ein Gefühl der Nostalgie. Dabei empfinde ich eine Hochachtung gegenüber den Machern der Reihe, die es geschafft haben, im sicherlich eng abgesteckten Rahmen einer Heftromanproduktion eine so hochwertige Westernreihe zu schaffen und lange am Leben zu erhalten.
Anmerkungen
Zu RONCO gibt es bereits eine sehr kenntnisreiche Darstellung, die mir wertvolle Hinweise für meine Arbeit lieferte und an dieser Stelle ausdrücklich weiterempfohlen wird: Uwe Schnabel: Ronco. Geächteter, Gesetzeshüter und 'Wells-Fargo-Mann' in: Zauberspiegel-online.de/Western).
Es war im Sommer 1974, als ich in einem dieser legendären, längst geschlossenen Tauschläden für Romane über eine faszinierende Heftserie stolperte. Bis dahin als Halbwüchsiger nur mit Perry Rhodan- und Landser-Heften in Kontakt gekommen, bot RONCO für mich eine literarische und besonders abenteuerliche wie kämpferische Variante des Western an. Dieses Genre kannte ich bislang nur aus zumeist älteren US-Filmen im TV-Programm. Die Titelbilder mit dem knallroten Logo RONCO Der Geächtete waren es, die weit mehr versprachen, als die Cover all der vielen anderen Reihen mit ihren lieblosen Zeichnungen oder Szenenfotos aus Filmen. So wurde ich in jenem Jahr zum großen Fan von Ronco. Die wöchentliche Tour zur örtlichen Bahnhofsbuchhandlung entwickelte sich bald zum Ritual. Heute unvorstellbar, standen dort sicherlich fast 20 Heftreihen in einem Regal hinter dem Verkäufer fein säuberlich in Fächern aufgereiht. Die Lektüre der Hefte beschäftigte mich bald so sehr, dass ich 1976 und 1977 sogar einige kritische Briefe an den Exposé-Redakteur Dietmar Kügler schrieb, die von ihm ausführlich beantwortet wurden. Ich habe sie aufgehoben, und sie sind heute wertvolle Zeitdokumente.
An dieser Stelle sei Kügler für seine umfangreichen Hinweise gedankt, die er mir im 2. Halbjahr 2011 übermittelte.
Mitten im Western-Boom der frühen 70er-Jahre entstand in der Münchener Chefredaktion des Pabel-Verlages die Idee für eine völlig neue Serie mit dem Namen Ronco Der Geächtete, deren Start für den April 1972 vorgesehen war. Nach knapp 500 Ausgaben erschien das letzte Heft im September 1981 auf einem stark gewandelten Markt.
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den wesentlichen Entwicklungslinien der Serie, ihren Machern und am Rande auch mit der damaligen Verlagspolitik.
Die Serie wird geboren
1971 kamen knapp 30 Italo-Western in die bundesdeutschen Kinos.1 Der Höhepunkt der Welle war bereits überschritten, dennoch stand der Western weiterhin hoch im Kurs: In vielen Verlagen wie Bastei, Goldmann, Heyne, Kelter und Moewig erschienen Taschenbücher. Und es gab natürlich die einschlägigen Heftromanreihen der damals wichtigsten Verlage Bastei, Kelter, Marken, Moewig, Pabel und Zauberkreis.2 Die Münchener Chefredaktion des Pabel-Verlages unter Kurt Bernhardt sowie Cheflektor Werner Müller-Reymann entwickelte wohl 1971 die Grundidee3 einer neuen, harten Westernreihe mit einem Serienhelden, der zu dieser Zeit eine Seltenheit auf dem Markt war. Ronco Der Geächtete konnte für Pabel sicherlich als ein Experiment gelten, denn seit Tom Sullivan (1963-65) hatte es so etwas nicht mehr gegeben.
