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Horizon - Eine amerikanische Saga

Horizon
Eine amerikanische Saga

Kevin Costner bringt den ersten seiner auf vier Filme angelegten Westernsaga ins Kino. In großartigen Bildern erzählt er eine epische Geschichte über die Besiedelung des Wilden Westens. Erste Siedler gründen Horizon auf dem Gebiet der Apachen, die die ersten Eindringlinge zu Beginn noch zurückdrängen können. Der Ansturm der Siedler reißt nicht ab und die amerikanischen Ureinwohner stellen sich ihnen entgegen.

Kevin Costner ist seit Anfang der 80er im Filmgeschäft tätig und als Schauspieler, Produzent und Regisseur an einigen der größten Projekte in Hollywood beteiligt. Seinen großen Durchbruch hat er im Jahr 1990 mit „Der mit dem Wolf tanzt“, für den er den Oscar für den besten Film und die beste Regie erhält.

Hier zeigt Costner bereits seine Vorliebe für lange Spieldauern. Die Kinofassung hat eine Laufzeit von 180 Minuten, der Directors Cut legt sogar noch einmal eine Stunde drauf und kommt damit auf 240 Minuten. Der Film nimmt sich Zeit für seine Figuren und schwelgt in ausufernden Landschaftsaufnahmen.

Vom Erfolg des Films beflügelt kommt Costner die Idee, ein Westernepos über die Besiedelung des Westens zu machen. Das Vorhaben scheitert an den Geldgebern, denn die Verantwortlichen glauben nicht an den Erfolg des Projektes. Costners Karriere nimmt derweil Fahrt auf und hat auch immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen. Der Weg führt ihn immer wieder zurück ins Westerngenre. 1994 übernimmt er die Hauptrolle in „Wyatt Earp“, der die Geschichte des berühmten Gesetzeshüters erzählt. 2007 spielt er die Hauptrolle in „Open Range" und führt auch Regie. Obwohl der Film ein finanzieller Erfolg ist, finden sich immer noch keine Geldgeber, um seine Idee von Horizon umzusetzen.

In den Jahren 2018 – 2023 übernimmt Kevin Costner die Hauptrolle in der Serie „Yellowstone“. In dem Neo-Western spielt er den Rancher John Dutton, der so seine ganz eigenen Vorstellungen von Anstand und Moral hat. Costners Präsenz auf dem Bildschirm ist immens und sicher ein Teil des Erfolges dieser außergewöhnlichen Serie. Die Serie soll mit der fünften Staffel enden, und nachdem die Hälfte der Folgen abgedreht ist, kommt es zum Streit zwischen den Produzenten und Costner. Der ist nämlich dabei, sein lang gehegtes Traumprojekt in die Tat umzusetzen. Der Star verfügt mittlerweile über nahezu eigene finanzielle Mittel, um den Film zu produzieren. Er belastet sogar sein eigenes Grundstück, um die restlichen Mittel aufzutreiben. Als es zu Überschneidungen im Drehplan zu Horizon und Yellowstone kommt, beendet er seine Zusammenarbeit mit den Serienmachern und konzentriert sich vollends auf seinen Film.

Das Epos wird aus insgesamt vier Teilen bestehen, wobei die ersten beiden in nahen Abständen ins Kino kommen (sollen). Der erste Teil hat eine Spieldauer von 180 Minuten, und es ist zu vermuten, dass die folgenden Teile eine ähnliche Länge haben werden, und die Reihe dann eine Spieldauer von 12 Stunden haben wird. Seit dem 22.08.24 kann der Zuschauer sich den Film nun im Kino anschauen und die Fortsetzung folgt ab dem 07.11.2024.

Die Handlung setzt im Jahre 1859 ein, kurz vor Beginn des amerikanischen Bürgerkrieges. Einige Siedler kommen in das Land der Apachen und wollen dort eine Stadt errichten. Sie haben ein Flugblatt dabei, das sie nach Horizon lockt und ihnen viel Land verspricht. Die Apachen brennen die Zeltstadt nieder und töten die meisten Einwohner. Die Armee ist nicht in der Lage, die Siedler in dem weitläufigen Land vor den Ureinwohnern zu schützen. Aber trotzdem reißt der Strom der Planwagen nicht ab, die unaufhaltsam in das Land der Apachen vorstoßen. Grausam töten die Apachen die Eindringlinge, aber auch die Siedler gehen nicht zimperlich mit den Ureinwohnern um und rauben ihnen ihr Land. Skalpjäger machen Jagd auf die Stämme und machen keinen Halt vor Frauen und Kinder, denn die Haarschöpfe der Apachen bringen bares Geld.

