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KNV pleite: Steigt Amazon ins Ladengeschäft ein?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneKNV pleite
Steigt Amazon ins Ladengeschäft ein?

Wenn ihr ein Buch bestellt und das am nächsten Tag schon beim Buchhändler angekommen ist, dann habt ihr meistens ohne es zu wissen die Dienste eines Barsortimenters in Anspruch genommen. Im Buchhandel ist das eine Zwischenhändler: Der Barsortimenter kauft Bücher von den Verlagen, lagert sie ein und ist somit in der Lage schnell das gewünschte Buch an den Buchhandel zu liefern.

KNV ist einer dieser Barsortimenter und der ist jetzt Pleite. Wobei diesmal nicht Amazon dran schuld ist - obwohl das auch schon mal wieder in der Diskussion aufkommt: KNV hat sich einfach verkalkuliert. Ausbaden müssen es jetzt vor allem die kleinen Verlage.

Nochmal: Am aktuellen Krisenstatus ist nicht Amazon schuld. Stattdessen hat sich KNV einfach verplant, musste nicht ein Logistikzentrum - nämlich das neue in Stuttgart - sondern auch noch das alte Zentrum in Erfurt sozusagen mitschleppen, weil Dinge nicht so funktioniert haben wie sie sollten. Die genauen Gründe auseinandzuklamüsern darf ich aber getrost Experten überlassen.

Eher ist jetzt die Frage: Führt die Insolvenz von KNV dazu, dass auch kleinere Verlagshäuser eventuell den Weg über den Jordan antreten müssen? Die Lücke, die KNV gerade reißt - und gerade in Bezug auf kleine Verlage - können andere Sortimenter nicht stopfen, dazu hat z.B. Libri nicht die Ressourcen. Ein Barsortimenter bezahlt nun halt auch nicht jede Rechnung sofort - und das könnte dazu führen, dass einige kleinere Verlage durchaus um ihre Existenz bangen müssen. Und nicht nur die, auch kleinere Buchhandlungen, die ja auf KNV angewiesen sind, sehen keiner rosigen Zukunft entgegen. Der Kunde ist es gewöhnt, sein Buch am nächsten Tag zu erhalten. In Zeiten, in denen Amazon eine Lieferung noch am selben Tag verspricht kann es daher wohl kaum opportun sein, dass Kunden auf ihre bestellten Bücher - wobei KNV auch noch andere Dinge wie DVDs liefert - länger als einen Tag warten. Da sind wir vom Handel und von Amazon halt anders erzogen worden.

Nun ist der Insolvenzverwalter bestellt, was genau aber für Gespräche in der nächsten Zeit geführt werden ist noch nicht so ganz klar. Ob der offene Brief an Frau Grütters - Kulturstaatsministerin -  etwas bewirken wird? Die Rede ist teilweise von Too-Big-To-Fail und das erinnert massiv an die Zeit, als der Staat die Banken unterstützte. KNV sei systemrelevant, daher könnte der Staat jetzt auch eingreifen und den Konzern retten. Ob das eine gute Idee ist? Wahrscheinlicher ist es, dass KNV nicht als Ganzes an einen Investor verkauft wird, sondern dass die Filetstücke verteilt werden. Es könnte aber etwas passieren, was die Buchbranche sicherlich nicht goutieren wird: Es könnte sein, dass Amazon bei KNV einsteigt.