Sicherlich kein Zufall ist es, dass nach der Übernahme der Verlage Moewig und Pabel durch den Zeitschriftenkonzern Heinrich Bauer 1970 ein frischer Wind durch die Westernserien blies. Bereits 1971 ging die Reihe Star Western mit Übersetzungen von US-Autoren und hochwertigen Titelbildern an den Start. Alle bisherigen Western-Heftreihen von Pabel und Moewig wurden 1972 überarbeitet und erschienen unter neuem Namen und mit einheitlichem Layout.4 RONCO muss daher als Bestandteil der neuen Verlagspolitik betrachtet werden.
Die ersten Hefte
Unter der Exposé-Redaktion von Hans Gamber wurden die Inhalte für etwa 20 bis 25 Hefte vorbereitet. Jedes Heft erhielt einen kurzen Einführungstext. Ronco war hier ein einsamer Wüstenwanderer, schuldlos zum Tode verurteilt, seit ein Wagenzug mit zweihundert Frauen und Kindern, den er als Scout führte, in einen tödlichen Hinterhalt geriet. Der Geächtete wird als Outlaw dargestellt, gejagt von einer unbarmherzigen Rachejustiz. Verschiedene zwielichtige Gestalten des Südwestens kreuzen dabei immer wieder seinen Weg. Manche wie ein gewisser Ron Devlin - wollen ein Kopfgeld an ihm verdienen, andere werden zu Verbündeten wie der gewitzte Mexikaner Miguel Vilasar. Ronco lebt hier für seine Rache und muss im Laufe der Zeit viel erleiden. Die Geschichte spielt irgendwo im Südwesten, ist aber nicht genau zeitlich und topografisch zu verorten wie es auch im Italo-Western zumeist üblich ist.
Die Autoren der ersten Staffel waren Weston Gresmont (Werner Gronwald), Frank Glaser (Franz Glaser), Wayne Seymour (Helmut Hartmann), Hal McRitchie (Helmut Richartz), Ken Conagher (Wilhelm Kopp) und der erst 21-jährige John Grey (Dietmar Kügler). Im April 1972 erschien das erste Heft (Von Wölfen gehetzt) mit einem Titelbild des bereits für Pabel tätigen Illustrators Günter König. Mit der beim Publikum sehr bekannten und positiv besetzten Figur des Terence Hill erschienen nun die meisten Heftcover.
Die Serie im Wandel
Für Chefredakteur Kurt Bernhardt hatte Ronco das Image eines Italo-Western- Helden zu pflegen. Zwar warb der Verlag noch 1975 mit diesem Flair5, doch der junge Nachwuchsautor Dietmar Kügler, seit Band 12 im Ronco-Team, hatte andere Vorstellungen und bekam schnell großen Einfluss auf die Serie. Auch Redakteur Rainer Delfs, 1972 von Bastei zu Pabel gewechselt, wollte eine andere Ausrichtung und unterstützte ihn gegenüber der Verlagsleitung.6
Mit der Übernahme des Lektorates durch Kügler Ende 19727 (ungefähr ab Band 25) wurde das Outlaw-Thema allmählich ausgebaut und mit Orts- und Zeitangaben näher unterfüttert. Kügler brachte die Reihe nach eigener Aussage bereits in dieser Zeit Schritt für Schritt weg vom Italo-Western-Image: Meine Intention war das traditionelle Abenteuerthema, vermischt mit authentischem Western-Flair der Frontier-Geschichte, etwas moderner dargestellt.8 In einem den Romanen ab etwa Band 50 neu beigefügten Intro kämpfte Ronco bereits seit mehr als zehn Jahren (...) um sein Recht. Über die Hintergründe des Verrates an dem Ziviltreck erfuhren nun die Leser Genaueres. Skrupellose Waffenhändler und korrupte Armeeoffiziere werden als Schuldige dargestellt.
Zwar war Ronco meistens immer noch allein in seinem Kampf, jedoch bekam er bereits ab Band 36 durch das Halbblut Lobo einen neuen Helfer und Freund zur Seite gestellt.
Die Serie erhielt durch diese Veränderungen weiteren Schwung und verkaufte sich immer besser.
