Artikel 13: Reaktionen, Meinungen, Perspektiven
Artikel 13:
Reaktionen, Meinungen, Perspektiven
Einzelne mag es wie immer geben, aber in der Mehrzahl ist die Empörung, die sich jetzt auch auf der Strasse ausbreitet, gegen den Entwurfstext gerichtet, den die Trilog-Verhandlungen letzte Woche ergeben haben. Momentan liegt der leider nur auf Englisch vor.
Aber gehen wir ins Detail: Seit knapp drei Jahren verhandelt das EU-Parlament zusammen mit dem Rat über eine neue Fassung der Richtlinie für ein vereinheitlichtes Urheberrecht, dass die Länder der EU in regionales Recht umsetzen müssen. Das ist so wie bei der DSGVO halt. Nur, dass der Weg bis zum aktuellen Kompromiss ein wenig holprig war - schon einmal ist eine Abstimmung im Parlament gescheitert, weil es da Meinungsverschiedenheiten gab. Deswegen halt setzte man sich zusammen und einigte sich auf einen Kompromiss. Dieser Kompromiss liegt jetzt vor - und neben einigen positiven Punkten, so was verwaiste Werke anbelangt etwa, hat der zwei Artikel, die schon vorher diskussionswürdig waren.
Was auf der EU-Ebene nun demnächst im Parlament beschlossen werden soll - es ist tatsächlich nur ein Entwurf, da aber alle drei Parteien in der EU mit beim Kompromiss beteiligt waren ist es unwahrscheinlich, dass das Parlament jetzt noch einen Rückzieher macht - ist erstens ein Leistungsschutzrecht für Verlage. Kurzgesagt: Die Verlage möchten von Google News oder anderen Angeboten - PIQD, Flipboard fallen darunter, also die sogenannten Aggregatoren, die News zusammenstellen - Geld. Die Verlage meinen: Es könne nicht sein, dass andere Dienste mit dem, was wir erarbeitet haben Gewinne scheffeln. Google-News allerdings hat noch nie Gewinne gemacht und der Dienst ist auch anzeigenfrei. Aber generell: Wer wie Facebook etwa eine Vorschau erstellt - oder Twitter - der soll halt zahlen. Private Angebote sind erstmal ausgenommen.
Das eine Problem ist - und das hat die Kanzlei WBS schon im letzten Jahr angerissen: Was ist jetzt privat? Das wird im Entwurf auch in der letzten Version nicht genauer definiert. Ab wann ist ein Blog, ein Forum, eine Seite kommerziell? Wenn sie Werbeanzeigen einblendet? Wenn das so einfach wäre, dann hätten wir momentan keine Gerichtsverfahren gegen Instagram-Influencer. In denen Gerichte haarklein an den einzelnen Postings durchdeklinieren, was privat und was kommerziell ist. Aktuell sehen wir das bei Cathy Hummels. So einfach ist das wohl doch nicht. Wohlgemerkt: Es ist sind alle betroffen. Nicht nur die Großen, gegen die das Gesetz ja eigentlich vorgehen möchte. Vor allem gruselig wird das, wenn man sich anschaut, dass demnächst wohl Überschriften an sich nicht mehr zitiert werden dürfen - der Schutz für die Verlage ist nämlich unabhängig von der Länge. Was dann jetzt als kleinstes gemeinsames Vielfaches rauskommt - ein Wort? Zwei Wörter? Drei? - werden wir dann erleben. Vor allem ärgerlich für uns als Verbraucher: In Zukunft könnten wir gar nicht mehr direkt sehen, worin es in einem Artikel geht. Google hat das mal als Modell die letzten Tage gebracht: Das Ergebnis erinnerte mich an Altavista. Alta-was? ALTAVISTA. War mal eine Suchmaschine. Früher. Ein Trost: Reine Textlinks an sich dürfen wir immer noch setzen. Nun ja. Jetzt könnte aber doch das EU-Parlament eigentlich klären, was damit gemeint ist - dies saßen ja mit am Tisch - allerdings gibts bei der Presseerklärung zum Thema auf der EU-Seite auch nicht mehr Gewissheit als dass kleinere Ausschnitte aus Artikeln immer noch teilbar sind. Wie klein? Keine Ahnung.
Das andere Problem ist: Wir haben in Deutschland schon ein Leistungsschutzrecht. Doch, doch. Nur: Das hat nie funktioniert. Denn an dem Tag, an dem das in Kraft trat hat Google einfach alle Newsquellen, die das in Anspruch nahmen aus dem Index verbannt. Was folgte waren Einbrüche bei den Klickzahlen. Google setzte den Verlagen also die Pistole auf die Brust und was folgte? Die Verlage räumten Google so eine Art von Null-Lizenz ein. Im Grunde ist also alles wie bisher. Fast: Denn der Dienst RIVVA etwa büsste eine Vielzahl von Quellen ein und beschränkte sich dann auf reine Überschriften. Und in Spanien, wo es auch ein LSR gibt, hat Google den News-Dienst einfach geschlossen. Was für eine Vielzahl von kleineren Anbietern nicht gerade optimal war. Google hat schon angekündigt, dass der News-Dienst dann halt abgeschaltet wird. Was ja das ist, was die Verlage möchten: Wir sollen wieder direkt auf die Webseiten gehen und Google soll halt nichts mehr vom Kuchen abhaben. Eine Übersicht über die damaligen Argumente für und gegen das deutsche LSR findet man an dieser Stelle. Die gleichen Argumente wurden dann mehr oder weniger auch für die EU adaptiert.
