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PAPEGO: Online offline weiterlesen

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumnePAPEGO: Online offline weiterlesen

Lesen ist ein so intimer Vorgang, dass es Konzepte wie das Social Reading - Sascha Lobo zum Trotz - es schwer haben den Mainstream zu erobern. Wer möchte sich auch schon beim Lesen von Anderen über die Schulter blicken lassen? Es sei denn, man hat vergessen die jeweilige Funktion im e-Book-Reader auszuschalten oder das neueste Phablett, welches mit seinem breiten Bildschirm dem Nachbarn den eigenen Lesestoff aufdrängt wie vormals der Sitznachbar einem die entfaltete FAZ ins Gesicht feudelte.


Lesen ist ein intimer Vorgang. PAPEGO wird daran nichts ändern.

PAPEGO ist erstmal eine App. Eine gepriesene innovative sogar glaubt man dem Buchhandel und den Verlagen, die die App seit März auf den Markt bringen wollen. Immerhin darf das Wort "innovativ" in diesem Fall sogar zu Recht angewandt werden. Was bei Apps vom Buchhandel ja seltener der Fall ist. Die App habe ich persönlich noch nicht testen können, weil sie halt noch nicht so richtig da ist und weil auch meine Bücher nicht mit ihr kompatibel sind. Das klingt jetzt seltsamer als es ist, aber mein Bücherschrank enthält Bücher von Verlagen, die die App bisher nicht unterstützen oder Bücher aus den Verlagen, die halt älter sind und nicht mit der App zusammenarbeiten werden.

Das Konzept sieht übrigens wie folgt aus: Man liest die gedruckte Ausgabe eines Buches und - weil man aus welchen Gründen auch immer jetzt online weiterlesen möchte - scannt dann eine Seite des Buches mit PAPEGO ein. Da kann schon eingehakt werden: Liest man als elektronischer Leser nicht ohnehin schon das e-Book, welches man sich auf den Reader geladen hat? In welchem Fall bringt das Einscannen einer Buchseite, damit dann mit dem Lesegerät der Wahl bis zu 25% des Buches online freigeschaltet wird einem jetzt Vorteile? Hoppla, ich habe gerade das Print-Exemplar zu Hause liegengelassen und brauche jetzt dringend die Online-Option zum Lesen? Gut. Denkbar. Machbar. Praktikabel eher nicht so. Und ich glaube auch nicht, dass Leser, die elektronische Lesegeräte benutzen nun wirklich mit Freuden jauchzen werden.

Schön - für Piper und den Berlin-Verlag, die erstmal in Deutschland Partner für die App sind, mag sich das Ganze ja als Neukundengerierungsdienst rechnen. Nach dem Motto: Mach es den Leuten so einfach wie möglich sich neue Leseerfahrungen zu generieren. Wer einmal kostenlos die Möglichkeiten des e-Books kennengelernt hat, der wird dann - so die Berechnung - demnächst auch sofort zur elektronischen Variante greifen. Ob das allerdings wirklich so aufgeht, das ist fraglich. Denn eigentlich braucht man keine Lockangebote um zum elektronischen Lesen zu verführen - die e-Book-Reader der neuesten Generation bringen so viele Vorteile mit, dass man da - wenn man es denn möchte - kein weiteres Argument zum Kaufen braucht. Allenfalls stellt sich die Frage, ob man sich dem bösen Amazon, dem noch böserem Apple oder dem hehren und reinem Buchhandel anschließt. Also der hellen oder der dunklen Seite der Macht. Was natürlich eine Übertreibung ist, bekanntlich ist der Buchhandel ebenso ein profitorientiertes Gewerbe wie alle anderen auch.

Der Ansatz ist nun wirklich nicht schlecht, wenn mir jetzt auch nichts einfällt wie das praktisch wirklich in die Lebenswelt der Leser passen sollte. Vor allem: Übermittelt die App dann nicht mit dem Photo der Stelle bei der man gerade mit dem Lesen aufgehört hat nicht auch automatisch so eine Art von Leseprofil? Auch, wenn die App aus Deutschland stammt und wir das beste Datenschutzgesetz der Welt, ach was, des Universums haben - die Tatsache, dass die Seite ja erstmal irgendwo auf Servern gespeichert werden muss, bevor dann das elektronische Äquivalent der Seite heruntergeladen wird spricht nicht gerade für einen sehr intimen Vorgang. Und auch, wenn alle hoch und heilig beteuern werden, dass man die Daten ja sonst nicht anders verwenden werde als gerade nur für diesen Vorgang - Zweifel dürften bleiben.

Aber schön: Wer schaltet auch schon bei den ganzen e-Book-Readern auch schon bewußt die Option des Mitlesens ab? Dafür sind wir doch alle viel zu bequem. Und dann ist PAPEGO auch noch kostenlos! Ob sie auch umsonst ist, das ist die andere Frage - aber immer wenn etwas kostenlos angeboten wird, dann steckt möglicherweise irgendwas mit Gewinnung von Daten und Verscherbelung derselben im Produkt. Bis PAPGEO wirklich ausprobierfähig ist und bis man die ganzen AGBs gelesen hat bleibt erstmal eine gewisse Porion von Skepsis übrig. Und auch wenn ich mir das Hirn zermartere: Ich wüsste wirklich nicht in welcher Situation das Einscannen der Seite mir Vorteile bringt. Selbst das Szenario, ich gehe aus dem Haus und denke, hach, da hab ich doch glatt Kants sämtliche Werke vergessen, da muss ich schnell mal online weiterlesen - lasst mich kurz überlegen: Nein.

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