Die Reihe entwickelt sich
Dietmar Kügler erhielt immer mehr Leserpost mit Fragen zur Pioniergeschichte. Ab Band 85 (Ende 1973) wurde deshalb die Leserkontaktseite Ronco-Forum eingerichtet, ein Medium, das bald sehr stark genutzt wurde. 1977 schrieb Kügler an den Verfasser, dass er rund 400 Briefe im Jahr bekomme9, die er alle selbst beantwortete.
Ein zentrales Thema wurde Roncos Kampf mit der Hilton-Company, einer einflussreichen und korrupten Transportgesellschaft. Besonderen Reiz erhielt die Auseinandersetzung dadurch, dass er sich in Hiltons Tochter Linda verliebte. Während Ronco mit Lobo weiter Beweise für seine Rehabilitierung suchte, entwickelte Kügler den nächsten Coup, der die Serie endgültig auf eine Spitzenposition im Heftromanmarkt brachte. Ab Band 100 erschienen alle fünf Wochen die Sonderbände über Roncos Kindheit und Jugendzeit, in denen sein Waisenschicksal und seine Zeit bei einem Apachenstamm auf Basis eines fiktiven Tagebuchs - sehr anschaulich und packend geschildert werden. Kügler verfasste dazu 30 von insgesamt 60 Romanen.
Bis Band 225 kämpft Ronco um seine Rehabilitierung, gründet eine Familie und will friedlicher Farmer werden. Seine Lebensgeschichte wird zur Entwicklungsgeschichte eines Mannes und durch die enge Leserbindung auch zur Erfolgsgeschichte.
Der Serienerfolg
Die Reihe verkaufte sich bald so gut, dass ab Oktober 1975 eine zweite Auflage auf den Markt kam. Im Oktober 1977 bezifferte Kügler die Gesamtauflage auf rund 100.000 Hefte pro Woche10. RONCO dürfte wohl erfolgreicher als alle vergleichbaren Westernserien gewesen sein.
Die Autoren schafften es, den Serienerfolg über Jahre aufrechtzuerhalten. Eine Schlüsselstellung nahm Wilhelm Kopp ein, der als Autor Ken Conagher 58 Romane selbst schrieb und Korrekturen in den Texten der Kollegen vornahm11. Weitere wichtige Autoren wurden Jim Elliot (Bodo Baumann), Earl Warren (Walter Appel), Glenn Lord (Alfred Krebs), Lee Martin (Rainer Delfs) und Frederic Short (Horst Friedrichs), zumeist erfahrene Romanschriftsteller. Rainer Delfs bildete zusammen mit Dietmar Kügler über Jahre die RONCO-Redaktion12.
Eine Heldengeschichte
Die Ronco-Geschichte belebt wieder einige seit der Antike bekannte, erfolgreiche Elemente einer Heldenreise (wie sie übrigens auch in manchen Märchen und Rittergeschichten zum Vorschein kommt).
Ein vielversprechender junger Mann zieht aus, um ein neues Leben zu beginnen (nach dem US-Bürgerkrieg), übernimmt einen gefahrvollen Job (Armeescout), wird verraten und kommt in große Gefahr. Er wird an den Rand der Gesellschaft gestoßen, muss seine Identität verbergen (Outlaw) und um sein Recht kämpfen bis zu einem ersten Sieg (Rehabilitierung). Er bekommt seine Geliebte zur Frau (Linda Hilton), gründet eine Familie und muss weitere Gefahren bestehen, bis er auch eine gesellschaftlich anerkannte Stellung erhält (Deputy Marshal, Band 266).
Die RONCO-Redaktion dehnte diese Entwicklungsphase durch viele Schicksalsschläge (Lindas Tod) und Kämpfe noch einmal aus bis Band 316, der im Frühjahr 1978 erschien. Der Held war nun ein Texas Ranger und damit kein negativer Held mehr. Der Serienuntertitel wurde geändert, doch scheint die Redaktion mit Roncos neuer Rolle nicht lange zufrieden gewesen zu sein.
