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Camp as Camp can: The Chilling Adventures of Sabrina - Kapitel Zwei

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneCamp as Camp can
The Chilling Adventures of Sabrina - Kapitel Zwei

Es ist der Moment, in dem Sabrina Spellman in einem goldfarbenen Dress die Treppe hinuntergleitet, mit einer Krone auf dem Kopf und die ersten Takte von ›Masquerade‹ aus dem <Phantom der Oper> ertönen. In diesem Moment muss man sich für eine von zwei Reaktionen entscheiden. Entweder man fällt ungläubig lachend vom Stuhl oder man wirft sich mit vollem Elan in die Campiness des Ganzen.

Da dieser Moment allerdings relativ spät in der zweiten Staffel von The Chilling Adventures auftaucht, muss man sich eigentlich schon längst für eine von beiden Varianten entschieden haben.

Sicher: Schon in der ersten Staffel gibt es diese Momente, in denen Glamour, Prunk, Pomp, Kostüme sich zu einem gewissen Etwas vermischen; in denen schauspielerische Gesten und die Dialoge dem Ganzen einen Hauch von Extravaganz verleihen, allerdings vermischt mit einem gewissen Hauch von Übersteigertheit. Das Englische hat dafür einen eigenen passenden Ausdruck gefunden: Camp. Camp ist das übertriebene, stilistisch überhobene Zelebrieren kultureller Produkte, ist die Wertschätzung des Künstlichen, des Übertriebenen. Diese Haltung grenzt Camp eindeutig vom Kitsch ab - wobei Kitsch auch ab und an in Sabrina zu finden ist, denn die Seifenoper-Elemente des Ganzen kommen den nicht aus.

Aber in der ersten Staffel wird der Camp noch in seinen Grenzen gehalten: Einerseits durch die Seifenopern-Versatzstücke - andererseits durch die Grusel- bzw. Horror-Elemente. Die Mischung hält in der ersten Staffel und im Weihnachts-Special auch noch die Serie einigermaßen am Boden. Wobei es ja eh nie ganz klar ist, in welcher Zeit die Serie eigentlich spielt. Smartphones und Laptops sind jedenfalls nie zu sehen, in der zweiten Staffel wirft man vermutlich wegen des hippen Retro-Faktors einige Klassiker der Achtziger in den Soundtrack, aber die Gegenwart findet in der Serie nicht statt. Keine Latte-Macchiato-Schlürfer im Buchladen-Café. Was dem Ganzen sowieso schon eine Aura des Unbestimmten, des Ungefähren verleiht.

Wenn man durch die Tür der Academy of the Unseen Arts schreitet, wird es noch eine Spur künstlicher. Man muss den Set-Designern zugestehen: Es ist viel Liebe zum Detail in den doch eher überschaubar eingesetzten Sets. Jeder viktorianische Gentleman wird sich im Club von Dorian Gray bestens aufgehoben gefühlt haben - hier glitzert, glänzt und gleißt es, es gibt eine Balustrade, zwei elegant geschwungene Treppen führen zur Bar. Dazu passt die Mode der Warlocks, die Garderobe von Blackwood oder der Spitzenkragen von Prudence. Glamour ist nicht nur der Zauberspruch, mit dem man das Aussehen von Anderen annehmen kann, Glamour überzieht die Welt der Hexen und Hexer.

Camp betrifft aber nicht nur die Ausstattung der Sets, den Glanz und Glimmer, den Schimmer und Schein. Blackwoods Manieriertheit, die sich in dieser Staffel etwas über den Tellerrand des Verstandes hinausbewegt, drückt sich schon in der Art und Weise des Rasieren aus. Stilgerecht übrigens mit einem scharfen Messer statt eines modernen brummenden Elektrorasierers. Wenn Zelda Spellman in einem Outfit aus dem Otto-Katalog des Jahres Vierundsechzig herumschwänzelt und übertrieben Tee eingießt - zugegeben, sie ist in diesen Folgen vielleicht nicht unbedingt ganz sie selbst - dann ist das an Künstlichkeit nicht zu überbieten. Vor allem, weil die Kameraführung und die Regie diese Exaltiertheit so sehr in Szene setzt, dass man sie nicht übersehen kann.

Die zelebrierte Künstlichkeit findet sich vor allem in der Welt der Hexer und Hexen, während der Glamour in der Welt der Sterblichen keine Rolle spielt. Der Camp ist tatsächlich ein bewußt gewähltes Stilmittel. Sieht man sich das Haus der Spellmans an, das zwischen beiden Welten steht, wird man Beides finden. Also einerseits sehr verspielt wirkende Elemente, eine Unmenge von Spiegeln, die an den Wänden hängen oder Kerzenleuchter mit Schnörkeln. Andererseits auch sehr zurückhaltend gestaltete Räume wie die Küche oder Sabrinas Zimmer. Das ist verständlich - einerseits gehört das Haus zur sterblichen Spähre, weil Sabrinas Freunde hier verkehren, andererseits ist es der Ort, an dem Sabrinas Tanten seit Jahrhunderten zu Hause sind. <Gelegentlich fragt man sich: Müssen die nicht allmählich Aufsehen erregen, irgendwann muss ja jeder Personalausweis oder jeder Führerschein mal erneuert werden ... Aber Logik und diese Serie ... Königskinder.>

