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Wem gehört »Public Domain«?

In (Multi-)Medias ResWem gehört »Public Domain«?
... und was fangen wir im 21. Jhd. damit an?

Man könnte süchtig werden: Auf der einen Seite gibt es die Romane von Jane Austen zum Herunter laden (legal), ebenso legal findet sich bei Project Gutenberg die Geschichte „Alice’s Adventures in Wonderland“ mit den Originalillustrationen von John Tenniel, die man später auf seinem Reader bewundern kann. Und nachdem ich bei der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden im Kartenforum eine der rund 18.100 gemeinfreien Karten gespeichert habe, gehe ich über ein Link bei Wikipedia zu Wikisource und speichere dort ein Foto ab.

 

Jane AustenÜberall gibt es wunderbare Bücher, Dokumente und Bilder aus früheren Zeiten, die durch das Internet verfügbar werden.  Und das auch noch gemeinfrei, bzw. public domain.

In der kurzen Zeit, die ich gerade gesurft bin, war ich auf Internetseiten aus England, den USA, Deutschland …. Alle Medien, die ich mir herunter geladen habe, sind nicht mehr mit einem Urheberrecht belegt … zumindest steht das hier … und da … aber wie ist das mit dem Bild von …

Ich lade ein pdf herunter, speichere einen Audio-Clip, speichere ein Foto auf meiner Internetseite, schicke ein Ebook, das ich von Gutenberg Projekt habe, an einen Freund weiter, teile ein Bild auf Facebook.

Jedes Mal habe ich mit den Fragen des Urheberrechts zu tun. Wenn ein Autor, Künstler, Illustrator, Musiker, Filmemacher (etc) ein Werk schafft, dann steht es zunächst unter dem Urheberrechtsschutz dieser Person. Es ist ein zu beachtendes Recht der Verwendung, Veröffentlichung, Vermarktung, Ver... auf das der Schöpfer freiwillig verzichten kann (indem er es im Rahmen verschiedener Rechtsbegriffe frei gibt), oder er kann es komplett oder in teilen verkaufen - z.B. eben das Recht auf eine gedruckte Verbreitung. Unter das Urheberrecht fallen auch wissenschaftliche Arbeiten und Software.

Bei den von mir genannten Beispielen: dem Buch von .., den Werken von Jane Austen, John Tenniels Bilder oder auch die meisten Ausgaben des Projektes Gutenberg handelt es sich um Werke, die als gemeinfrei oder auch Public Domain gelten.

Um das Ganze noch komplizierter zu machen, sind die deutschen und angloamerikanischen  Begriffe der Gemeinfreiheit/Public Domain nicht deckungsgleich. Solange sich diese Urheberrechte lediglich in einem eingeschränkten Rahmen bewegten, möglichst den angloamerikanischen bzw. deutschen Raum nicht verließen, da war diese Tatsache weniger relevant.

Mit der Verkleinerung der Welt, der wachsenden Vernetzung und der immer größeren Menge an Daten, die im Internet verfügbar sind, werden Fragen der Verfügbarkeit von Medien und des Urheberrechts immer „interessanter“.

Was ist "Public Domain"

Public Domain Day 2012Das “Center for the Study of Public Domain “     beschreibt Public Domain als “(…) the realm of material - ideas, images, sounds, discoveries, facts, texts - that is unprotected by intellectual property rights and free for all to use or build upon.”1

Als eine universitäre Einrichtung haben sie es sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung des Public Domain für Gesellschaft, Forschung, Entwicklung etc. zu erforschen: “promote research and scholarship on the contributions of the public domain to speech, culture, science and innovation, to promote debate about the balance needed in our intellectual property system and to translate academic research into public policy solutions.”
Gegen Ende taucht noch eine andere Bedeutung auf: “Die akademische Erforschung in öffentliche politische (bzw. politisch umsetzbare) Lösungen zu übersetzen.“

In den USA als „Intellectual Property“ (IP) bezeichnet, haben die Fragen des Urheberrechts eine globale und ausgesprochen wichtige Bedeutung erhalten. Wenn der „Schöpfer“ eines Werkes sein Recht an diesem Werk nicht ausdrücklich aufgibt, unterliegt es automatisch dem Urheberrecht (zumindest in den USA fallen diese Werke dann ebenfalls unter Public Domain). Dieses Urheberrecht gilt in den USA bis 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers des Werkes. Ab dem 1. Januar des entsprechenden Jahres beginnt dann die Public Domain.