Die Krise der Reihe
1978/79 begann die Auflage zu sinken. Zwei Faktoren dürften den Niedergang der Reihe begünstigt haben. Zum einen entwickelte sich in der Reihe LASSITER bei Bastei eine spürbare Konkurrenz13. Zum anderen schienen die Leser zu spüren, dass Ronco seine Aufgabe allmählich erfüllt hat. Mit Heft 395 (1979) erschien auch der letzte Sonderband der Tagebuchaufzeichnungen. Im gleichen Jahr entschied die Redaktion, Ronco bei den Texas Rangers bis Band 400 wieder aussteigen zu lassen.
Dietmar Kügler hatte die Serie in den Anfangsjahren auch durch seine Romanbeiträge (als John Grey) stark geprägt, widmete sich jedoch seit 1976 stärker seinem Kind LOBO. LOBO Der Einzelgänger wurde eine weitere erfolgreiche, aber wegen ihrer Brutalität und erotischen Einlagen auch heftig umstrittene Heftserie14, 1977 gefolgt von einer mehr pioniergeschichtlich ausgerichteten Taschenbuchreihe. Gleichzeitig musste sich Kügler jedoch wieder verstärkt um seine RONCO-Serie kümmern.
Die Endphase
Ab Band 400 wurde Ronco die Aufgabe eines Wells-Fargo-Mitarbeiters in Arizona übertragen und der Untertitel der Reihe abermals geändert. Kügler schrieb den ersten Roman, änderte die Erzählweise in die bewährte Ich-Form der Tagebücher und entwickelte vierbändige Erzählzyklen, unterstützt durch eigenhändig (!) gezeichnete Kartenskizzen. Doch half dies letztendlich nicht, das Ende der Serie zu verhindern.
Die Einstellung
Es müssen wohl mehrere Gründe gewesen sein, die RONCO nach 493 Ausgaben recht überraschend vom Markt verschwinden ließen. Der Verlag zahlte höhere Honorare als bei anderen Reihen auf dem Markt.15 Die Auflage sank und damit die Rendite. Gleichzeitig hatte sich die Verlagsgruppe mit der Taschenbuchreihe Playboy Science Fiction finanziell überhoben.
Das Ende kam völlig überraschend und abrupt. (Kügler)16Fast panikartig wurden alle teuren und zu wenig profitablen Serien im Herbst 1981 / Winter 1982 aus dem Programm genommen. Die Entscheidung betraf alle übrigen Westernreihen der Verlagsgruppe (Ronco 2. Auflage, Lobo, Lobo-Taschenbuch, Marshal-Western, Star-Western) und auch andere Serien aus der Sparte Männer-Romane.17
Die RONCO-Autoren hatten sich einen Namen gemacht und wurden ohne Zögern von den Konkurrenzverlagen übernommen. Dietmar Kügler hatte gute Kontakte zu Werner Dietsch vom Marken-Verlag und konnte sofort wieder veröffentlichen.18 Rainer Delfs hatte Pabel mit dem Umzug der Romanredaktion von München nach Rastatt 1980 bereits verlassen und war wieder bei Bastei eingestiegen.19
Die Zeit nach Ronco
Bei Pabel sollten keine neuen Westernserien mehr auf den Markt gebracht werden. Doch Werner Müller-Reymann konnte den Verlag 1984 überzeugen, alte und neue Romane von Dietmar Kügler in einer eigenen Reihe zu veröffentlichen. Kügler, beim Marken-Verlag durch Reihen wie Union Pacific oder später 320-PS-Jim gut versorgt, verließ Marken, weil ihn eine neue Serie sehr reizte. Knapp 100 Romane unter dem Titel John Gray-Western bei Pabel. Mit Müller-Reymanns Tod 1986 endete die Serie und damit auch das Western-Engagement der Verlagsgruppe.20
Nachbemerkung
RONCO ist nun bereits seit 30 Jahren Geschichte. Und wenn ich heute wieder die Cover bei einem Fachhändler sehe und einzelne Romane lese, überfällt mich immer ein Gefühl der Nostalgie. Dabei empfinde ich eine Hochachtung gegenüber den Machern der Reihe, die es geschafft haben, im sicherlich eng abgesteckten Rahmen einer Heftromanproduktion eine so hochwertige Westernreihe zu schaffen und lange am Leben zu erhalten.