Über die Dialoge könnte reden, aber im Endeffekt muss man das nicht. Denn diese Dialoge sind weder brilliant, noch bleiben sie im Gedächtnis, sie sind dem Genre der Seifenoper entnommen - und bisweilen frage ich mich, ob die Drehbuchautoren das alles wirklich so ernst nehmen, wie das gespielt werden soll. Ich kann einfach nicht anders als in schallendes Gelächter ausbrechen, wenn ernsthaft statuiert wird: <Das war nicht dein Vater, Sabrina. Ich bin dein Vater.> Ab und an ein wenig Latein bei den Zaubersprüchen, dann einige Phrasen in Richtung von alt-wirkend-sollendem Englisch - aber Meisterleistungen sind die Dialoge nicht. Es geht natürlich noch schlimmer, wer wie ich Folgen von <Reich und Schön>, <Falcon Crest> oder <Schwarzwaldklinik> goutiert hat, der wird immerhin ein solides Na-ja-geht-so-Niveau für die Dialoge der Staffel abgeben.

Was etwas schade ist: Die eigentlichen Grusel-Elemente treten etwas in den Hintergrund - die wirklichen Horror-Elemente sind ja rar gesät, dass man wirklich mal Blut und Eingeweide sieht ist selten, meistens wird es ja nur angedeutet, wenn etwa Nicolas mit bluttriefender Axt aus dem Wald kommt. Das einzige Mal, wo es wirklich etwas mehr in die Eingeweide geht ist in einer späteren Folgen, in der Lilith sich eine Rippe aus dem Körper bricht. Allerdings: Zu blutig ist das nun auch nicht. Ja, sicher, es gab sie auch nicht unbedingt in der ersten Staffel, aber die erste Staffel konzentrierte sich mehr auf die Wesen aus der Hölle. Die zweite Staffel schlägt einen anderen Kurs ein, teilweise scheinen die Autoren hier noch schnell ein Monster-Der-Woche nachreichen zu müssen, teilweise haben die Autoren auch keine sonderlichen Ideen, was sie mit den Monstern anfangen wollen. Die Folge mit den Tarnt-Karten mag ihre Berechtigung haben, aber ehrlich gestanden - gebraucht hätte man die nicht.

Überhaupt scheinen die Autoren bei den ersten Folgen etwas unschlüssig gewesen zu sein, was sie denn jetzt als großen Bogen erzählen möchten. Sicherlich ist die Auseinandersetzung zwischen Sabrina und Blackwood immer noch da, Lilith spinnt im Hintergrund ihre Intrigen aber etliche Folge bleibt unklar, worauf das alles hinauslaufen soll. Diese Folgen sollen wohl das Fundament für die Rest legen, aber sie verlieren sich teilweise in Sub-Plots, die nicht unbedingt was mit dem großen Ganzen zu tun haben. So sehr man es auch loben mag, dass ein Transgender-Charakter in der Serie vorhanden ist und dessen persönliche Entwicklung sicherlich auch nett zu verfolgen ist - aber so ellenlang und ausgewalzt hätte es nun auch nicht gebraucht. Und warum man in den ersten Folgen sich durch die Harvey-Handlung durchquälen muss - zäh wie ausgedorrte Schlangenhaut ... Wenn gegen Ende dann alles auf die Rettung der Welt hinausläuft, dann wird es allerdings wieder etwas besser. Wenngleich: Ich habe mich dezent an etliche Folgen von Buffy erinnert gefühlt. Es gibt da so einige Parallelen. <Fright Club> statt der <Scooby Gang> etwa. Und auch das mit Sabrinas neuem Freund ... Nun ja.

Zusammengenommen: Wer diese Serie ernst nimmt, der ist selber schuld. Das Ganze ist ein Höllenspaß, ein abgedrehter unsinniger Horror-Soap-Mix, es gibt Sub-Plots, die einfach keinen Sinn machen. Rosalindes Visionen und Krankheit wird dann hervorgekramt, wenns für die Handlung sinnvoll ist. Natürlich geht man zusammen in eine Mine, ohne vorher seinen Freunden Bescheid zu geben und in jeder anständigen Mine gibts Sicherheitskräfte, die da patrouillieren. Vor allem muss die High-School dieam schlechtesten bewachte Schule der USA sein - da kann man jederzeit hineinspazieren, sogar mit einem verdammten Benzinkanister und KEINEM FÄLLT WAS AUF ... <Okay, das war schon in Buffy immer so ein Punkt, aber hier fällt das doch sehr auf.> Ich selber würde mich auch als Bewohner von Greendale über diese ganzen Vorgänge in den Wäldern wundern oder darüber, dass eine entweihte Kirche permanent in Gebrauch zu sein scheint. Gibts da einen magischen Abwehrschirm oder sowas?

Jedenfalls: Das Gehirn braucht man nicht für Sabrinas magische Abenteuer. Wer sich bewußt eine Auszeit nehmen möchte, für den ist die Serie genau das Richtige. Popcorn, Cola, passt schon.

Der erste Artikel: The Chilling Adventures of Sabrina: Nur eine phantastische Soap?

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