In mehreren Handlungssträngen begleitet der Zuschauer verschiedene Menschen, deren Schicksale sich auf dem Weg nach Horizon immer wieder überkreuzen. Frances Kittredge überlebt einen Angriff der Apachen und gelangt ins nahe gelegene Fort der Armee, die nicht in der Lage ist, den Indianerangriffen etwas entgegenzusetzen. Van Weyden führt einen Wagentreck, der sich ebenfalls Horizon zum Ziel gesetzt hat, und hat mit Konflikten innerhalb der Kolonne zu kämpfen. Der Händler Hayes Ellison (gespielt von Kevin Costner) gerät in eine Auseinandersetzung mit der Sykesbande und flüchtet mit der Prostituierten Marigold und einem Baby.

Costner selbst ist der Star des Films, tritt aber selbst erst nach ca. 90 Minuten in Erscheinung. Die Leinwandpräsenz eines John Dutton erreicht er dabei nicht, und das scheint auch Absicht zu sein. Er fügt sich damit gut in das Figurenensemble ein. Es ist eine der Stärken des Films, dass sich die Handlung nicht auf ihn allein konzentriert, sondern dass den vielen interessanten Figuren ausreichend Raum zur Entfaltung gegeben wird.

Neben den eindrucksvollen Panoramaaufnahmen, sind es vor allem diese ruhigen Dialogszenen, die dem Film eine besondere Note verleihen.

In einer Szene kommt es zu einem Zwischenfall in einem Store. Skalpjäger wollen einen Indianer töten, ein Junge soll die Erschießung übernehmen. Mehrere Personen sind daran beteiligt, wie etwa der Junge, der Indianer, dessen Sohn, der Storebesitzer und die Skalpjäger. Nahezu jede der Personen gerät in einen persönlichen Gewissenskonflikt, und der Zuschauer hat genug Zeit, sich mit ihnen auseinander zu setzen und zu überlegen, was er an deren Stelle tun würde. Die langsame Erzählweise lädt den Zuschauer quasi ein, sich mit den Figuren zu beschäftigen, und er muss nicht befürchten, dass er etwas verpasst, weil die Handlung weiter voranschreitet.

Kevin Costner bedient sich in Horizon einer klassischen Westernerzählweise. Viele Handlungsstränge mit vielen Figuren, die allesamt ausreichend Screentime bekommen. Dazu die langen Panoramaeinstellungen der Landschaftsaufnahmen, an denen sich der Zuschauer satt sehen kann. Zuschauer, die an die schnellen Schnitte des Actionkinos gewöhnt sind, könnten sich hier schnell langweilen. Der Film enthält zwar einiges an Action, der Schwerpunkt liegt aber ganz klar auf den Drama-Szenen.

Costner versucht die Besiedelung des Westens nachzuzeichnen und das gelingt ihm ziemlich gut. Ein Handlungsstrang verläuft bei den Apachen, sodass der Zuschauer ihre Taten nachvollziehen kann und sogar Verständnis für ihre Grausamkeiten aufbringt. Leider überwiegen die Szenen bei den Weißen, und der Zuschauer würde gern noch mehr aus dem Leben der Indianer erfahren. Vielleicht verlegt sich der Fokus in den folgenden Teilen etwas mehr zu den amerikanischen Ureinwohnern hin.

Der Film hat keinen Aufbau wie übliche Filme. Er verfügt weder über ein Finale, noch fügen sich die verschiedenen Handlungsstränge zusammen. Das ist aber so spannend und abwechslungsreich gemacht, dass der Zuschauer sich nach den drei Stunden wundert, dass der Film schon wieder vorbei ist. Zum Glück folgt im November die Fortsetzung, und der Zuschauer muss nicht allzu lange warten.

Leider kommt der Film nicht ganz ohne Anachronismen aus. Das ist schade, da Kevin Costner den Anspruch hat, einen originalgetreuen Film zu erzählen. Auf der Seite der Siedler befinden sich afroamerikanische Menschen, die ganz normal in die Gemeinschaft integriert sind. Die Wagentrecks befinden sich im Jahr 1861 auf den Weg nach Horizon, zu einer Zeit, in der die meisten Afroamerikaner in den Südstaaten noch in der Sklaverei waren. In den Nordstaaten und den Gebieten, die noch nicht zum Staatsgebiet der USA gehörten, waren die Schwarzen zwar frei, lebten dann aber doch am Rand der Gesellschaft. In einigen Szenen sind Hybridhühner zu sehen, die dem Zuschauer ein Gefühl von Authentizität vermitteln sollen. Diese Tiere sind jedoch erst nach dem zweiten Weltkrieg gezüchtet worden

Zuschauer, die einen Film mit den üblichen Mustern erwartet haben, dürften von dem Film vielleicht enttäuscht sein. Horizon wirkt nicht wie ein Film, sondern wie die ersten Teile einer Serie, wie sie auf den diversen Streaming-Portalen zu sehen sind. Der Schreiber dieser Zeilen ist aber froh, dieses Meisterwerk auf der großen Leinwand gesehen zu haben und freut sich schon auf die Komplett Blu Ray Box aller vier Teile und dem Re-Watch an einem verregneten Wochenende.

