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Wenn der Mensch im Mittelpunkt stehen soll: Die Bundesregierung und das Digitale

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneWenn der Mensch im Mittelpunkt stehen soll:
Die Bundesregierung und das Digitale

Eigentlich hätten wir vor kurzem ganz, ganz viel zum Thema Digitalisierung hören müssen. Denn schließlich fand der große Digitalisierungsgipfel der Bundesregierung statt.

Ein Gipfel, bei dem alle Ministerien, die irgendwie damit zu tun haben - und Frau Baer - zusammenkamen und über das sprachen, was uns auf den Nägeln brennt:

Die Umweltverträglichkeit von neuen Technologien, der Wegfall von Arbeitsplätzen und die Frage, was dann mit Menschen passiert, die nicht mehr weiterbildungsfähig sind...

Wir sind momentan dabei die Fehler der ersten <Digitalisierung> zu wiederholen. Damals, als auf einmal der Dampf als Treiber für Maschinen aufkam, als Berufsgruppen verschwanden, weil Maschinen sie besser konnten - und schneller - dachte man im Traum nicht daran, was das für die Umwelt bedeutet. Was dann in den großen Gestänken der Themse mündete, weil man halt alles in den Fluss kippte und dass der Smog von damals nun wirklich nicht gerade gesundheitsförderlich war, muss man nun nicht betonen. Ebensowenig dachte man darüber nach, was die Technik für die Gesellschaft bedeutete: Da Jobs auf einmal wegfielen, Menschen in die Metropolen zogen hatte man die Verslumisierung der Großstädte. Wer auch immer Charles Dickens gelesen hat oder auch Upton Sinclairs Schilderung über die Fleischindustrie der späteren Zwanziger Jahre, der wird wissen, dass Technologie an sich nicht immer das Beste sein muss.

Wenn nun die Bundesregierung betont, man wolle den Menschen in den Mittelpunkt stellen - ächz, dieser Slogan hat einen längeren Bart als Methusalem alt geworden ist - bisher habe ich aber den Eindruck, dass Technologie-Unternehmen gefördert werden als gäbe es kein Morgen. Was per se nicht schlecht ist, wenn aber der Mensch im Mittelpunkt stehen soll, dann sollte die Technik gefälligst einen Schritt beiseite treten und ebenso auch die Wirtschaft. Stattdessen findet man auf der Webseite zum Thema Innovation und Digitalisierung so jedes ziemliche Schlagwort, was man sich denken kann: KI. Startups. HUBs. KI. Digitalisierung. Innovation. KI. Und habe ich HUBs schon erwähnt?

Ja, aber - so mögt ihr einwenden - auf der anderen Unterseite steht doch was von Menschen. Und Gesellschaft. Und so. Dann klickt mal drauf... Digitale Bibliothek erstellen. Das macht man mit Datenbanken und Daten, die aus anderen Bibliotheken gesammelt werden. Also: Technik. Museum Vier Null. Man möchte mit was - richtig - Technologie ermöglichen, die Besucher besser mit den Museen in Verbindung zu bringen. Ach so, es sind moderne Technologien. Education oder Vermittlung durch andere Angebote - wir haben ja die Technik. Der Mensch steht dann irgendwie im Mittelpunkt - ABER TECHNIK...

Kurz und schlicht: Zwar soll der Mensch im Mittelpunkt stehen, schaut man sich aber mal die Punkte der Digitalstrategie der Bundesregierung an, so ist die Technik im Mittelpunkt. Und grenzenloser Optimismus. Alles wird besser, wenn die Technik soweit ist. Alles wird smarter und großartiger und der Bürger kann dann seinen Papierkram online erledigen. Das sollte schon mit der Einführung des neuen Personalausweises möglich gewesen sein und was die Gesundheitskarte anbelangt - darüber breite ich mal den Mantel des Schweigens. Wenn solche Projekte schon seit Jahren nicht funktionieren, sind andere angedachten Projekte der Regierung schon auch mal skeptische anzusehen.

Vor allem aber: Wie damals macht man sich keine Gedanken darüber, was mögliche negative Folgen des Ganzen sein könnten oder was das für die Gesellschaft bedeutet. Was heißt das, wenn Banken allmählich verschwinden, denn schließlich haben wir ja alle Apple Pay oder Pay Pal? Was bedeutet das Verschwinden des Hartgeldes eigentlich per se? Sind dann nicht alle Einkäufe irgendwie von den Behörden trackbar, weil sie auf der Kreditkartenabrechnung zu finden sind? Und was machen eigentlich die großen Firmen mit unseren Daten? - Keine große Überraschung: Entweder verlieren sie die oder sie werden gehackt...