Zwar bedeutet Public Domain keine absolute Rechtsfreiheit, aber doch ein großes Maß an Möglichkeiten der Verwendung.

Bei zwei oder mehr Autoren zählt das 70. Todesjahr des zuletzt verstorbenen Autoren. Wurde das Werk unter einem Pseudonym veröffentlicht (was z.B. bei Frauen im 19. Jahrhundert öfter der Fall war), verfällt das Urheberrecht 120 Jahre nach der Schöpfung oder Veröffentlichung. Dies gilt ebenso für Gemeinschaftswerke oder für Werke, die in einem bezahlten Auftrag entstanden sind.

Da in den USA ein bürgerliches Recht auf Einblick in alle Unterlagen der öffentlichen Verwaltung besteht (bes. geheime Bereiche ausgenommen – z.B. bestimmte Unterlagen über den Einsatz von Soldaten als Agenten des CIC im 2.WK), gelten besondere Regeln zur Veröffentlichung solcher Dokumente.

So weit so kompliziert.

Wie bereits erwähnt heißt Public Domain nicht, dass absolute KEIN Copyright mehr besteht. Bringt ein Verlag z.B. die Kurzgeschichten von Lovecraft neu übersetzt heraus, versehen mit neuen Illustrationen, dann steht diese Ausgabe automatisch selbst wieder unter dem Copyright der Autoren, Illustratoren, die dies geschaffen haben.

Was ist „gemeinfrei“

Das UrhG (Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte) bezieht sich auf „ (…) persönliche geistige Schöpfungen Werke im Sinne dieses Gesetzes (…)2. Hierbei sieht das deutsche Recht sieht einen Verzicht auf dieses Urheberrecht gar nicht vor.

Gerade im Bereich des Open Source, bei dem man auf den Absolutschutz zu Gunsten der allgemeinen Nutzug verzichtet, bedeutet dies, dass man auf dem Public Domain annähernde Rechtsmöglichkeiten ausweicht, z.B. dem „Creative Commons“.

Was genau dieses Urheberrecht schützt, beschreibt der §15 UrhG2:
Die Verwertung „körperlicher Form“ insbesondere
  1. 1. das Vervielfältigungsrecht (§ 16),
  2. 2. das Verbreitungsrecht (§ 17),
  3. 3. das Ausstellungsrecht (§ 18)
das Recht öffentlichen Wiedergabe, was bedeutet:
  1. 1. das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
  2. 2. das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
  3. 3. das Senderecht (§ 20),
  4. 4. das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
  5. 5. das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).
Ähnlich dem Ablauf des Urheberrechts in den USA endet der Schutz 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (bzw. des Fotografen) – bei anonymen Veröffentlichungen nimmt man das Entstehungs- oder Veröffentlichungsdatum als Maßgabe. Besondere Regelungen gelten für Musikstücke oder Audioaufnahmen. Im Sinn einer EU-weiten Regelung gelten diese 70 Jahre inzwischen in allen Vertragsländern.

Sind diese Fristen verstrichen, erlischt das Urheberrecht, und das Werk geht in die Gemeinfreiheit ein.

Wenn nicht …
nationale Gesetzgeber erloschene Urheberrechte wieder aufleben lassen.

Etwas in dieser Art ist beispielsweise in England möglich. So gelang es einer Tochter von Arthur Conan Doyle, die Rechte an Sherlock Holmes 1981 wieder in ihren Besitz zu bekommen, nachdem diese 1980 in England in Public Domain gingen. Ein Gesetz aus den USA machte es der Copyright Act aus dem Jahre 1976 möglich, dass seine Tochter das Recht wieder in ihren Besitz nehmen konnte. Als sie 1997 starb, ging dieses Recht an eine britische Stiftung, die diese Verwertungsrechte erneut an Erben von Arthur Conan Doyle verkauften. Inzwischen gibt es eine Firma, die der Familie Doyle gehört, und die diese Rechte verwertet.