In den USA ist der Film gefloppt. Costner gibt in einem Interview den veränderten Sehgewohnheiten der Zuschauer die Schuld. Das moderne Actionkino vertreibt seiner Meinung nach die klassische Erzählweise, die den Fokus eher auf die handelnden Personen und deren Motive legt. Darüber hinaus sieht er den Einfluss der neuen Medien und der sozialen Netzwerke, die nur eine kurze Aufmerksamkeitsdauer erfordern. Es ist fraglich, ob die weiteren Teile in den USA noch ins Kino kommen, oder ob sie nicht doch auf einer Streamingplattform zu sehen sein werden. Der deutsche Verleih hat angekündigt, alle vier Teile ins Kino zu bringen, was sicherlich aber auch davon abhängen wird, wie der Film vom deutschen Publikum aufgenommen wird.

 

Horizon - Eine amerikanische Saga
Regie: Kevin Costner
Drehbuch: Jon Baird, Kevin Costner
Produktion: Kevin Costner, Howard Kaplan, Mark Gillard
Musik: John Debney
Kamera: James Michael Muro

Darsteller:
Kevin Costner: Hayes Ellison

Sienna Miller: Frances Kittredge
Sam Worthington: First Lt. Trent Gephardt
Luke Wilson: Matthew Van Weyden
Isabelle Fuhrman: Diamond Kittredge
Ella Hunt: Juliette Chesney
Will Patton: Owen Kittredge

08/2024

Kommentare  

#1 Mainstream 2024-08-28 10:40
Hallo Torsten,

auch ich kann meine Begeisterung für HORIZON nicht verhehlen, der allerdings in einigen Bereichen besser sein könnte.

Aber der Charakteraufbau und die (noch unvollständige) Zusammenführung der Handlungsstränge ist wirklich sehr gut gelungen. Und der vierminütige Übergang zu Teil Zwei macht schnell vergessen, einen eigentlich nicht abgeschlossenen Film gesehen zu haben.

Im Übrigen haben die Arbeiten zu Teil Drei bereits begonnen. Damit will ich zu ein paar Anmerkungen bezüglich Deiner Ausführungen überleiten.

In den größeren Ballungszentren der Nordstaaten waren Afroamerikaner bisweilen durchaus voll in die Gesellschaft integriert. Und aus diesen Großstädten heraus kamen ja viele der Siedler-Treks.

Mit der Langfassung von DER MIT DEM WOLF TANZT hatte Kevin Costner nichts zu tun, dass war Entscheidung des Studios Orion Pictures, welches noch zuvor eine 2 1/2 Stundenfassung für die Kinoauswertung gefordert hatte.

Costner hatte bereits 1988, zwei Jahre vor dem WOLF, die Idee zu HORIZON als alleinstehenden Film bei Disney platziert.

Ich freue mich jedenfalls schon riesig auf November und Teil Zwei.
#2 Torsten Pech 2024-09-08 12:54
Moin, Mainstream,

jetzt komme ich endlich mal dazu, zu antworten.

Laut Costner hat er einige Szenen des dritten Teils bereits bei den Dreharbeiten zu Teil 1 und 2 mit abgedreht. die richtigen beginnen aber erst Anfang 2025.

Im Norden waren die Sklaven zwar offiziell frei, ich bezweifel aber, dass die gleichberechtigt der weißen Bevölkerung gelebt haben. Das erkennt man schon an dem Misstrauen, das den Schwarzen-Batailonen damals entgegenschlug. Allein schon die Tatasche, dass es solche gab steht für sich. Außerdem zieht sich die gesellschaftliche Benachteilgung bis heute wie ein roter Faden durch.

Die Infos über die Kinoauswertung und den ersten Versuch, Horizon zu platzieren, arbeite ich noch in den Text ein.
#3 Hermes 2024-09-10 17:16
Wenn man der Fachliteratur glauben darf, gab es da regionale Unterschiede. In den Staaten des mittleren Westen gab es starke Vorbehalte gegenüber der schwarzen Bevölkerung. In den Staaten New Englands waren die Abolotionisten viel stärker und man war eher bereit volle Bürgerrechte zu gewähren.

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