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Lifeline - oder gute Spiele brauchen keine Bilder

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneLifeline - oder gute Spiele brauchen keine Bilder

Das iPhone piept. Eine Textnachricht. Nichts Ungewöhnliches, aber in dem Fall würde man doch stutzen, wäre es das wirkliche Leben - denn die Textnachricht kommt von einer Person namens Taylor und die ist gerade auf einem fernen Planeten mit einem Raumschiff abgestürzt. Es ist nicht der Mars übrigens, es ist irgendwo ganz weit draußen. Vermutlich ist Taylor - im Spiel ist nicht ganz klar ob die Person weiblich oder männlich ist, jedenfalls nicht im Original - für den Überlebensjob noch weniger qualifiziert als ein anderer Astronaut.


Sein Spezialgebiet: Ratten. Sein Auftrag: Als Student herausfinden, was mit Ratten auf einem Raumschiff passieren kann. Nicht auf dem Lehrplan: Überleben auf einem fernen Planeten.

Auf das Spiel "Lifeline" wurden ja schon diverse Lobeshymnen verfasst, es gilt als "Spiel des Jahres" fürs Smartphone, als intelligentes, witziges und spannendes Ereignis und als eines der Spiele, die einen an den Screen fesseln. Das hat mehrere Gründe und hat mit der Art und Weise zu tun wie "Lifeline" an sich funktioniert. Dabei ruft es Erinnerungen an die ersten Computerspiele überhaupt wach, die mit Textanweisungen wie "Gehe Norden" oder "Benutze Axt mit Tür" die Figur des Spielers ohne Bilder durch eine imaginative Landschaft lotsten - Spiele, die die heutzutage dank der Big Bang Theory und Sheldons Begeisterung für diese Art wieder ein wenig en Vogue sind.

"Lifeline" hat ebenfalls außer dem Startbildschirm keine Grafik zu bieten sondern präsentiert die Situation dem Spieler in einem vertrauten Umfeld: Als Chat. Die vertraute Kommunikationsumgebung ist zwar nicht so ausgeschmückt wie der Facebook-Messenger oder Snapchat, aber man braucht als Spieler keine weitere Erklärung darüber wie das funktioniert - man wird sofort durch das Kaninchenloch - in dem Fall die erste Nachricht von Taylor - in das Spiel hineingezogen. Am Ende einer Frage von Taylor leuchten dann zwei Knöpfe mit zwei vorgefertigten Antworten auf seine Fragen auf - oder auf Anweisungen, die Taylor dann vollzieht. Soll er lieber das Wrack durchsuchen oder sich auf die Nacht vorbereiten? Jemanden von der Crew am Leben lassen oder den Stecker der Stasi-Kapsel für den Notruf-Apparat ziehen? Teilweise sind die Entscheidungen eher spielerisch leicht, aber dann wiederum muss man eine Weile nachdenken bevor man auf den Knopf klickt.

Das einfache Spielprinzip wird noch dadurch verstärkt, dass Taylor sozusagen in Echtzeit unterwegs ist - in diesem Fall eine eher gefakte, aber wenn Er oder Sie durch einen Krater wandert kann es schon einige Stunden dauern bis die nächste Nachricht von ihm aufklappt. Und wenn man die Push-Notifikation für das Spiel eingestellt hat, dann ist man sofort wieder im Spiel - einfach weil man wissen will wie es Taylor ergangen ist. Man fällt also dauernd durch die Kaninchenlöcher.

Was zudem auch intelligent ist: Man trifft nicht immer die richtigen Entscheidungen - so erging es auch mir beim Spielen des öfteren. Aber anstatt, dass man frustriert von Neuem anfangen muss, kann man zu entscheidenen Stellen des Spiels zurückspulen und quasi von dort aus nochmal starten. Das System kennt man als "Speicherpunkte" bei den Konsolenspielen - bei einem Text-Adventure wie "Lifeline" ist das aber verhältnismäßig neu. Und es erhöht den Wiederspielwerk des Ganzen enorm, so dass man selbst wenn man einmal komplett die Story durch hat, dann zurückspult um einfach an der einen oder anderen Stelle eine andere Entscheidung zu treffen.

Man kann sich von dem Spiel sicher einiges abschauen - Geschichten erzählen im Zeitalter von Smartphones ist schon eine Kunst, die "Lifeline" perfekt meistert. Die Textmenge ist an das Medium angepasst, es ist nicht zu lange oder zu kurz, die Geschichte selber baut sich langsam auf und wird immer merkwürdiger und seltsamer und obwohl man nicht viel über Taylor weiß - außer, dass mit der studentischen Forschung und dass Er oder Sie Humor hat - fühlt man sich durch die Ansprache und die Reaktionen auf das, was man tut ihm oder ihr doch sehr nahe. Wer weiß - vielleicht sieht demnächst so die Kurzgeschichte der Zukunft aus. Oder vielleicht ist sie das auch schon.

Kommentare  

#1 Larandil 2016-02-18 08:12
Auf der gleichen Basis funktionert das Smartphonespiel "Der Jahrmillionenfeind" vor dem Hintergrund der aktuellen Handlung bei Perry Rhodan.
www.perry-rhodan.net/der-jahrmillionen-feind.html

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