Wenn jetzt schon Pflegekräfte fehlen, was passiert, wenn mehr und mehr Aufgaben an Roboter oder Maschinen übertragen werden? Abgesehen mal davon, dass wir uns mal darüber Gedanken machen müssten, wie das Rentensystem in Zukunft funktionieren soll, unsere Gesellschaft wird nicht jünger. Und auch hier die Frage nach den Daten und wer Zugriff hat und ob Krankenkassen wirklich einen Zugang zu meinen Fitness-Trackern haben sollten, damit wir auch alle schön gesund bleiben...

Abgesehen mal davon: Bekommen Uber-Fahre irgendwann mal Rente? Werden wir nicht irgendwann mal eine gewaltige Masse von Altersarmen bekommen, weil die Selbstständigen nicht unbedingt für sich selbst vorsorgen können? Dagegen hatte Frau Nahles mal die Idee der Zwangsversicherung, was nun auch vielleicht nicht unbedingt der Weg der Dinge ist, aber immerhin, da hatte sie mal eine Idee. Und was ist mit den Resten unserer Technik, die in Afrika landen? Ist ja nicht so, als ob Apple persönlich das Cradle-to-Cradle-Prinzip erfunden hätte - der Großteil unserer alten Technik wird in Afrika ausgeschlachtet. <Welcome to Sodom, dein Smartphone ist schon hier> zeigt auf, was Recycling nun wirklich bedeutet.

Wenn der Mensch wirklich im Mittelpunkt steht, liebe Bundesregierung, dann kümmert euch gefälligst mal um die Dinge, die mit der Digitalisierung auch schief gehen könnten. Und werft nicht dauernd das Wort Weiterbildung in den Ring, wenn es um den Auffang von Menschen geht, die dann durch Roboter ersetzt werden. Ja, sicherlich gibts neue Jobs und es wird neue Arbeitsmärkte geben. Aber das wird ja nicht bedeuten, dass ein verlorener Arbeitsplatz durch einen neuen ersetzt wird. Also vom selben Menschen. Und warum eigentlich haben wir kein Digitialisierungs-Ministerium sondern nur Frau Baer, die nun wirklich nichts bewegen kann, weil die Themen blöd auf andere Ministerien verteilt sind? Weil keiner Macht abgeben wollte? Vermutlich.

Kommentare  

#1 Laurin 2018-12-14 10:51
Schon als in Sachen Digitalisierung und Internet die Kanzlerin plötzlich "Neuland" entdeckt haben wollte, hätten die Alarmglocken schrillen müssen. Zeigte es doch recht schön auf, wie wenig man in der Regierung die Sache eh auf dem Schirm hatte. Und das sich da hinsichtlich auch der gesellschaftlichen Problematiken bei dieser Entwicklung etwas wesentliches in den Köpfen der Politiker verändert haben sollte, wage ich ehrlich zu bezweifeln. Man überlässt es wie vieles andere auch, dem freien Spiel der Kräfte (also z.B. der Wirtschaft) und hofft, das es schon nicht so schlimm kommen wird. Wirklich bewegt wird sich in der Politik dann zumeist erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und selbst dann können die Maßnahmen um zumindest noch etwas gegenzusteuern, noch recht halbherzig sein. Als NUR ein schönes Beispiel hierzu führe ich nur einmal den Pflegenotstand allgemein an oder die unhaltbaren Zustände hinsichtlich der Krankenhäuser (wie Personaldefizit allgemein, Mangel an Fachärzten usw.).

Wer da immer noch glaubt, die Politik hätte immer alles im Griff, geschweige denn im Blick, der sollte besser die rosarote Brille in den Schrank legen. Dem ist nämlich leider an vielen Baustellen der Republik nicht so, weshalb die großen Parteien bereits ein allgemeines Glaubwürdigkeitsdefizit aus der Bevölkerung zu spüren bekommen, was leider auch wieder dazu führte, dass am rechten Rand ein gefährliches, weil nicht wirklich demokratisches Unkraut (sprich AfD) sprießen kann.
#2 VM 2018-12-14 16:57
Aus meiner Sicht liegt das Problem darin, dass in Deutschland die gesellschaftspolitisch progressiven Kräfte (Grüne, Linke und z. T. auch FDP) seit Jahren in der Opposition sind.

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