Warum sollte Amazon das tun? Die haben doch eigene Lagerhallen? Die brauchen doch keinen weiteren Platz, die bauen dann einfach neu, wenn die Engpässe haben? Darum ginge es auch nicht, aber Amazon möchte verstärkt auch in den lokalen Handel, möchte auch ins Ladengeschäft. In den USA experimentiert die Marke ja schon mit eigenen Läden, dort müsste sie aber nach und nach selbst tätig werden, um eine eigene Kette hochzuziehen. Logistik aufzubauen kostet halt Geld. KNV hat nun ein ausgebautes Liefersystem für die einzelnen Buchhandlungen - und da könnte Amazon ankoppeln, auch um Werke aus dem eigenen Verlagssortiment besser an den Markt zu bringen. Ja, auch Amazon ist ein Verleger - Bezos stellt nicht nur die Tools für den Selbstverlag zur Verfügung, Amazon selbst druckt auch richtige handfeste Bücher. Die bisher aber in Deutschland kaum vor Ort zu finden sind, weil die meisten Buchhandlungen sich weigern, diese ins Sortiment zu nehmen.

Ohne Zweifel hätte Amazon beim KNV-Einstieg das erste Mal richtig einen Fuß in der Tür, wenn es um die Ladengeschäfte geht. Eher unwahrscheinlich ist wohl, dass Amazon jetzt den kleinen Buchhandlungen zu Hilfe eilt - es sei denn, Amazon übernimmt das Gebaren von Thalia und Co. und kauft kleinere Buchhandlungen als Aushangsschild. In Zukunft wird man dann eventuell nur die Bücher dort bestellen können, die Amazon selbst gelistet hat ... das wäre eine sehr gruselige Vorstellung. Es wäre aber durchaus denkbar, wenn die eigenen Buchläden in den USA ein Erfolg sind. Ob dem so ist, das ist bisher nicht bekannt.

Es bleibt abzuwarten, was jetzt passieren wird. Die Amazon-Variante ist vermutlich eher eine Option, die unter ferner liefen zu finden ist - da sind Konzerne wie Bertelsmann wohl eher die richtigen Ansprechpartner. Bis dahin: Ruhig bleiben und weiterhin Bücher kaufen. Wir als Kunden können da ja eh nichts weiter tun als die Schlagzeilen zu studieren.

Kommentare  

#1 Guido 2019-02-22 00:11
KNV hatte Lager in Köln und Stuttgart. Stuttgart ist "alt", die Zentrale quasi auch heute noch - Erfurt ist neu.

Wie Du schreibst: KNV liefert Bestellungen aus, die vom Buchhandel kommen - ob von Lisa's Buchshop oder von Amazon - ein Barsortiment kann Amazon ohne jeden Zweifel von Nutzen sein. Weil es schlicht Geld bringt Aber nur weil man ein Lager in Erfurt kauft, bestellt trotzdem immer noch nicht der Buchhandel die Amazon-eigenen Bücher. Amazon fehlt diesbezüglich quasi eine Art Agentur, ein spezieller Vertrieb. Kein Lager, das nur Bücher ausliefert.

Warum soll Amazon KNV übernehmen und nur noch die eigenen Sachen dann betreuen? Dafür braucht man nicht KNV. Dafür hätten sie schlicht als zweiten Schritt z.B. deren Auslieferung nutzen können (Print on demand von Amazon liefert KNV ja bereits aus).
#2 Schwarzbart 2019-02-22 18:03
Also ganz ehrlich? Die Idee grenzt für mich an grobem Unfug. Amazon ist EINER der Gründe, weshalb der Buchmarkt Tag um Tag Boden verliert - auf den Onlinehandel. Warum sollte ein Teil der New Economy jetzt auf das sinkende Schiff Old Economy aufspringen und da sein Geld buchstäblich verbrennen?

Simmer doch ma ehrlich - wie sehen denn 90% der Buchläden heutzutage aus? Spiegel Bestellerliste und sonst gar nüscht mehr. Wer braucht solche Läden? Wer will solche Läden? Warum sollte Amazon sich das antun?

Kurzer Schlenker zur "Leitline" des Zauberspiegels: Das wäre ja dann so, als wenn Amazon morgen eine Heftromanserie herausbringen würde... Absurd? Klar, genau wie die Vermengung von Barsortiment und Amazon. Deshalb wird beides niemals nicht passieren!

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