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Hazel-Rah, oh, Hazel-Rah: Watership Down als Netflix-Miniserie

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneHazel-Rah, oh, Hazel-Rah:
»Watership Down« als Netflix-Miniserie

Mittlerweile ranken sich so viele Legenden und Erzählungen um die Ausstrahlung des Zeichentrickfilms von Watership Down - deutsch: Unten am Fluss, dass man die Fakten wohl kaum von den Erzählungen trennen kann. Tatsächlich ist: Als die Zeichentrickverfilmung des Romans vor einigen Jahren zu Ostern gesendet wurde, hagelte es Proteststürme von besorgten Eltern. Was den Sender nicht davon abhielt, den Film auch im nächsten Jahr wieder zu Ostern zu zeigen.

Es geht ja um Kaninchen. Die sind süss. Wissen wir doch seit Disney: Animierte Tiere sind süss und Zeichentrickfilme sind was für Kinder. Wer seinen Nachwuchs allerdings mit Watership Down alleine lässt, könnte für einige Nächte damit zu tun haben, eben diesen Nachwuchs zu beruhigen. Selbst in der neuen Netflix-BBC-Variante.

Dass es überhaupt möglich ist die weitschweifige Handlung des Romans in einen Zeichentrickfilm zu packen, ist ein Wunder. Auf den ersten Blick ist Watership Down von Richard Adams nämlich einer dieser klassischen Jugend-Abenteuer-Romane, nur sind die Protagonisten halt keine Menschen sondern Kaninchen. Aber im Grunde verfolgt der Roman das klassisches Muster: Ein Held, hier das Kaninchen Hazel, wird in die weite Welt gestoßen - gerade rechtzeitig, bevor das Land von Baggern untergepflügt wird - und muss sich in dieser bewähren. Unterstützung erhält er durch seine zahlreichen Begleiter und am Ende stirbt er alt und lebenssatt. So weit, so Schema F. Wer Huckleberry Finn gelesen hat, wer den kleinen Hobbit kennt, die Schatzinsel undsoweiterundsofort kennt das.

Mit eines der großen Themen des Romans ist der Umgang des Menschen mit der Natur. Das beginnt schon mit dem Umpflügen von Hazels altem Bau, das geht weiter mit der Überquerung der Straße oder der Begegnung mit dem Farmer, der mit der Schrotflinte keine große Umstände mit den wilden Kaninchen macht. Aus der Sicht des Erzählers gesehen sind Menschen nun keineswegs die wunderbaren, guten Geschöpfe, die Gott ins Paradies setzte. Allerdings macht sich das der Roman nicht zu einfach, gegen Ende wird Hazels Bruder gerade durch die Tochter des Farmers gerettet, der zu Beginn des Romans auf die Kaninchen geschossen hat.

Ein zweites Thema: Kritik an der Religion. Zu Beginn des Romans begegnen die Kaninchen Cowslip, der zusammen mit weiteren Kaninchen im Paradies lebt. Weite Felder, genügend Höhlen, ausreichend Futter. Das Paradies aber ist - wie Fiver schon zu Beginn ahnt - vergiftet. Cowslip und seine Kaninchen beten eine Art von Kristall als Verkörperung des Kaninchengottes Frith an, sie haben alle Widerstandskraft verloren. Kein Wunder: Der Farmer nebenan hat rasch erkannt, dass es besser ist einfach Fallen zu stellen und die Kaninchen zu füttern, als mit der Schrotflinte auf sie zu jagen. Daraus basteln sich Cowslip und Co. allerdings eine eigene Religion. Und feiern die Aufopferung des Einzelnen für die Gemeinschaft mit regelrechten Hymnen. Hazel und Konsortien hält es da begreiflicherweise nicht lange.

Das dritte Thema des Romans: Unterdrückung durch die eigene Art. In Ephrata herrscht General Woundwort mit eiserner Hand. Wer Widerstand leistet, wird unterdrückt, gequält, dessen Wunden werden als schlechtes Beispiel allen denen vorgeführt, die glauben entkommen zu können. Ein System, in dem Frauen nur als Wegwerfartikel betrachtet werden. Getragen alles davon, dass Woundwort stets versichert, es wäre alles nur für die eigene Sicherheit. Und was ist schon das Eintauschen von ein wenig Freiheit gegen das von Stabilität und Ruhe und Ordnung? Das sind Argumente, die heute aktueller sind als je. Dass sie falsch sind, das macht Richard Adams als Autor allerdings auch recht bald klar. Dass ein Jugendroman mit netten, niedlichen Kaninchen sich ausgerechnet dem Thema des Dritten Reiches widmet, das ist so nicht unbedingt vorauszusehen.