© Copyright bei Stefan Höpel, Münster
Anmerkungen
Zu RONCO gibt es bereits eine sehr kenntnisreiche Darstellung, die mir wertvolle Hinweise für meine Arbeit lieferte und an dieser Stelle ausdrücklich weiterempfohlen wird: Uwe Schnabel: Ronco. Geächteter, Gesetzeshüter und 'Wells-Fargo-Mann' in: Zauberspiegel-online.de/Western).
- 1 Ulrich P. Bruckner: Für ein paar Leichen mehr. Der Italo-Western von seinen Anfängen bis heute. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2006, S. 333
- 2 Es gab noch weitere Verlage wie Indra und Neuzeit, die allerdings überwiegend Nachdrucke brachten.
- 3 Nach Aussage von Dietmar Kügler (Nachricht an den Verfasser, September 2011).
- 4 Bei den Westernreihen vollzog sich der Wandel im Sommer 1972. Laut Aussage von Dietmar Kügler war für den Bereich Spannungsromane ein und derselbe Grafiker beschäftigt, der die Logos entwarf, und dieser war gehalten, ein wiedererkennbares 'Gesicht' zu schaffen. (Mitteilung an den Verfasser vom Oktober 2011).
- 5 So z. B. im letzten Band der Tb-Reihe Colt Western (Nr. 74 Mai 1975), S. 110.
- 6 Laut Aussage von Kügler in einer Mitteilung an den Verfasser, Oktober 2011.
- 7 ebd. Der Verlag nannte bis etwa Band 44 wider besseren Wissens Hans Gamber an Stelle von Dietmar Kügler im Impressum, weil der Verlag die Sache zunächst anonym halten wollte. Rainer Delfs und Werner Müller-Reymann sorgten schließlich für die Veröffentlichung, weil beide der Meinung waren, dass meine Arbeit auch ideell gewürdigt werden sollte.
- 8 ebd.
- 9 Brief an den Verfasser vom 2. Oktober 1977.
- 10 ebd.
- 11 Laut Aussage von Kügler in einer Mitteilung an den Verfasser, Oktober 2011.
- 12 ebd.
- 13 ebd.
- 14 Blutiger Schaum zerplatzte vor seiner Nase in: DER SPIEGEL Nr. 42/1977, S.122 ff.
- 15 Nach Einschätzung von Kügler war Ronco vermutlich zu teuer geworden (Nachricht an den Verfasser, Oktober 2011).
- 16 Zit. nach Kügler in einer Mitteilung an den Verfasser, Oktober 2011.
- 17 ebd. Uwe Schnabel meint hierzu, dass der Verlag Einsparungen in Höhe von 500.000 DM erzielte.
- 18 Kügler in einer Mitteilung an den Verfasser, Oktober 2011.
- 19 Laut Aussage von Delfs bei Oliver Luschnath: Interview mit Rainer Delfs (2007), in: www.seewoelfe.info/special.
- 20 Mitteilung von Kügler an den Verfasser, Juli 2011. Der neue Cheflektor wollte seinen Angaben zufolge ein anderes Programm entwickeln.
Kommentare
ich bin mir ziemlich sicher in der 80ziger Jahren im englischen Ausland einen Ronco Film im Kino angeschaut zu haben. Ganz klar Terence Hill als Hauptdarsteller. Nun finde ich seid Jahren auf der Suche im Internet einfach nicht diesen Film. kann mir hier jemand behilflich sein?
MfG
Berndski
'
Ich glaube nicht, dass es sich um einen Ronco-Film, sondern um einen anderen ITalo-Western mit Mario Girotti aka Terence Hill handelte. Da gab es ja so einige. Nicht umsonst hat Günter König das markante gesicht als Ronco umgesetzt. Aber einen Ronco-Film hat es nicht gegeben ...
ich war immer ein begeisterter Leser in meiner Jugend
Vielleicht könnt ihr mir helfen
Vielen dank uli