Erstaunlich, welche Wege Urheberrecht gehen kann3. Es ist nicht schwer zu erkennen, um was es hierbei geht. Neben Interesse an dem Schutz des Lebenswerkes eines Vorfahren nimmt die kommerzielle Verwertung zweifelsohne einen sehr großen Raum ein. Sherlock Holmes dürfte – gelinde gesagt – eine Lizenz zum Geld drucken sein.

In den USA sollen die Werke von Sir Arthur Conan Doyle in 2023 in Public Domain fallen, und es wird bereits heftig darüber diskutiert, was das Doyle-Unternehmen tun wird3.

Dieses Beispiel macht ebenfalls deutlich, wie unterschiedlich die Rechtslage in unterschiedlichen Ländern sein kann. Entsprechend hält sich beispielsweise Google Books für die Nutzer in den USA bei den nach 1923 herausgegebenen Bücher an die dort geltenden Regelungen für Public Domain. Für Nutzer in anderen Ländern wenden sie die Regelungen des jeweiligen Landes an4.

Spannend wird die Frage des Übergangs in Public Domain ähnlich zu Doyle bei Tolkien werden, dessen Rechte durch einen Trust wahrgenommen werden. Diesem Trust gehören neben Familienmitgliedern auch der Verlag Harper Collins an. Weder die einen noch der andere wird großes Interesse daran haben, dass die Verwertungsrechte an die Allgemeinheit gehen.

Welche wirren Wege Urheberrecht gehen kann, wird damit deutlich. Es ist nicht schwer zu erkennen, um was es hierbei geht. Neben Interesse an dem Schutz des Lebenswerkes eines Vorfahren nimmt die kommerzielle Verwertung zweifelsohne einen sehr großen Raum ein. Sherlock Holmes dürfte – gelinde gesagt – eine Lizenz zum Geld drucken sein.

In den USA sollen die Werke von Sir Arthur Conan Doyle in 2023 in Public Domain fallen, und es wird bereits heftig darüber diskutiert, was das Doyle-Unternehmen tun wird3.

Dieses Beispiel macht ebenfalls deutlich, wie unterschiedlich die Rechtslage in unterschiedlichen Ländern sein kann. Entsprechend hält sich beispielsweise Google Books für die Nutzer in den USA bei den nach 1923 herausgegebenen Bücher an die dort geltenden Regelungen für Public Domain. Für Nutzer in anderen Ländern wenden sie die Regelungen des jeweiligen Landes an4.

Spannend wird die Frage des Übergangs in Public Domain ähnlich zu Doyle bei Tolkien werden, dessen Rechte durch einen Trust wahrgenommen werden. Diesem Trust gehören neben Familienmitgliedern auch der Verlag Harper Collins an. Weder die einen noch der andere wird großes Interesse daran haben, dass die Verwertungsrechte an die Allgemeinheit gehen.

Es ergeben sich so absolut kuriose Situationen.

Einen Aufschrei in den USA

… erzeugte die Tatsache, dass das Supreme Court der USA im Januar 2012 ein Urteil fällte, das den Regelungen in Deutschland oder dem Rest von Europa ähnlich ist. Auf Antrag können einzelne Werke (Bücher, Musikstücke und so weiter) durch eine Entscheidung des Kongress aus dem Public Domain-Recht heraus genommen werden, um erneut unter Copyright gestellt zu werden. Es heißt in etwa, dass die Tatsache, dass ein Werk unter Public Domain gestellt wird, noch lange nicht bedeutet, dass es aus diesem Status nicht auch wieder herausfallen könne5.

Das Urteil des höchsten amerikanischen Gerichtshofes entstand aufgrund einer Petition, die von Künstlern, Filmarchiven, Herausgebern aber auch Lehrern und Erziehern eingegeben worden war. Ziel der Petition war es gewesen, genau diese Wiedereinführung von Copyright auf Public Domain-Material zu verhindern. Ihr Argument war es, dass das Recht auf freie Rede durch die Ermöglichung solcher Kongressentscheidungen eingeschränkt werde.

