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Schöpfer und Geschöpf: Guardians of the Galaxy Volume 3

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneSchöpfer und Geschöpf
»Guardians of the Galaxy Volume 3«

Es ist immer etwas Bittersüßes, was in einem Finale mitschwingt. Wir Zuschauenden müssen Abschied nehmen von leibgewonnenen Figuren. Alles passiert zum letzten Mal. Wobei dieses letzte Mal in einem Schlusspunkt enden kann, der alle zufrieden stellen kann - oder auch nicht. Der dritte Teil der Guardian ist ein unfassbar gut inszenierter Höhepunkt, die einzelnen Charaktere haben sich entwickelt. Probleme sind durchgestanden.

Und jedes einzelne verdammte Tschechow-Gewehr wird tatsächlich geladen und abgefeuert. Zudem: Hinter der bunten Actionoberfläche steckt ein nachdenkenswertes Thema.

Science-Fiction fasst das Thema Glauben immer mit Fingerspitzen an. in einem wissenschaftlich geprägten Weltbild hat Gott als höchstes Wesen keinen Platz. Selbst wenn wie bei Star-Trek oder Babylon 5 bestimmte Religionen erwähnt werden oder auch mal Thema einer Folge sind: Gott hat keinen Platz in der Science-Fiction. Höchstens wenn es um falsche Götter, um die Kritik an Glaubenssystemen geht - dann hat die SF ihre großen Momente. „Es ist nicht leicht ein Gott zu sein“ wäre ein Beispiel dafür. Zwar hat Andreas Eschbach ein „Jesus-Video“ als zentralen McGuffin in seinem Roman. Und wer kennt nicht die Zeitreisegeschichte von Moorcock, in der ein Zeitreisender die Rolle von Jesus übernimmt, weil dieser ein Idiot ist. Aber beide Geschichten haben ja wenig mit dem Glauben an sich zu tun. Sohn Gottes? Von wegen.

Deswegen ist es folgerichtig, dass der High Evoliutionary als Gott-Ersatz im Finale der Guardian herhalten muss. „Ich bin an Gottes Stelle getreten“ schleudert er seinen Gegnern entgegen. Er will wie Gott am Ende sagen können: „Siehe, alles ist sehr gut.“ Doch dies gelingt ihm nicht. Aggression und Wut entstehen beim Umwandlungsprozess. Den Grund dafür kennt er nicht. Vor allem: Alle seine Geschöpfe sind nur in der Lage, Dinge nachzuahmen. Ihnen fehlt das, was als „göttlicher Atem“ in der Bibel benannt wird. Der Funken der eigenen Intelligenz. Perfekte Gleichungen lösten können nur, weil man es auswendig gelernt hat - das ist nicht das, was der Evolutionary will. Er will die Schöpfung verbessern, seine Schöpfung soll perfekt sein.

Für diese perfekte Schöpfung steht eine perfekte Erde bereit. Die Gegen-Erde ist eine Kopie, aber eine missratene. Sie ist nicht das perfekt Paradies. Sie muss scheitern, weil die Geschöpfe unvollkommen sind. Damit berührt der Film eine ausgesprochen theologische Ebene. Während die Bibel aber feststellt, dass der Mensch an der Vertreibung aus dem Paradies schuld ist, haben die Rassen auf der Gegenerde keine Schuld an der Apokalypse, die über sie kommt. Es ist auch nicht so, dass wie in der christlichen Religion eine Versöhnung durch einen Mittler zustandekommen könnte. Racoon ist nicht Jesus. Ebensowenig wie der Evolutionary Gott ist. Sie sind allerdings Stellvertreter im Marvel-Univserum, die verdammt nah drankommen.

Vor allem, weil Rocket sich als Geschöpf gegen den Schöpfer auflehnt. Gegen einen ungerechten Schöpfer, einen, der von Rocket besessen ist. Einmal ist es dem Schöpfer gelungen ein eigenständig denkendes Wesen zu erschaffen. Wie ihm das gelangt ist und bleibt unklar, deswegen will der Schöpfer sein Geschöpf zurück. Sein Eigentum. Dass Rocket damit überhaupt nicht einverstandnen ist, nach allem, was er erlebt hat - wer gönnte es ihm verdenken. Das Versprechen auf eine neue Erde, in der alle Geschöpfe gleichberechtigt leben können wurde vom Evolutionary gebrochen. Für umperfekte Schöpfungen hat der Planet keinen Platz. Aber Rocket ist doch perfekt in dem Sinne, dass er als Einziger Neues entwickeln kann? Ein zusammgenstümperter Körper giftet der Evolutionary wird nie und nimmer ins Paradies gelangen. Perfekt muss beides sein: Körper und Geist. 

Die Hoffnung des High Evolutionary erfüllte ich am Ende zwar: Rocket und er tretfen aufeinander. Natürlich läuft der Film von Anfang an darauf hinaus. Konsequenterweise findet der Endkampf auch in dem Raum statt in de alles seinen Anfang nahm. Doch Rocket ist diesmal nicht allein. Rocket ist Teil einer Familie, die sich um ihn sorgt, die ihn unterstützt und für ihn durchs Feuer geht. Etwas, was der Evolutionary mt seinem Ego nicht begreifen kann. Bis zum Schluss quält ihn das Wieso, das Warum. Warum Rocket so ist wie er ist - das ist eine ungelöste Frage. Aber einen Teil dessen, was er jetzt ist, verdankt er der Mitarbeit bei den Guardian. Deren Anführer er auch wird. Letzten Endes vertritt der Film die Maxime: Es sind nicht die Götter, die unser Leben bestimmen, Wir müssen schon selbst für die Richtung sorgen. Selber denken. Was gar nicht so einfach ist.

Kommentare  

#1 Mainstream 2023-06-02 09:06
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Sehr schöne Betrachtung. Von dieser Seite habe ich mich dem Film (dem besten der letzten 10 Marvel-Filme) noch gar nicht angenähert.
Eine wirkliche Auseinandersetzung mit Gott in der Science Fiction, oder im Film allgemein, ist äußerst komplex. Vielleicht ist es gut, dass Filmemacher die Finger davon lassen.
#2 Des Romero 2023-06-02 09:37
Neben den positiven Aspekten gibt es aber auch deutliche Schwächen in dem Film. Am meisten hat mich genervt, dass man als Zuschauer keine Chance bekommt, die tragischen Momente sacken zu lassen. Nein, da muss sofort ein dämlicher Witz nachgeschoben werden, der die aufgebaute Szene zerstört.

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