Die neue Miniserie in vier Teilen schafft es tatsächlich alle diese Themen und die verschiedenen Handlungsstränge im Blick zu behalten. Das sollte man zwar von einer Miniserie auch erwarten, aber es ist ja nun nicht immer so. Wobei man allerdings auch merkt: Mehr Zeit wäre dann doch besser gewesen. Einige Schnitte - besonders in der Folge mit der Farm - sind für mich dann doch so: Huch, wo sind wir denn hier jetzt wieder? Ach so, das ist der andere Handlungsstrang. Das war dann aber doch eher so - unvermittelt. Teilweise baut die Serie eine schöne Atmosphäre auf, um dann mit einem Gegenschnitt den Zuschauer aus dieser rauszureißen. Das passiert zwar nicht in jeder Folge, aber wenn es passiert, dann merkt man das nur um so mehr.

Was man auch merkt: Es ist eine Fernsehserie. Das macht sich in der Qualität der CGI-Kaninchen und Tiere bisweilen nur allzu bemerkbar. Nun wäre ein Vergleich etwa mit den Tieren aus Peter Rabitt, der Kinofilm lief ja in diesem Jahr im Frühling in den Kinos, unfair, denn das Fernsehen hat nicht die Millionen, die Hollywood-Produktionen aufbieten können. Allerdings ist es doch zeitweise etwas zu sehr im Uncanny Valley angesiedelt, was die Serie zeigt. Beim Blick auf den Hund in der letzten Folge hab ich mir auch gedacht, dass heutige Videospiele sowas besser können. Aber auch die haben mehr Budget als die BBC und Netflix. Einige Abstriche muss man also in Kauf nehmen, wenn man sich die Serie anschaut.  

Beide Makel aber kratzen dann nicht am Sehvergnügen. Dass die Netflix-BBC-Serie einen Makel der Vorlage behebt ist zu begrüßen: Die weiblichen Kaninchen haben mehr Profil und Kanten als im Buch und im Zeichentrickfilm. Und mehr Mitspracherecht. Noam Murro, der bei allen Folgen Regie geführt hat, beherrscht sein Handwerk, nur kann ich mich halt mit einigen Schnittentscheidungen wie oben erwähnt nicht so ganz anfreunden.

Jedoch findet Murro dann wiederum eindrucksvolle Bilder. Wenn zu Beginn der Ephrata-Episode etwa - die Kaninchen-Kolonie ist in Häuser-Ruinen angesiedelt - auf einen alleinstehenden Kamin zufährt, die Kaninchen in Eisenbahnschienen darauf zusteuern... Wenn General Woundwort und der Farm-Hund am Ende aufeinander treffen, beide zum Sprung ansetzen... Wenn zu Beginn die Kamera über diesen friedlichen Kaninchenbau fährt, man die Kaninchen bis zum Rand begleitet und dann schon das Bauschild sieht... Es gibt durchaus Momente, wo man auch ein wenig die Tränen verdrücken muss. Dass die Kaninchen-Kämpfe dann auch toll in Szene gesetzt sind, sollte man bei Murro wohl erwarten, wenn der den Nachfolger von 300 inszeniert hat. Im englischen Original sind die Sprecher exzellent: Peter Capaldi als Vogel, James McAvoy spricht Hazel, Ben Kingsley Genreal Woundwort. Noch erwähnen muss ich Olivia Colman sowie Rory Kinnear.

Alles in allem ist die Neuauflage von Watership Down tatsächlich einen Tacken freundlicher als der Zeichentrickfilm und die Vorlage. Allerdings sollte man auch hier den Nachwuchs nicht alleine vor den Fernseher setzen, Tod und Verzweiflung sind auch bei der Netflix-BBC-Variante stets gegenwärtig. Ebenso auch wie die anderen Themen des Romans. Und das ist gut so, denn es regt zum Nachdenken darüber an, was wir mit der Umwelt tun und wie wir uns gegenüber anderen Menschen verhalten. Ab und an brauchen wir auch einen Abstand von dem Disney-Heile-Welt-Kitsch. Da ist die Serie ein wunderbares Gegenmittel. Auch, wenn Kaninchen wirklich, wirklich süss sind.

Kommentare  

#1 Laurin 2018-12-28 11:28
Eigentlich fand ich den Zeichentrickfilm gerade für Kinder geeignet. Greift er doch hier durchaus auch kindgerecht wichtige Themen auf. Man sollte jedoch den Film als Eltern gemeinsam mit den Kindern sehen, um auf Fragen von ihnen auch reagieren und erklärend einwirken zu können.

Wer da die Kinder stets zum reinen konsumieren vor den Bildschirm setzt und sie so damit alleine lässt, soll sich meiner Meinung nach später auch nicht beschweren. Das gilt z.B. auch für den Zeichentrickfilm "Wenn der Wind weht", der ebenfalls mit dem Thema Nuklearkrieg ein ernstes Thema beleuchtet. Ebenso wäre zu nennen der original Zeichentrickfilm "Animal Farm", übrigens alle mit einer FSK-Freigabe ab bereits 6 Jahre versehen.

Ich kenne allerdings nur den eigentlichen Zeichentrickfilm, aber keine TV-Version von "Watership Down".

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