Plakat MetropolisWohlgemerkt geht es nicht um Kleinigkeiten, sondern um große Kunstwerke der Weltgeschichte, beispielsweise „Metropolis“ von Fritz Lang oder die Kompositionen von Stravinsky.

Die Folge wäre: Wann immer jemand ein Werk von Stravinsky aufführen will, muss er den Rechteverwertern entsprechende Summen zahlen, um dieses Recht zu erwerben. Bisher war dies nicht notwendig, denn mit der Aufführung schuf durch selbst eingebrachte Interpretation etwas „Neues“.

Was ist der Unterschied zu der Regelung, die in Deutschland möglich ist? Die Tatsache, dass dies bisher in Deutschland nicht intensiv verfolgt wird, und gerade in den USA mit der starken Bewegung des Public Domain und der starken Bewegung, zu der das “Center for the Study of Public Domain“ gehört, solche Entscheidungen nicht ohne Aufsehen möglich sind.

Eine Aufgabe des 21. Jahrhunderts

Wohin soll dieser Wirrwarr führen? Diese Frage stellt sich vermutlich jeder, der sich wie ich so viel im Internet bewegt, für den es vollkommen selbstverständlich ist, gleiche Rechte zu erwarten.

Dies bedeutet in Realiter für einen Internetnutzer von historischen Veröffentlichungen folgendes: Zunächst muss er sich vergewissern, ob das Werk bzw. die WerkE des Autors noch unter Urheberrecht stehen. Dazu sucht er das Todesjahr des Schöpfers heraus, alternativ bei Pseudonymen das der Schöpfung oder des Erscheinens. Dann muss er sich informieren, ob es innerhalb Deutschlands Regelungen hinsichtlich eines alternativen Urheberrechts gibt. Welches Recht gilt? Deutsches? Bei einem deutschen Autoren einfach. Was ist mit einem amerikanischen Autoren?

Und sollte es nicht Regelungen geben, die eine Abwägung der Interessen von Erben (eher Rechteverwertern) gegenüber denen der Gesellschaft trifft?
In einem “Manifesto on WIPO and the Future of Intellecutal Property” wird die Bedeutung des Public Domain intensiv ausgearbeitet6.

Die WIPO (The World Intellectual Property Organization) wird dafür kritisiert, dass man sich mehr um die Reglementierung und Abschottung bemüht, als darum, die weltweiten intellektuellen Besitztümer zu schützen, zu entwickeln und dabei mitzuwirken, dass eine Harmonisierung internationaler Urheberrechtsregelungen geschieht. Seit ihrer Gründung 1970 hat sich die Welt durch die Explosion der Kommunikationswege und des Transfers von Wissen und Daten jedoch grundlegend geändert. Mir liegt einen Moment lang der Ruf nach einer Weltregierung auf den Lippen – allerdings weiß ich gar nicht, ob ich das wirklich will. Die Alternative jedoch ist eben das Geschilderte.

 

Kommentare  

#1 Wolfgang Trubshaw 2012-03-02 01:39
Sehr netter Artikel!

Für die Situation in den USA gibt es als Richtlinie zur groben Orientierung unten verlinkt eine sehr übersichtliche Flowchart. (Falls man der Kategorie angehört, die Flussdiagramme als "übersichtlich" empfindet.)

www.sunsteinlaw.com/practices/copyright-portfolio-development/flowchart.htm
#2 Jonas Hoffmann 2012-03-03 01:43
ICh erachte das als Witz. Doyle ist tot, seine Kinder sollen doch bitte selbst für ihren Unterhalt sorgen.

Vielleicht sollte man langsam mal neue Begriffe wie Urheberadel oder Patentadel erfinden und in den Ring werfen.....
#3 Mikail_the_Bard 2012-03-03 23:19
Moment... verstehe ich das richtig? Auch wenn der Autor bzw der Zeichner von Bildern schon ewig tot ist, kann man das Recht an seinem geistigen Eigentum erwerben und somit der Inhaber werden?
Wenn ich jetzt eine gewissen reichste Ente der Welt wäre hätte ich $$ in den Augen... das Alphabet besteht aus Strichen, somit ist jeder einzelne Buchstabe eine Zeichnung... ich werde mal gleich das Recht an den Schriftzeichen erwerben! ;-)

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