Mehr Wirbel macht derzeit der Artikel Dreizehn. Vor allem YouTuber haben schon im letzten Jahr Alarm geschlagen. Schlagwort: Uploadfilter. Das ist ein Wort gegen das sich die EU streng verwehrt. Das stünde im Entwurf so nicht drin. Überhaupt: Die Meinungsfreiheit sei gar nicht betroffen. Satire und Parodie, das dürfe auch weiterhin sein. Richtig: Das Wort Uploadfilter, die vor dem Upload auf urheberrechtswidrige Inhalte prüfen, ist im Entwurf nicht zu finden. Aber es steht etwas davon, dass die Unternehmen „bestmögliche Anstrengungen“ unternehmen müssen, um sicherzustellen, dass keine geschützten Inhalte online gestellt werden. Es gibt Ausnahmen wie Wikipedia, Dropbox, Unternehmen, die relativ jung sind oder über einen bestimmten Jahresumsatz nicht hinauskommen. Weitere Ausnahmen sind nicht vorgesehen, Blogs und Foren sind also auch betroffen. Kommentarspalten. Kommt ein Gericht übrigens mal auf die Idee, dass da Unternehmen nicht ganz richtig gehandelt haben sind Gerichtssverfahren mit hohen Strafen die Folge. Was im Prinzip ja auch richtig ist, aber um auf der sicheren Seite zu sein läuft es dann möglicherweise auf eine strikte Auslegung des Gesetzes hinaus.
Im Prinzip heißt es: Die Unternehmen müssen irgendwie schauen, ob bei ihnen rechtswidrige Inhalte vorhanden sind. Bei der Unmenge von Videos, die pro Minute bei Youtube hochgeladen werden, kann das auch niemand von Hand machen. Vielleicht bei kleinen Foren oder eventuell noch bei Blogkommentaren - aber auch das ist eher fraglich. Was könnte die Lösung sein? Man erwirbt die Lizenzen der Rechteinhaber. Klingt einfach, ist es aber nicht. Nicht jeder Musiker etwa ist in der GEMA, nicht jeder Autor in der VG Wort. Man müsste bei diesen Fällen einzeln mit den Künstlern verhandeln. Was bei der Fülle an Daten, die im Netz hochgeladen werden einfach nicht machbar ist und gegebenenfalls Jahre dauern kann. Das ist also eher unpraktisch.
Nun hat Youtube schon ein Filtersystem namens ContentID. Das aber funktioniert nicht fehlerfrei - so hat Youtube schon mal das Weiße Rauschen als Urheberrechtsverletzung gekennzeichnet. Da Technik nicht zwischen Satire, Ironie und Humor unterscheiden kann, ist das mit der Meme-Freiheit auch nicht unbedingt in Stein gemeißelt. Es könnte so sein, dass die Filter einfach erkennen: Das ist ein Bild für das keine Lizenz vorhanden ist - also kicken wir das einfach mal raus. Bei Rezensionen auf Youtube oder den sogenannten Filmessays könnte das zum Problem werden: Für das Belegen der eigenen Meinung braucht man bisweilen den ursprünglichen Film. Wenn man über Kameraschnitte oder Lichtgestaltung bei einem bestimmten Regisseur spricht ja auch. Hier könnten dann die Filter zuschlagen und das Video gar nicht erst online stellen. Obwohl das vom Gesetz her kein Problem wäre.
Wer fünfzig Minuten Zeit hat, sollte sich das Youtube-Video von der Kanzlei WBS anschauen - hier wird genau dekliniert und auseinandersortiert, was jetzt genau der Artikel Dreizehn für Folgen haben könnte. Ach ja: Außer den Großen hat momentan niemand so richtig eine Uploadfilter-Software. Google wird sicherlich sich freuen, wenn ihr Produkt bestens gekauft werden sollte.
Was Öl ins Feuer gießt und dann zu den ersten Demonstrationen geführt hat: Axel Voss, der sozusagen der Vater des ganzen Gesetzes ist, scheint übrigens nicht so recht zu wissen, was er da beschlossen hat. Fernerhin verhalten sich EU-Abgeordnet momentan etwas - ungeschickt. Abgesehen davon, dass die EU die Demonstranten und Gegner schon als Mob tituliert hat. Eine Entschuldigung steht noch aus. Dass da Emotionen derzeit auf beiden Seiten hochschlagen - kein Wunder.
Und jetzt? Im März stimmt das EU-Parlament über den Entwurf ab. Da aber die EU-Abgeordneten zusammen alle an einem Tisch saßen, wird es eher unwahrscheinlich sein, dass hier nochmal eine Abstimmung gegen den Entwurf zustande kommt. Selbst dann wäre dieser ja nicht generell vom Tisch, sondern würde wohl eher noch verschlimmbessert werden. Das hatten wir in der Vergangenheit schon mal. Allerdings: Es stehen Wahlen an. Kritiker hoffen, dass deshalb sich einige Politiker dann doch noch dagegen entscheiden werden. Da etliche Demonstrationen angesetzt sind wären diese vielleicht noch ein Mittel und ein Weg, um die Politiker umzustimmen. Ansonsten hätten wir demnächst ein Internet mit Uploadfiltern und ohne Google-News.